TE Vwgh Beschluss 2020/1/28 Ra 2019/03/0162

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2020
beobachten
merken

Index

14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AVG §44a Abs3
AVG §44b
UVPG 2000 §19 Abs3
UVPG 2000 §9 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Gemeinde P, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Teinfaltstraße 8/5.01, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2019, W109 2214505-1/7E, W109 2000179-1/430E, betreffend Parteistellung in einem UVP-Verfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: F AG und Land Niederösterreich, beide vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Das gegenständliche Verfahren betrifft die Frage der Parteistellung der revisionswerbenden Partei im UVP-Genehmigungsverfahren bezüglich der Errichtung und des Betriebs einer dritten Start- und Landepiste mit der Bezeichnung "Parallelpiste 11R/29L" am Flughafen W.

2 Die entsprechenden Genehmigungen wurden vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 23. März 2018, W109 2000179-1/350E, in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung (als der zuständigen UVP-Behörde) vom 10. Juli 2012 - unter gleichzeitiger Modifikation einiger Auflagen - erteilt. Den dagegen erhobenen Beschwerden bzw. Revisionen von mehreren Bürgerinitiativen und Einzelpersonen wurde von den Höchstgerichten des öffentlichen Rechts nicht stattgegeben (vgl. VfGH 4.10.2018, E 1818/2018-18, und 9.10.2018, E 1832/2018-17; VwGH 6.3.2019, Ro 2018/03/0031 bis 0038, Ro 2019/03/0007 bis 0009).

3 Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 beantragte die revisionswerbende Partei, die am Verfahren vor der UVP-Behörde und am Beschwerdeverfahren vor dem BVwG bislang nicht beteiligt war, bei der Niederösterreichischen Landesregierung die Zuerkennung der Parteistellung im gegenständlichen UVP-Genehmigungsverfahren und stellte zugleich den Antrag, ihr den UVP-Genehmigungsbescheid vom 10. Juli 2012 zuzustellen.

4 Mit Bescheid vom 10. Jänner 2019 wies die Niederösterreichische Landesregierung den Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung als unbegründet ab und den damit verbundenen Zustellantrag als unzulässig zurück.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das BVwG mit der angefochtenen Entscheidung als unbegründet ab (Spruchpunkt A.). Gleichzeitig wies es einen im Beschwerdeverfahren zusätzlich gestellten Antrag der revisionswerbenden Partei, ihr die Parteistellung im Genehmigungsverfahren W109 2000179-1 des BVwG zuzuerkennen, ab (Spruchpunkt B.2.I.) und einen weiteren Antrag auf Zustellung des Erkenntnisses des BVwG vom 23. März 2018, W109 2000179-1/350E, als unzulässig zurück (B.2.II.). Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

6 Begründend stellte das BVwG zusammengefasst fest, dass die im Bundesland Burgenland befindliche revisionswerbende Partei weder Standortgemeinde des gegenständlichen Vorhabens sei noch an die Standortgemeinde unmittelbar angrenze. Ihr komme daher nach § 19 Abs. 1 Z 5, Abs. 3 UVP-G 2000 keine Parteistellung im gegenständlichen UVP-Verfahren zu.

7 Die gegenteilige Rechtsansicht leite die revisionswerbende Partei aus dem Unionsrecht ab, weil sie nur in einer Entfernung von etwa 23 km Luftlinie vom Projektstandort liege und ihrem Dafürhalten nach von den Auswirkungen des Vorhabens wesentlich betroffen sein könne. Auch ihr müsse daher als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) Parteistellung im UVP-Verfahren eingeräumt werden.

8 Ohne diese unionsrechtliche Rechtsfrage klären zu müssen, komme der revisionswerbenden Partei aber vor allem aus folgendem Grund keine Parteistellung (mehr) zu:

9 Das UVP-Genehmigungsverfahren bzw. die Erlassung des UVP-Genehmigungsbescheides seien im Großverfahren gemäß § 44a AVG ordnungsgemäß kundgemacht worden. Dass die Kundmachungen insbesondere der UVP-Behörde nicht auch in regionalen Tageszeitungen für das Burgenland, sondern in den Ausgaben zweier im Bundesland Niederösterreich weitverbreiteten Tageszeitungen erfolgt sei, entspreche dem Gesetz (Hinweis auf VwGH 16.3.2017, Ro 2014/06/0038). Die Verlautbarung habe überdies in österreichweit vertriebenen Tageszeitungen ("Wiener Zeitung" und "Der Standard") stattgefunden, weshalb es auch der revisionswerbenden Partei möglich gewesen sei, die notwendigen Verfahrensinformationen zu erhalten.

10 Da die revisionswerbende Partei im Verfahren vor der UVP-Behörde aber keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben habe, unterliege sie den Präklusionsfolgen des § 44b Abs. 1 AVG (Hinweis auf VwGH 21.10.2014, 2012/03/0112, wonach die Präklusionsregelung auch für Formalparteien nach § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 gelte). Die Entscheidung wurde auch ihr gegenüber wirksam erlassen (Hinweis auf § 17 Abs. 7 UVP-G 2000). Die revisionswerbende Partei sei daher jedenfalls präkludiert.

11 Daran ändere auch das Urteil des EuGH vom 15. Oktober 2015 in der Rechtssache C-137/14, Kommission gegen Deutschland, nichts. Zwar müsse danach Personen, die nach innerstaatlichem Verwaltungsverfahrensrecht ihre Parteistellung mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen verloren haben, dennoch der Zugang zu einem unabhängigen Gericht und ein dementsprechendes Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Allerdings sei unbestritten, dass die Ausgestaltung des Gerichtszugangs im Rahmen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unter Beachtung des unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes Beschränkungen, etwa in Form von Rechtsmittelfristen, unterworfen werden könne.

