TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/30 Ra 2019/16/0215

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Veröffentlicht am 30.01.2020
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

AVG §37
BAO §166
BAO §167 Abs2
BAO §183 Abs3
KFG 1967 §40 Abs1
KFG 1967 §82 Abs8

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des HP in P, vertreten durch die Mag. Antonius Falkner Rechtsanwalt GmbH in 6414 Mieming, Barwies 329, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Oktober 2019, RV/3100412/2018, betreffend Normverbrauchsabgabe für April 2017 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Landeck Reutte in 6500 Landeck, Innstraße 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 7. Juni 2017 hatte das vor dem Bundesfinanzgericht belangte Finanzamt Landeck Reutte gegenüber dem Revisionswerber für das auf ihn in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Fahrzeug (richtig:) BMW 750d xDrive Normverbrauchsabgabe in der Höhe von EUR 7.519,07 festgesetzt, weil - so die Begründung - der Revisionswerber seinen Hauptwohnsitz und Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich habe und täglich hierher zurückkehre. In Anwendung des § 82 Abs. 8 KFG bestehe die Vermutung, dass das Fahrzeug seinen Standort dauernd im Inland habe.

2 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde legte der Revisionswerber zunächst die berufliche Nutzung des Fahrzeuges in Deutschland näher dar. Auf Aufforderung des Finanzamtes vom 16. Oktober 2017 hin, Unterlagen zum Beweis des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Ausland, zum Beweis des dauernden Standortes und der weitaus überwiegenden betrieblichen Verwendung des Fahrzeuges im Ausland sowie Aufstellungen der betrieblich und privat gefahrenen Kilometer im In- und Ausland vorzulegen, brachte der Revisionswerber in seinem Schriftsatz vom 13. November 2017 u. a. vor, dass das gegenständliche Fahrzeug im Eigentum eines in K ansässigen Einzelunternehmens stehe und ihm aufgrund einer Dienstwagenregelung überlassen werde. Er nutze das Fahrzeug in Österreich nur für Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsplatz, ebenso für diverse Privatfahrten. In den Nachtstunden befinde sich das Fahrzeug immer am Wohnsitz des Revisionswerbers in P, während des Tages aber fast ausschließlich in Deutschland und werde dort zu den beschriebenen geschäftlichen Zwecken genützt. Die so beschriebene Nutzung des bezeichneten Dienstfahrzeuges könne von unzähligen Zeugen bestätigt werden, weshalb der Revisionswerber die Einvernahme von nachfolgend (mit Vor- und Zunamen sowie Anschrift) aufgelisteten Zeugen im Wege der Amtshilfe nach § 183 BAO beantrage, dies zum Beweis dafür, dass der vom Revisionswerber genützte Dienstwagen im Ausmaß von rund 85% ausschließlich auf deutschem Bundesgebiet benutzt werde und deshalb von keinem dauernden Standort des Fahrzeuges in Österreich ausgegangen werden könne. Sobald die angebotenen Zeugen einvernommen wären, würde sich eindrücklich bestätigen, dass die Angaben des Revisionswerbers den Tatsachen entsprächen. Ausgehend davon werde sodann aus rechtlicher Sicht aber jedenfalls nicht unterstellt werden können, dass sich der Standort oder der Ort der überwiegenden Nutzung des Fahrzeuges in Österreich befände, weshalb sich der Bescheid als rechtswidrig erweisen werde. 3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. März 2018 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, worauf der Revisionswerber die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte und hiebei u.a. vorbrachte, dass das Verfahren aufgrund der nicht erfolgten Einvernahme der angebotenen Zeugen mangelhaft geblieben sei.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges gelangte das Gericht zu

"Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der (Revisionswerber) ist seit 1.3.2016 an der Adresse K in P als Hauptwohnsitz gemeldet, was im Zentralen Melderegister ersichtlich ist.

