TE OGH 2020/1/16 5Ob187/19i

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Veröffentlicht am 16.01.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*****, geboren am *****, und der mj A*****, geboren am *****, beide wohnhaft bei der Mutter E*****, vertreten durch die Stadt Wien (Wiener Kinder- und Jugendhilfe des Magistrats der Stadt Wien) als Kinder- und Jugendhilfeträger, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Juli 2019, GZ 45 R 317/19d-40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 10. Mai 2019, GZ 6 Pu 62/15y-32, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die derzeit 14 bzw 11 Jahre alten Kinder leben im Haushalt der Mutter und sind einkommens- und vermögenslos. Der Vater war laut einem Beschluss des Erstgerichts vom 6. April 2016 ausgehend von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen von 2.371 EUR zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 420 EUR gegenüber seinem Sohn und 350 EUR gegenüber seiner Tochter verpflichtet, wobei die Anrechnung von Transferleistungen dabei berücksichtigt worden war. Derzeit erzielt der Vater ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 2.603,33 EUR. Seit 1. Jänner 2019 bezieht er jeweils den halben Familienbonus für beide Kinder, insgesamt daher 125 EUR. Er hat keine weiteren Sorgepflichten.

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind nur mehr die Unterhaltsbeiträge des Vaters ab 1. 1. 2019.

Die Kinder beantragten, den Vater ab diesem Zeitpunkt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von jeweils 500 EUR zu verpflichten. Zum Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters seien die Unterhaltsabsetzbeträge und der halbe Familienbonus Plus somit insgesamt 198 EUR hinzuzurechnen, weil diese Beträge sein Nettoeinkommen erhöhten.

Der Vater erklärte sich mit einer Erhöhung der monatlichen Unterhaltsbeiträge auf 440 EUR pro Kind einverstanden, beantragte jedoch die Abweisung des Mehrbegehrens.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, beiden Kindern vom 1. 11. bis 31. 12. 2018 monatliche Unterhaltsbeiträge von jeweils 440 EUR, ab 1. 1. 2019 von monatlich 470 EUR zu leisten, wies hingegen das Erhöhungsbegehren der Kinder für den Zeitraum 1. 1. bis 31. 10. 2018 mangels Umstandsänderung ebenso ab wie das Unterhaltsmehrbegehren für den danach liegenden Zeitraum. Nach der Prozentsatzmethode habe der Sohn bis zum 1. 11. 2018 Anspruch auf 19 %, die Tochter hingegen auf 16 % des väterlichen Einkommens, ab 1. 11. 2018 stehe beiden Kindern 18 % des väterlichen Einkommens zu. Bis zum 31. 12. 2018 berücksichtigte das Erstgericht die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltsschuldners nach der „Formel“. Der Familienbonus Plus sei hingegen kein Beitrag des Staats zum Unterhalt des Kindes, er sei als substantielle Steuerentlastung erwerbstätiger Eltern zu sehen und bilde kein weiteres Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils. Da der unterhaltspflichtige Vater durch Unterhaltsabsetzbetrag und Familienbonus Plus in ausreichendem Maß steuerlich entlastet werde, habe ab 1. 1. 2019 keine Kürzung durch Anrechnung von Transferleistungen mehr stattzufinden.

Den gegen diese Entscheidung im Rahmen seiner Rekursbeantwortung erhobenen Rekurs des Vaters wies das Rekursgericht als verspätet zurück. Dem Rekurs der Kinder gab es teilweise Folge und erhöhte die monatlichen Unterhaltsbeiträge des Vaters für den mj M***** für den Zeitraum 1. 1. bis 31. 10. 2018 auf 460 EUR, für die mj A***** für diesen Zeitraum hingegen auf 390 EUR. Ohne dies ausdrücklich im Spruch zum Ausdruck zu bringen (der Hinweis, die Kinder hätten die Punkte 1 und 2 des erstgerichtlichen Beschlusses nicht in Beschwerde gezogen, ist diesbezüglich missverständlich) bestätigte es die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens beider Kinder von jeweils monatlich 30 EUR ab dem 1. 1. 2019.

