Index
Faktische Amtshandlung, VwGGNorm
BAO §138 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Dorner, über die Beschwerde des Dr. HD in L, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, Pollheimerstraße 12, wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Finanzamtes L, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Mitnahme von Honorarnotendurchschriften aus der Ordination des Beschwerdeführers sowie die Einsichtnahme in die auf diesen Durchschriften aufscheinenden Daten der Patienten (Name, Anschrift, Geburtsdatum) durch Prüfungsorgane der belangten Behörde im Zuge der beim Beschwerdeführer in der Zeit vom 23. November 1983 bis 19. Jänner 1984 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung werden für rechtswidrig erklärt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der beschwerdeführende Zahnarzt hatte zunächst beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der belangten Behörde (Finanzamt L.) erhoben. Der Verfassungsgerichtshof lehnte jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 23. November 1984, B 153/84, ab. In der antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde sowie im weiteren Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof brachte der Beschwerdeführer vor, in seiner Ordination hätte gegen Ende des Jahres 1983 und zu Beginn des Jahres 1984 eine abgabenbehördliche Prüfung (im folgenden kurz "BP" genannt) stattgefunden. Im Zuge dieser BP hätte er gefordert, daß gegenüber den Prüfern die der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Teile der Honorarnotendurchschriften abzudecken wären. Die Prüfungsorgane hätten sich jedoch über dieses Verlangen hinweggesetzt und sogar Honorarnotendurchschriften ohne Wissen und Einwilligung des Beschwerdeführers aus seinen Ordinationsräumen entfernt und in ihre Amtsstelle zur Prüfung mitgenommen. Der Beschwerdeführer erachtet sich für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in seinem Recht auf Beachtung seiner ärztlichen Verschwiegenheitspflicht sowie in seinem einfach gesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht ("gemäß ABGB") verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof erhob gemäß § 36 Abs. 9 VwGG im Wege der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich Beweis durch zeugenschaftliche Einvernahme der Prüfungsorgane, der Ehegattin des Beschwerdeführers, seines Steuerberaters sowie von Arbeitnehmern des Beschwerdeführers. Auch der Beschwerdeführer selbst wurde gehört. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hatten Gelegenheit, zu den aufgenommenen Beweisen Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hatte weiters sowohl gegenüber dem Verfassungsgerichtshof als auch gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof Gegenschriften erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Abgabepflichtige ist, wie eine Reihe von Bestimmungen der Bundesabgabenordnung erkennen läßt, lediglich verhalten, den Abgabenbehörden die Einsicht in seine Unterlagen (Unterlagen seines Betriebes) zu gewähren bzw. deren Prüfung zu dulden (siehe insbesondere § 138 Abs. 2, § 143 Abs. 2, § 144 Abs. 2, §§ 147 ff und § 164 Abs. 2). Er ist aber ohne Beschlagnahme nicht verpflichtet, die Gewahrsame darüber aufzugeben (Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, Seite 380, sowie Reeger-Stoll, Bundesabgabenordnung-Kommentar, § 164 Anmerkung 5). Dieser Gewahrsame werden jedoch Unterlagen in rechtswidriger Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt entzogen, wenn sie Organe der Abgabenbehörde ohne Wissen des Abgabenpflichtigen aus dessen Betrieb entfernen und in ihre Amtsstelle mitnehmen.
Daran ändert der an sich zutreffende Hinweis der belangten Behörde nichts, daß die Abgabenbehörde auch zu einer Prüfung von Unterlagen des Abgabepflichtigen in den Amtsräumen berechtigt ist (Stoll, a.a.O., Seiten 332, 349 und 380 f, sowie Reeger-Stoll, a. a.O., § 143 Anmerkung 9); denn diese Berechtigung ist bloß Ausfluß des schon erwähnten Einsichts- und Prüfungsrechtes der Abgabenbehörde, also des Rechtes auf Einsicht in und Prüfung der in der Gewahrsame des Abgabepflichtigen stehenden Unterlagen. Der Abgabepflichtige seinerseits ist wohl berechtigt, (ohne Beschlagnahme) aber keinesfalls - wie bereits ausgeführt verpflichtet, die Gewahrsame über seine Unterlagen aufzugeben. Er kann also darauf bestehen, daß seine Unterlagen auch in den Arbeitsräumen nur in seiner Gegenwart (Gegenwart eines Vertreters) eingesehen (geprüft) werden. Nicht geht es jedenfalls an, das Gewahrsamsrecht des Abgabepflichtigen dadurch zu umgehen, daß Unterlagen seiner Gewahrsame ohne sein Wissen entzogen werden. Vgl. im weiteren die Ausführungen zu Punkt 2.1.
