TE Vfgh Beschluss 1996/9/24 G172/96, G173/96

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Veröffentlicht am 24.09.1996
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
VStG §22
VStG §30
StVO 1960 §99

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Teilen des §22 und des §30 VStG betreffend das Zusammentreffen strafbarer Handlungen mangels Legitimation; Verwaltungsstrafverfahren gegen den Antragsteller wegen Lenkens eines PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand sowie ein im Zuge dieses Verfahrens gestellter Gesetzesprüfungsantrag durch den Unabhängigen Verwaltungssenat auf Aufhebung eines Teils der zur Prüfung begehrten Bestimmungen bereits anhängig; Stellung des Antragstellers als beteiligte Partei im Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Antragsteller begehrt mit seinen auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Anträgen, "die Worte 'oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen' in §22 Abs1 VStG, die Bestimmung des §22 Abs2 VStG zur Gänze oder die Worte 'oder einem Gericht' in §22 Abs2 VStG und die Worte 'in Abs2, 2 a, 2 b, 3 oder 4 bezeichnete' in §99 Abs6 litc StVO, den §30 VStG zur Gänze oder deren Wortfolge 'und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind' und die in §30 Abs2, 3 und 4 VStG und in §22 Abs1 VStG enthaltene Wortfolgen 'oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen' oder die Worte 'Alkohol oder' in §99 Abs1 lita StVO, oder die Worte 'oder einem Gericht' in §22 Abs2 VStG als verfassungswidrig aufzuheben".

Zur Zulässigkeit der Individualanträge führt der Antragsteller aus, er habe beim Lenken seines PKWs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht. Infolgedessen sei er vom Bezirksgericht Mattighofen wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach §89 iVm §81 Z2 StGB rechtskräftig verurteilt worden. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn sei über ihn "wegen des alkoholisierten Lenkens dieses PKW" eine Geldstrafe verhängt worden. Dagegen habe er Berufung eingelegt, da aber "dem Unabhängigen Verwaltungssenat in §51 Abs7 VStG eine 15-monatige Entscheidungsfrist eingeräumt" sei, laufe er Gefahr, "nicht rechtzeitig eine Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof erheben zu können, bei welchem zu G 9, 83, 86/96 u.a. bereits Gesetzesprüfungsverfahren anhängig sind". Er "vertrete aber die Rechtsansicht, daß in einem derartigen Fall ein Rechtsanspruch darauf besteht, vor dem Verfassungsgerichtshof Anlaßfall zu werden".

Zur Antragsbegründung wird vom Antragsteller weiters vorgebracht, daß er sich in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht "keiner Doppelbestrafung unterzogen zu werden" als verletzt erachte. Er sei durch diese verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen aktuell betroffen, da, wenn der Unabhängige Verwaltungssenat nicht umgehend über seine Berufung entscheide, er Gefahr laufe, "die Möglichkeit, Anlaßfall vor dem Verfassungsgerichtshof zu werden, zu verlieren".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, VfGH 14.6.1994, V84/93).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 8396/1978, 8464/1978) ist es zwar dem Antragsteller unzumutbar, durch Zuwiderhandlung gegen die StVO 1960 ein Verwaltungsstrafverfahren zu provozieren, um solcher Art Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren zu initiieren.

2. Ist ein Strafverfahren aber ohnehin bereits anhängig, so ist es dem Beschuldigten durchaus zumutbar, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die Verordnung vorzubringen (VfSlg. 11684/1988, 11726/1988).

Ein derartiges Verwaltungsstrafverfahren wurde gegen den Antragsteller bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 24.6.1996, ZVerkR 96-15055-1996-Shw, eingeleitet, mit dem über ihn eine Verwaltungsstrafe in Höhe von S 10.000,- s.A. wegen Lenkens eines PKWs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verhängt wurde. Gegen dieses Straferkenntnis wurde vom Antragsteller fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben. Aus Anlaß dieses Verfahrens hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß Art129 a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den zu G197/96 protokollierten Antrag auf Aufhebung eines Teils der zur Prüfung begehrten Bestimmungen gestellt. Der Antragsteller genießt in diesem Verfahren die Stellung einer beteiligten Partei.

Da es im übrigen dem Antragsteller jederzeit offensteht, nach Abschluß des Gesetzesprüfungsverfahrens und Beendigung des Verwaltungsstrafverfahrens im Zuge der Erhebung einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahren anzuregen, sind seine Anträge im oben angeführtem Umfang unzulässig.

3. Die Anträge sind daher mangels Legitimation des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorausgegangene Verhandlung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Beteiligter, Verwaltungsstrafrecht, Zusammentreffen strafbarer Handlungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G172.1996

Dokumentnummer

JFT_10039076_96G00172_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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