TE Vwgh Beschluss 2020/1/27 Ro 2018/04/0007

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/10 Datenschutz
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs6 Z1
DSG 2000 §1 Abs2
DSG 2000 §6 Abs1 Z3
KFG 1967 §103
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 1-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2018, Zl. W214 2156114- 1/28E, betreffend Beschwerde nach dem Datenschutzgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: R G in B, vertreten durch Mag. Franz Eschlböck, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Pfarrgasse 15 a), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Der Mitbeteiligte beging als Beamter des Zollamtes L-W während einer Dienstfahrt eine Geschwindigkeitsübertretung. 2 Aus Anlass dieser Übertretung wurde dem Bundesministerium für Finanzen von der Bezirkshauptmannschaft G eine Anonymverfügung übermittelt. Dieser war - abweichend von der Verwaltungsformularverordnung - ein "Informelles Antwortblatt zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers" beigefügt, welches unter anderem die Belehrung enthielt, dass diese Anonymverfügung im Falle der Bekanntgabe des Lenkers gegenstandslos und ein Strafverfahren gegen den Lenker eingeleitet werde, wobei die Nichtbekanntgabe des Lenkers zu diesem Zeitpunkt keine Verwaltungsübertretung darstelle.

3 Die Anonymverfügung wurde anschließend von der Dienstbehörde des Mitbeteiligten an diesen mit dem Ersuchen um Begleichung der Geldstrafe und in Kopie an zwei weitere Bedienstete, nämlich an den Vorgesetzten des Mitbeteiligten und dessen Stellvertreter, weitergeleitet. Die Daten des Mitbeteiligten wurden daraufhin an die Bezirkshauptmannschaft G übermittelt.

4 Der Mitbeteiligte erhielt in der Folge eine Strafverfügung, die er erfolgreich beeinspruchte. Er stellte ein Auskunftsersuchen an das Bundesministerium für Finanzen. Der Auskunftsakt wurde in der Folge samt Anonymverfügung per E-Mail an den für den Mitbeteiligten zuständigen Personalbetreuer zur Ablage in den Personalakt sowie an drei weitere Personen der Dienstbehörde weitergeleitet.

5 2. Der Mitbeteiligte erhob am 8. Februar 2017 Beschwerde nach dem DSG 2000 bei der belangten Behörde und beantragte aufgrund des oben dargestellten Sachverhalts die Feststellung, dass er durch die Weiterleitung seiner Daten an die Bezirkshauptmannschaft G sowie durch die Übermittlung der Anonymverfügung an zwei weitere Bedienstete und zu seinem Personalakt in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden sei.

6 Die belangte Behörde wies diese Beschwerde ab.

7 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - der gegen die Entscheidung der belangten Behörde erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten teilweise Folge und traf die Feststellung, dass das Zollamt L-W diesen in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger Daten dadurch verletzt habe, dass es (zusammengefasst) 1.) aufgrund der übermittelten Anonymverfügung den Namen, das Geburtsdatum und die Privatadresse vor Ablauf der Zahlungsfrist und vor Erhalt einer Lenkerhebung an die Bezirkshauptmannschaft übermittelt, und 2.) die den Mitbeteiligten betreffende Anonymverfügung an den Personalbetreuer zur Ablage im elektronischen Personalakt weitergeleitet habe.

8 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig.

9 3.1. Ausgehend von den oben zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen folgerte es in rechtlicher Hinsicht, aufgrund des Inhalts der Aufforderung durch die Bezirkshauptmannschaft G müsse der Dienstbehörde klar gewesen sein, dass zu diesem Zeitpunkt keine Verpflichtung zur Weitergabe an der Daten bestanden habe. Es habe sich daher um keine von § 103 Abs. 2 KFG gedeckte Vorgehensweise gehandelt. Auch sehe § 49a VStG eine klare gesetzliche Regelung für das Vorgehen bei Erlassung von Anonymverfügungen vor. Für eine davon abweichende Vorgehensweise bestehe keine Rechtsgrundlage. Da es sich bei den übermittelten Daten um strafrechtlich relevante Daten gehandelt habe, für deren Weitergabe im vorliegenden Fall kein Rechtfertigungstatbestand im Sinne des § 8 Abs. 4 DSG 2000 herangezogen werden könne, hätte die Übermittlung des Namens, des Geburtsdatums und der Adresse des Mitbeteiligten einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten dargestellt. Ein Verschulden müsse dabei nicht vorliegen. Selbst wenn es sich um eine zulässige Übermittlung gehandelt hätte, wäre gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 als gelinderes Mittel die Aufforderung an den Mitbeteiligten zur Bezahlung der in der Anonymverfügung verhängten Strafe geboten gewesen. Der Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 3 Z 6 DSG 2000 komme wegen der vorrangigen Bestimmung des § 8 Abs. 4 DSG 2000 betreffend Daten über den Verdacht einer verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung nicht zum Tragen. 10 Die Übermittlung der persönlichen Daten des Mitbeteiligten an die Bezirkshauptmannschaft G habe daher diesen in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt.

11 Auch für die Ablage der Anonymverfügung im Personalakt des Mitbeteiligten gebe es keine Rechtfertigung, weil kein Zusammenhang zu dem mit der Führung des Personalakts angestrebten Zweck bestehe.

12 4. Gegen den der Beschwerde des Mitbeteiligten stattgebenden Teil der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung richtet sich die vorliegende Revision.

13 Der Mitbeteiligte und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, mit welcher sie die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revision beantragten.

14 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

17 5.1. Die Revision verweist zur Zulässigkeit zunächst auf die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts, dass weder aus dem BDG 1979 noch aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ersichtlich sei, ob eine Anonymverfügung ohne (disziplinäre) Relevanz, die Teil eines Auskunftsbegehrens sei, zum Personalakt übermittelt werden dürfe.

18 Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Bestimmungen des DSG 2000 auf den festgestellten Sachverhalt angewendet und daraus fallbezogen in vertretbarer Weise gefolgert, dass die Übermittlung der Anonymverfügung vor dem Hintergrund des § 6 Abs. 1 Z 3 DSG 2000 überschießend gewesen sei. Inwiefern die vom Bundesverwaltungsgericht angewendeten Normen einer weiteren Auslegung bedürften, zeigt die Revision nicht auf.

19 5.2. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 19.11.2014, Ra 2014/22/0047). Beruht ein Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, so erweist sich die Revision als unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa VwGH 6.11.2018, Ra 2018/18/0203, mwN).

20 Insofern die Revision die Zulässigkeit mit dem Vorbringen zu begründen sucht, die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die Übermittlung der Lenkerdaten aufgrund eines nicht auf § 103 KFG gestützten Auskunftsersuchens der zur Verfolgung des Verkehrsdelikts zuständigen Verwaltungsbehörde stelle einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar, könne sich auf keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs stützen, ist dem zu entgegnen, dass das Bundesverwaltungsgericht das angefochtenen Erkenntnis in diesem Punkt auch darauf stützte, dass - selbst wenn es sich um eine zulässige Übermittlung gehandelt hätte - gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 als gelinderes Mittel die Aufforderung an den Mitbeteiligten zur Bezahlung der in der Anonymverfügung verhängten Strafe geboten gewesen wäre. Dieser Begründung setzt die Revision nichts entgegen, weshalb die Revision nicht von der Lösung der für die Zulässigkeit ins Treffen geführten Rechtsfrage abhängt (vgl. VwGH 26.6.2018, Ra 2018/16/0083).

21 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

22 Aufwandersatz wurde nicht beantragt.

Wien, am 27. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018040007.J00

Im RIS seit

22.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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