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20/13 Sonstiges allgemeines PrivatrechtNorm
AVG §58 Abs2Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/03/0132Ra 2019/03/0133Ra 2019/03/0134Ra 2019/03/0135Ra 2019/03/0136Ra 2019/03/0137Ra 2019/03/0138Ra 2019/03/0139Ra 2019/03/0140Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen von 1. Mag. K K, 2. E L, 3. G F,
4. B P, 5. N P, 6. Dr. W H ,7. V H, 8. J H, 9. Prim. Univ. Prof. Dr. W F, 10. R. Gesellschaft m.b.H., Erst-, Dritt- bis Fünft- , Siebent- bis Zehntrevisionswerber in W, Zweitrevisionswerberin in R (Deutschland), Sechstrevisionswerber in M (Deutschland), alle vertreten durch DI Dr. Siegfried Kaiblinger, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nussdorfer Straße 4a/3/71, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. August 2019, Zlen. 1. VGW- 101/V/014/9616/2019-1, 2. VGW-101/V/014/9617/2019, 3. VGW- 101/V/014/9618/2019, 4. VGW-101/V/014/9619/2019, 5. VGW- 101/V/014/9620/2019 , 6. VGW-101/V/014/9621/2019, 7. VGW- 101/V/014/9624/2019, 8. VGW-101/V/014/9625/2019, 9. VGW- 101/V/014/9626/2019, und 10. VGW-101/V/014/9627/2019, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbEG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Partei: W KG in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 2018 war der Mitbeteiligten gemäß §§ 31 und 31f EisbG unter Zugrundelegung des Bauentwurfes (Beilagen 1 bis 9) und von Gutachten gemäß § 31a EisbG zu den Fachgebieten Konstruktiver Ingenieurbau, Stationsausbau und Hochbau, Brandschutz, Eisenbahnbautechnik, Eisenbahnbetrieb, Schalltechnik, Erschütterungen und Sekundärschall, Geotechnik, Wasserbautechnik und Hydrologie sowie Natur- und Baumschutz und der Zusammenfassung der BC, einer benannten Stelle für Interoperabilität und akkreditierten Inspektionsstelle gemäß § 31a Abs. 2 Z 2 EisbG vom 30. Oktober 2017 (Beilage 10), und unter der Voraussetzung der Erwerbung der erforderlichen Grundstücke und Rechte die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den Neubau der U-Bahnlinie U5, Bauabschnitt U5/2 "Frankhplatz", erteilt worden. 2 Die Eisenbahnanlage bestehe im Wesentlichen aus Baumaßnahmen für die Strecke "Rathaus" bis Station "Frankhplatz", für die Station "Frankhplatz" sowie für die Strecke Station "Frankhplatz" bis Bauabschnittsende U5/2, insgesamt von km 18,2+74 bis km 18,8+90 (Gleis 1) bzw. von km 18,2+83 bis km 18,9+24 (Gleis 2). Sie umfasse näher bezeichnete Maßnahmen, während weiter genannte Einzelbaumaßnahmen zwar grundsätzlich beschrieben würden, aber nicht Gegenstand der Bewilligung seien.
