TE Vwgh Beschluss 2020/1/28 Ra 2020/14/0004

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A B in C, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2019, W207 2190936-1/19E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 21. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er in seinem Heimatland aufgrund seiner Tätigkeit als Polizist von den Taliban verfolgt werde.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Februar 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit Erkenntnis vom 16. November 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Verfassungsgerichtshof gab der gegen dieses Erkenntnis an ihn erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 26. Februar 2019, E 5145/2018-13, statt und hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2018 auf. Dafür war maßgeblich, dass nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes das Bundesverwaltungsgericht bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 gänzlich außer Acht gelassen hatte. 5 Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis vom 24. Mai 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung neuerlich ab. Die Erhebung einer Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6 Der Revisionswerber erhob dagegen eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 23. September 2019, E 2564/2019-7, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe veraltete Länderberichte herangezogen. Bei ausreichender Auseinandersetzung mit den Afghanistan betreffenden UNHCR-Richtlinien vom August 2018 wäre es zum Schluss gekommen, dass der Revisionswerber als ehemaliger Polizist ein besonderes Risikoprofil aufweise. Solche Personen seien landesweit den Angriffen der Taliban ausgesetzt, welche in ganz Afghanistan über ein gut ausgebautes Netzwerk verfügen würden. Daher bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative.

11 Soweit die Revision rügt, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Feststellungen zu den regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Taliban auf veraltete Quellen gestützt, ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht seinen diesbezüglichen Feststellungen das im Entscheidungszeitpunkt aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29. Juni 2018 samt aktueller Kurzinformation vom 26. März 2019 zugrunde gelegt hat. Dass diese Berichtslage als veraltet anzusehen wäre, ist fallbezogen nicht zu erkennen. Der in der Revision angeführte Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Afghanistan vom September 2019 lag dem Bundesverwaltungsgericht zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht vor.

12 Die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, ist eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0220, mwN).

13 Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber sei aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit als einfacher Polizist bei einer Rückkehr keiner asylrelevanten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt, die mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes drohe (vgl. dazu VwGH 24.6.2019, Ra 2019/20/0101, mwN), grob fehlerhaft wäre.

14 Das Verwaltungsgericht setzte sich mit den vom Revisionswerber behaupteten fluchtauslösenden Ereignissen näher auseinander und stufte dieses Vorbringen als unglaubwürdig ein. Insbesondere schenkte es den erstmals im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht getätigten Angaben keinen Glauben, wonach die Taliban seine Fingerabdrücke und Fotos von ihm hätten. Der Revisionswerber habe selbst angegeben, ein ganz normaler Polizist bei der afghanischen Nationalpolizei gewesen zu sein, keinen persönlichen Bedrohungen ausgesetzt gewesen zu sein und sich nicht in besonderer Weise exponiert zu haben. Daher sei es nicht wahrscheinlich, dass die Taliban gerade an der Person des Revisionswerbers ein so großes individuelles und reales Interesse hätten, ihn auch über Provinzgrenzen hinweg überall in Afghanistan ausfindig machen zu wollen, um ihn zu töten. Diesen nicht als unvertretbar einzustufenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Revision nichts Substantiiertes entgegen, sondern verweist bloß pauschal auf die frühere Tätigkeit des Revisionswerbers als Polizist. 15 Dass der Revisionswerber bereits nur aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit als Polizist im Fall seiner Ansiedlung in Mazar-e Sharif oder Herat tatsächlich ein derart erhöhtes Risikoprofil aufweise, sodass es als wahrscheinlich anzusehen wäre, dass er in den genannten Städten einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt wäre, legt die Revision auch unter Hinweis auf die Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 nicht nachvollziehbar dar.

16 Ausgehend davon begegnet die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber finde in den genannten Städten - aus vom Verwaltungsgerichtshof näher dargestellten einzelfallbezogenen Gründen - eine innerstaatliche Fluchtalternative vor, keinen Bedenken.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140004.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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