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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §183Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des H P in P, vertreten durch Dr. Peter Schulte, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Grabenweg 68, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. März 2019, Zl. RV/2100158/2013, betreffend u.a. Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2007 bis 2010, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber betrieb - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - in den Streitjahren einen Großhandel mit Bronzestatuen, Gartenartikeln und Wohnaccessoires. Mit Eingabe vom 15. Mai 2008 teilte er der Abgabenbehörde mit, dass er ab 1. Juli 2008 in Österreich ein Auslieferungslager für sein deutsches Einzelunternehmen unterhalte. Von diesem Lager würden Waren in angrenzende EU-Länder als innergemeinschaftliche Lieferungen verschickt. In der Folge reichte er für die Jahre 2008 und 2009 jeweils Einkommensteuererklärungen für beschränkt Steuerpflichtige ein.
2 Im Jahr 2012 fand beim Revisionswerber eine die Streitjahre umfassende abgabenbehördliche Prüfung statt, wobei die Prüferin zu dem Ergebnis kam, dass der Revisionswerber in Österreich über einen Wohnsitz verfüge und hier sowohl unbeschränkt steuerpflichtig als auch infolge Mittelpunkts seiner Lebensinteressen steuerlich ansässig sei. Eine außerhalb österreichs gelegene Betriebsstätte bestehe weder in ertrag- noch in umsatzsteuerlicher Hinsicht. Die Besteuerung der betrieblichen Einkünfte habe daher sowohl hinsichtlich der Umsatzsteuer als auch der Einkommensteuer unbeschränkt in Österreich zu erfolgen. 3 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ u.a. dementsprechende Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2007 bis 2010.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber Berufung.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das BFG die Umsatzsteuer- sowie die Einkommensteuerbescheide jeweils von 2007 bis 2009 ab und wies die (von ihm nunmehr als Beschwerde zu behandelnde) Berufung hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 2010 ab. Begründend führte es aus, der Revisionswerber bestreite nicht das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes. Infolgedessen unterliege er grundsätzlich mit all seinen Einkünften (seinem gesamten Welteinkommen) der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich. Streit bestehe jedoch darüber, welchem Staat auf Grund der einschlägigen DBA das Besteuerungsrecht zugewiesen sei, mache der Revisionswerber doch geltend, über insgesamt drei Wohnsitze, nämlich in Österreich, Deutschland und Spanien, zu verfügen.
6 In Deutschland stünden dem Revisionswerber - seinen Angaben zufolge - eine Wohnung mit 32 m2 Nutzfläche und ein Lager mit 20 m2 Fläche zur Verfügung, wobei er weder Eigentum noch ein allfälliges Mietrecht (noch ein sonstiges Wohn- oder Nutzungsrecht) an diesen Räumlichkeiten nachgewiesen habe. Er habe sich vielmehr sogar ausdrücklich geweigert, die (angeblich) zugrunde liegenden Mietverträge vorzulegen. An der behaupteten Wohnsitzadresse in Deutschland befinde sich laut Satellitenaufnahme/Google Maps ein Einfamilienhaus. Unter dieser Anschrift seien in den Streitjahren ein (zwischenzeitig verstorbener) Freund bzw. Bekannter des Revisionswerbers (RK) und dessen Ehefrau wohnhaft. RK habe zwar mit (in Kopie vorgelegtem) Schreiben vom 8. August 2012 bestätigt, dass er "der Firma" des Revisionswerbers "2 Räume mit zusätzlichem WC seit 1.2.2007 bis heute vermietet" habe. Diese Bestätigung vermöge aber den Nachweis eines tatsächlich bestehenden Mietverhältnisses nicht zu ersetzen und sei als reines Gefälligkeitsschreiben zu werten. Die Höhe der Miete und die weiteren wesentlichen Vertragsbestimmungen (wie zB Mietbeginn, Dauer, Kündigungsbestimmungen etc.) seien völlig im Dunkeln geblieben. Der Nachweis von geleisteten Mietzahlungen sei nicht erfolgt. Aus der Bestätigung, die explizit für die Firma des Revisionswerbers ausgestellt worden sei, gehe auch nicht hervor, dass es sich bei den überlassenen Räumen um solche für Wohnzwecke handle. Da die Bestätigung der Firma des Revisionswerbers gelte, sei davon auszugehen, dass es sich dabei bestenfalls um solche für Büro- und/oder Lagerzwecke handle. Es möge sein, dass der Revisionswerber die betreffenden - im privaten Wohnhaus seines Freundes liegenden - Räume bei Bedarf allenfalls mitbenutzen habe können. Die bloße Mitbenutzung der Wohnung eines Freundes, quasi als Gast, möge dies auch für längere Zeit und regelmäßig der Fall sein, begründe jedoch noch keinen Wohnsitz im abgabenrechtlichen Sinn.