3 Im Folgenden hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Juni 2019 gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Z 3 und 4 iVm § 17 EisbEG zu Gunsten der Mitbeteiligten die Enteignung der Revisionswerber als Mit- und Wohnungseigentümer des Grundstücks Nr. 1545/1, inneliegend in EZ 1437 der KG A, durch Einräumung näher genannter Dienstbarkeiten (im Wesentlichen: Duldung von Errichtung, Bestand und Betrieb einer Verkehrstunnelanlage samt damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen, teils auf Dauer, teils auf Baudauer, zur Ermöglichung der Errichtung des Neubaus der U-Bahnlinie U5 im betreffenden Bauabschnitt) verfügt (Spruchpunkt I), gemäß § 17 Abs. 2 EisbEG die Höhe der Enteignungsentschädigung festgesetzt (Spruchpunkt II) und gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen (Spruchpunkt III); weitere Spruchpunkte betreffen Entscheidungen über Verfahrenskosten bzw. Verwaltungsabgaben, den Antrag auf Sicherheitsleistung und die Zurückweisung sonstiger Anträge. 4 Im Rahmen der Begründung führte die belangte Behörde u. a. Folgendes aus: Der eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsbescheid greife als "Grundlagenbescheid" für das nachfolgende Enteignungsverfahren für die in Anspruch genommenen Grundstücke ins Eigentumsrecht ein. Eigentümer solcher Grundstücke könnten im folgenden Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse bzw. sei nicht notwendig, um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen. Der Mitbeteiligten sei die Konzession für den Neubau der U-Bahnlinie U5 erteilt und damit die Gemeinnützigkeit der Eisenbahn iSd § 1 EisbEG anerkannt worden. In dem auf das Konzessionsverfahren folgenden eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren erfolge u.a. eine Auseinandersetzung mit allen anderen subjektiv-öffentlichen Interessen. Von den betroffenen Grundeigentümern seien alle tauglichen Einwendungen schon im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren zu erheben. Dazu zähle u.a. der Einwand, dass das geplante Bauvorhaben keinen Vorteil für die Öffentlichkeit darstelle oder der Vorteil für die Öffentlichkeit geringer sei als die ihr dadurch erwachsenden Nachteile.
5 Die Revisionswerber hätten in dem mittels Ediktalverfahren durchgeführten Baugenehmigungsverfahren keine Einwendungen erhoben und ihre Parteistellung durch Präklusion verloren. Alle Einwendungen, die im Baubewilligungsverfahren zulässigerweise hätten erhoben werden können, seien im nachfolgenden Enteignungsverfahren ausgeschlossen. Die von den Revisionswerbern aufgeworfenen technischen Fragen seien nicht mehr Gegenstand des Enteignungsverfahrens, sei doch die Prüfung der anzuwendenden Baumethode und der Art der Fundamentverstärkung im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren erfolgt.
6 Über Antrag der Mitbeteiligten sei gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde auszuschließen gewesen:
Das öffentliche Interesse an der möglichst zügigen Umsetzung des Bahnbauvorhabens werde durch die Erteilung der Konzession und den Beschluss des Wiener Gemeinderats über das Fachkonzept Mobilität belegt. Es sei zu erwarten, dass die Realisierung eine positive Veränderung des Bruttosozialprodukts durch Erreichbarkeitsverbesserungen, eine positive Veränderung an Emissionen und Luftschadstoffen und eine positive Veränderung der Unfallfolgekosten bewirke. Dieses öffentliche Interesse würde gefährdet, könnte die U-Bahn wegen verzögerten Beginns der Bauarbeiten erst verspätet ausgeführt werden. Dies begründe "Gefahr im Verzug" iSd § 13 Abs. 2 VwGG. Dem stehe kein unbilliger Nachteil der Revisionswerber gegenüber: Da bei der Enteignungswerberin als 100%iger Tochter der Stadt Wien ausreichende Liquidität für den Schadensfall vorliege und im Fall des Erfolgs einer Bescheidbeschwerde alle Ansprüche auf Geldersatz und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands offenstünden, sei kein irreversibler Nachteil für die Revisionswerber zu befürchten, sodass deren Interessen an der Unterlassung eines Eigentumseingriffs und der Aufrechterhaltung der unbeschränkten Nutzung der in Anspruch genommenen Flächen die dargestellten öffentlichen Interessen nicht überwögen. Da die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 VwGG somit vorlägen, sei dem Antrag der Mitbeteiligten stattzugeben gewesen.
7 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber Beschwerden an das Verwaltungsgericht.
