TE Vwgh Beschluss 2020/1/28 Ra 2019/01/0501

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Index

E1E
E1P
E6J
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/16 Sonstiges Verfassungsrecht
19/05 Menschenrechte
41/03 Personenstandsrecht
59/04 EU - EWR

Norm

AdelsaufhG 1919
AdelsaufhV 1919
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
PStG 2013 §42
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
12010E021 AEUV Art21
12010P/TXT Grundrechte Charta Art20
12010P/TXT Grundrechte Charta Art7
62009CJ0208 Ilonka Sayn-Wittgenstein VORAB

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/01/0502

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revisionen 1. der M E und 2. des E E, beide in L und vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich jeweils vom 4. Oktober 2019, Zlen. LVwG-750734/2/BP/JB (zu 1.) und LVwG- 750735/2/BP/JB (zu 2.), jeweils betreffend Berichtigung eines Familiennamens nach dem Personenstandsgesetz 2013 (jeweils belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wurden in der Sache gemäß § 42 Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013) die Eintragung der Eheschließung der Erstrevisionswerberin bzw. die Eintragung im Geburtenbuch und die Eintragung der Eheschließung des Zweitrevisionswerbers hinsichtlich der Eintragung des Familiennamens dahin berichtigt, dass der Familienname "E" zu lauten hat.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen gleichlautend aus, die Revisionswerber seien österreichische Staatsbürger. Der Nachname des Zweitrevisionswerbers als "Freiherr von E" sei im Rahmen seiner Adoption im Jahr 1982 eingetragen worden und leite sich von seinem "gleichzeitig leiblichen und Adoptivvater" ab, der sowohl österreichischer als auch deutscher Staatsbürger gewesen sei. Der Nachname der Erstrevisionswerberin sei im Rahmen der Eheschließung im Jahre 1984 als "Freiherr von E" eingetragen worden. Bei der Namensbeifügung "Freiherr von" handle es sich nach dem österreichischen Adelsaufhebungsgesetz und der Vollzugsanweisung vom 18. April 1919 fraglos um einen Adelstitel bzw. um eine Adelsbezeichnung. Dass es sich beim Familiennamen der Revisionswerber um keinen österreichischen Adelsnamen/Adelstitel handle, sei rechtlich unerheblich, da das österreichische Adelsaufhebungsgesetz auf österreichische Staatsbürger generell anzuwenden sei. Auch § 13 IPRG stütze diese Annahme. Das Adelsaufhebungsgesetz als integrierter Teil der österreichischen Bundesverfassung sei zur Anwendung zu bringen. Dass dies in den ersten Jahrzehnten der zweiten Republik weniger stringent behördlich verfolgt worden sei, biete keine rechtliche Grundlage dafür, von erworbenen Rechten auszugehen.

3 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurden.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Revisionen wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die vorliegenden Rechtssachen gleichen in ihren wesentlichen Umständen jener, über die bereits mit Beschluss vom 28. Jänner 2019, Ra 2018/01/0509, entschieden wurde. Es kann daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG auf diesen Beschluss verwiesen werden.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass das in Österreich im Verfassungsrang stehende Adelsaufhebungsgesetz für österreichische Staatsbürger sowohl den Erwerb von Namensbestandteilen oder -zusätzen, die im Sinne des Adelsaufhebungsgesetzes und der dazu ergangenen Vollzugsanweisung Adelsbezeichnungen darstellen, ausschließt, als auch, dass eine Person, für die eine solche Adelsbezeichnung nach anderem als nach österreichischem Recht Bestandteil ihres Namens ist, diese nach Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft weiterführt (vgl. den obzitierten Beschluss, Rn. 9; vgl. auch zuletzt VwGH 15.10.2019, Ra 2019/01/0375-0378, mwN).

10 Im zuletzt zitierten Beschluss vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/01/0375-0378, verwies der Verwaltungsgerichtshof auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zur verfassungsrechtlichen Adelsaufhebung und die übereinstimmende und eindeutige Rechtsprechung der Höchstgerichte (Rn. 14; vgl. jüngst zur Bedeutung des Adelsaufhebungsgesetzes zur Herstellung demokratischer Gleichheit auch VfGH 9.10.2019, E 1851/2019, Rn. 18).