1.2. Im Beschwerdefall erscheint nun nach dem Vorbringen der belangten Behörde bzw. der Prüfungsorgane nur noch fraglich, wann im Zuge der Betriebsprüfung die Honorarnotendurchschriften der Gewahrsame des Beschwerdeführers entzogen waren (hiezu siehe Punkt 2.2.), nicht mehr aber, ob die Prüfungsorgane Honorarnotendurchschriften, ohne den Beschwerdeführer zu fragen, aus seiner Ordination in die Amtsstelle mitnahmen (Gegenschriften an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof, Stellungnahmen des Betriebsprüfers P. vom 22. und 26. März 1984, Zeugenaussagen des Betriebsprüfers P. und seines Gruppenleiters M. vom 15. Mai 1985).
Die von der belangten Behörde (ihren Prüfungsorganen) ins Treffen geführten Zweckmäßigkeitserwägungen für die Mitnahme der Honorarnotendurchschriften (Ausnützung der Weihnachtszeit für die Prüfung ohne Störung für den Abgabepflichtigen) rechtfertigten es nicht, die Unterlagen seiner Gewahrsame zu entziehen.
2.1. § 10 des auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Ärztegesetzes BGBl. Nr. 92/1949 verpflichtete den Arzt zur Wahrung der ihm in Ausübung seines Berufes anvertrauten oder bekanntgewordenen Geheimnisse. Diese Verpflichtung traf (und trifft) auch Zahnärzte (Arnold, Einschränkungen des Berufsgeheimnisses - Ausnahme vom Geheimnisschutz, ÖJZ Nr. 1/82, und derselbe, Das Berufsgeheimnis der freien Berufe, in Ruppe, Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben, S. 229).
Die Regelung über die ärztliche Verschwiegenheitspflicht zielt erkennbar darauf ab, den Patienten einen möglichst weitgehenden Vertrauensschutz zu gewähren (Strobl, Ärztegesetz, § 10 Anmerkung 2, Stellamor, Ärztliche Berufsordnung, S. 66, Aigner-List, Ärztegesetz 1984, § 26 Anmerkung 1, sowie Arnold, Das Berufsgeheimnis der freien Berufe, a.a.O., S. 227). Der Patient soll sich rückhaltlos seinem Arzt anvertrauen und damit rechnen können, daß das, was er nur seinem Arzt anvertraut wissen will, eben niemand anderem zur Kenntnis gelangt, auch wenn dem anderen selbst wieder eine Geheimhaltungspflicht obliegt (vgl. Kaan, Die Verschwiegenheitspflicht berufsmäßiger Parteienvertreter im Abgabenverfahren, Nachrichtenblatt der österreichischen Rechtsanwaltschaft Nr. 1/65). Bei diesem Verständnis ist das ärztliche Berufsgeheimnis entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht nur von Bedeutung, wenn Ärzte in Abgabensachen Dritter Auskunftspersonen oder Zeugen sind (siehe § 143 Abs. 3 und § 171 Abs. 1 lit. c BAO). Es ist vielmehr auch zu beachten, wenn es um die eigene Abgabepflicht des Arztes geht (siehe Stoll, Auskunftspflichten und Geheimnisschutz im Abgabenrecht, in Ruppe, a. a.O., insbesondere S. 207 ff, und Arnold, Das Berufsgeheimnis der freien Berufe, a.a.O., insbesondere S. 249, weiters Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, S. 394 und 396 f, Kaan, a.a.O., Arnold, Einschränkungen des Berufsgeheimnisses, a.a.O.,. und Reeger-Stoll, a.a.O., § 171 Anmerkung 7). Anderen Berufen (Notaren, Rechtsanwälten) haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Berücksichtigung gesetzlich anerkannter Verschwiegenheitspflichten auch in eigenen Abgabenangelegenheiten bereits zuerkannt (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1964, Zl. 184/64, Slg. Nr. 3083/F, und Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. März 1972, B 689/70, Slg. Nr. 6694). Für Ärzte besteht aus der Sicht des Berufsgeheimnisses selbst kein Anlaß zu einer differenzierenden Betrachtung.
