TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/15 93/13/0053

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Veröffentlicht am 15.07.1998
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

ABGB §1151;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
UStG 1972 §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des G R in W, vertreten durch Dr. Friedrich Knöbl, Rechtsanwalt in Wien XII, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 26. Februar 1993, Zl. 6/3-3012/93-05, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber, ob die im Jahr 1989 bezogenen Einkünfte des Beschwerdeführers aus einem Lehrauftrag an der Universität Wien solche aus nichtselbständiger Arbeit sind (Auffassung des Beschwerdeführers) oder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Umsatzsteuer unterliegen (Auffassung der belangten Behörde).

Unbestritten ist, daß die in Rede stehenden Einkünfte in den Vorjahren (laut Aktenlage seit 1978) stets als Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt, vom Finanzamt als solche erfaßt und der Umsatzsteuer unterzogen worden waren. In der Beschwerde wird dies damit erklärt, daß der Beschwerdeführer "diesen Sachverhalt übersehen habe" und "daher in der Vergangenheit gegen die unrichtigen Bescheide kein Rechtsmittel ergriffen habe".

Weiters wird in der Beschwerde vorgebracht, daß der Lehrauftrag ursprünglich "knapp 20 Stunden" umfaßt habe, und sich "auf Grund der wirtschaftlichen Lage der Universität sukzessive auf 11 Stunden im Jahr 1989" reduziert habe. Von diesen 11 Stunden entfielen 9 Stunden auf einen remunerierten Lehrauftrag und eine auf einen nicht remunerierten Lehrauftrag; eine Stunde werde vom "USI-Wien" bezahlt.

Aus der Aktenlage ergibt sich hinsichtlich der Höhe der für die Lehrauftragstätigkeit erhaltenen Vergütungen nur ein unvollständiges Bild:

         1983                             S 180.906,--

         1984                             S 177.886,--

         1985                             S 209.283,--

         1986                             S 296.277,--

         1987 und 1988: Für diese Jahre sind keine Erlösdaten

aktenkundig. Auf Grund der erklärten Einkünfte ist jedoch zu

vermuten, daß die Erlöse jeweils S 300.000,-- überstiegen

haben.

1989 S 211.322,--.

Auf den Bestätigungen der Universität Wien über den Bezug der Vergütungen findet sich regelmäßig der Hinweis "Bezugsempfänger ist einkommensteuerpflichtig".

Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer selbst jahrelang seine Einkünfte aus der Lehrauftragstätigkeit als solche aus selbständiger Arbeit erklärt habe, ohne auch nur zu behaupten, daß diesbezüglich für das Jahr 1989 eine Änderung eingetreten sei. Weiters wird auf den eben zitierten Vermerk der Universität Wien über die Einkommensteuerpflicht der Bezüge sowie auf den Umstand verwiesen, daß der Beschwerdeführer nicht in Abrede stelle, seinen Entgeltsanspruch "bei Nichtabhaltung oder nicht vollständiger Abhaltung seiner Lehrverpflichtung" zu verlieren. "Versäumtes nachzuholen" schafft wohl einen finanziellen Ausgleich, ist aber im Bereich der nichtselbständigen Tätigkeit nicht vorgesehen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein - die Beurteilung der Tätigkeit als eine unternehmerische ausschließendes - Dienstverhältnis eines Lehrbeauftragten ist dann anzunehmen, wenn der Lehrbeauftragte fest in den Betrieb eines Hochschulinstitutes eingegliedert und dort gleich den anderen am betreffenden Institut als Arbeitnehmer beschäftigten Personen tätig ist. Ist die zeitliche und örtliche Bindung des Lehrbeauftragten an eine bestimmte Arbeitsstätte und seine Abhängigkeit vom Institutsbetrieb bereits so groß, daß sie sich faktisch nicht mehr von der eines Dienstnehmers unterscheidet, so ist sie auch steuerlich nicht anders zu beurteilen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1996, 94/15/0123, mit zahlreichen weiteren Hinweisen.

