TE Vfgh Beschluss 1996/9/24 B1577/96

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Veröffentlicht am 24.09.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §87 Abs3

Leitsatz

Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich eines nachträglichen Abtretungsantrages aufgrund Vorliegen eines bloß leicht fahrlässigen Irrtums einer Kanzleiangestellten

Spruch

I. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird bewilligt.

II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1995, B537/95-12, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 20. Dezember 1994, Z2-007/93/E2, ab.

Mit Schriftsatz vom 11. Jänner 1996, welcher am selben Tag zur Post gegeben wurde, begehrte der Beschwerdeführer die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1996, B537/95-15, wurde dieser Antrag wegen Versäumung der gemäß §87 Abs3 VerfGG bestimmten Frist zur Stellung dieses Antrages zurückgewiesen. Die Zustellung dieses Beschlusses erfolgte an den Vertreter des Beschwerdeführers am 29. April 1996.

2. Mit dem am 10. Mai 1996 zur Post gegebenen und beim Verfassungsgerichtshof am 13. Mai 1996 eingelangten Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten. Unter einem beantragte er die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, daß die Versäumung der Frist auf ein Versehen einer anwaltserfahrenen und sehr verläßlichen Sekretärin zurückzuführen sei. Mit 1. Jänner 1996 habe sein Rechtsvertreter seine Kanzlei aus einer Kanzleigemeinschaft verlegt. Der Umzug, mit welchem zwei Sekretärinnen der Kanzleigemeinschaft beschäftigt waren, sei nach den Weihnachtsfeiertagen 1995 erfolgt. Einer weiteren Sekretärin sei während dieser Zeit die Entgegennahme und Weiterleitung der einlangenden Post für seinen Rechtsvertreter oblegen. Die anwaltserfahrene und sehr verläßliche Sekretärin habe aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen den tatsächlich am 27. Dezember 1995 eingegangenen Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes mit dem Eingangsstempel "28. Dezember 1995" versehen. Der Rechtsvertreter habe auf die Richtigkeit des von seiner Sekretärin angebrachten Eingangsdatums vertraut und die für die Stellung des Abtretungsantrages relevante Frist mit 11. Jänner 1996 dementsprechend (falsch) im Kalender vorgemerkt. Daß der Eingangsstempel auf dem Ablehnungsbeschluß von der erfahrenen und sonst äußerst verläßlich arbeitenden Sekretärin unrichtig angebracht wurde, sei für den Vertreter ein unvorhergesehenes und auch unabwendbares Ereignis gewesen.

Dem Antrag ist eine eidesstattliche Erklärung beigeschlossen, die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, vom Rechtsanwalt, mit dem er sich in Kanzleigemeinschaft befunden hat sowie von der genannten Sekretärin unterfertigt ist und mit welcher die (geschilderten) Vorgänge, die zur Fristversäumnis führten, bestätigt werden. Weiters ist eine Ablichtung des dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes, der den Eingangsstempel der Kanzlei vom 28. Dezember 1995 aufweist, sowie eine Kopie des Fristenblattes aus dem Kalender des Rechtsvertreters, in dem der Fristablauf mit 11. Jänner 1996 vermerkt ist, beigeschlossen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

2. Die rechtzeitige Einbringung des Antrages wurde durch einen Irrtum der Kanzleiangestellten und der daraus folgenden falschen Fristvormerkung gehindert. Dieses Hindernis fiel mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1996, B537/95-15, somit am 29. April 1996, weg. Da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 10. Mai 1996 zur Post gegeben wurde, ist er rechtzeitig.

Nach dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers und der eidesstattlichen Erklärung kann nicht angenommen werden, daß den Beschwerdeführer oder den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden trifft. Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, oder an der Verläßlichkeit der Kanzleiangestellten des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zu bewilligen.

III.        Die Beschwerde war -

antragsgemäß - gem. Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

IV.                                 Dies konnte gemäß §33 und

§19 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Abtretung, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B1577.1996

Dokumentnummer

JFT_10039076_96B01577_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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