TE Vwgh Beschluss 2020/1/29 Ra 2019/09/0149

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Veröffentlicht am 29.01.2020
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Index

E6J
L24009 Gemeindebedienstete Wien
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
DO Wr 1994 §103 Abs2
DO Wr 1994 §18 Abs2
DO Wr 1994 §97 Abs1 Z2
VwGG §34 Abs1
62018CJ0216 Minister for Justice and Equality VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin der Stadt Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. August 2019, W116 2206863-1/15E, betreffend eine Disziplinarangelegenheit nach der Wiener Dienstordnung 1994 (mitbeteiligte Partei: A B in C), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Mitbeteiligte, eine seit 1. Oktober 2018 in Ruhestand befindliche Landesverwaltungsrichterin, vom Vorwurf, sie habe § 18 Abs. 2 zweiter Satz Wiener Dienstordnung 1994 (DO 1994) dadurch verletzt, dass sie es unterlassen habe, im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die ihrer Stellung entgegengebracht werde, untergraben könnte, indem sie am 27. Februar 2017 in der ab 13 Uhr abgehaltenen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien, in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsanwalts und eines als Zeugen geladenen Bezirksinspektors, der von ihr zur Unterstützung beigezogenen Schriftführerin auf die Frage, ob sie ein Fenster öffnen dürfe, sinngemäß erwidert habe: „Sie können sich auch ausziehen, das wird die anwesenden Herren nicht stören.“, worauf die Verfahrensbeteiligten mit einem leicht beschämenden Schmunzeln reagiert hätten, gemäß § 97 Abs. 1 Z 2 DO 1994 in Verbindung mit § 103 Abs. 2 DO 1994 freigesprochen.

2        Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Soweit die revisionswerbende Disziplinaranwältin die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision aufgrund von Verfahrensmängeln für gegeben erachtet, ist darauf hinzuweisen, dass ein Verfahrensmangel nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führt, wenn das Verwaltungsgericht bei der Vermeidung des Mangels zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Die revisionswerbende Partei hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten; im Fall einer unterbliebenen Vernehmung hat sie darzulegen, was die betreffende Person ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (VwGH 21.6.2019, Ra 2019/02/0119; 9.9.2017, Ra 2016/08/0178, je mwN). Da in der Revision nicht konkret dargelegt wird, zu welchen abweichenden Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht hätte gelangen sollen, wird auch in Bezug auf die gerügte Beweiswürdigung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt (siehe etwa VwGH 28.4.2015, Ra 2015/02/0072).

6        Wenn die Revisionswerberin ferner meint, es stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage, ob die disziplinarrechtliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes zum richterlichen Verhalten bei der Amtsausübung, besonders zum „Sachlichkeitsgebot“ in der richterlichen Ausdrucksweise gemäß § 57 Abs. 3 RStDG in Verbindung mit § 52 Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz auf Verwaltungsrichterinnen und -richter übertragbar sei, wird weder eine konkrete Rechtsfrage aufgezeigt, noch inwiefern davon eine Entscheidung in der gegenständlichen Revisionssache abhängen soll.

7        Auch soweit die Revisionswerberin Rechtsprechung zum Maßstab für das Verhalten einer Richterin gegenüber einer ihr weisungsunterworfenen Schriftführerin in einer öffentlichen Verhandlung vermisst, zeigt sie nicht auf, von der Lösung welcher konkreten Rechtsfrage die Entscheidung über die Revision abhinge oder inwiefern das Bundesverwaltungsgericht einen unrichtigen Maßstab herangezogen hätte. Der Maßstab ergibt sich im konkreten Fall aus dem anzuwendenden § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994. Dass die Anwendung dieser Bestimmung - und damit die das Verhalten der Richterin determinierende Norm - auf den hier zu entscheidenden Einzelfall durch das Verwaltungsgericht fehlerhaft erfolgt wäre, wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht dargelegt.

8        Schließlich wird in der Revision unter Verweis auf Eberhard/Ranacher/Weinhandl, ZfV 2018/26-9, mit Hinweis auf EuGH 25.7.2018, PPU, C-216/18, eine grundsätzliche Rechtsfrage damit argumentiert, ob in unionsrechtskonformer Auslegung zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes in richterlichen Disziplinarangelegenheiten, welche von Verwaltungsgerichten als funktional erstinstanzliche „Disziplinargerichte“ entschieden würden, ungeachtet der Vorgaben des Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision jedenfalls zuzulassen wäre. Dies auch vor dem Hintergrund, dass zwar dem Obersten Gerichtshof als Disziplinarobergericht, das auch vom Disziplinaranwalt angerufen werden könne, nach den §§ 139 f RStDG volle Kognition zukomme, jedoch von den Verwaltungsgerichten der korrespondierende Rechtszug zu den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts den allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben folge (Art. 133 Abs. 4 B-VG bzw. Art. 144 Abs. 2 B-VG) und damit beschränkt sei.

9        Auch mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung die Entscheidung in der konkreten Revisionssache abhinge, nicht aufgezeigt: Ein die Unabhängigkeit von Verwaltungsrichtern tangierendes verwaltungsgerichtliches Erkenntnis, das nach der in der Revision zitierten Literaturmeinung jedenfalls, unabhängig vom Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage angefochten werden können sollte, läge nämlich nur im Fall einer Verurteilung vor. Inwiefern ein eine Richterin freisprechendes Erkenntnis deren Unabhängigkeit negativ beeinflussen könnte, zeigt die Revision nicht auf. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jedoch nicht berufen (VwGH 19.4.2016, Ra 2016/12/0029, ua).

10       Zudem weisen bereits die Richter des Bundesverwaltungsgerichts die in dem zitierten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 25.7.2018, PPU, C-216/18, Rn. 63 ff, als erforderlich bezeichneten Garantien auf.

11       Die Revision war daher mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62018CJ0216 Minister for Justice and Equality VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090149.L00

Im RIS seit

27.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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