Eine abweichende Betrachtung rechtfertigt aber auch die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Bestimmung des § 10 Abs. 2 lit. b des Ärztegesetzes nicht, derzufolge die ärztliche Verschwiegenheitspflicht unter anderem denn nicht besteht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt durch Interessen der Rechtspflege gerechtfertigt ist. "Rechtspflege" schließt nun zwar die Pflege des öffentlichen Rechts durchaus ein. Die Frage, ob die Offenbarung des Geheimnisses durch "Interessen" der Rechtspflege "gerechtfertigt" ist, kann aber nur auf Grund einer Interessensabwägung beantwortet werden (siehe auch Arnold,
Das Berufsgeheimnis der freien Berufe, a.a.O., S. 276 ff, Strobl, a. a.O., § 10 Anmerkung 4, und Stellamor, a.a.O., Seite 70 letzter Absatz). Der Verwaltungsgerichtshof meint nun, daß der Vertrauensschutz für einen ärztlichen Patienten nicht geringer zu veranschlagen ist als der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 3083/F bereits anerkannte Vertrauensschutz für den Klienten eines Notars und daß daher auch dem Schutz des Vertrauens des Patienten zu seinem Arzt der Vorzug gegenüber entgegenstehenden abgabenrechtlichen Grundsätzen und insbesondere gegenüber der abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht gebührt; das Interesse an der Wahrung des "Ärztegeheimnisses" ist demnach höher zu werten als das an einer voll zutreffenden Abgabenerhebung beim Arzt (siehe nochmals das Erkenntnis Slg. Nr. 3083/F sowie Harbich, Einige Fragen der anwaltlichen Verschwiegenheit, Nachrichtenblatt der österreichischen Rechtsanwaltschaft Nr. 12/83, S 674). Fälle, in denen andere Interessen dem Interesse an der Wahrung des Ärztegeheimnisses vorgehen können, zeigt Arnold in seiner schon mehrfach angeführten Abhandlung über das Berufsgeheimnis der freien Berufe auf: So erscheint der Arzt an das Berufsgeheimnis nicht gebunden, wenn er selbst einer strafbaren Handlung bezichtigt oder mit Schadenersatzansprüchen wegen unsachgemäßer Heilbehandlung konfrontiert wird; aber auch in diesen Fällen hat sich die Preisgabe ärztlichen Wissens auf das unumgänglich Notwendige zu beschränken (§ 278 f).
Schon die bisherigen Ausführungen in diesem Punkt zeigen, daß die ärztliche Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich auch gegenüber Personen besteht, denen selbst wieder eine Verschwiegenheitspflicht obliegt. Dies gilt auch im Verhältnis zu der in § 48 a BAO begründeten abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht von Organen der Abgaben-(Monopol-, Finanzstraf-)behörden, auf welche die belangte Behörde hinweist. Daß eine gesetzlich anerkannte Berufspflicht zur Verschwiegenheit gegenüber den Abgabenbehörden nicht deshalb hinfällig wird, weil deren Organe der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht unterliegen, zeigt übrigens auch die den Trägern von Berufsgeheimnissen im Abgabenverfahren eingeräumte Berechtigung, sich als Auskunftsperson oder Zeuge einer Aussage über Fragen zu entschlagen, die sie nicht beantworten könnten, ohne eine ihnen obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der sie nicht gültig entbunden wurden, zu verletzen (§ 143 Abs. 3 und § 171 Abs. 1 lit. c BAO). Unterliegt doch auch das, was Organen der Abgabenbehörden aus Auskünften und Zeugenaussagen bekannt wird, der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht. Hinsichtlich der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B-VG), auf die sich die belangte Behörde neben der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht ("Steuergeheimnis") in der gegenüber dem Verfassungsgerichtshof erstatteten Gegenschrift beruft, gilt das zur abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht Gesagte gleichermaßen.