Der (Revisionswerber) erwarb mit - in den Verwaltungsakten befindlichem - Kaufvertrag vom 15.3.2017 von der Bayerischen Motoren Werke AG ein Fahrzeug der Marke BMW Typ 850d xDrive Limousine mit der Fahrgestellnummer . Aus der -  ebenfalls bei den Verwaltungsakten befindlichen - Kopie der (deutschen) Zulassungsbescheinigung Teil 1 geht hervor, dass der (Revisionswerber) seit 27.4.2017 Inhaber der Zulassungsbescheinigung für dieses Fahrzeug ist.

Der (Revisionswerber) steht nach eigenen Angaben, die aufgrund eines vorgelegten Lohnzettels für den Zeitraum Dezember 2016 glaubwürdig sind, in einem Dienstverhältnis zur A AG in Deutschland. Feststellungen zu einer weiteren betrieblichen Tätigkeit in Deutschland konnten nicht getroffen werden. Zwar finden sich bei den vorgelegten Verwaltungsakten eine Gewerbeanmeldung (angemeldete Tätigkeit: Hochbau, Betonbau, Trockenbau, Holz- und Bautenschutz) sowie Bestätigungen der Handwerkskammer für Schwaben über die Eintragung in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder handwerksähnlichen Gewerbe, allerdings lassen sich daraus keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Ausübung einer betriebliche Tätigkeit oder damit in Zusammenhang stehende Fahrbewegungen ziehen.

Nicht festgestellt werden kann, dass das Fahrzeug im Eigentum der 'E' mit der Adresse K (D) steht. Die diesbezügliche Behauptung des (Revisionswerbers) im Schreiben vom 13.11.2017 wurde nicht weiter belegt. Weder im Registerportal Deutschland noch nach Recherche im Internet unter Verwendung der Suchfunktion von Google finden sich Hinweise auf die Existenz einer Firma dieses Namens. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass das Fahrzeug 'als Firmen-Pkw auf eine Unternehmung in Deutschland zugelassen' sei. Die diesbezügliche Behauptung im Vorlageantrag wurde nicht weiter belegt. Ein vom (Revisionswerber) vorgelegtes Schreiben eines deutschen Steuerberaters an 'Firma A, Inhaberin: NA' nimmt unter anderem Bezug auf das Fahrzeug 'K' und weist darauf hin, dass das Fahrzeug mit diesem Kennzeichen aufgrund einer betrieblichen Nutzung im Ausmaß von mehr als 50 % als notwendiges Betriebsvermögen zu aktivieren gewesen sei. Dieses Dokument lässt keinerlei Rückschlüsse auf die Eigentumsverhältnisse und die tatsächliche Nutzung hinsichtlich des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen K zu.

Nicht festgestellt werden kann, dass das gegenständliche Fahrzeug 'zu rund 85 %' ausschließlich in Deutschland verwendet worden wäre. In der Beschwerdeergänzung vom 30.6.2017 gab der (Revisionswerber) an, er würde ein Fahrtenbuch in elektronischer Form testen - die tatsächliche Führung eines solchen hat er zunächst nicht einmal behauptet. Trotz einer ausdrücklichen Aufforderung seitens des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung und trotz entsprechenden Vorbringens des Finanzamtes im Vorlagebericht vom 25.5.2018 - die beide insofern Vorhaltscharakter entfalten (VwGH 31.5.2011, 2008/15/0288 zur Beschwerdevorentscheidung und - für viele - BFG 12.11.2015, RV/5101378/2015 zum Vorlagebericht) - hat der (Revisionswerber) kein Fahrtenbuch vorgelegt. Er hat auch die Anzahl der insgesamt zurückgelegten Kilometer nicht angegeben und kein konkretes Vorbringen zu Art, Anzahl und Zielen seiner Fahrten erstattet."

5 Nach Darstellung der Rechtslage erwog das Gericht in rechtlicher Hinsicht:

"Der (Revisionswerber) hat seinen Hauptwohnsitz seit 1.3.2016 in Österreich. Das Bestehen eines (weiteren) Wohnsitzes in Deutschland wurde zwar im Vorlageantrag erstmals behauptet, diesbezügliche Nachweise hat der (Revisionswerber) jedoch - auch nach entsprechendem Vorbringen seitens des Finanzamtes im Vorlagebericht vom 25.5.2018, der insofern Vorhaltscharakter entfaltet - nicht erbracht. Der (Revisionswerber) wohnt an seinem Hauptwohnsitz in Österreich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und hält sich dort nach eigenen Angaben täglich auf. Er ist unstrittig der Verwender des gegenständlichen Fahrzeuges. Ebenso unstrittig ist, dass der (Revisionswerber) das gegenständliche Fahrzeug am 27.4.2017 erstmals nach Österreich gebracht hat.

Daher wird gemäß § 82 Abs. 8 KFG vermutet, dass das gegenständliche Fahrzeug seinen dauernden Standort im Inland hat. Diese Rechtsvermutung ist einer Widerlegung zugänglich. Es obliegt der betreffenden Person, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat (VwGH 12.9.2017, Ra 2017/02/0100 mwN). Die Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Fahrzeug entgegen der Vermutung des § 82 Abs. 8 KFG seinen dauernden Standort nicht im Bundesgebiet hat, setzt Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeugs voraus, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte ergeben, ob das Fahrzeug bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung für Zwecke der Vollziehung des KFG einem bestimmten Ort außerhalb des Bundesgebietes zugeordnet werden muss oder nicht (VwGH 28.10.2009, 2008/15/0276).

Die Beweislast trifft diesbezüglich allein den (Revisionswerber) als Verwender des Fahrzeuges. Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hat diese Person dabei von sich aus initiativ und umfassend darzulegen, aus welchen Gründen das Fahrzeug nicht als ein Fahrzeug mit dauerndem inländischem Standort anzusehen ist, und dafür auch die erforderlichen Beweise anzubieten (VwGH 3.10.2016, Ra 2016/02/0151). Die Beweismittel für den Gegenbeweis sind unbegrenzt. Reine Behauptungen reichen ebenso wenig aus (Haller, Normverbrauchsabgabegesetz, § 1 Tz 128) wie eine bloße Glaubhaftmachung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft in Fällen, in denen ein Sachverhalt mit Auslandsbezug entscheidungsrelevant ist, die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht (siehe Ritz, BAO, 6.A., Rz 10 ff zu § 115 mit Judikaturnachweisen).

Der (Revisionswerber) hat zur Widerlegung der Standortvermutung lediglich vorgebracht, dass das Fahrzeug überwiegend in Deutschland verwendet werde. Das Vorbringen zu Art und Ausmaß der Nutzung in Deutschland wurde im Verlauf des Beschwerdeverfahrens mehrfach geändert - so würde das Fahrzeug 'in Zukunft ca 95 % dienstlich und 5 % privat genutzt' (Aussage des (Revisionswerbers) am 9.5.2017), es sei eine fast ausschließliche Nutzung des Fahrzeuges in Deutschland als Dienstfahrzeug für seine nichtselbständige sowie für seine gewerbliche Tätigkeit gegeben (Beschwerdevorbringen) und schließlich betrage das Ausmaß der geschäftlichen Nutzung geschätzte 85-90  % (Schreiben vom 13.11.2017). Anzumerken ist hier, dass die Fahrten zwischen Wohnung und dem Ort einer nichtselbständigen Arbeitsstätte Privatfahrten darstellen. Aus dem Vorbringen des (Revisionswerbers) erschließt sich nicht, in welchem Ausmaß über die Fahrten zwischen seiner Wohnung in Österreich und seiner Arbeitsstätte weitere betriebliche Fahrten durchgeführt wurden.

Der (Revisionswerber) beantragte im Schreiben vom 13.11.2017 die Einvernahme von zehn namentlich genannten Zeugen, die allesamt an Adressen in oder nahe K in Deutschland wohnhaft sein sollen, 'zum Beweis dafür, dass der (vom Beschwerdeführer) genutzte Dienstwagen im Ausmaß von rund 85 % ausschließlich auf deutschem Bundesgebiet benutzt wird und daher von keinem dauernden Standort des Pkw in Österreich ausgegangen werden kann'.

