TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/15 95/13/0286

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Veröffentlicht am 15.07.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der EM in W, vertreten durch Dr. Josef Krist, Rechtsanwalt in Wien I, Liebiggasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 17. Oktober 1995, Zl. 15-95/1232/05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1988 bis 1992,

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird im Umfang ihrer Bekämpfung des angefochtenen Bescheides in einem Abspruch über Gewerbesteuer für die Jahre 1989 bis 1992 zurückgewiesen;

und 2. zu Recht erkannt:

Im übrigen, nämlich im Umfang der Bekämpfung des angefochtenen Bescheides in seinen Absprüchen über Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1988 bis 1992 und Gewerbesteuer für das Jahr 1988, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezieht als Hausbesorgerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, daneben Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und übt darüber hinaus auch ihren erlernten Beruf als Friseurmeisterin in ihrer Wohnung aus, in welcher ein Raum für diese Tätigkeit entsprechend adaptiert ist.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin stellte sich heraus, daß diese für die Streitjahre 1988 bis 1992 keine Aufzeichnungen und Belege über ihre gewerbliche Tätigkeit als Friseurmeisterin vorlegen konnte. Es wurden von der Prüferin die Besteuerungsgrundlagen aus dieser Tätigkeit der Beschwerdeführerin deshalb auf der Basis von Durchschnittswerten für Kleinbetriebe unter Berücksichtigung eines Abschlages von 40 % für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Hausbesorgerin im Schätzungswege ermittelt und vom Finanzamt Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1988 bis 1992 und ein Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1988 erlassen; das vorgeschlagene Unterbleiben von Ausfertigungen von Gewerbesteuerbescheiden für die Jahre 1989 bis 1992 wurde von der Prüferin mit dem Fehlen steuerlicher Auswirkungen begründet.

Mit Anbringen vom 21. März 1995 erhob die Beschwerdeführerin "gegen die Steuerbescheide 1988 bis 1992" eine Berufung, in welcher sie vorbrachte, daß die von der Prüferin angenommenen Umsätze zu hoch seien, weil die Beschwerdeführerin in den betroffenen Jahren ihre bettlägrige Mutter habe pflegen und Hausbesorgerarbeiten habe durchführen müssen. Daß die Umsätze aufgrund des Ansatzes für Kleinbetriebe zu hoch seien, zeige auch die von der Beschwerdeführerin für das Jahr 1994 genau vorgenommene Erfassung der Umsätze, die in etwa den Umsätzen der Vorjahre entsprächen. Es sei auch der Stromverbrauch der Wohnung der Beschwerdeführerin im Vergleich mit anderen Wohnungen des Hauses nicht höher, sodaß die Umsätze der betroffenen Jahre in der Größenordnung gelegen sein müßten, wie sie der für das Jahr 1994 erstatteten Steuererklärung entspreche.

In der Stellungnahme der Prüferin zur Berufung erläuterte sie die angewandte Schätzungsmethode. Ausgegangen worden sei von einem Kopfleistungsumsatz unter Berücksichtigung einer Stehzeit von 33 % mit einem Nettobetrag von S 6.160,-- pro Woche; von diesem Betrag seien 40 % als weitere Stehzeit abgezogen worden, was unter Berücksichtigung von 20 % Umsatzsteuer zu einem gerundeten Bruttoumsatz von S 4.500,-- pro Woche geführt habe. Die produktive Jahresarbeitszeit sei mit 46 Leistungswochen (52 Wochen abzüglich fünf Wochen Urlaub und eine Woche Sonstiges) angesetzt worden. Dieser für das Kalenderjahr 1992 geschätzte Einnahmenwert sei auf die übrigen Prüfungsjahre unter Berücksichtigung einer jährlichen Steigerung von 5 % umgelegt worden. Es sei von der Beschwerdeführerin im Zuge der Prüfung wohl ein Buchkalender für das Jahr 1994 vorgelegt worden, in welchem Einnahmen mit Bleistift festgehalten worden seien. Diese Aufzeichnungen wiesen aber im einzelnen dargestellte schwerwiegende Mängel auf und gäben zu berechtigten Zweifeln an ihrer Richtigkeit Anlaß, sodaß sie für die Bemessung der Vorjahre nicht herangezogen worden seien.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich zu dieser Stellungnahme der Prüferin mit dem Vorbringen, die Friseurtätigkeit nur als Hobbybetrieb ausgeübt zu haben, weil sie wegen der Pflege der Mutter und ihrer Hausbesorgertätigkeit nicht die Möglichkeit gehabt habe, bei einem Friseur zu arbeiten, und den Anschluß an die moderne Friseurtätigkeit deshalb ansonsten nach einigen Jahren verpaßt hätte. Diesem Schreiben schloß die Beschwerdeführerin eine handschriftliche Kundenliste mit den ihr bekannten Adressen und Telefonnummern ihrer Kunden an und verwies auch auf bereits übersandte Strombelege.