7 Nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Deutschland, BGBl. III Nr. 182/2002, sei eine Person mit mehreren Wohnsitzen in dem Staat ansässig, in welchem ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen liege. Gleiches gelte nach Art. 4 des DBA-Spanien, BGBl. Nr. 395/1967. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege an jenem Ort, zu dem eine Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen habe. Indizien hierfür seien Beruf, Familie, Religion, Kultur, persönliche Interessen etc. Entscheidend sei das Gesamtbild der Verhältnisse, wobei das Überwiegen den Ausschlag gebe. Folgende Umstände ließen den Schluss zu, dass der Lebensmittelpunkt des Revisionswerbers in den Streitjahren tatsächlich in Österreich gelegen sei: In der Berufung habe der Revisionswerber angegeben, nach seiner Scheidung "aufgrund privater Bindungen Kontakt in die Steiermark bekommen" und im Jahr 2003 das von ihm aktuell genutzte Wohngrundstück erworben zu haben. Die "privaten Bindungen" seien offenbar so stark gewesen, dass er sich veranlasst gesehen habe, im Inland Grundeigentum zu erwerben und hier wohnhaft zu werden. Seit 2003 bewohne er das von ihm erworbene Haus mit Garten und Biotop (Nutzfläche 200 m2, Grundfläche 1.318 m2). Dies indiziere, dass seine stärksten persönlichen Bindungen ab diesem Zeitpunkt offenbar in Österreich lägen. Dafür sprächen auch die unbestritten gebliebenen Prüfungsfeststellungen, wonach der Revisionswerber "im Jahr 2003 in der Steiermark eine Frau kennenlernte, die Anlass war", sich in Österreich niederzulassen. Er "wollte in Österreich einen neuen Lebensabschnitt beginnen". Er sei überdies seit März 2003 bis 26. September 2003 mit Nebenwohnsitz und in der Zeit von 26. September 2003 bis 27. Februar 2008 sowie von 6. Oktober 2009 bis 6. März 2012 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Dazwischen, also von 27. Februar 2008 bis 6. Oktober 2009, sowie ab dem 6. März 2012 sei er in Österreich mit Nebenwohnsitz gemeldet. Einer aktuellen Abfrage des BFG zufolge sei er seit 18. Dezember 2012 wiederum durchgehend mit Hauptwohnsitz angemeldet. Zudem habe der Revisionswerber im Jahr 2005 für Jagdzwecke eine landwirtschaftliche Grundfläche im Ausmaß von 3.381 m2 (nahe seines Wohngrundstückes) erworben. Wie in weiterer Folge noch dargelegt werde, sei aber auch der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit in Österreich gelegen. Wenn der Revisionswerber ins Treffen führe, sein Haus in Spanien sei doppelt so groß gewesen wie das Wohnhaus in Österreich, so sei damit für ihn nichts gewonnen. Das Vorliegen enger persönlicher Beziehungen in Spanien werde nicht einmal behauptet. Der Revisionswerber sei auch offenbar nie in Spanien mit Wohnsitz gemeldet gewesen. Dass er sich überwiegend in Spanien aufgehalten hätte, mache er ebenso wenig geltend, woraus geschlossen werden könne, dass das Haus in Malaga vorwiegend lediglich als Urlaubsdomizil gedient habe. Nach Ansicht des BFG hätten auf Grund der angeführten Umstände im Streitzeitraum die engsten Nahebeziehungen jedenfalls zu Österreich bestanden, weshalb die Annahme gerechtfertigt sei, dass er in den Streitjahren hier seinen Lebensmittelpunkt gehabt habe.
8 Die Prüferin habe in ihrem Bericht zudem darauf hingewiesen, dass im Haus des Revisionswerbers in den Jahren 2007 bis 2011 ein Stromverbrauch von 9.735 kWh, 9.114 kWh, 7.766 kWh sowie 6.685 kWh angefallen sei (ein durchschnittlicher 3-Personen-Haushalt verbrauche rund 6.500 kWh jährlich). Zudem würden im Schnitt in den Jahren 2008 bis 2010 rund 86 m3 Wasser pro Jahr verbraucht (Durchschnittsverbrauch eines 4-Personen-Haushaltes: 120 m3). Ein derartig hoher Strom- und Wasserverbrauch indiziere, dass das Haus in den genannten Jahren überwiegend bzw. nahezu permanent bewohnt gewesen sei. Darüber hinaus sei vom österreichischen Festnetzanschluss des Revisionswerbers regelmäßig telefoniert worden (monatliche Gebühren ca. 40 bis 50 EUR).
