TE Vwgh Erkenntnis 1976/9/28 1356/76

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Veröffentlicht am 28.09.1976
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Index

EStG

Norm

BAO §184 Abs1
EStG 1967 §4 Abs1
EStG 1967 §9 Abs1 Z6 lita

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):1627/761628/76

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Simon, Dr. Iro und Dr. Drexler als Richter im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde der KT in W, vertreten durch Dr. Hans Schwab, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, Leopoldstraße 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat 1, vom 8. April 1976, Zl. 6-2486/1/75, betreffend Umsatzsteuer 1967, 1968, Einkommensteuer 1967, 1968 und 1969 und Gewerbesteuer 1967, 1968 zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1967 und 1968 abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Beschwerde hinsichtlich der Einkommensteuer 1969 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 2.569,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist nach dem unwidersprochenen Beschwerdevorbringen Universalerbin nach ihrem am 18. Oktober 1969 verstorbenen Ehegatten Franz T., der früher eine fabriksmäßige Webwarenerzeugung betrieb. Am 11. Jänner 1965 hatte er den Betrieb verkauft und nur das Fertigwarenlager zurückbehalten. Dieses Fertigwarenlager wurde nach der Aktenlage von ihm in den Jahren 1965 bis 1969 sukzessive verkauft. Gegen die Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide für 1968 erhob die Beschwerdeführerin Berufung, weil in diesen die endgültige Aufgabe des Betriebes per 31. Dezember 1968 angenommen wurde und beantragte, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Haus Wien VII, K.straße 43, anstelle der ursprünglich abgesetzten AfA (1,25 % vom Einheitswert, d.s. S 9.737,50) eine 2 1/2%ige AfA von fiktiven Anschaffungskosten zum 1. Jänner 1963 abzusetzen (S 112.500,--). In einer im Zuge des Berufungsverfahrens abgegebenen berichtigten Steuererklärung wurde in der Bilanz nachträglich ein Posten Vorräte in Höhe von S 7.611,70 eingefügt.

Das Finanzamt führte zur Klärung des Sachverhaltes eine Betriebsprüfung durch, bei der unter anderem festgestellt wurde, daß die in der Buchführung der Jahre 1967 und 1968 aufscheinenden Barverkäufe (wie aus den jeweils abgegebenen großen Mengen geschlossen werden könne) Lieferungen an Großhändler ohne Angabe des Erwerbers seien, was einen Vorstoß gegen § 129 Abs. 3 BAO darstelle. Der Prüfer führte auch eine Mengenrechnung durch, bei der sich eine Fehlmenge von 534,75 m nicht fakturiertem Stoff ergab. Auf Grund dieser Feststellungen nahm das Finanzamt eine Schätzung der Umsätze und Gewinne für die Jahre 1967 und 1968 vor. Aus den fakturierten Erlösen für 1542,50 m Stoff ermittelte es einen Durchschnittsverkaufspreis von S 54,50 pro Meter und aus der Inventur zum 31. Dezember 1967 einen Durchschnittspreis von S 7,80 je Meter. Aus der Gegenüberstellung dieser Preise ergab sich ein Rohaufschlag von 600 %, dem buchmäßig durchschnittliche Rohaufschläge für 1967 von 223 % und für 1968 von 266 % gegenüberstanden. Das Finanzamt zog aus diesen Feststellungen den Schluß, daß die Buchführung für die Jahre 1967 und 1968 formell und materiell unrichtig sei und die Besteuerungsgrundlagen daher im Schätzungsweg ermittelt werden müßten. Bei der Schätzung für des Jahr 1968 ging das Finanzamt davon aus, daß die Barverkäufe von 2,035 m zum gleichen Durchschnittspreis verkauft worden seien wie bei fakturierten Lieferungen und die Mengendifferenz ebenfalls demselben Preis anzusetzen sei. Gegenüber den verbuchten Verkaufserlösen von S 43,387,-- ergab sich bei dieser Berechnung ein Mehrbetrag von S 96.000,-- der den Umsätzen und Gewinnen des Jahres 1968 hinzugerechnet wurde. Für das Jahr 1967 schätzte das Finanzamt die Barverkaufserlöse analog zu dem Verhältnis zwischen verbuchten und geschätzten Barverkaufserlösen des Jahres 1968 und kam so zu einer Erlöszurechnung von S 40.000,-- für das Jahr 1967.

Die Beschwerdeführerin focht auch die auf Grund des Betriebsprüfungsergebnisses im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Steuerbescheide für 1967 sowie den Einkommensteuerbescheid für 1969 mit Berufung an. Für das Jahr 1968 hatte das Finanzamt auf Grund des Ergebnisses der Betriebsprüfung eine Berufungsvorentscheidung erlassen, die durch rechtzeitig gestellten Antrag auf Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer Wirksamkeit getreten ist. Im Vorlageantrag wurde darauf hingewiesen, daß Franz T. seinem steuerlichen Vertreter bei der Erstellung der Bilanz 1968 versichert habe, daß er keine Vorräte mehr besitze, den brauchbaren Teil des Lagers verkauft und den unverkäuflichen Teil des Lagers im Zuge der Räumung und Aufgabe der Lagerräume verschenkt habe. Bei der Abfassung der Umsatzsteuererklärung habe sich jedoch ergeben, daß im Jänner und April 1969 noch Lieferungen und Zahlungseingänge verzeichnet worden seien und sich Franz T. offenbar in seiner Zeitengabe über die Aufgabe des Gewerbebetriebes bzw. Auflösung des Warenlagers um einige Monate geirrt haben müßte. Der Warenbestand zum 31. Dezember 1968 sei daher nachträglich rechnerisch ermittelt und die Bilanz entsprechend berichtigt worden. Die von der Betriebsprüfung ermittelte Fehlmenge könne den Teil der Waren nicht berücksichtigen, der von T. im Zuge der Räumung und des Lagers unentgeltlich abgegeben worden sei. Selbst für den Fall, daß die behaupteten Formmängel eine Schätzung gemäß § 184 BAO rechtfertigen würden, dürfe die Schätzung bei Würdigung aller Umstände nicht zu einem wirtschaftlichen Ergebnis führen, das als denkunmöglich und nicht schlüssig bezeichnet werden müsse. Der vom Prüfer verwendete Rohaufschlag von 600 % müsse nach den Ziffern des inneren Betriebsvergleiches als auch nach dem branchenmäßigen äußeren Betriebsvergleich als vollkommen irreal und wirtschaftlich unmöglich bezeichnet werden. Eine Prüfung des Rohaufschlages der letzten vor Aufgabe bzw. Veräußerung des Betriebes liegenden Jahre ergebe einen Aufschlag auf die Herstellungskosten laut Inventur von durchschnittlich 100 bis 120 %, sodaß die erzielten Umsätze durchschnittlich das Doppelte der Inventurwerte betragen. Unter Anwendung eines solchen Rohaufschlages ergebe sich für die Jahre 1965 bis 1969 ein kalkulatorischer Umsatz von rund S 1,000.000,--, dem gegenüber die ausgewiesenen Erlöse mit rund S 994.000,-- nicht abwichen. Es könne daher behauptet werden, daß die angeführten formellen Mängel zu begründeten Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit der Buchführung nicht ausreichten und eine Schätzung überhaupt und ganz besonders in dem tatsächlich vorgenommenen Ausmaß nicht rechtfertigen würden.