Von der ärztlichen Geheimhaltungspflicht muß alles, was Rückschlüsse auf die dem Arzt in Ausübung seines Berufes anvertrauten oder bekanntgewordenen Geheimnisse zuläßt, als umfaßt angesehen werden. Dies gilt auch für Belege wie die in Streit stehenden Honorarnotendurchschriften, soweit sie solche Geheimnisse offenbaren. Es ist daher auch dem Arzt das Recht zuzubilligen und eine dahingehende Forderung seitens der Abgabenbehörde zu respektieren, daß Belegteile, deren Kenntnis zu einem Bruch des "Ärztegeheimnisses" führen könnte, gegenüber Organen der Abgabenbehörde abgedeckt werden.
Die belangte Behörde vertritt den Gegenschriften zufolge offensichtlich die Auffassung, die Mitnahme der Honorarnotendurchschriften in die Amtsstelle und die volle Einsichtnahme in diese könne (mangels Ausübung eines Zwanges bzw. Gewaltanwendung) nicht den Tatbestand der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt erfüllen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht. Der zuletzt genannte Tatbestand erscheint vielmehr nicht nur verwirklicht, wenn Behördenorgane eine bestimmte Person gegen deren Willen, sondern auch dann, wenn sie diese ohne deren Wissen durch rechtswidriges faktisches Handeln vor vollendete Tatsachen stellen. Worauf in diesem Zusammenhang die Bemerkung der belangten Behörde in der für den Verwaltungsgerichtshof bestimmten Gegenschrift abzielt, die behördliche Befehls- und Zwangsgewalt müsse unmittelbar, also ohne vorangegangenes Verfahren, ausgeübt werden, ist dem Verwaltungsgerichtshof bezogen auf den Beschwerdefall unerfindlich; denn den in Rede stehenden "faktischen Amtshandlungen" ist ja kein Verfahren vorausgegangen, obwohl durchaus die (bezüglich ihres Erfolges allerdings zweifelhafte) verfahrensrechtliche Möglichkeit dazu bestanden hätte: Bezüglich der Entziehung von Honorarnotendurchschriften aus der Gewahrsame des Beschwerdeführers durch ein Beschlagnahmeverfahren gemäß §§ 89 ff FinStrG in der für die Jahre 1983 und 1984 noch geltenden Fassung (siehe nochmals Stoll, BAO-Handbuch, S. 380) und bezüglich der uneingeschränkten Einsichtnahme in diese Durchschriften vor allem über ein Zwangsstrafverfahren gemäß § 111 BAO. Verwiesen sei hier auf die Ausführungen bei Stoll, BAO-Handbuch, S. 352, aus denen unter anderem hervorgeht, daß der Abgabepflichtige eine verfahrensrechtlich nicht gedeckte Einsicht in seine Unterlagen verweigern kann. "Allfällige Zwangsmaßnahmen müßten diesfalls bescheidmäßig angeordnet und im Rechtsmittelverfahren verantwortet werden; dem Rechtsschutzbedürfnis ist damit voll Rechnung getragen. Denn in dem Ausmaße, in dem die einschlägigen Verfahrensbestimmungen vom Prüfer verletzt werden, die Duldungen und die Mitwirkung, die erzwungen werden sollen, sohin rechtswidrig verlangt werden, würden sich die Zwangsmaßnahmen als unzulässig (und nicht durchsetzbar) erweisen." Anstelle dieses von Stoll zutreffend vorgezeichneten Weges haben die Prüfungsorgane - wie in Punkt 2.2. aufgezeigt werden wird - sich über die Weigerung des Beschwerdeführers, die Honorarnotendurchschriften voll offenzulegen, einfach hinweggesetzt.