9 Die vom Revisionswerber vorgelegte Aufenthaltsliste (Marriot Hotel) für 2010 vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Diese Liste betreffe zum einen lediglich das Jahr 2010 und könne daher für die Jahre 2008 und 2009 keine Aussage treffen. Zum anderen seien die in der Liste aufgeschlüsselten Nächtigungen nicht durch Unterlagen (Hotelbuchungen, Rechnungen etc.) belegt. Schließlich lege diese Aufstellung, selbst wenn sie inhaltlich richtig sein sollte, lediglich eine umfassende Reisetätigkeit dar. In der Liste seien 132 Reisetage (100 Nächtigungen) enthalten, wobei einige Ortsangaben unklar bzw. nicht vollständig seien und zumindest 11 Tage (bzw. 6 Nächtigungen) Aufenthalte in Österreich beträfen.
10 Zu Unternehmenssitz und Betriebsstätte hielt das BFG fest, seiner Ansicht nach sei auch der Sitz des vom Revisionswerber betriebenen Unternehmens in den Streitjahren in Österreich gelegen. Die Zuordnung des Unternehmens erfolge nach der Ansässigkeit des Unternehmers, dh. bei Einzelunternehmen nach dem Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Unternehmers. Umsatzsteuerlich sei ein Unternehmer dort ansässig, wo der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung, von der aus die Umsätze bewirkt würden, liege (Hinweis auf EuGH 6.10.2011, C-421/10, Stoppelkamp; Kuder in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 19 Rz 31 f). Seien weder Sitz noch feste Niederlassung feststellbar, werde an die Hilfsmerkmale "Wohnsitz" oder "gewöhnlicher Aufenthalt" des Unternehmers angeknüpft (Hinweis EuGH Stoppelkamp, Rn 24 ff).
11 Wie die Prüferin in ihrem Bericht, aber auch in ihrer (dem Revisionswerber vom BFG zur Kenntnis gebrachten) Stellungnahme vom 13. März 2013 dargelegt habe, sprächen zahlreiche Umstände für die Annahme eines Sitzes der Geschäftsleitung im Inland:
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Der Revisionswerber habe in Österreich nachweislich eine
Lagerhalle (samt Büro) mit einer Fläche von 592 m2 angemietet. Dem stünden - angeblich von einem Freund vermietete, in dessen Wohnhaus gelegene - Räumlichkeiten in Deutschland mit einer Nutzfläche von nur 20 m2 gegenüber. Ein Nachweis über dieses Mietverhältnis sei nicht erbracht worden, der Revisionswerber habe die Vorlage entsprechender Unterlagen (Mietvertrag) explizit verweigert. Laut Prüfungsbericht sei kein Mietentgelt bezahlt worden.
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Die Werbung im Internet erfolge nahezu ausschließlich über eine inländische Website. Für Anfragen (bezüglich Verfügbarkeit von Waren, Lieferzeiten etc.) werde auf der Website auf österreichische Kontaktdaten (Fax, Telefon, E-Mail-Adresse) verwiesen.
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Die Prüferin habe unwidersprochen festgestellt, dass die vom Revisionswerber angeschafften Handelswaren - zunächst über den Hafen Hamburg und später über Koper - nach Österreich importiert und direkt in das österreichische Lager transportiert würden. Die gesamte Import- und Exporttätigkeit sei über den Betrieb in Österreich gelaufen. Dem habe der Revisionswerber nichts Konkretes entgegen gehalten.
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Das Vorbringen, ein 'Kundenkontakt zum Geschäftsabschluss' finde in Österreich nicht statt, widerspreche der Aktenlage. Die Prüferin liste zahlreiche Rechnungen an österreichische Käufer auf, die Waren (in Österreich) selbst abgeholt und den Kaufpreis bei Abholung bar entrichtet hätten. Ebenso wenig treffe das Vorbringen zu, wonach 'Zahlungseingänge der Kunden auf dem ausschließlich deutschen Konto des Unternehmens' erfolgten. Vielmehr seien zahlreiche Überweisungen auf das inländische Bankkonto des Revisionswerbers aktenkundig.