Der Beschwerdeführer hat zwar in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid lediglich allgemein gehaltene Betrachtungen betreffend die Abgrenzung einer selbständigen von einer nichtselbständigen Tätigkeit angestellt und die in diesem Zusammenhang von Lehre und Rechtsprechung erarbeiteten Abgrenzungskriterien in einen besonderen Bezug zur Lehrauftragstätigkeit gebracht bzw. erläutert. Ein konkretes Vorbringen über die Art seiner Tätigkeit, das nach der zitierten hg. Rechtsprechung auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses schließen ließe, hat er allerdings in einem gesonderten Schriftsatz insoweit erstattet, als er den Umfang seines Lehrauftrages mit (ursprünglich) knapp 20 Stunden bezeichnet hat. Sollte dies zutreffen, so wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob angesichts des Ausmaßes der Lehrverpflichtung die Eingliederung des Beschwerdeführers in den Betrieb des Hochschulinstitutes der eines Arbeitnehmers entsprochen hat. Es ist zwar richtig, daß der Beschwerdeführer eine stetige Einschränkung seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter behauptet hat und im Streitjahr nur mehr 11 Wochenstunden tätig war; dieser Umstand führt aber nicht zwangsläufig dazu, daß eine Tätigkeit, die in früheren Jahren als Dienstverhältnis zu beurteilen gewesen wäre, nur infolge ihrer Einschränkung die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit angenommen hätte. Dazu kommt, daß die belangte Behörde ausdrücklich selbst davon ausgeht, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers in den vorangegangenen Jahren ihrem Wesen nach keine Änderung erfahren hat.

Von den von der belangten Behörde als zahlreich bezeichneten Gründen, "die zur Abweisung der Berufung führen müssen" überzeugt keiner:

1. Daß der Beschwerdeführer selbst in der Vergangenheit einen möglicherweise unrichtigen Rechtsstandpunkt eingenommen hat, kann keine Rechtsgrundlage für eine Berufungsentscheidung sein. Die Abgabenbehörde hat sich nämlich selbst ein Bild vom entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu verschaffen und dessen rechtliche Subsumtion eigenständig vorzunehmen.

2. Die Bescheinigung der Universität Wien über die Einkommensteuerpflicht der Lehrauftragsvergütung vermag ebensowenig eine rechtliche Subsumtion der belangten Behörde zu ersetzen.

3. Der "Verlust des Entgeltsanspruchs bei Nichtabhaltung oder nicht vollständiger Abhaltung seiner Lehrverpflichtung" ist für sich allein ebenfalls kein überzeugendes Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Gibt es doch auch im Bereich der nichtselbständigen Tätigkeit Entlohnungen, die nur bei tatsächlich erbrachter Leistung zustehen, wie z.B. Überstundenentlohnungen, Mehrleistungsvergütungen u.ä.

Was die belangte Behörde mit ihrer in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellung zum Ausdruck bringen möchte, wonach es im Bereich der nichtselbständigen Tätigkeit nicht vorgesehen sei "Versäumtes nachzuholen" vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Der tiefere Sinn dieser Aussage bleibt dem Gerichtshof verborgen.

Da die belangte Behörde ohne ausreichendes Ermittlungsverfahren und überdies ohne Darlegung solcher rechtlicher Erwägungen, die geeignet wären, ihren Rechtsstandpunkt zu tragen, die aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Lehrbeauftragter erzielten Einkünfte seien solche aus selbständiger Tätigkeit, erweist sich der angefochtene Bescheid sowohl als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - dieser Aufhebungsgrund prävaliert - aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die in der Verordnung vorgesehenen Pauschbeträge die Umsatzsteuer bereits enthalten und Stempelgebührenersatz nur in jenem Ausmaß zuerkannt werden konnte, als er zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1993130053.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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