Ein Beweisantrag ist nur dann erheblich im Sinn des § 183 Abs. 3 BAO, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung - wenn sie schon nicht (sachverhalts-) erheblich ist - zumindest mittelbar beitragen kann, Klarheit über eine (sachverhalts-) erhebliche Tatsache zu gewinnen (siehe etwa VwGH 2.7.2015, 2013/16/0220). Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das angebotene Beweismittel erwiesen werden soll, braucht die Abgabenbehörde im Grunde des § 183 Abs. 3 BAO ebenso nicht zu entsprechen wie solchen Beweisanträgen, die auch eine abstrakte Tauglichkeit des Beweismittels zur Beweisführung über das Beweisthema nicht einsichtig machen (VwGH 31.3.2003, 98/14/0164).

Das Beweisanbot der Einvernahme der Zeugen legt nicht dar, welche konkreten Erkenntnisse aus deren Aussagen in Bezug auf die tatsächliche Nutzung gewonnen werden sollen. Es ist nicht vorstellbar, dass diese zehn Personen jeweils über unmittelbare und eigene Wahrnehmungen sämtlicher Fahrten mit dem gegenständlichen Fahrzeug berichten können, aus denen sich Art, Umfang und geographische Zuordnung seiner Nutzung ableiten lassen. Im Übrigen ist die Bestimmung des Standortes eines Fahrzeuges im Sinn des KFG keine auf Sachverhaltsebene zu treffende Feststellung, sondern kann nur durch rechtliche Würdigung vorhandener Beweismittel erfolgen. Sie kann daher nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein, weshalb das diesbezügliche Beweisanbot ins Leere geht. Die im Vorlageantrag behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens deshalb, weil das Finanzamt die angebotenen Zeugen nicht gehört hat, liegt aus diesen Gründen nicht vor.

Abgesehen vom Beweisanbot der Zeugeneinvernahme legte der (Revisionswerber) keine Beweise zur Untermauerung seines Vorbringens vor - auch nicht die vom Finanzamt im Schreiben vom 16.10.2017 ausdrücklich angeforderte Aufstellung der betrieblich bzw privat gefahrenen Kilometer oder ein Fahrtenbuch, auf das er etwa im Vorlageantrag hinweist.

Insgesamt erschöpft sich das Beschwerdevorbringen in Hinblick auf die beabsichtigte Widerlegung der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG in unsubstantiierten Behauptungen, die allenfalls geeignet sind, eine Fahrzeugnutzung in Deutschland glaubhaft zu machen, nicht aber, diese an sich oder ihrem Ausmaß nach zu beweisen. Damit ist von einem dauernden Standort des gegenständlichen Fahrzeuges im Inland auszugehen.

Da das Fahrzeug (unstrittig) im Inland verwendet wurde und gemäß § 36 KFG im Inland zum Verkehr zuzulassen gewesen wäre, ist der Tatbestand des § 1 Z 3 lit b NoVAG dem Grunde nach verwirklicht. Mit dem erstmaligen Verbringen des gegenständlichen Fahrzeuges am 27.4.2017 ist die Steuerschuld gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG entstanden. Da der (Revisionswerber) Verwender und Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges ist, ist er gemäß § 4 Z 3 NoVAG Abgabenschuldner.

Der (Revisionswerber) hat entgegen der Bestimmung des § 11 Abs. 1 NoVAG keine Normverbrauchsabgabe selbst berechnet und entrichtet, sodass deren Festsetzung in Anwendung des § 201 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 BAO erfolgen konnte. Einwendungen gegen die vom Finanzamt ermittelten Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben hat der Beschwerdeführer nicht erhoben. Daher war die Beschwerde abzuweisen."

Abschließend begründete das Gericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision damit, die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz und folge der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei darüber hinaus nicht aufgeworfen worden. 6 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision legt ihre Zulässigkeit u.a. darin dar, aufbauend auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes über den nach § 82 Abs. 8 erster Satz KFG möglichen und vom Revisionswerber zu erbringenden Gegenbeweis, dass das Fahrzeug nicht seinen dauernden Standort im Inland habe, habe er bereits im Abgabenverfahren vor dem Finanzamt die Einvernahme von zehn Zeugen angeboten, welche allesamt belegen könnten, dass das fragliche Fahrzeug seinen überwiegenden Standort außerhalb des österreichischen Bundesgebietes hätte. Obwohl der Revisionswerber damit seiner Beweispflicht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nachgekommen sei und entsprechende Beweise zur Aufnahme angeboten habe, seien diese Beweise zuletzt auch vom Gericht nicht aufgenommen worden. Das Gericht begründe dies im Wesentlichen damit, dass es aufgrund der Aussagen der beantragten Zeugen die Erwartung habe, dass diese Aussagen nicht dafür hinreichen würden, den vom Revisionswerber beabsichtigten Beweis über den überwiegenden Standort des Fahrzeuges - außerhalb von Österreich - zu erbringen. Das Gericht habe damit eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung vorgenommen, indem es den Wert eines Beweises abstrakt im Vorhinein beurteilt habe, ohne diesen tatsächlich aufgenommen zu haben. Das Vorgehen des Gerichts mit den vom Revisionswerber angebotenen Beweisen widerspreche augenscheinlich der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit einer vorgreifenden (antizipierenden) Beweiswürdigung. Die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision seien auch dann erfüllt, wenn sich das verfahrensrechtliche Vorgehen der Unterinstanz gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle. Dies sei im vorliegenden Fall zweifellos gegeben.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die außerordentliche Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen das vor dem Bundesfinanzgericht belangte Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattete, in der es die Abweisung der Revision als unbegründet beantragt. Betreffend die Nichteinvernahme der vom Revisionswerber angebotenen Zeugen verweist das Finanzamt auf die Ausführungen des angefochtenen Erkenntnisses: Auch wenn diese Personen aussagen würden, dass der Revisionswerber das Fahrzeug untertags in Deutschland verwendete, wäre damit kein dauernder Standort außerhalb von Österreich bewiesen, denn diese (Zeugen) könnten "aus denklogischen Gründen" nicht über die genau Art und Weise der Verwendung des Kraftfahrzeuges Bescheid wissen. Über das genaue Ausmaß der Verwendung im In- und Ausland sowie über die Art und Weise der Verwendung werde in diesem Fall nur der Revisionswerber Auskunft geben können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch einer Frage des Verfahrensrechtes grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Eine verfahrensrechtliche Frage von solcher Bedeutung liegt zum Beispiel bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze vor (vgl. etwa VwGH 28.10.2019, Ro 2019/16/0129, sowie 30.1.2020, Ra 2019/16/0178). 9 Gemäß § 82 Abs. 8 erster Satz des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, in der Fassung der Änderung des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. I Nr. 620/2014, sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen.

10 Nach § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist gegen die darin vorgesehene Vermutung ausdrücklich der Gegenbeweis zulässig ("bis zum Gegenbeweis"). Damit handelt es sich um eine widerlegliche Rechtsvermutung, die der Person, die das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat. Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hat diese Person dabei von sich aus initiativ und umfassend darzulegen, aus welchen Gründen das Fahrzeug nicht als ein solches mit dauerndem inländischen Standort anzusehen ist, und dafür auch die erforderlichen Beweise anzubieten (vgl. etwa VwGH 3.10.2016, Ra 2016/02/0151).

11 Aus der Formulierung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist weiters abzuleiten, dass diese Standortvermutung nicht nur auf von Privatpersonen verwendete Fahrzeuge, sondern auch von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden ist

(VwGH 28.10.2009, 2008/15/0276 = Slg. 8785/F).