8 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - ohne unter einem über die Beschwerden in der Hauptsache zu entscheiden - die Beschwerden gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III des Bescheids) ab. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
9 In der Begründung legte es u.a. dar, im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren seien keine Einwendungen gegen das Projekt erhoben worden, weshalb solche Einwendungen, die zulässigerweise im Bauverfahren erhoben hätten werden können, im nunmehrigen Enteignungsverfahren ausgeschlossen seien. Die belangte Behörde habe zutreffend begründet, warum die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG vorlägen; dem werde seitens der Revisionswerber nichts Stichhaltiges entgegengesetzt. Insbesondere könnten die von ihnen pauschal dargelegten zeitlichen Verzögerungen bei der Interessenabwägung nicht zu ihren Gunsten ausschlagen. 10 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden - außerordentlichen - Revisionen.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revisionen allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht Folgendes geltend:
15 Die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts sei verfehlt, weil es bloß die öffentlichen Interessen an der Durchführung des Vorhabens den Interessen der Wohnungseigentümer des betroffenen Hauses gegenübergestellt habe, anstatt eine Interessenabwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Durchführung des Vorhabens und den öffentlichen Interessen an der Erhaltung des betroffenen Hauses (das - von Otto Wagner errichtet -
unter Denkmalschutz stehe und als kulturhistorisch bedeutendes Bauwerk gelte) vorzunehmen. Die Revisionswerber seien als Miteigentümer des Hauses zu dessen Erhaltung nach dem DMSG verpflichtet; ein von ihnen eingeholtes Gutachten zu statischen Fragen belege die aktuelle Gefährdung des Hauses durch die Baumaßnahmen ohne zusätzliche statische Maßnahmen (Fundamentverstärkung). Damit habe das Verwaltungsgericht die in § 13 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung missachtet. Überdies wäre die Behörde gemäß § 13 Abs. 3 VwGVG zur Abänderung eines Bescheids nach § 13 Abs. 2 VwGVG verpflichtet, wenn sich der maßgebende Sachverhalt geändert hat. Aufgrund des von den Revisionswerbern eingeholten Gutachtens habe sich der maßgebliche Sachverhalt geändert. Das Verwaltungsgericht habe es verabsäumt, der gebotenen neuen Beurteilung, die zur Abweisung des Antrags auf Ausschluss der aufschiebenden Wirkung hätte führen müssen, nachzukommen. 16 Mit diesem Vorbringen wird - unabhängig davon, ob damit eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage angesprochen wird - schon aus folgenden Gründen nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
17 Voraussetzung für die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung ist das Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des durch die Enteignung umzusetzenden Projekts gegenüber gegenläufigen öffentlichen oder privaten Interessen. Dies erfordert, dass die geltend gemachten gegenteiligen Interessen eingehend geprüft und als weniger schwer wiegend beurteilt wurden. Die Parteistellung im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren ermöglicht es geltend zu machen, dass durch den Bau und den Betrieb der Tunnelanlage entstehende Schäden am Grundstück und gegebenenfalls Beeinträchtigungen von Leben und Gesundheit nicht ausgeschlossen werden können, damit gegebenenfalls Vorkehrungen zur Hintanhaltung solcher Schäden vorgeschrieben werden. Mit Rechtskraft der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung wird nicht nur der Umfang der für die Herstellung und den Betrieb der Eisenbahn im Sinne des § 2 EisbEG notwendigen Baumaßnahmen verbindlich festgelegt, sondern auch die "projektbezogene" Gemeinnützigkeit (also das Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des durch die Enteignung umzusetzenden Projekts gegenüber gegenläufigen öffentlichen oder privaten Interessen) bindend festgestellt (vgl. VwGH 27.11.2012, 2012/03/0148). Vor diesem Hintergrund kann der Eigentümer einer durch den rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid betroffenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse. Vielmehr ist im Enteignungsverfahren nur mehr zu prüfen, in welchem Umfang eine Enteignung für die Ausführung dieser Maßnahmen erforderlich ist (vgl. VwGH 6.11.2019, Ra 2019/03/0125).
18 Das Vorbringen der Revisionswerber macht der Sache nach geltend, zur Vermeidung von Schäden am Haus seien zusätzliche Maßnahmen - also weitere als die im Baugenehmigungsverfahren vorgeschriebenen - erforderlich. Ein solches Vorbringen ist aber nach der oben dargestellten Rechtslage im Enteignungsverfahren nicht zielführend und kann eine Fehlerhaftigkeit der im Enteignungsverfahren getroffenen Abwägungsentscheidung über die Frage der Zuerkennung aufschiebender Wirkung nicht begründen. 19 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. Februar 2020
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030131.L00Im RIS seit
27.02.2020Zuletzt aktualisiert am
27.02.2020