TE Vwgh Beschluss 2020/1/21 Ra 2019/16/0218

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §24 Abs3
VwGG §24 Abs4
VwGG §25a Abs5
VwGG §46 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache der H GmbH & CO KG in H, Deutschland, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 22. Oktober 2019, Zl. RV/7200041/2019, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis vom 7. August 2019 wies das Bundesfinanzgericht Beschwerden der revisionswerbenden Kommanditgesellschaft (Revisionswerberin) gegen Bescheide des Zollamtes Wien betreffend Verbrauchsteuern und Säumniszuschläge als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis wurde am Freitag, dem 9. August 2019, der Revisionswerberin zugestellt.

2 Mit Schriftsatz vom Freitag, dem 20. September 2019, brachte die Revisionswerberin am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof im elektronischen Rechtsverkehr eine Revision gegen das erwähnte Erkenntnis ein, welche keine handschriftliche Unterschrift enthält, im Rubrum den Vermerk "1-fach" aufweist und welche der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 26. September 2019 dem Bundesfinanzgericht zuständigkeitshalber übermittelte. 3 Mit einem undatierten, am 1. Oktober 2019 beim Bundesfinanzgericht eingelangten Schriftsatz begehrte die Revisionswerberin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das erwähnte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 7. August 2019. 4 Der den Akt betreuende Rechtsanwalt der Kanzlei habe am Freitag, dem 20. September 2019, die Endfassung der Revisionsschrift noch einmal durchgesehen, unterschrieben und sodann seine Assistentin, Frau S.G., mit der Einbringung beim Bundesfinanzgericht beauftragt. Die Assistentin habe dann irrtümlich die Revisionsschrift statt per Post an das Bundesfinanzgericht zu schicken, über "Web-ERV" direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Am Abend, nach Rückkehr von einem auswärtigen Termin habe dann der Rechtsanwalt überprüft, ob die Frist für die Revision im Fristenbuch gelöscht sei. Da dies der Fall gewesen sei, sei der Rechtsanwalt davon ausgegangen, dass die Revision ordnungsgemäß eingebracht worden sei. Von der unrichtigen, Einbringung der Revision direkt beim Verwaltungsgerichtshof sei der Rechtsanwalt am Montag, dem 23. September 2019 von seiner Assistentin verständigt worden. 5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Im Adressfeld der Revision sei nicht das Bundesfinanzgericht, sondern der Verwaltungsgerichtshof genannt. Als Art der Versendung sei nicht wie sonst üblich "Einschreiben", sondern "per Web-ERV" vermerkt gewesen. Das Bundesfinanzgericht wies darauf hin, dass die Einbringung von Eingaben an das Bundesfinanzgericht mittels "Web-ERV" nicht vorgesehen sei. Dem Rechtsanwalt, welcher die Revisionsschrift knapp unter der falschen Adressbezeichnung auf derselben Seite persönlich unterfertigt habe, hätte bei Wahrung der gebotenen Sorgfalt dieser Fehler auffallen müssen. Dass der Rechtsanwalt im Zuge der Unterfertigung es unterlassen habe, die Revisionsschrift im Adressfeld richtig zu stellen oder richtig stellen zu lassen, stelle ein Versehen dar, welches nicht minderen Grades sei. 7 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

8 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. 9 Gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das Bundesfinanzgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach dem Parteienvertreter kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen sei, wenn dieser rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verlässlichen Kanzleikraft überlasse. Das Bundesfinanzgericht sei aktenwidrig davon ausgegangen, dass die ursprüngliche beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revision vom Rechtsanwalt unterschrieben gewesen wäre, womit der Rechtsanwalt die Anweisung zum Ausdruck gebracht habe, den Schriftsatz beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Tatsächlich sei der mit dem fehlerhaften Adressatenfeld im elektronischen Rechtsverkehr eingereichte Schriftsatz nicht mit einer Unterschrift des Rechtsanwaltes versehen worden und habe der Rechtsanwalt durch mündliche Weisung an die Assistentin, den Schriftsatz beim Bundesfinanzgericht einzubringen, den richtigen Adressaten der Revision ausdrücklich zum Ausdruck gebracht. Das Adressatenfeld sei auch nicht durch den Rechtsanwalt ausgefüllt worden, sondern von der Assistentin im Zuge der Vorbereitung der "Web-ERV-Versendung" mit dem falschen Gericht versehen worden. 12 Mit dem Vorwurf, das Bundesfinanzgericht habe aktenwidrig festgestellt, der beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revisionsschriftsatz sei vom Rechtsanwalt unterschrieben gewesen, rügt die Antragstellerin einen Verfahrensfehler, welcher zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nur dann führen könnte, wenn die Relevanz des Verfahrensfehlers dargelegt und gegeben wäre. Diese ist aus folgenden Gründen jedoch nicht gegeben:

13 Wiewohl die Revisionswerberin selbst im Wiedereinsetzungsantrag (Punkt 2.1. des Schriftsatzes) schreibt, "dementsprechend hat der den Akt betreuende Rechtsanwalt der Kanzlei, Dr. ..., die Endfassung der Revisionsschrift noch einmal durchgesehen, unterschrieben und sodann seiner Assistentin, Frau S.G., mit der Einbringung beim Bundesfinanzgericht beauftragt", trifft die nunmehr in der Revision erhobene gegenteilige Sachverhaltsbehauptung zu, dass der beim Verwaltungsgerichtshof am 20. September 2019 im elektronischen Rechtsverkehr eingelangte Schriftsatz nicht handschriftlich unterschrieben war.

14 Nach dem in der Revision geschilderten Ablauf in der Kanzlei des Rechtsanwaltes werde die Freigabe von Schriftstücken zur postalischen Übermittlung einerseits dergestalt bewerkstelligt, dass der Rechtsanwalt den unter Verwendung einer näher bezeichneten Rechtsanwaltssoftware ausgedruckten Schriftsatz am Deckblatt unterschreibe. Solle ein Schriftsatz andererseits im elektronischen Rechtsverkehr übermittelt werden, werde der Schriftsatz nicht unterschrieben (um zu vermeiden, den unterschriebenen Schriftsatz wieder einscannen zu müssen) und werde die Freigabe bloß mündlich oder durch Handzeichen auf der Letztfassung des Konzepts erteilt.

15 Dass die Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen war (§ 25a Abs. 5 VwGG) und dafür die Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs nicht vorgesehen ist, musste dem Rechtsanwalt bewusst sein. Ebenso musste ihm bewusst sein, dass eine nicht im elektronischen Rechtsverkehr einzubringende Revision handschriftlich zu unterschreiben ist (wie es auch dem geschilderten Kanzleiablauf entspräche) und dass von jedem Schriftsatz samt Beilagen so viele gleichlautende Ausfertigungen beizubringen sind, dass jeder vom Verwaltungsgericht oder vom Verwaltungsgerichtshof zu verständigenden Partei oder Behörde eine Ausfertigung zugestellt und überdies eine für die Akten des Verwaltungsgerichtshofes zurückbehalten werden kann (§ 24 Abs. 3 VwGG).

16 Nach dem Vorbringen der Revisionswerberin selbst hat der Rechtsanwalt eine Revision, welche nach dem geschilderten Ablauf in seiner Kanzlei das Erscheinungsbild eines Schriftsatzes aufwies, der für eine postalische Übermittlung nicht geeignet war, sondern der im elektronischen Rechtsverkehr zu übermitteln wäre, nämlich kein Adressfeld enthalten hat und vom Rechtsanwalt nicht unterschrieben war (und den Vermerk "1-fach" im Rubrum aufwies - § 24 Abs. 4 VwGG), seiner Assistentin mit lediglich mündlicher Anordnung übergeben, die Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen, obwohl der Schriftsatz in dieser Form beim Bundesfinanzgericht im elektronischen Rechtsverkehr nicht hätte eingebracht werden können.

17 Damit hat der Rechtsanwalt eine gefahrengeneigte Situation geschaffen (vgl. etwa VwGH 27.5.2014, 2014/16/0001, und VwGH 29.4.2014, Ro 2014/16/0009), bei der es nachvollziehbar ist, dass sie zur tatsächlich fehlerhaften Einbringung des Revisionsschriftsatzes im elektronischen Rechtsverkehr unmittelbar beim Verwaltungsgerichthof geführt hat.

18 Deshalb liegt auch bei dem von der Revisionswerberin vorgetragenen Sachverhalt ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Parteienvertreters der Revisionswerberin vor, welches der Revisionswerberin zuzurechnen ist (vgl. auch VwGH 12.11.2019, Ra 2019/16/0110, und VwGH 27.6.2018, Ra 2017/15/0051).

19 Somit zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG auf.

20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160218.L00

Im RIS seit

16.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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