Das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1956, Zl. 803/54, betraf noch die Rechtslage vor Inkrafttreten der Bundesabgabenordnung und ist durch die genannten, im Geltungsbereich der Bundesabgabenordnung ergangenen Erkenntnisse der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts über die abgabenrechtliche Bedeutsamkeit gesetzlich anerkannter Berufsgeheimnisse überholt. Das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1966, Zl. 1673/65, aber hatte nicht die Einsichtsbefugnis in Unterlagen, sondern die Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörden bei geltend gemachter Verschwiegenheitspflicht zum Gegenstand. Das von der belangten Behörde ebenfalls erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1981, Zl. 81/14/0067, trifft weder hinsichtlich des Entzuges von Unterlagen aus der Gewahrsame des Abgabepflichtigen noch bezüglich gesetzlich anerkannter Verschwiegenheitspflichten eine Aussage.
2.2. Die Frage der nur eingeschränkten Einsichtnahme in die Honorarnotendurchschriften ist allerdings nicht nur rechtlich, sondern auch sachverhaltsmäßig umstritten. Es liegen nicht nur wiedersprüchliche Angaben der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der Zeugen darüber vor, ob seitens des Beschwerdeführers die nur beschränkte Einsichtnahme in die Honorarnotendurchschriften begehrt wurde, sondern auch darüber, wann und in welchem Umfang dieses Begehren gestellt wurde. Die Widersprüche sind verständlich, wenn man den Zeitablauf (BP zum Jahreswechsel 1983/84, Zeugenaussagen überwiegend um die Jahresmitte 1985 und darnach) und die Tatsache berücksichtigt, daß es weitgehend um Detailangaben und - aus der Sicht der Prüfungsorgane - um Fragen ging, denen sie zunächst (wenn auch zu Unrecht, siehe Punkt 2.1.) kein rechtliches Gewicht beimaßen.
Der Verwaltungsgerichtshof schenkt aus folgenden Gründen den Angaben des Beschwerdeführers und der von ihm namhaft gemachten Zeugen, er hätte der Einsichtnahme in die Honorarnotendurchschrifte n nur in eingeschränktem Umfang (unter Abdeckung von Rechnungsteilen durch seine Ehegattin) zugestimmt, Glauben:
In seiner mit 22. März 1984 datierten und somit zur BP noch verhältnismäßig zeitnahen Stellungnahme des Betriebsprüfers P. zur Verfassungsgerichtshofbeschwerde legte dieser seine Meinung dar, daß die Honorarnotendurchschriften (überhaupt) nicht der ärztlichen Verschwiegenheit unterlägen und daß dieser Standpunkt auch dem Abgabepflichtigen (Beschwerdeführer) gegenüber am 13. Dezember 1983, an welchem Tag laut Stellungnahme eine Besprechung zwischen dem Beschwerdeführer, dem Betriebsprüfer P. und seinem Gruppenleiter M. stattfand, eingenommen und mitgeteilt worden wäre; die Aussage des Beschwerdeführers vom 4. Juni 1985, seiner Weigerung in die Honorarnotendurchschriften die volle Einsichtnahme zu gestatten, hätte der Gruppenleiter M. anläßlich einer Besprechung Mitte Dezember 1983 im Beisein des Betriebsprüfers P. entgegengehalten, dies sei dennoch das Recht des Prüfers, deckt sich mit der eben wiedergegebenen Stellungnahme des Betriebsprüfers P. weitgehend. Es hätte aber für die Prüfungsorgane kein Anlaß bestanden, gegenüber dem Abgabepflichtigen (Beschwerdeführer) im Sinne der Stellungnahme des Betriebsprüfers P. vom 22. März 1984 bei der Besprechung am 13. Dezember 1983 den gegenteiligen Standpunkt einzunehmen, wenn nicht auch der Beschwerdeführer seinen Standpunkt über das bloß eingeschränkte Einsichtsrecht der Prüfer in die Honorarnotendurchschriften vertreten hätte.