12 Gemäß § 167 Abs. 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

13 Im Übrigen hat die Abgabenbehörde nach Abs. 2 leg.cit. unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

14 Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Ob ein bestimmtes Beweismittel auch subjektiv tauglich, d.h. geeignet ist, den Wahrheitsgehalt einer konkreten, im Abgabenverfahren strittigen Tatsache darzutun, kann erst nach Aufnahme des Beweises im Rahmen der freien Beweiswürdigung beurteilt werden. Die Abgabenbehörde darf daher ein (angebotenes oder den Akten, dem Verfahrensverlauf oder den Lebenserfahrungen naheliegendes) objektiv taugliches Beweismittel nicht mit Gründen ablehnen, die die Aussagefähigkeit (Beweiskraft) vorwegnehmen. Die Behörde würde ansonsten die ihr obliegende Verpflichtung zur vollständigen Ausschöpfung aller (objektiv tauglichen) Beweismittel verletzen. In diesen Fällen kann zweifelsohne erst nach Durchführung der betreffenden Beweiserhebung beurteilt werden, ob das Beweismittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet ist oder nicht. Um sich einerseits der Gefahr einer (unzulässigen) "vorgreifenden" (= antizipativen) Beweiswürdigung nicht auszusetzen (vgl. hiezu auch die in Ritz, Kommentar zur BAO6, unter Rz 7 zu § 167 BAO zitierte Judikatur), andererseits dem (verfahrensökonomisch bedingten) Gebot der Zweckmäßigkeit unter Beschränkung des Beweisverfahrens auf "geeignete" Beweismittel Rechnung zu tragen, wird die Behörde auf -

von einem relevanten Beweisthema erfasste - Beweise nur dann verzichten dürfen, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil die Art des Beweismittels oder der Erkenntnisstand eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes mit Bestimmtheit ausschließen oder wenn diese nach Art des Beweismittels der Beurteilung der erkennbaren und von vornherein unzweifelhaften Gegebenheiten zufolge mit Gewissheit zu einer weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermögen; wenn die Beweise für die Erhebung der Abgaben sohin nicht "wesentlich sein können" (VwGH 22.10.1992, 91/16/0129 = Slg. 6722/F, mwN).

15 Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn diese (das hiefür genannte Beweisthema) unerheblich sind, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als erwiesen angenommen sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre - es sei denn, dass die Partei sich zur Tragung der Kosten bereiterklärt und für diese Sicherheit leistet - oder wenn aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind (VwGH 8.9.2001, 98/16/0303, mwN).

16 Die Begründung des Gerichtes für die Abstandnahme der vom Revisionswerber angebotenen Beweise, nämlich von der Einvernahme der Zeugen, ist zunächst insofern nicht nachvollziehbar, als das Gericht die Bestimmung des Standortes im Sinn des § 82 Abs. 8 KFG als Ergebnis der "rechtlichen Würdigung vorhandener Beweismittel" qualifizierte und nicht als Tatsachenfrage, womit das Gericht von der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur - widerlegbaren - Rechtsvermutung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 abwich.

17 Soweit das Gericht schließlich die Abstandnahme damit begründete, es sei "nicht vorstellbar", dass die zehn Zeugen jeweils über unmittelbare und eigene Wahrnehmungen sämtlicher Fahrten mit dem gegenständlichen Fahrzeug berichten könnten, liegt darin einerseits eine nicht näher begründete Vorwegnahme der Ergebnisse der Beweisaufnahmen und andererseits eine antizipierende Beurteilung des Beweiswertes der Aussagen an sich. 18 Dass das im Schriftsatz vom 13. November 2017 für die Zeugen genannte Beweisthema für die Erbringung eines Gegenbeweises nach § 82 Abs. 8 erster Satz KFG irrelevant wäre, ziehen weder das Gericht noch die dort belangte Behörde in Betracht. 19 Andere, nach der wiedergegebenen Rechtsprechung - zulässigerweise - in Erwägung zu ziehende Umstände für eine Abstandnahme von der Einvernahme der Zeugen führten weder das Gericht noch die vor dem Gericht belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung ins Treffen.

20 Damit belastete das Gericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG aufzuheben ist. 21 Hiemit erübrigt sich ein Ausspruch über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

22 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 30. Jänner 2020

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160215.L00

Im RIS seit

16.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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