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Die Frachtkostenabrechnungen der Spedition sowie sämtliche Eingangsrechnungen seien an die österreichische Unternehmensadresse ausgestellt. Die Banküberweisungen der Eingangsrechnungen seien größtenteils über das inländische Bankkonto erfolgt.
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Für die 'umsatzsteuerliche Betriebsstätte' im Inland (so der Revisionswerber in seiner Stellungnahme vom 26. September 2012) habe er eine umfassende Betriebsversicherung abgeschlossen. Ein Hinweis auf Büro- oder Lagerräume in Deutschland finde sich in der Polizze nicht. Unterlagen bezüglich in Deutschland gelegener Betriebsräume seien nicht vorgelegt worden. Dass Betriebsörtlichkeiten in Deutschland versichert worden wären, werde nicht behauptet.
12 Wenn der Revisionswerber darlege, sein Unternehmen sei in den von seinem (inzwischen verstorbenen) Freund zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten in Deutschland betrieben worden, und er dazu insbesondere auf eine entsprechende Bestätigung der Witwe bzw. ein Schreiben des deutschen Steuerberaters je vom 20. September 2012 verweise, so sei dem Folgendes entgegen zu halten: RK möge den Revisionswerber zwar in seiner Tätigkeit allenfalls gelegentlich unterstützt haben. Fremdübliche, über bloße Freundschaftsdienste hinausgehende Arbeitsleistungen, geschweige denn die im Umfeld einer wirtschaftlich agierenden Geschäftsleitung erforderlichen wesentlichen kaufmännischen und organisatorischen Tätigkeiten, seien darin aber nicht zu erblicken. Es sei nicht glaubhaft, dass die in der Bestätigung angeführten Tätigkeiten (komplette Finanzbuchhaltung, Rechnungserstellung und -versand, Controlling, Bearbeitung der Auftragseingänge, Reklamationsbearbeitung, Kunden- und Lieferantenkommunikation sowie Kommunikation mit den Steuerberatern) in lediglich rund vier Stunden pro Woche und in freier Zeiteinteilung - sowie ohne jede vertragliche Grundlage und überdies völlig unentgeltlich - verrichtet worden sein sollen. Die vorgelegten Bestätigungen seien daher als Gefälligkeitsbescheinigun gen zu werten.
13 In diesem Zusammenhang sei auf die zutreffenden Ausführungen der Prüferin in ihrer Stellungnahme zur Berufung zu verweisen: Es entspreche nicht der Lebenserfahrung, "dass ein 'Ein-Mann-Unternehmen' für die Abwicklung seiner Geschäfte einen externen Geschäftsführer benötigt und dieser aufgrund seiner freundschaftlichen Beziehungen zum Steuerpflichtigen keinen Geschäftsführervertrag geschlossen und dafür auch kein Leistungsentgelt bezogen hat. Da jedoch nur jemand
geschäftsführend ist, der alle wesentlichen, notwendigen und wichtigen Maßnahmen für ein Unternehmen treffen kann, ist es außerdem unglaubwürdig, dass auch nicht aus Haftungsgründen eine vertragliche Grundlage geschaffen wurde. Das Unternehmen (des Revisionswerbers) besteht einzig und allein durch die Person (des Revisionswerbers), der über die notwendigen Kundenkontakte verfügt und entscheidet, von wem er etwas einkauft und an we(n) er etwas zu welchem Preis verkauft. (...) Die ledigliche Übertragung von Buchhaltungsarbeiten an den Freund (RK) kann nicht mit der Leitung der Geschäfte eines Unternehmens gleichgestellt werden."
14 Ein weiteres Indiz gegen eine betriebliche Tätigkeit in Deutschland sei die Tatsache, dass in Deutschland keine Umsatzsteuerbescheide erlassen worden seien. Das wiederum bedeute, dass in Deutschland weder ein Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine Niederlassung bestehe, von der aus Umsätze bewirkt bzw. eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet würden. Zwar seien der ertragsteuerliche Betriebsbegriff und der umsatzsteuerliche Unternehmensbegriff nicht ident. Doch stehe die Tatsache, dass in den Streitjahren in Deutschland keine Veranlagung des Revisionswerbers zur Umsatzsteuer erfolgt sei, seiner Behauptung, der Verkauf erfolge regelmäßig in Deutschland bzw. "die reine Verkaufstätigkeit und weitere administrative Tätigkeiten" seien ausschließlich der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen, diametral entgegen. Würde dieses Vorbringen zutreffen, hätten auch entsprechende Umsatzsteuerfestsetzungen in Deutschland erfolgen müssen.