Mit dem nunmehr angefochtenen, über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die erstinstanzlichen Bescheide, "betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1988 bis 1992", absprechenden Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde beurteilte die Schätzungsmethode der Prüferin als schlüssig und nachvollziehbar und erachtete die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Kundenliste als nicht geeignet, die Richtigkeit der Berufungsangaben der Beschwerdeführerin zu bestätigen. Die Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin für das Jahr 1994 seien - ebenso wie jene für das Jahr 1993 - derart mangelhaft, daß von ihrer Richtigkeit nicht ausgegangen werden könne. Wenn die Beschwerdeführerin auf die erforderliche Pflege ihrer kranken Mutter und die Verrichtung der Hausbesorgertätigkeiten verweise, sei ihr entgegenzuhalten, daß diesen Umständen bei der Schätzung ohnehin schon durch Ansatz außergewöhnlicher Stehzeiten Rechnung getragen worden sei.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf als verletzt, hinsichtlich der sie treffenden Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht in geeigneter und den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahekommender Weise geschätzt zu werden. Sie trägt vor, für das Jahr 1994 vollständige und detaillierte Aufzeichnungen erstellt und vorgelegt zu haben, und verweist auf die intensive Pflege ihrer kranken Mutter und auf eine "zumindest 38 Wochenstunden zu leistende" Tätigkeit als Hausbesorger. Die von ihr vorgelegte Liste ihrer Kunden habe ebensowenig Berücksichtigung gefunden wie ihre Aufzeichnungen für das Jahr 1994. Mit einer in der Wohnung ausgeübten Tätigkeit könne die Beschwerdeführerin nicht Einkünfte wie ein Kleinbetrieb erzielen. Auch die vorgelegte Kundenliste gebe keinen solchen Kundenstock wieder, mit dem die Durchschnittswerte für Kleinbetriebe erreicht werden könnten. Es handle sich darüber hinaus bei ihren Kunden durchwegs um alte Menschen, die selten zum Friseur gingen. Die getätigten Abschläge für Stehzeiten und die Tätigkeit als Hausbesorger reichten sachbezogen nicht aus. Es sei auch die Ermittlung der produktiven Jahresarbeitszeit zu hoch angesetzt. Die Beschwerdeführerin sei nach einer Operation im Jahr 1993 drei Monate arbeitsunfähig und im Jahr 1994 in Kurbehandlung und ebenfalls arbeitsunfähig gewesen. Die Pflege der Mutter der Beschwerdeführerin sei aus näher dargelegten Umständen sehr aufwendig gewesen. Schließlich habe die Beschwerdeführerin auch ihre Familie versorgen müssen. All diese Umstände habe die belangte Behörde nicht ausreichend berücksichtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Gewerbesteuer für die Jahre 1989 bis 1992:

Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1992 sind im Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin dieser gegenüber nicht erlassen worden. Ob dem angefochtenen Bescheid nach der in der Präambel seines Spruches gewählten Formulierung ein Abspruch über Gewerbesteuer für die Jahre 1989 bis 1992 entnommen werden müßte, bleibe dahingestellt. Die berufungsbehördliche "Bestätigung" eines in erster Instanz gar nicht erlassenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin in ihrem als verletzt erklärten Recht nicht verletzt haben. Ihre den angefochtenen Bescheid insoweit erkennbar auch in einem Abspruch über Gewerbesteuer für die Jahre 1989 bis 1992 bekämpfende Beschwerde war mangels eines normativ wirkenden Anfechtungsgegenstandes in jedem Fall gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, was der Gerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Zur Umsatz- und Einkommensteuer 1988 bis 1992 und zur Gewerbesteuer 1988:

Gemäß § 184 Abs. 3 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Ist eine Schätzung grundsätzlich zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im allgemeinen frei, doch muß das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt werden, müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein, und muß das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht, mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muß stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hierbei muß die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigten substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen (vgl. für viele etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1998, 96/15/0005, und vom 24. Februar 1998, 95/13/0083, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Die behördliche Schätzungsberechtigung wird von der Beschwerdeführerin angesichts des Fehlens jeglicher Aufzeichnungen für die Streitjahre mit Recht nicht in Zweifel gezogen. Eine Rechtswidrigkeit des Schätzungsvorganges und der aus ihm resultierenden Schätzungshöhe wird von der Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen nicht tauglich aufgezeigt und ist auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, daß die belangte Behörde nicht die von der Beschwerdeführerin für das Jahr 1994 geführten Aufzeichnungen zur Grundlage ihres Schätzungsprozesses der Streitjahre genommen hatte. Dem ist zu erwidern, daß der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren mitgeteilt worden war, daß und weshalb auch ihre für das Jahr 1994 geführten Aufzeichnungen nicht dazu angetan seien, die Besteuerung auf sie zu gründen. Dem wußte die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ebenso wenig etwas entgegenzusetzen wie vor dem Gerichtshof, wo sie sich auf die Behauptung beschränkt, diese ihre Aufzeichnungen seien vollständig gewesen. Konnte die Beschwerdeführerin den von der Behörde geäußerten Zweifeln an der Eignung der Aufzeichnungen für das Jahr 1994 dazu, als Grundlage der für die Streitjahre vorzunehmenden Schätzung zu dienen, schon nichts entgegensetzen, dann ist ihr zusätzlich zu erwidern, daß die hypothetische Tauglichkeit alternativer Schätzungsmethoden nicht mehr von Belang ist, wenn eine von der Abgabenbehörde gewählte - andere - Schätzungsmethode als geeignet erkannt werden kann, den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen in einer die Rechte des Abgabepflichtigen nicht verletzenden Weise ausreichend nahezukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1995, 95/13/0016). Daß den familiären Pflichten der Beschwerdeführerin, der auf ihr lastenden Sorge für ihre Mutter und ihren Verpflichtungen als Hausbesorgerin in der im Beschwerdefall angewandten Schätzungsmethode nicht ausreichend Rechnung getragen worden wäre, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Weshalb sich aus der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kundenliste ergeben sollte, daß mit solchen Kunden die von der belangten Behörde in Bestätigung der erstinstanzlichen Bescheide angenommenen Einnahmen nicht zu erzielen gewesen wären, macht die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof ebenso wenig einsichtig wie im Verwaltungsverfahren. Ihr wiederholt getroffener Hinweis, nicht die Einkünfte eines Kleinbetriebes erzielt haben zu können, läßt den Umstand außer acht, daß das behördliche Schätzungsergebnis mit seinem zusätzlichen Stehzeitabschlag ohnehin nicht die Erzielung der Einnahmen eines Kleinbetriebes unterstellt hat. Was die im Verwaltungsverfahren vorgelegte Kundenliste anlangt, macht die Beschwerdeführerin schließlich auch nicht einsichtig, aus welchen Gründen die belangte Behörde Anlaß dazu hätte finden müssen, der Vollständigkeit dieser Kundenliste zu vertrauen. Daß die produktive Jahresarbeitszeit mit 46 Wochen zu hoch angenommen worden sei, hätte die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vortragen und dazu auch darlegen müssen, warum dies so sein solle. Ihr erst vor dem Verwaltungsgerichtshof dazu erstattetes Vorbringen kommt zum einen zu spät und bezieht sich zum anderen auf Jahre, deren Besteuerung nicht Verfahrensgegenstand ist.

Das von der belangten Behörde übernommene Schätzungsergebnis ist unbedenklich. Im Umfang der Bekämpfung des angefochtenen Bescheides in seinem Abspruch über Gewerbesteuer für das Jahr 1988 sowie Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1988 bis 1992 war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995130286.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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