12 Der revisionswerbenden Partei sei der Zugang zur gerichtlichen Überprüfung der UVP-Genehmigung nicht verwehrt worden. Sie habe keine Beschwerde an das BVwG erhoben und sich am Beschwerdeverfahren auch sonst nicht beteiligt. Ihre nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens gestellten Anträge, ihr die Parteistellung zuzuerkennen, seien daher nicht berechtigt. 13 Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht in der Zulassungsbegründung geltend, es lägen entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des BVwG "sehr wohl Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor". 14 Soweit sich das BVwG zur Frage der ordnungsgemäßen Kundmachung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2017, Ro 2014/06/0038, beziehe, sei dieses nicht einschlägig, weil es dort um den Wohnsitz einer Partei in einem vom Projektstandort unterschiedlichen Bundesland gegangen sei. Die Frage, wo die Kundmachung zu erfolgen habe, wenn potentiell Betroffene eines Vorhabens ihren Wohnsitz in einem anderen Bundesland hätten, stelle sich im vorliegenden Fall jedoch nicht. Hier gehe es vielmehr um die Auswirkungen des Vorhabens auf ein anderes Bundesland bzw. auf die revisionswerbende Partei, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts überhaupt keinen Wohnsitz habe. Zu dieser Frage liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

15 Ungelöst sei in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch, ob der Bescheid der UVP-Behörde durch Erlassung der Beschwerdeentscheidung des BVwG "untergegangen" sei. Dies sei für das Ergebnis im gegenständlichen Fall aber ohnedies nicht relevant.

16 Auch die Frage, ob Formalparteien im UVP-Genehmigungsverfahren präkludiert sein könnten, sei bisher von den Höchstgerichten - soweit ersichtlich - nicht thematisiert worden. 17 Schließlich habe das BVwG überhaupt keine Ermittlungsmaßnahmen zur Überprüfung der Betroffenheit der revisionswerbenden Partei durch mögliche Flugrouten in die Wege geleitet. Dagegen bestünden erhebliche unionsrechtliche Bedenken, die in den Revisionsgründen dargelegt würden.

18 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

19 Die Revision wendet sich zunächst gegen die Rechtsansicht des BVwG, wonach die Kundmachungen der UVP-Behörde mittels Edikt gemäß § 9 Abs. 3 UVP-G 2000 in Verbindung mit § 44a Abs. 3 AVG (in den zeitlich maßgeblichen Fassungen) ordnungsgemäß erfolgt seien. In diesem Zusammenhang greift sie in der Zulassungsbegründung nur auf, dass das BVwG - neben der Verlautbarung in zwei bundesweit verbreiteten Tageszeitungen - die Kundmachungen in den Ausgaben zweier im Bundesland Niederösterreich weitverbreiteten Tageszeitungen für ausreichend erachtete und keine zusätzliche Verlautbarung in solchen verlangte, die speziell im Bundesland Burgenland regional verbreitet gewesen seien.

20 Zu Recht hat das BVwG jedoch insoweit auf das hg. Erkenntnis vom 16. März 2017, Ro 2014/06/0038, verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Wendung des § 44a Abs. 3 AVG, das Edikt sei im redaktionellen Teil zweier "im Bundesland" weitverbreiteten Tageszeitungen zu verlautbaren, ausdrücklich nur auf jenes Bundesland bezogen hat, in dem sich der Projektstandort befindet. Auf die nähere Begründung des Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Dass die dabei angestellten rechtlichen Erwägungen nur für natürliche Personen mit einem Wohnsitz gelten sollten, nicht aber für eine öffentlich rechtliche Körperschaft (wie die revisionswerbende Gemeinde), vermag die Revision nicht nachvollziehbar zu begründen und lässt sich dem zitierten Erkenntnis auch nicht entnehmen.

21 In Bezug auf die weitere geltend gemachte Rechtsfrage, ob der Bescheid einer UVP-Behörde durch Erlassung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses im Beschwerdeverfahren "untergegangen" (gemeint: dadurch ersetzt worden) sei, gesteht die Revision selbst zu, dass diese Frage im Revisionsfall nicht von entscheidender Bedeutung ist, weshalb die Zulässigkeit der Revision darauf auch nicht gestützt werden kann (vgl. dazu - ungeachtet dessen - VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0031, 0032, Pkt. III.A.3).

22 Soweit die Revision vermeint, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei noch nicht thematisiert worden, ob Formalparteien im UVP-Genehmigungsverfahren präkludiert sein können, übersieht sie, dass sich das BVwG in diesem Zusammenhang zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, 2012/03/0112, beziehen konnte, in dem mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargestellt worden ist, dass die in § 19 Abs. 3 UVP-G 2000 genannten Formalparteien insofern auch den Präklusionsregelungen des § 44b AVG unterliegen. 23 Welche grundsätzlichen Rechtsfragen die Revision im Zusammenhang mit ihrer Behauptung, das BVwG habe die Betroffenheit der revisionswerbenden Partei durch die Flugrouten zur dritten Piste nicht hinreichend ermittelt, anspricht, lässt sich aus der - allein maßgeblichen - Zulassungsbegründung nicht entnehmen. Es ist vor allem nicht erkennbar, welche Relevanz für das Verfahrensergebnis dieser behauptete Ermittlungsmangel konkret gehabt haben sollte.

24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030162.L00

Im RIS seit

04.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten