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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des IM in W, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/28, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 17. Juli 2019, RV/7105856/2016, betreffend Festsetzung von Normverbrauchsabgabe samt Verspätungszuschlag für den Zeitraum 08/2012 sowie Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum 10/2012 bis einschließlich 03/2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Baden Mödling), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren an Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Das Finanzamt Baden Mödling hatte mit Bescheiden vom 23. Juni 2016 gegenüber dem Revisionswerber, einem serbischen Staatangehörigen mit Hauptwohnsitz im Inland, Normverbrauchsabgabe samt einem Verspätungszuschlag für August 2012 sowie Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum von Oktober 2012 bis einschließlich März 2016 für ein auf den Vater des Revisionswerbers, ebenfalls serbischer Staatangehöriger, in Serbien zugelassenes Kraftfahrzeug vorgeschrieben. Der Revisionswerber habe - so die Begründung - seit Jänner 2012 einen inländischen Hauptwohnsitz. Als Tag der Einbringung des Kraftfahrzeuges in das Inland sei, entsprechend einem vorliegenden Kaufvertrag, der 30. August 2012 angenommen worden. Nach Ansicht der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde sprächen eine Reihe von Sachverhaltselementen für eine Standortvermutung im Inland. Es läge am Zulassungsbesitzer bzw. Fahrzeugverwender, Angabe über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeuges zu machen. Diesen treffe die Beweislast, dass der dauernde Standort des Fahrzeuges nicht im Inland liege; eine Glaubhaftmachung reiche nicht aus.
2 Gegen die Bescheide vom 23. Juni 2016 erhob der Revisionswerber Beschwerde, die das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. Oktober 2016 abwies: Im bekämpften Normverbrauchsabgabebescheid seien konkrete Sachverhaltselemente vorgebracht und begründet worden, wieso die Behörde die mitunter widersprüchlichen und vor allem allgemein gehaltenen Behauptungen, die sich jeder Überprüfung entzögen, als weniger glaubhaft erachte als die vorgelegten Tank- und Servicerechnungen. Es sei aufgrund der Beweislastumkehr in § 82 Abs. 8 KFG 1967 Sache des Verwenders eines Kraftfahrzeuges im Inland mit ausländischem Kennzeichen, Beweise und Anhaltspunkte vorzubringen, die es der Behörde ermöglichten, einen behaupteten Sachverhalt als gegeben oder zumindest sehr wahrscheinlich anzunehmen. Dazu fehle es in der Beschwerde an entsprechendem Vorbringen. Somit sei der Gegenbeweis, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug über keinen dauernden Standort im Inland verfüge, nicht gelungen und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3 Hierauf brachte der Revisionswerber einen Vorlageantrag ein.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Das Gericht gelangte im Kern zum Schluss,
"(w)ird ein Fahrzeug wie hier von einer natürlichen Person mit Hauptwohnsitz in Österreich verwendet, so gilt die gesetzliche Vermutung, dass bis zum Gegenbeweis der dauernde Standort als im Inland gelegen ist.
Für den Gegenbeweis sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (wie Erkenntnis vom 28. 10.2009, 2008/15/0276) Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie Art und Weise der Verwendung notwendig, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte ergeben, ob das Fahrzeug bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung einem Ort im Ausland zugeordnet werden muss oder nicht.
Den Verwender, der einen dauernden Standort im Ausland behauptet, trifft schon aufgrund der Verwendung des Fahrzeuges im Inland und des gegebenen Auslandsbezuges die Pflicht, für die Erbringung des allenfalls erforderlichen Gegenbeweises vorzusorgen (Beweisvorsorgepflicht) und erforderliche Beweismittel beizuschaffen; eine Glaubhaftmachung ist aufgrund des Gesetzeswortlautes nicht ausreichend. Der Verwender hat nachzuweisen, dass die im Wesentlichen dauernde Verwendung des Fahrzeuges tatsächlich in einem bestimmten anderen Land erfolgt ist und dass der dauernde Standort nicht in Österreich gelegen ist (VwGH vom 21. 09. 2006, 2006/15/0025).
Es wäre daher am (Revisionswerber) gelegen, diesbezügliche Beweismittel vorzulegen.
Vielmehr erwiesen sich die vom (Revisionswerber) vorgelegten Beweismittel als widersprüchlich zu seinen Aussagen (vgl serbische Tankrechnung vom 12.10.2015 zum behaupteten Inlandsaufenthalt seit 09. 10.2015). Die am Fahrzeug angebrachte Jahresvignette 2015 sowie die Garagenanmietung in W spricht für eine regelmäßige Nutzung im Inland. Auch widerspricht sich der (Revisionswerber) hinsichtlich des Zeitraumes, in der er das Fahrzeug im Inland lenkte, denn einerseits spricht er von ca zwei Monaten (vgl Frage 1 der Niederschrift vom 19. 11. 2015), andererseits behauptet der (Revisionswerber), dass sich das Fahrzeug nie länger als drei Wochen im Inland befunden haben soll (vgl Seite 2 unten, Niederschrift vom 20. 01. 2016).
Ohne entsprechende diesbezügliche Nachweisführung ist eine Beurteilung dahingehend, dass der Standort des Fahrzeuges nicht im Inland ist, nicht möglich. Diesbezügliche Argumente wurden auch trotz Vorhaltscharakters der Beschwerdevorentscheidung vom (Revisionswerber) nicht vorgebracht.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das streitgegenständliche Fahrzeug - entsprechend der Erstaussage (...) seit dem Kauf am 30.08.2012 bis zur Zulassung des VW Passat im März 2016 in Österreich verwendet wurde. Es hatte in diesem Zeitraum seinen dauernden Standort in Österreich und wäre nach dem KFG 1967 im Inland zuzulassen gewesen und es ist die Steuerpflicht nach dem NoVAG 1991 und dem KfzStG 1992 gegeben.
Die Berechnung und Höhe der Abgaben blieben unbestritten.
Die Vorschreibung dieser Abgaben erfolgte damit zu Recht."
Abschließend begründete das Gericht die Festsetzung des Verspätungszuschlages sowie seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision.
5 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich der Revisionswerber u.a. in seinem Recht auf Nichtvorschreibung einer Normverbrauchsabgabe sowie auf Nichtvorschreibung einer Kraftfahrzeugsteuer verletzt. Die Zulässigkeit seiner Revision begründet er damit, im gegenständlichen Fall habe er in seinem Vorlageantrag gemäß § 264 iVm § 274 Abs. 1 lit. b BAO eine mündliche Verhandlung beantragt und auch umfassende Beweisanträge auf Vernehmung seines Vaters in Serbien, der der Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges gewesen sei, gestellt. Das Gericht habe sowohl den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung als auch den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Vaters des Revisionswerbers zu den wesentlichsten Punkten, wann das Fahrzeug tatsächlich nach Österreich erstmalig eingebracht worden sei, wie lange sich das Fahrzeug in Österreich befunden habe und wann das Fahrzeug auch abgemeldet bzw. verkauft worden sei, sowie den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung negiert. Stattdessen werde im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt, dass dem Revisionswerber ein Gegenbeweis nicht gelungen sei. Durch die Negierung des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, auf persönliche Vernehmung des Revisionswerbers sowie zeugenschaftliche Einvernahme des Vaters des Revisionswerbers sei eine grundsätzliche Verletzung wesentlicher Parteienrechte und sohin eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gegeben. 6 Da der in den vorgelegten Verwaltungsakten unter OZ 9 als Vorlageantrag (in Ablichtung) einjournalisierte Schriftsatz eine mit 8. November 2016 datierte "Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.10.2016 über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung" wiedergibt, der sich gegen eine mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 versagte Aussetzung der Einhebung richtete und nur narrativ erwähnt, dass der Revisionswerber mittels Vorlageantrages an das Bundesfinanzgericht Beschwerde erhoben habe, jedoch weder Beweisanträge noch einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält, leitete der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 21. Oktober 2019 gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren über diese Revision ein und ersuchte u.a. das Bundesfinanzgericht, den in der Revision in Rede stehenden Vorlageantrag im Original vorzulegen.
7 Mit Note vom 10. Dezember 2019 teilte hierauf das Bundesfinanzgericht mit, dass es das als laufende OZ 9 des vorgelegten Verwaltungsaktes angeführte Schreiben nach dessen objektiven Erklärungswert ausgelegt und als Vorlageantrag gegen die Verkehrsabgaben gewertet habe.
8 Hierauf forderte der Verwaltungsgerichtshof mit verfahrensleitender Anordnung vom 13. Dezember 2019 den Revisionswerber gemäß § 37 VwGG auf, zur Mitteilung des Bundesfinanzgerichtes vom 10. Dezember 2019 Stellung zu nehmen. 9 Der Revisionswerber legte mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2019 die Ablichtung eines "Vorlageantrages an das Bundesfinanzgericht" vom 8. November 2016 vor und brachte vor, er habe nach Erhalt der Beschwerdevorentscheidung vom 25. Oktober 2016 diesen Vorlageantrag am 9. November 2016 an das Bundesfinanzgericht rekommandiert abgesendet. Entgegen den Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes handle es sich dabei um einen "Vorlageantrag", der extra als solcher bezeichnet worden sei und auf Seite 2 des Schriftsatzes entsprechende Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Vaters des Beschwerdeführers sowie auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung enthalten habe.