Die belangte Behörde wies die Berufungen aus folgenden Gründen ab: Die Beschwerdeführerin habe während der Betriebsprüfung wiederholt darauf hingewiesen, daß eine ordnungsmäßige Abwicklung des Warenlagers mit ordnungsgemäßen Grundaufzeichnungen im Rahmen eines Betriebsvermögens weder erwartet noch praktisch durchgeführt werden könne. Auch bezüglich der Streitjahre könne man an die Formvorschriften der bücherlichen Aufzeichnungen und Unterlagen keinen so hohen und strengen Maßstab anwenden, wie er nur protokollierten Vollkaufleuten mit entsprechenden Angestellten, nicht aber T. auf Grund seines Gesundheitszustandes und seines Alters von mehr als 70 Jahren zugemutet werden könne. Daraus ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin offenbar selbst von der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsaufzeichnungen nicht überzeugt sei. Die habe auch die in den Bilanzen der Firma ihres verstorbenen Gatten angegebenen Inventurwerte bzw. die diesen zugrunde liegenden Inventurzahlen als unrichtig bezeichnet. Franz T., dem als ehemaligem Vollkaufmann die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen bekannt gewesen sein mußten, habe nicht mit Ernst annehmen können, daß seine umfangreiche Tätigkeit zum Verkauf seines mit immerhin S 500.000,-- zu Buch stehenden Warenlagers nicht als gewerblich einzustufen sei. Er habe seine zurückbehaltenen Fertigwaren in einem Zeitraum von fünf Jahren an die verschiedensten Abnehmer verkauft. Zu diesem Zwecke hätten er bzw. seine Vertreter ganz Österreich bereist, was aus Vorhaltsbeantwortungen und den als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen z.B. für Kraftfahrzeugkosten hervorgehe. Es sei zwar anzunehmen, daß er Preisnachlässe gewährt habe, doch seien diese nicht mit allgemeinen Preisnachlässen, wie sie bei Ausverkäufen üblich seien, vergleichbar. Werde nämlich mit jedem einzelnen Abnehmer ein Preis ausgehandelt, wie dies bei Großabnehmern der Fall gewesen sein werde, wofür die ausgedehnten Kundenbesuche durch Vertreter sprächen, könne nicht mehr von den von der Beschwerdeführerin zitierten allgemeinen Preisnachlässen die Rede sei. Abgesehen davon sei nicht anzunehmen, daß die Großkunden die Waren zu Letztverbraucherpreisen übernommen hätten, woraus sich eine weitere Verbuchungsverpflichtung ergebe. Das Fehlen der Angaben der Erwerber stelle somit eine Verletzung der Bestimmungen des § 129 BAO dar.

Der Einwand der Beschwerdeführerin gegen die festgestellte Fehlmenge, die herangezogenen Inventurzahlen seien ungeeignet, da es sich um errechnete und der Tatsachen nicht entsprechende Zahlen handle, spreche lediglich für einen weiteren schweren formellen und materiellen Buchführungsmangel, der an sich schon eine erklärungsmäßige Veranlagung verbiete. Es sei dazu nicht klar, warum eine körperliche Bestandsaufnahme zu den genannten Zeitpunkten unmöglich gewesen sein solle. Auch der Einwand, der Betriebsprüfer habe willkürlich ein einzelnes Wirtschaftsjahr herausgegriffen und keine Rückschlüsse auf die letzte auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme ordnungsgemäß ermittelte Inventur zum 11. Jänner 1965 gezogen, sei unverständlich. Der Prüfung hätten die Wirtschaftsjahre 1967, 1968 und 1969 eines gewerblichen Einzelunternehmens unterlegen. Besteuerungszeitraum sei das einzelne Wirtschaftsjahr und nicht ein Abwicklungszeitraum von fünf Jahren. Die vorhandenen Inventuren seien daher für die Überprüfung der einzelnen Wirtschaftsjahre die einzig mögliche Grundlage gewesen. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin selbst unter Betrachtung des Gesamtzeitraumes zur Feststellung einer Mehrmenge von 340 m gelange, sei zwar für die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung beachtlich, beweise aber noch nicht, daß im Wirtschaftsjahr 1968 eine Fehlmenge von über 500 m unmöglich sei, da auch Unregelmäßigkeiten in den übrigen Wirtschaftsjahren möglich und wahrscheinlich seien.

