TE Vwgh Beschluss 2020/1/21 Ra 2018/06/0201

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §46
AVG §52
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision des Dr. F S in G, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Karmeliterplatz 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 3. Mai 2018, Zl. LVwG 41.24-3858/2014-19, betreffend ein Verfahren nach dem Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Land Steiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 24. April 2014 erklärte die Steiermärkische Landesregierung, soweit für das vorliegende Verfahren relevant, die Ausführung eines näher bezeichneten Straßenbauvorhabens (Errichtung eines Gehsteigs; Schließung einer Gehsteig-Lücke zu einer Bushaltestelle) der mitbeteiligten Partei für zulässig (Spruchpunkt I) und enteignete unter gleichzeitiger Bestimmung der Höhe der Entschädigung gemäß den §§ 48 bis 50 Steiermärkisches Landes - Straßenverwaltungsgesetz 1964, LGBl. Nr. 154/1964 (LStVG), für die Ausführung des Straßenbauvorhabens die im Projekt näher dargestellten Teilflächen und sonstigen Anlagen des im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Gst. Nr. X KG W (Spruchpunkt II). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 7. Juli 2016 abgewiesen. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. September 2017 zu Ra 2016/06/0148 wurde dieses Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Abänderung des Spruchpunktes II. hinsichtlich der Höhe der Entschädigungszahlung und unter Richtigstellung des Projektdatums die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

3 Das LVwG traf Feststellungen zum gegenständlichen Straßenbauvorhaben und seiner Notwendigkeit, zum Ausmaß der zur Grundeinlöse beanspruchten Flächen, zur Ermittlung der Entschädigung sowie zur Situation des Grundstücks des Revisionswerbers unter Würdigung der Ermittlungsergebnisse und der Einwendungen des Revisionswerbers.

4 In seiner rechtlichen Beurteilung stellte das LVwG die anzuwendende Rechtslage dar, führte eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse (insbesondere der Verkehrssicherheit) und den vom Revisionswerber geltend gemachten privaten Interessen durch und verwies in diesem Zusammenhang hinsichtlich des Beschwerdevorbringens zur behaupteten Verkleinerung der Zufahrt auf das unbebaute Grundstück des Revisionswerbers darauf, dass den Feststellungen nach nur eine Verjüngung der Zufahrtsrampe auf 2,5m an ihrem Ende geplant sei und auch die bestehende Zufahrt nur mit geländegängigen und wendigen Fahrzeugen zu befahren sei, weshalb ein Überwiegen der privaten Interessen infolge von Wirtschaftserschwernissen nicht vorliege. Auch stelle die vom Revisionswerber als Alternative vorgeschlagene Variante von zwei gesicherten Übergängen über die Landesstraße keine gleichwertige Alternative dar, da die Benutzung eines baulich getrennten Fußgängerweges mehr Sicherheit biete als das zweimalige Überqueren einer Landesstraße.

Das Straßenbauvorhaben liege im Interesse der Verkehrssicherheit, daraus ergebe sich die Notwendigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 LStVG, die zur Grundeinlöse beanspruchten Flächen fänden nach den Feststellungen Deckung in dem zur Bewilligung beantragten Straßenbauprojekt und seien dazu erforderlich. Mangels Zustimmung zur Inanspruchnahme sei die angestrebte Enteignung auch notwendig. Die beantragte Gehsteigbreite entspreche einem regelkonformen Einreichprojekt, eine geringere Gehsteigbreite stelle kein gelinderes Mittel dar.

Der bekämpfte Bescheid verweise hinsichtlich der dauerhaft und der vorrübergehend beanspruchten Flächen auf die Planungsunterlagen, die einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildeten; das entspreche dem Bestimmtheitsgebot. Auch reiche die Tatsache, dass ein Amtssachverständiger Beamter des Landes sei, für sich alleine nicht aus, eine Befangenheit zu begründen. Darüberhinaus seien keine Umstände hervorgekommen, die Zweifel an der Unbefangenheit des Amtssachverständigen hätten aufkommen lassen. Das Ergänzungsgutachten zur Liegenschaftsbewertung habe aber die Notwendigkeit der Anpassung des Entschädigungswertes ergeben. 5 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 27. Juni 2018, E 2400/2018-7, die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision beantragt der Revisionswerber, das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig aufzuheben.

7 Das LVwG legte die Revision unter Anschluss der Verfahrensakten vor. Sowohl die mitbeteiligte Partei als auch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstatteten eine Revisionsbeantwortung. Der Revisionswerber replizierte. 8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Soweit die Revision im Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit ausführt, das LVwG sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen, so ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 17 leg. cit. den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Die Revision führt richtig aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. VwGH 7.9.2017, Ra 2016/06/0148, mwN). Die Revision legt jedoch nicht dar, inwiefern das LVwG - insbesondere angesichts der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - von dieser Rechtsprechung des VwGH abgegangen ist.

13 Soweit sich die Revision zusammengefasst gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis wendet, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn das VwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0075, mwN).

14 Das LVwG ging in seiner Beweiswürdigung auf die eingeholten Gutachten ein, wog diese gegen die weiteren Ermittlungsergebnisse und die Einwendungen des Revisionswerbers im Verfahren ab, legte dar, aus welchen Planunterlagen sich die Feststellungen zum Ausmaß der zur Grundeinlöse beanspruchten Flächen ergebe und woraus sich die Entschädigungssumme ergäbe, wobei es unter anderem darauf hinwies, dass der vom Revisionswerber vorgelegte Kaufvertrag aus dem Jahr 2005 keine zeitliche Nähe zum Bewertungsstichtag aufweise und die Bewertung auch von der Lage des Grundstücks mit nordschauender Ausrichtung und an einer Landesstraße beeinflusst würde. Es berücksichtigte somit in seiner, auf die Einwendungen des Revisionswerbers und die eingeholten Sachverständigengutachten eingehenden, freien Beweiswürdigung schlüssig, die ihm vorliegenden Ermittlungsergebnisse. Dem Revisionswerber gelingt es mit seinem Revisionsvorbringen nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlerhaftigkeit dieser Beweiswürdigung darzulegen.

15 Soweit die Revision die mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau 03.02.12 (RVS) moniert, wendet sie sich gegen das Gutachten des straßenbautechnischen Sachverständigen, der in seinem Gutachten abschließend darauf verweist, dass die im geplanten Baulosabschnitt vorgesehene Gehsteigbreite der einschlägigen RVS 03.02.12. entspricht. Auch wenn derartige Richtlinien grundsätzlich keine normative Wirkung haben (vgl. VwGH 28.2.2018, Ro 2014/06/0014), repräsentieren sie den Sachverstand der an ihrer Erstellung beteiligten Experten der Gebietskörperschaften und aus dem universitären Bereich. Es kann daher keine Unschlüssigkeit des Gutachtens oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin erkannt werden, wenn der Sachverständige diese auch in sein Gutachten miteinbezog.

16 Soweit sich die Revision gegen die vom LVwG durchgeführte Interessenabwägung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung, die auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 27.9.2018, Ra 2015/06/0057, mwN). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das VwG diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das LVwG die Abwägung derart unvertretbar vorgenommen hätte. Auch entfernt sich die Revision mit dem Vorbringen zu einer schmaleren Einfahrtsbreite von den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2019

Schlagworte

BeweismittelVerwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018060201.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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