15 Damit seien in den Streitjahren nicht nur die engsten persönlichen Beziehungen des Revisionswerbers, sondern auch der Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Beziehungen bzw. Tätigkeiten ohne Zweifel im Inland gelegen.
16 Zu den Beweisanträgen des Revisionswerbers führte das BFG aus, dieser habe in der Berufungseingabe vom 27. November 2012 "als Zeugenbeweis für die vorgenannten Tatsachen" drei namentlich genannte Personen angeboten. Die Beachtlichkeit eines Beweisantrages nach § 183 Abs. 3 BAO setze jedoch die ordnungsgemäße (konkrete und präzise) Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, voraus. Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen ließen, welche konkrete Tatsachenbehauptung im Einzelnen durch das angebotene Beweismittel erwiesen werden solle, brauche die Abgabenbehörde im Grunde des § 183 Abs. 3 BAO ebenso nicht zu entsprechen wie solchen Beweisanträgen, die auch eine abstrakte Tauglichkeit des Beweismittels zur Beweisführung über das Beweisthema nicht einsichtig machten (Hinweis auf VwGH 27.2.2001, 97/13/0091; VwGH 27.3.2002, 98/13/0163). Ein Antrag, der ganz allgemein Beweis "für die vorgenannten Tatsachen" führen solle, genüge diesen Anforderungen nicht.
17 Was das Beweisanbot in der Eingabe vom 5. Juli 2018 an das BFG anlange, wonach zwei namhaft gemachte Personen offenbar bezeugen könnten, dass der Revisionswerber hinsichtlich der Objekte in Deutschland und in Spanien über die Schlüsselgewalt verfügt habe, so hätten entsprechende Beweisaufnahmen schon allein deshalb auf sich beruhen können, weil sich die Ansässigkeit des Revisionswerbers im Inland - wie vom BFG dargelegt - letztlich jedenfalls aus den weiteren Feststellungen ableiten lasse. Außerdem lägen ohnehin schriftliche Äußerungen der namhaft gemachten Personen vor. Überdies sei es Aufgabe des Abgabepflichtigen, im Ausland lebende Zeugen, deren Vernehmung er begehre, stellig zu machen.
18 Abschließend führte das BFG aus, dass in Anbetracht der Nichtvorlage von zahlreichen maßgeblichen Buchführungsunterlagen bzw. Aufzeichnungen in Zusammenschau mit gravierenden - vom Revisionswerber nicht aufgeklärten - Kalkulationsdifferenzen zwar eine Schätzungsberechtigung bestehe, die Schätzung des Finanzamts in den Streitjahren 2007 bis 2010 aber von einem zu hohen Rohaufschlag (auf den vom Revisionswerber offen gelegten Wareneinsatz) ausgegangen sei. Dieser sei in den Streitjahren 2007 bis 2009 aus näher angeführten Gründen (unterschiedlich) zu reduzieren. Davon ausgehend ergäben sich auch die der Umsatzsteuer zu unterziehenden Umsätze.
19 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG sei nicht zulässig. In Streit gestanden seien im Wesentlichen Fragen der Ansässigkeit des Revisionswerbers bzw. nach dessen Ort der Unternehmensleitung sowie der Schätzungsberechtigung dem Grunde nach und der Rechtmäßigkeit der Schätzung der Höhe nach. Alle diese Fragen hätten auf Grund der zitierten Judikatur unter Berücksichtigung der dargestellten Tatsachen in freier Beweiswürdigung beurteilt werden können. 20 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision. Als Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung macht der Revisionswerber im Rahmen seines Zulässigkeitsvorbringens in verfahrensrechtlicher Hinsicht geltend, dass von ihm benannte "Zeugen und Beweismittel ignoriert und diese nicht geladen, bzw. im Rahmen von Amtshilfemaßnahmen angehört" und der Sachverhalt mangelhaft erhoben worden sei, weil Bestätigungen, aus denen sich eine "vollständige administrative geschäftliche Abwicklung des Unternehmens" in Deutschland ergebe, nicht berücksichtigt worden wären. Zudem habe das BFG in materieller Hinsicht die Bedeutung und den Inhalt des Betriebsstättenbegriffes verkannt und nicht zwischen einer umsatzsteuerlichen und einer ertragsteuerlichen Betriebsstätte unterschieden.