11 Soweit die Revisionen in den Zulässigkeitsgründen allgemein vorbringen, es fehle eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Anwendungsbereich des Adelsaufhebungsgesetzes, der Anwendbarkeit von Unionsrecht, der Unvereinbarkeit der angewendeten Normen mit Art. 21 AEUV und eine Unvereinbarkeit der angewendeten Normen mit Art. 7 und 20 Grundrechtecharta (GRC) behaupten, lässt sie vor dem Hintergrund der oben angeführten übereinstimmenden und eindeutigen Rechtsprechung der Höchstgerichte ausreichend konkretes Vorbringen vermissen.

12 Im Hinblick auf die behauptete Unvereinbarkeit der angewendeten Normen mit Art. 21 AEUV und Art. 20 GRC ist nochmals auf das Urteil des EuGH vom 22. Dezember 2010, Sayn-Wittgenstein, Rs. C-208/09, hinzuweisen, in dem der EuGH vor dem Hintergrund der österreichischen Rechtslage des Adelsaufhebungsgesetzes, der Vollzugsanweisung und des Personenstandgesetzes, BGBl. Nr. 60/1983, festgehalten hat:

"89 Die Unionsrechtsordnung zielt unbestreitbar darauf ab, den Gleichheitsgrundsatz als allgemeinen Rechtsgrundsatz zu wahren. Dieser Grundsatz ist auch in Art. 20 der Charta der Grundrechte niedergelegt. Es besteht daher kein Zweifel, dass das Ziel, den Gleichheitsgrundsatz zu wahren, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

...

93 Im vorliegenden Fall erscheint es nicht unverhältnismäßig, wenn ein Mitgliedstaat das Ziel der Wahrung des Gleichheitssatzes dadurch erreichen will, dass er seinen Angehörigen den Erwerb, den Besitz oder den Gebrauch von Adelstiteln oder von Bezeichnungen verbietet, die glauben machen könnten, dass derjenige, der den Namen führt, einen solchen Rang innehat. Es ist nicht zu erkennen, dass die zuständigen österreichischen Personenstandsbehörden dadurch, dass sie es ablehnten, die in einem Namen wie dem der Beschwerdeführerin enthaltene Adelsbezeichnung anzuerkennen, über das hinausgegangen wären, was zur Erreichung des von ihnen verfolgten grundlegenden verfassungsrechtlichen Ziels erforderlich ist.

94 Vor diesem Hintergrund ist es nicht als eine Maßnahme anzusehen, die das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt ungerechtfertigt beeinträchtigt, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats es ablehnen, den Nachnamen eines Angehörigen dieses Staates, wie er in einem zweiten Mitgliedstaat, in dem dieser Staatsangehörige wohnt, bei seiner Adoption als Erwachsener durch einen Staatsangehörigen dieses zweiten Staates bestimmt wurde, in allen seinen Bestandteilen anzuerkennen, wenn dieser Nachname einen Adelstitel enthält, der im ersten Mitgliedstaat aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig ist."

13 Nach dieser für den Verwaltungsgerichtshof eindeutigen Rechtsprechung des EuGH, welche auch in der (obzitierten) Rechtsprechung der Höchstgerichte angeführt wird, bestehen für den Verwaltungsgerichtshof keine vernünftigen Zweifel, dass die hier anzuwendenden Rechtsgrundlagen mit Art. 21 AEUV und Art. 20 GRC vereinbar sind.

14 Insoweit die Revision einen Normenkonflikt des Adelsaufhebungsgesetzes mit Art. 8 EMRK behauptet, genügt es auf die im zitierten Beschluss vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/01/0375 bis 0378, angeführte Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, die sich auch mit Art. 8 EMRK befasst.

15 Zuletzt behaupten die Revisionen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtskraft eines gegenüber dem Vater des Zweitrevisionswerbers (nach § 8 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen, deutsches RGBl. I S. 9/1938) erlassenen Feststellungsbescheides vom 6. Juli 1982 nicht beachtet. Zu diesem Vorbringen ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach Berichtigungen nach § 42 PStG 2013 von nach Inkrafttreten des Adelsaufhebungsgesetzes bereits jahre- bzw. jahrzehntelang eingetragenen Adelsbezeichnungen als zulässig erachtet hat (vgl. VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0057, betreffend einen Identitätsausweis gemäß § 35a Sicherheitspolizeigesetz).

16 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62009CJ0208 Ilonka Sayn-Wittgenstein VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010501.L00

Im RIS seit

22.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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