TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/27 Ra 2019/02/0203

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
VStG §19
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. September 2019, Zl. VGW- 031/011/11714/2019-2, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: B in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit,

1. als damit mit Spruchpunkt II. der Strafausspruch zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde,

2. als damit in Spruchpunkt III. der Entfall der Verfahrenskosten für dieses verwaltungsbehördliche Strafverfahren (§ 64 VStG) zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses ausgesprochen wurde, sowie

3. als damit in Spruchpunkt IV. kein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu Spruchpunkt II. des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien vorgeschrieben wurde,

wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 8. August 2019 verhängte die Landespolizeidirektion Wien (LPD) über den Mitbeteiligten mit Spruchpunkt 1. wegen der näher konkretisierten Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. c StVO iVm. § 5 Abs. 10 StVO eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.600,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen) gemäß § 99 Abs. 1 StVO sowie mit Spruchpunkt 2. wegen der näher konkretisierten Übertretung des § 58 Abs. 1 StVO eine Geldstrafe in Höhe von EUR 300,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen und 18 Stunden) gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO.

2 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde und führte begründend wie folgt aus:

"Hiermit erhebe ich Einspruch gegen die Strafhöhe von 2090-. Ich beginne am 2. September eine Lehre als Betriebslogistikkaufmann im 1. Lehrjahr. Die Lehrlingsentschädigung beträgt monatlich ca. 500,-. Ich ersuche (S)ie deshalb, die Höhe der Strafe angemessen anzupassen. Ich bedanke mich im (V)oraus."

3 Mit Spruchpunkt I. des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 12. September 2019 wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses in Anwendung des § 20 VStG insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 1.200,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage herabgesetzt wurde. Mit Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses wurde der Beschwerde zu Spruchpunkt 2. insofern stattgegeben, als der Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit "aufgehoben" wurde. Weiters wurden mit Spruchpunkt III. die Verfahrenskosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses herabgesetzt sowie ausgesprochen, dass die Verfahrenskosten zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses entfallen. Mit Spruchpunkt IV. des Erkenntnisses wurde ausgesprochen, dass keine Verfahrenskosten für das Beschwerdeverfahren anfielen und mit Spruchpunkt V., dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG "unzulässig" sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass aufgrund des klaren Beschwerdevorbringens zur Strafbemessung keine mündliche Verhandlung durchzuführen sei. Die Strafbemessung zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses sei aus näheren Gründen anders durchzuführen. Zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses führte das Verwaltungsgericht aus, dass im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus näheren Gründen das Konkretisierungsgebot des § 44a VStG verletzt sei. Weiters führte das Verwaltungsgericht aus wie folgt: "Wenngleich der (Mitbeteiligte) nur die verhängen Geldstrafen angefochten (habe), erweist sich der zu Spruchpunkt 2 verhängte Strafausspruch zufolge einer fehlenden schlüssigen Ableitung aus dem Verwaltungsakt als rechtswidrig". Der Strafausspruch sei daher "aufzuheben". 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision der LPD Wien wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Entscheidung weiche von näher konkretisierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Verwaltungsgericht rechtsirrig davon ausgehe, eine lediglich gegen die Strafhöhe gerichtete Beschwerde ermögliche es auch, über die Frage der Strafbarkeit der Tat abzusprechen. Hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit sei jedoch Teilrechtskraft eingetreten. 8 Die Revision erweist sich aus diesem Grund hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Erkenntnisses sowie der damit untrennbar verbundenen Kosten des Strafverfahrens in Spruchpunkt III. und IV. als zulässig (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2017/17/0968). Sie ist auch begründet:

9 Bekämpft ein Rechtsmittelwerber nur den Ausspruch über die Strafe, ist Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens nur die Frage der Strafbemessung. Hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit ist diesfalls Teilrechtskraft eingetreten (vgl. z.B. VwGH 20.9.2013, 20 13/17/0305, mwH).

10 Diese Judikatur hat auch im Anwendungsbereich des § 27 VwGVG weiterhin Gültigkeit. Hinsichtlich des Prüfungsumfanges bestimmt § 27 VwGVG, dass das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet -

den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen hat (vgl. VwGH 27.10.2014, Ra 2014/02/0053).

11 Das Beschwerdevorbringen ist im vorliegenden Fall ausdrücklich auf Strafminderung beschränkt. Eine Überprüfung des Schuldspruchs war dem Verwaltungsgericht daher verwehrt. 12 Das angefochtene Erkenntnis war sohin aus diesem Grund im Umfang der beantragten Aufhebung in ihrem Spruchpunkt II. sowie den damit untrennbar in Zusammenhang stehenden Kostenaussprüchen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens in den Spruchpunkten III. und IV. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am 27. Jänner 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen EntscheidungBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtBesondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020203.L00

Im RIS seit

02.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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