Da der vom Vater bezogene (halbe) Familienbonus Plus seine ausreichende steuerliche Entlastung bewirke, scheide eine Anrechnung von Transferleistungen aus. Da er grundsätzlich der Steuerentlastung des Unterhaltspflichtigen diene, führe er nicht zur Erhöhung des Unterhaltsanspruchs über die Prozentkomponente hinaus. Die Unterhaltsberechnung des Erstgerichts ab 1. 1. 2019 sei daher richtig.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, es liege noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Familienbonus Plus bei der Unterhaltsbemessung vor.

Gegen die (implizite) Bestätigung der Abweisung des Mehrbegehrens der Kinder ab 1. 1. 2019 wendet sich deren Revisionsrekurs, in dem sie eine Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin begehren, dass ihrem Erhöhungsantrag ab diesem Zeitraum zur Gänze, somit mit jeweils 500 EUR pro Monat stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Kinder vertreten im – vom Vater nicht beantworteten – Revisionsrekurs die Auffassung, der Familienbonus Plus dürfe nicht nur bei der Kürzung der Anrechnung von Transferleistungen von Relevanz sein, sondern müsse – wie die Unterhaltsabsetzbeträge – als das Nettoeinkommen erhöhend auch der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzugerechnet werden. Daher ergebe sich für den Zeitraum ab 1. 1. 2019 unter Berücksichtigung der halben Familienboni Plus für zwei Kinder und den Unterhaltsabsetzbeträgen eine Unterhaltsbemessungs-grundlage von 2.801,33 EUR, sodass die ab 1. 1. 2019 begehrte Unterhaltserhöhung in vollem Umfang berechtigt sei.

Dieser Argumentation ist nicht zu folgen.

1.1. Der Revisionsrekurs betrifft den „Familienbonus Plus“, den der Gesetzgeber mit 1. 1. 2019 in § 33 Abs 3a EStG als neuen Steuerabsetzbetrag eingeführt hat. Der Familienbonus Plus ersetzt den Kinderfreibetrag nach § 106a EStG aF sowie die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Ausdrückliches Ziel war die finanzielle Entlastung von berufstätigen Eltern (5 Ob 92/19v).

1.2. Der Familienbonus Plus beträgt bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, für jedes Kalendermonat 125 EUR (§ 33 Abs 3a Z 1 lit a EStG), ab diesem Zeitpunkt für jeden Kalendermonat 41,68 EUR (§ 33 Abs 3a Z 1 lit b EStG). Gemäß § 33 Abs 3a Z 3 EStG ist der Familienbonus Plus in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs 4 Z 3 zusteht:

- beim Familienbeihilfeberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfeberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrags.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs 4 Z 3 zusteht:

- beim Familienbeihilfeberechtigten oder dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfeberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrags.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu. Voraussetzung für einen Bezug des Familienbonus Plus ist der Bezug der Familienbeihilfe für das Kind nach dem FLAG 1967. Er kann von jedem Elternteil beantragt oder zwischen ihnen aufgeteilt werden. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass der Familienbonus Plus den Eltern jeweils zur Hälfte zusteht (§ 33 Abs 3a Z 3 lit c EStG). Der in § 33 Abs 3a Z 3 lit b EStG geregelte Fall betrifft Kinder, für die ein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, also solche, für die vom nicht im selben Haushalt mit dem Kind lebenden Elternteil Unterhaltsleistungen erbracht werden. Diesfalls ist der Familienbonus Plus mit dem Unterhaltsabsetzbetrag verknüpft, für den Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige für dieses Kind den gesetzlichen Unterhalt tatsächlich leistet. Der Familienbonus Plus kann entweder im Nachhinein im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung oder im Rahmen der monatlichen Lohnverrechnung durch Antrag beim Dienstgeber geltend gemacht werden.