Schließlich hätten auch noch kalkulatorische Überprüfungen zu starken Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung einerseits und die Richtigkeit der erklärten Erlöse andererseits geführt. Für mehr als ein Viertel der im Jahre 1968 verkauften Waren habe sich ein Durchschnittspreis pro Meter von S 54,50 ergeben, dem ein Wareneinsatz gegenübergestanden sei, der in der Inventur zum 31. Dezember 1967 mit drei Warenkategorien zu je S 6,-

-, S 7,-- und S 9,-- pro Meter zu Buche gestanden sei. Diese Inventur enthalte also weder teurere (bessere) noch billigere (wertlose) Waren. Der daraus einwandfrei errechenbare Rohaufschlag sei somit maßgebend. Die Gegenüberstellung auf Erfahrungswerten basierender Rohaufschlagszahlen sei im vorliegenden Fall insofern nicht zielführend, als es sich hinsichtlich des inneren Betriebsvergleiches ab1965 um ein gewerbliches Unternehmen gehandelt habe, des mit dem ursprünglichen nicht verglichen werden könne und hinsichtlich des äußeren Betriebsvergleiches sei festzustellen, daß die in den Vorjahren vorgenommenen Warenabschreibungen offensichtlich außergewöhnlich hoch durchgeführt bzw. die Waren in den Inventuren extrem unterbewertet worden seien. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die für die letzten Regulärverkäufe an langjährige Kunden erzielten Preise seien mit den übrigen Verkaufspreisen nicht vergleichbar, sei insofern unverständlich, als gerade die für alte Kunden berechneten Preise den von der Beschwerdeführerin bekämpften hohen Rohaufschlag erbracht hätten. Umso höher müßten die Preise für die übrigen, laut Inventur wertmäßig nicht abweichenden Waren ausfallen. Die Schlußfolgerung des Finanzamtes, die Preise aller verkauften Waren müßten entsprechend den Wertangaben der Inventur durchschnittlich gleich sein, sei daher durchaus schlüssig. Für den behaupteten Rohaufschlag von 100 % habe die Beschwerdeführerin keinen Beweis erbracht. Zu der vagen Behauptung der Beschwerdeführerin die von ihr errechnete Mehrmenge stamme aller Wahrscheinlichkeit nach aus einer bereits zum Zeitpunkt der Veräußerung am 11. Jänner 1965 vollkommen veralteten, nicht mehr bewerteten Menge, die bei Aufgabe bzw. Räumung des Lagers noch habe in Bausch und Bogen veräußert werden können, sei zu sagen, daß auch solche Ware und deren Verbleib aufgezeichnet hätten werden müssen. Zusammenfassend sei festzustellen, daß die Ermittlung des Erlöses für 1968 mit Rücksicht auf die vorgefundenen Aufzeichnungsmängel durch die vorgenommene Zuschätzung schlüssig erscheine. Ebenso sei die schätzungsweise Ermittlung der im Jahre 1967 erzielten Erlöse, ausgehend von dem erklärten Erfolg (mangels anderer Anhaltspunkte) und unter Hinzurechnung des tatsächlich wahrscheinlich erzielten Mehrerlöses nach dem auch für dieses Jahr geltenden Verhältnis des Jahres 1968, als richtig zu betrachten. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß ein Warenzukauf im fraglichen Zeitpunkt unwahrscheinlich sei und es sich im wesentlichen um eine abwicklungsähnliche Tätigkeit gehandelt habe, erscheine eine bei Vorliegen einer. nicht ordnungsmäßigen Buchführung üblicherweise angewendete griffweise weitere Zuschätzung nicht nötig. Der vom Finanzamt ermittelte Geschäftserfolg werde aller Wahrscheinlichkeit dem tatsächlichen Geschäftserfolg am nächsten kommen.

Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 6 lit. a EStG 1953, in der Fassung der Einkommensteuernovelle 1965, sei erstmals bei der Veranlagung für das Jahr 1964 anzuwenden gewesen. Der Gesetzgeber habe mit dieser Novellierung eine einmalige Feststellung der AfA-Bemessungsgrundlage geschaffen, was den Wechsel der Abschreibungsgrundlage ausschließe. Franz T. habe bereits 1964 das ihm durch die Einkommensteuernovelle 1965 eingeräumte Wahlrecht auszuüben gehabt. In der am 7. Juni 1966 eingereichten Einkommensteuererklärung habe Franz T. als AfA-Bemessungsgrundlage den Einheitswert zum 1. Jänner 1963 in der richtigen Höhe angegeben und somit keinen Antrag auf Heranziehung fiktiver Anschaffungskosten des Gebäudes zum 1. Jänner 1963 gestellt. Da er bei Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1964 das ihm gemäß § 9 Abs. 1 Z. 6 EStG 1953 zustehende Wahlrecht konsumiert habe, habe er von der getroffenen Wahl nicht ohne stichhaltigen Grund abgehen können. Der erst mit der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1968 gestellten Antrag, die fiktiven Anschaffungskosten des Gebäudes für die Bemessung der AfA zugrunde zu legen, sei im Hinblick auf die mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1964 getroffene unzulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird sowohl die Berechtigung zur Schätzung als auch die Höhe der Schätzung bekämpft.