Dafür, daß seitens des Beschwerdeführers bloß beschränkte Einsicht in die Honorarnotendurchschriften verlangt wurde, spricht auch die Zeugenaussage des Betriebsprüfers H. vom 27. September 1985, der nach seinen Angaben am 7. Dezember 1983 anhand der Honorarnotendurchschriften die offenen Forderungen zum 1. Jänner 1980 und 1. Jänner 1981 ermittelte. Die Ehegattin des Beschwerdeführers hätte diese Tätigkeit laut H. zunächst widerspruchslos zur Kenntnis genommen, dann aber, offenbar nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer, erklärt, daß Name und Diagnose unter das Ärztegeheimnis fielen und sie daher der Tätigkeit des Betriebsprüfers widersprechen müsse. In der Folge hätte die Ehegattin die Einsichtnahme allerdings nur "sporadisch" beschränkt.
Auf Grund dieser Angaben der Betriebsprüfer ist als erwiesen anzunehmen, daß der Beschwerdeführer (im Wege seiner Ehegattin) hinsichtlich der Einsichtnahme in die Honorarnotendurchschriften seine ärztliche Verschwiegenheitspflicht ins Treffen führte. Darüber, wann dies der Fall war - zu Prüfungsbeginn (Aussage des Beschwerdeführers vom 4. Juni 1985), "einige Tage nach Prüfungsbeginn" (Aussage der Ehegattin vom 4. Juni 1985), am 7. Dezember 1983 (Aussage des Betriebsprüfers H. vom 27. September 1985), am 13. Dezember 1983 (Stellungnahme des Betriebsprüfers P. vom 22. März 1984) oder bei der Rückgabe der Belege bzw. am 18. Jänner 1984 (Aussagen des Betriebsprüfers P. und des Gruppenleiters M. am 15. Mai 1985) - gehen die Aussagen auseinander. Auf Grund der zeitnahen Stellungnahme des Betriebsprüfers P. vom 22. März 1984 kann aber unbedenklich davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer spätestens am 13. Dezember 1983 sein Begehren auf bloß beschränkte Einsichtnahme in die Honorarnotendurchschriften deponierte.
Die diesem Begehren widersprechende, unrechtmäßige volle Einsichtnahme in die Honorarnotendurchschriften ist jedenfalls ab dem 15. Dezember 1983, an welchem Tag die Prüfungsorgane die Honorarnotendurchschriften ohne Wissen des Beschwerdeführers aus dessen Ordination entfernten, bis zu ihrer Rückgabe am 18. Jänner 1984 zu unterstellen (Daten laut den in Punkt 1.2 angeführten Auskunfts- und Beweismitteln). Für diese Zeit ist nämlich nicht einmal die Annahme der belangten Behörde und ihrer Organe vertretbar, der Beschwerdeführer hätte ihnen die Honorarnotendurchschriften zur uneingeschränkten Einsichtnahme "überlassen". Auch zu den Angaben des Beschwerdeführers, daß ihm das Fehlen der Honorarnotendurchschriften erst kurz vor ihrer Rückgabe (am 17. Jänner 1984) auffiel, zu zweifeln, besteht kein Anlaß.
