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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A A in G, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2019, Zl. W144 2157032- 1/26E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 1. Oktober 2019 wurde in der Sache - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 20. September 2015 vollinhaltlich abgewiesen, dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei. 2 Begründend führte das BVwG aus, dass dem Revisionswerber selbst bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (asylrelevante) Übergriffe drohten. Das BVwG traf Feststellungen zum Gesundheitszustand des Revisionswerbers sowie zur Behandelbarkeit seiner neurologischen und psychischen Erkrankungen im Herkunftsstaat. Es gelangte zu der Einschätzung, dass dem Revisionswerber eine Rückkehr in seine Herkunftsregion zwar nicht möglich sei, ihm jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt zur Verfügung stünde. Zudem nahm das BVG eine näher begründete Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG vor.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Beschwerdebehandlung mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3928/2016-6, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit ein Abweichen von einer näher zitierten Entscheidung des BVwG geltend. Eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte erfüllt jedoch für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG, weshalb die Revision damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt (vgl. etwa VwGH 19.7.2017, Ra 2017/01/0182, mwN).
8 Soweit sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich der Behandelbarkeit der Erkrankungen des Revisionswerbers wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese im Einzelfall in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele etwa VwGH 23.12.2019, Ra 2019/01/0479, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung wird in der Revision nicht aufgezeigt. 9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN und Hinweis auf EGMR 13.12.2016, Paposhvili gegen Belgien, 41738/10). Derartiges legt die Revision nicht dar. 10 Entgegen dem weiteren Revisionsvorbringen begegnet auch die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber finde nach den Umständen des Einzelfalls in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, im Ergebnis keinen Bedenken (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt VwGH 25.4.2019, Ra 2018/19/0710, mwN).
11 Soweit die Revision weitere Begründungsmängel, insbesondere die fehlende Aktualität der vom BVwG herangezogenen Länderberichte geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. VwGH 13.11.2019, Ra 2019/01/0326, mwN). Dieser Anforderung wird die Revision nicht gerecht. 12 Schließlich ist dem Zulässigkeitsvorbringen zur vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 23.12.2019, Ra 2019/01/0479, mwN). Dass das BVwG, das sämtliche in der Revision angeführte Integrationsbemühungen des Revisionswerbers berücksichtigte, die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision nicht auf.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010438.L00Im RIS seit
09.03.2020Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020