Die Schätzungsberechtigung war schon auf Grund der materiellen Unrichtigkeit der Aufzeichnungen gegeben, die daraus hervorgeht, daß sich aus der Berechnung der Betriebsprüfung, die auf den Inventuren zum 31. Dezember 1967 und zum 31. Dezember 1968 beruht, eine in den Erlösen nicht gedeckte Fehlmenge von 534,75 m Stoff ergibt. Die Beschwerdeführerin hat dieser Berechnung eine andere, von der Inventur zum 12. Jänner 1965 (Zeitpunkt des Verkaufes des übrigen Betriebsvermögens) ausgehende Berechnung gegenübergestellt, aus der sich für die Jahre 1965 bis 1969 abverkaufte Stoffmengen ergeben, die um 337,80 m größer sind als der gesamte Inventurbestand zum 12. Jänner 1965. Diese Berechnung der Beschwerdeführerin zeigt, daß die Inventur zum 12. Jänner 1965, von der ausgegangen wurde, oder die Aufzeichnungen für die Folgezeit nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen können, weil niemand mehr Waren verkaufen kann, als er besitzt. Der Einwand im Verwaltungsverfahren, daß es sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach um vollkommen veraltete, nicht mehr bewertete Ware handeln müsse, ist unzutreffend, denn auch veraltet, nicht mehr bewertbare Waren müssen so lange (wenn auch ohne Bewertung) in der Inventur aufscheinen, als sie im Betrieb vorhanden sind. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin selbst darauf hingewiesen, daß die Inventuren für die Zeit nach dem 12. Jänner 1965 nicht mehr körperlich aufgenommen, sondern rechnerisch ermittelt worden seien, was ebenfalls einen, wenn auch nur formellen, Buchhaltungsmangel darstellt.

Auch die Aufzeichnungspflicht gemäß § 129 BAO war gegeben, weil der verstorbene Betriebsinhaber, wie die Feststellungen der Betriebsprüfung ergaben, einen wesentlichen Teil der Waren an gewerbliche Unternehmer zur gewerblichen Weiterveräußerung geliefert hat, wobei nicht bestritten werden konnte, daß die Preise unter den Preisen für Letztverbraucher liegen mußten, weil die Abnehmer nicht zu Letztverbraucherpreisen kaufen konnten, wenn sie selbst die Ware zur Weiterveräußerung erworben haben. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Kommentarstelle (Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Fußnote 17 zu § 129) betrifft Einzelhandelsgeschäfte und trifft daher auf den gegenständlichen Fall nicht zu. Die belangte Behörde war daher im Recht, wenn sie die Berechtigung zur Schätzung bejaht hat.

Hinsichtlich der Schlüssigkeit der Schätzung kann der belangten Behörde aber nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, daß unverkäufliche und veraltete Waren im Zuge der Liquidation unentgeltlich abgegeben worden seien. Auf diese Behauptung ist weder die Betriebsprüfung noch die belangte Behörde entsprechend eingegangen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, daß Stoffe, die aus der Erzeugung vor dem 12. Jänner 1965 stammen, in den Jahren 1967 bis 1969 zum Teil bereits wegen Entmodung unanbringlich geworden sein können. Die belangte Behörde hätte daher diese Frage prüfen müssen. Die Schätzung ist aber auch in anderer Hinsicht nicht schlüssig. Die Behörde geht - der Betriebsprüfung folgend - davon aus, daß für Barverkäufe dieselben Preise und Rohaufschläge erzielt wurden wie bei regulären Lieferungen an alte Kunden, was bei einem laufenden Betrieb richtig sein mag, aber für den Verkauf von mehrere Jahre alten Waren nicht mehr zutreffen muß. Denn es ist ohne weiteres möglich, daß stark entmodete Ware zu wesentlich niedrigeren Preisen als Barverkauf abgegeben wurde, während an die alten Abnehmer noch gängige Ware verkauft worden sein kann. Auch war im Hinblick auf die Verringerung der verwertbaren Bestände und die zunehmende Veralterung der noch verhandenen Waren das Verhältnis zwischen fakturierten Warenerlösen und den geschätzten Barerlösen des Jahres 1968 nicht ohne weiteres auf das Jahr 1967 anwendbar.