Als aufklärungsbedürftig ergab sich schließlich, welche Teile der Honorarnotendurchschriften der Beschwerdeführer abgedeckt wissen wollte. Die Aussagen des Beschwerdeführers und der von ihm geführten Zeugen sind widersprüchlich: Teils ist von Name und Anschrift der Patienten sowie der "Diagnose", teils nur von Name und Anschrift der Patienten die Rede. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ging und geht es dem Beschwerdeführer in erster Linie um die Geheimhaltung der persönlichen Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum) seiner Patienten:
In der Stellungnahme vom 15. November 1985 führte der Beschwerdeführer aus, der Zeuge G. sei am 7. Dezember 1983 ständig in dem Raum anwesend gewesen, in dem auch der Betriebsprüfer H. gearbeitet hätte. G. habe insbesondere die Belehrung des Beschwerdeführers gehört, daß die Prüfer (H. und P.) die Honorarnoten (Durchschriften) nur im Beisein seiner Ehegattin sehen dürften, "wobei Patientenname abgedeckt würde". Tatsächlich habe G. auch gesehen, daß die Ehegattin dem Prüfer die Honorarnoten nur unter Abdeckung des Patientennamens vorgelegt habe. Mit dem stimmt die Zeugenaussage des G. vom 4. Juni 1985 voll überein, der Beschwerdeführer habe die Prüfer (H. und P.) darauf aufmerksam gemacht, daß die Honorarnotendurchschriften nur im Beisein seiner Gattin eingesehen werden dürften, in der Form, daß die Ehegattin den jeweiligen Namen des Patienten, auf welchen die Rechnung laute, abdecke. Er habe gesehen, daß die Ehegattin die "Rechnungen" (Durchschriften) dem Prüfer H. nur unter Abdeckung des Namens des Patienten zur Einsicht vorgelegt habe. Weiters legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 14. Mai 1985 dem Verwaltungsgerichtshof über dessen Aufforderung Muster der strittigen Honorarnotendurchschriften in Form von Ablichtungen vor. Auf diesen Ablichtungen, die im übrigen keine Diagnosen, sondern die vom Beschwerdeführer erbrachten Leistungen und ihren Preis ausweisen, sind lediglich Familienname, Anschrift und möglicherweise das Geburtsdatum der Patienten abgedeckt, laut Schriftsatz aus Gründen der ärztlichen Verschwiegenheit. Es erscheint bei Leistungen wie sie ein Zahnarzt erbringt, in der Tat der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht hinreichend Rechnung getragen, wenn lediglich die Angaben über den Leistungsempfänger geheim bleiben, weil ja aus der Art der zahnärztlichen Leistung auf den Leistungsempfänger in aller Regel nicht geschlossen werden kann.
2.3. Nur der Vollständigkeit halber sei zuletzt erwähnt, daß der Standpunkt der belangten Behörde, die Honorarnotendurchschrifte n unterlägen uneingeschränkt der abgabenbehördlichen Einsicht, nicht auch jener des Bundesministeriums für Finanzen ist. Dessen in der ÖSWK Heft 6/86 wiedergegebener Erlaß vom 14. November 1985, GZ 05 1502/1-IV/5/85, räumt Ärzten - wie eine beispielhaft angeführte Leistung zeigt, auch Zahnärzten - im Hinblick auf ihre Schweigepflicht durchaus das Recht ein, für Zwecke der Abgabenerhebung eine weitere Rechnungsdurchschrift anzufertigen, welche die, wenn auch gesetzlich geforderten, Angaben über Name und Anschrift des Leistungsempfängers nicht enthält. Der sohin auch vom Bundesministerium für Finanzen für berechtigt erachteten "Anonymisierung" ärztlicher Rechnungen (Durchschriften) im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht kann allerdings auch durch Abdeckung der Daten der Leistungsempfänger gegenüber den Organen der Abgabenbehörde entsprochen werden (vgl. auch nochmals das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 6694).
3. Der Beschwerdeführer ist also mit seiner Beschwerde im Recht. Das Vorgehen von Organen der belangten Behörde war daher nach Maßgabe des Spruches dieses Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 4 VwGG für rechtswidrig zu erklären. Damit erübrigte sich auch die Aufnahme weiterer vom Beschwerdeführer beantragter Beweise.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Für die bereits im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren konnte, wie der Vollständigkeit halber bemerkt sei, kein Aufwandersatz zugesprochen werden.
Wien, am 16. September 1986
Schlagworte
ÄrztegeheimnisÄrztegeheimnis BerufsgeheimnisBerufsgeheimnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1985140007.X00Im RIS seit
28.02.2020Zuletzt aktualisiert am
28.02.2020