Bei der vom Bundesfinanzgericht vorgelegten "Beschwerde gegen den Bescheid vom 25. 10.2016 über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung" handle es sich tatsächlich um einen anderen Verfahrensakt, der getrennt vom Vorlageantrag rekommandiert aufgegeben worden sei. Der Revisionswerber habe daher jedenfalls fristgerecht dem Finanzamt einen Vorlageantrag samt entsprechenden Anträgen übermittelt.
10 Mit einer weiteren verfahrensleitenden Anordnung vom 18. Dezember 2019 forderte der Verwaltungsgerichtshof hierauf das Finanzamt gemäß § 37 VwGG auf, zum Schriftsatz vom 17. Dezember 2019 und zum "Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht vom 8. November 2016" Stellung zu nehmen, ob und wenn ja wann dieser Vorlageantrag beim Finanzamt eingelangt und ob dieser allenfalls dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden sei.
Unter einem wurde der Revisionswerber aufgefordert, den postalischen Verlauf des Vorlageantrages vom 8. November 2016 urkundlich darzulegen.
11 Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019 legte der Rechtsfreund des Revisionswerbers eine "eidesstättige Erklärung" seiner Kanzleibediensteten über die rekommandierte postalische Versendung des Vorlageantrages vom 8. November 2016 am darauffolgenden Tag vor.
12 Mit Note vom 9. Jänner 2020 nahm schließlich das Finanzamt Stellung: Das als "Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht" bezeichnete Schreiben vom 8. November 2016 sei in einem elektronisch abgelegten Ordner gefunden und laut Eingangsstempel des "Infocenters" des Finanzamtes mit 10. November 2016 übernommen worden. Eine Übermittlung dieses Vorlageantrages an das Bundesfinanzgericht sei, wie bereits aus der Stellungnahme des Gerichts vom 10. Dezember 2019 hervorgehe, bis dato nicht erfolgt. Aufgrund einer "falschen" und somit irreführenden Dokumentenbezeichnung sei ohne Öffnen der Datei nicht erkennbar gewesen, dass es sich um den betreffenden Vorlageantrag gehandelt habe. Der Papierakt sei im Finanzamt nicht mehr verfügbar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 Der Verwaltungsgerichtshof geht aufgrund der im Rahmen des Vorverfahrens abgegebenen Stellungnahmen und der vorgelegten Urkunden davon aus, dass der Rechtsfreund des Revisionswerbers am 9. November 2016 unter Nennung der Abgabenkontonummer des Revisionswerbers in dessen Namen in Angelegenheiten von "Normverbrauchsabgabe und Kfz-Steuer" einen "Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht" postalisch an das Finanzamt Baden Mödling absendete, in dem er unter Bezugnahme auf die ergangene Beschwerdevorentscheidung zum Beweis des Gegenteils des vom Finanzamt angenommenen Sachverhaltes die Einvernahme seines Vaters als Zeugen sowie seiner selbst und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht beantragte. Dieser Schriftsatz langte am darauffolgenden Tag beim Finanzamt ein, das allerdings nicht diesen Schriftsatz, sondern eine am selben Tag eingebrachte "Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.10.2016 über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung" als Vorlageantrag in den Verwaltungsakt einjournalisierte und diesen dem Bundesfinanzgericht vorlegte.
14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch einer Frage des Verfahrensrechts grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Eine verfahrensrechtliche Frage von solcher Bedeutung liegt zum Beispiel bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze vor (vgl. etwa VwGH 28.10.2019, Ra 2019/16/0129, mwN).
15 Ausgehend von den eingangs getroffenen Annahmen hatte der Revisionswerber in seinem rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einvernahme seines Vaters und seiner eigenen Person beantragt. Die in der Revision vorgebrachte Behauptung, dass das Bundesfinanzgericht bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einvernahme des Revisionswerbers sowie dessen Vaters zu einer anderen Sachentscheidung gelangt wäre, nämlich dass weder Normverbrauchsabgabe noch Kraftfahrzeugsteuer für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug hätte vorgeschrieben werden dürften, ist im Revisionsverfahren unwidersprochen geblieben. 16 Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Bundesfinanzgericht unter Berücksichtigung der im ihm nicht vorgelegten Vorlageantrag vom 8. November 2016 enthaltenen Anträge in seiner Entscheidung zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
Das angefochtene Erkenntnis ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
17 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20 14; aus den in der Verordnung enthaltenen Ansätzen, die eine Zuerkennung von Umsatzsteuer nicht vorsehen, erschließt sich hinwiederum die Abweisung des Mehrbegehrens.
Wien, am 30. Jänner 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160178.L00Im RIS seit
16.04.2020Zuletzt aktualisiert am
16.04.2020