21 Der Revisionswerber habe hervorgehoben, dass sämtliche Tätigkeiten des Tagesgeschäfts von RK erledigt worden seien und dies mit Urkunden unter Beweis gestellt. Demnach habe die Einrichtung in Deutschland über die von der Rechtsprechung geforderte Betriebsstättenqualität verfügt und sei auch als solche zu würdigen. Abhängig vom Ergebnis der vom BFG unterlassenen Sachverhaltsaufklärung (Würdigung Beweisanbote, Einholung Zeugenbeweis) wäre die Anknüpfung der Einkünfte, welche aus der Betriebsstätte in Deutschland erzielt würden, ausschließlich in Deutschland durchzuführen, im Einklang mit Art. 5 und Art. 7 des DBA Deutschland und hätte keine Schätzungsbefugnis bestanden. Dies sei unter Hinweis auf den Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt des Revisionswerbers negiert worden. Zur umsatzsteuerlichen Betriebsstätte führt er dann im Zulässigkeitsvorbringen aus:
"Unabhängig davon ist das Warenlager in (Österreich) zu werten. In diesem erfolgte - wenn wir die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis richtig verstehen - im Wesentlichen der Wareneingang, Warenausgang und Lagerung von Verkaufsprodukten. Dies erfüllt den Begriff der Umsatzsteuer-Betriebsstätte."
22 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
23 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
24 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 25 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 26 Ein Revisionswerber, der eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs behauptet, hat konkret anzuführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht. Findet sich eine derartige Darstellung in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht, sondern nur der allgemeine Hinweis, dass die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweiche, so reicht dies nicht aus, um das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzutun (vgl. VwGH 7.9.2018, Ra 2018/03/0097). Eine solche Konkretisierung bleibt das Zulässigkeitsvorbringen bereits schuldig.
27 Wie das angefochtene Erkenntnis zudem zutreffend ausführt, ist in Beweisanträgen das Beweismittel, das Beweisthema und im Falle von Zeugen auch deren Adresse anzugeben. Wird ein Beweisthema nicht genannt, so ist die Abgabenbehörde zu einer solcherart als Erkundungsbeweis anzusehenden Einvernahme nicht verpflichtet (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2016/15/0023, mwN). Dass der Revisionswerber - entgegen den Feststellungen des BFG - ein konkretes Beweisthema geltend gemacht hat, behauptet die Revision nicht, womit auch insofern keine Abweichung von der Rechtsprechung dargetan wird. Zudem ist es bei im Ausland lebenden Personen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Aufgabe des Abgabepflichtigen, Personen, die als Zeugen vernommen werden sollen, stellig zu machen.
28 Soweit die Revision rügt, dass die von ihr vorgelegte Bestätigung des RK, aus der sich eine "vollständige administrative geschäftliche Abwicklung des Unternehmens" in Deutschland ergebe, nicht berücksichtigt und damit ignoriert worden sei, greift sie die Beweiswürdigung des BFG an.
29 Die in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des BFG ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof jedoch nur insofern zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. VwGH 3.9.2019, Ra 2018/15/0035, mwN).
30 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende grobe Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung wird in der Revision allerdings nicht aufgezeigt. Das BFG hat die Bestätigung nicht negiert, sondern ist aufgrund einer Gesamtabwägung der Ermittlungsergebnisse davon ausgegangen, dass in Deutschland keine Betriebsstätte vorliegt. Dabei hat es sich darauf gestützt, dass der Revisionswerber zu den angeführten Räumlichkeiten in Deutschland weder Mietvertrag noch Mietzahlungen nachgewiesen habe. Zudem sei es nicht glaubhaft, dass die in der Bestätigung angeführten Tätigkeiten (komplette Finanzbuchhaltung, Rechnungserstellung und -versand, Controlling, Bearbeitung der Auftragseingänge, Reklamationsbearbeitung, Kunden- und Lieferantenkommunikation sowie Kommunikation mit den Steuerberatern) in lediglich rund vier Stunden pro Woche und in freier Zeiteinteilung - sowie ohne jede vertragliche Grundlage und überdies völlig unentgeltlich - verrichtet worden sein sollen. Dass diese Beweiswürdigung unschlüssig wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen.
31 Zur Umsatzsteuer wird in der Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Art nachvollziehbar formuliert, sodass darauf nicht weiter einzugehen war.
32 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 23. Jänner 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150099.L00Im RIS seit
03.04.2020Zuletzt aktualisiert am
03.04.2020