In diesem Punkt war der angefochtene Bescheid daher mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet und gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 6 lit. a EStG 1967 sind bei einem Gebäude, das vor dem 1. Jänner 1963 angeschafft, hergestellt oder unentgeltlich erworben worden ist, der Einheitswert zum 1. Jänner 1963 oder auf Antrag der Betrag, der für die Anschaffung am 1. Jänner 1963 hätte aufgewendet werden müssen, für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugrunde zu legen. Diese Bestimmung deckt sich weitgehend mit dem § 9 Abs. 1 Z. 6 lit. a EStG 1953, in der Fassung der Einkommensteuernovelle 1965, die gemäß Art. IV Abs. 3 dieser Novelle erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1964 anzuwenden war. Der Gesetzgeber hatte mit der Einkommensteuernovelle 1965 dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung eingeräumt, dessen Ausübung entweder dadurch erfolgte, daß er den vorgesehenen Antrag stellte und sich damit für eine Absetzung unter Zugrundelegung der fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten entschied oder aber dadurch, daß er den Antrag unterließ und damit sich für die Möglichkeit der Absetzung unter Zugrundelegung des Einheitswertes entschied Erkenntnis vom 21. Jänner 1970, Zl. 1332/69). Die Bestimmung des Einkommensteuergesetzes 1967 weicht von der des Einkommensteuergesetzes 1953, in der Fassung der Einkommensteuernovelle 1965, nur insoweit ab, als der Gesetzgeber die bis dahin bestandene Möglichkeit, der AfA die fiktiven Herstellungskosten zum 1. Jänner 1963 zugrunde zu legen, ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 1968 beseitigt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 17. November 1971, Zl. 1709/71, ausgeführt hat, wurde durch diese Fassung des EStG 1967 dem Steuerpflichtigen kein neuerliches Wahlrecht eingeräumt. Im vorliegenden Fall hat Franz T. in den Einkommensteuererklärungen der Jahre 1964 bis 1968 jeweils die Berechnung der AfA auf Grundlage des Einheitswertes zum. 1. Jänner 1963 beantragt und wurde auch auf dieser Basis veranlagt. Er hat daher bereits anläßlich der Veranlagung für das Jahr 1964 von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht und war nicht in der Lage, später von dieser Entscheidung abzugehen. Im übrigen ist die Frage, ob anläßlich des Inkrafttretens des Einkommensteuergesetzes 1967, wie die Beschwerdeführerin vermeint, ein neues Wahlrecht hinsichtlich der Abschreibungsgrundlage (Einheitswert, fiktiver Anschaffungskosten) geschaffen wurde, im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil Franz T., dessen Besteuerung das gegenständliche Verfahren betrifft, auch in der ursprünglichen Einkommensteuererklärung für 1968 die Berechnung der AfA vom Einheitswert zum 1. Jänner 1963 beantragt hat und damit jedenfalls auch bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin sein Wahlrecht im Sinne der Abschreibung vom Einheitswert ausgeübt hat. Die nachträgliche Antragstellung auf Berechnung der AfA von den fiktiven Anschaffungskosten konnte daher nicht mehr berücksichtigt werden.

Da die Beschwerde hinsichtlich der Einkommensteuer 1969 ausschließlich die Frage der Absetzung für Abnutzung betrifft war, sie, soweit sie die Einkommensteuer 1969 betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 und auf der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974 BGB1. Nr. 4/1975.

Wien, am 28. September 1976

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1976:1976001356.X00

Im RIS seit

26.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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