1.3. Der Familienbonus Plus ist als erster Absetzbetrag von der sich aufgrund des Einkommenssteuertarifs errechneten Steuer abzuziehen (ErläutRV 190 BlgNr 26. GP 8), ein Steuerbetrag unter Null kann durch den Familienbonus Plus selbst nicht zustande kommen (Peyerl, Der steuerliche Familienbonus Plus in der Unterhaltsbemessung iFamZ 2018, 193). Bei steuerpflichtigen Jahreseinkommen bis etwa 11.000 EUR fällt der Familienbonus Plus mangels Einkommenssteuerschuld gänzlich aus (Bräumann, Umfassende Reformen der steuerlichen Familienförderung – der neue Familienbonus Plus und die umstrittene Indexierung familienbezogener Steuererleichterungen bei Kindern im Ausland, iFamZ 2018, 186 [188]). Die volle Ausschöpfung des Familienbonus Plus für ein minderjähriges Kind durch einen Berechtigten erfordert ein steuerpflichtiges Jahreseinkommen von zumindest 17.000 EUR, bei Unselbständigen daher einen Bruttobezug von etwa 1.960 EUR (Bräumann aaO; Tews – Familienbonus Plus – Ende der Familienbeihilfenanrechnung, EF-Z 2019/3; 5 Ob 92/19v).

1.4. Aufgrund der neuen steuergesetzlichen Regelung stellt sich nunmehr die – in den Vorentscheidungen des erkennenden Senats 5 Ob 236/18v und 5 Ob 92/19v noch offen gelassene – Frage, ob der Familienbonus Plus primär oder sogar ausschließlich der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltsschuldners dient und ob diese dadurch auch erreicht wird. Mit dieser Frage hat sich kürzlich der 4. Senat in seiner Entscheidung vom 11. 12. 2019, 4 Ob 150/19s ausführlich auseinandergesetzt und dazu wörtlich ausgeführt:

„2. Ausgangspunkt für die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen und die damit verbundene Kürzung des Geldunterhalts durch die Anrechnung von Transferleistungen (RS0117015; RS0117023; RS0117084) war die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs.

...

2.4 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben lassen sich demnach dahin zusammenfassen, dass das Einkommen, aus dem der Geldunterhalt geleistet wird, nicht zur Gänze besteuert werden soll. Vielmehr soll die Hälfte des gesetzlichen Unterhalts steuerfrei bleiben und dies durch eine steuerliche Entlastung der Unterhaltspflicht in der Größenordnung um 20 % bewirkt werden. Dieses Ziel kann entweder durch eine pauschalierende oder sonst sachliche Regelung des Gesetzgebers oder – solange der Gesetzgeber nicht tätig wird – im Rahmen der gerichtlichen Unterhaltsbemessung erreicht werden (B 1285/00 VfSlg 16.226).

3. Im Anschluss an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu G 7/02 ua hat der Oberste Gerichtshof seine unterhaltsrechtliche Judikatur modifiziert (1 Ob 114/02z; 7 Ob 175/02i uva) und zur steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen eine konkrete Berechnungsmethode entwickelt (vgl 5 Ob 37/02f; 9 Ob 94/03v). Dieser Berechnungsmethode liegt die mathematische Formel 'Unterhaltsanspruch = Prozentunterhalt minus (Prozentunterhalt mal Grenzsteuersatz mal 0,004) plus Unterhaltsabsetzbetrag' zugrunde (vgl RS0117084 [T8]; 6 Ob 44/07z). Diese Formel wurde im Hinblick auf den mit der Steuerreform 2009 eingeführten Kinderfreibetrag (§ 106 EStG) dahin modifiziert, dass neben dem Unterhaltsabsetzbetrag auch der Kinderfreibetrag in Höhe der Steuerersparnis zu berücksichtigen ist und die Formel daher wie folgt lautet: 'Unterhaltsanspruch = Prozentunterhalt minus (Prozentunterhalt mal Grenzsteuersatz mal 0,004) plus Unterhaltsabsetzbetrag plus Steuerersparnis durch Kinderfreibetrag' (vgl 6 Ob 240/17p).

...

5. Aus Anlass der neuen gesetzlichen Regelungen zum Familienbonus Plus ist eine Neuausrichtung der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung insbesondere aufgrund der dadurch bewirkten steuerlichen Entlastung erforderlich.

5.1 Wie bereits dargelegt, lauten die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners dahin, dass das Einkommen, aus dem der Unterhalt geleistet wird, nicht zur Gänze besteuert wird und die Hälfte des gesetzlich geschuldeten Unterhalts steuerfrei bleiben soll. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das verfassungsrechtliche Gebot der (zureichenden) steuerlichen Entlastung von Unterhaltslasten auch im Weg einer gesetzlichen Pauschalierung erfolgen kann. Dem Gesetzgeber stehe es frei, eine Anrechnung von Transferleistungen (zur steuerlichen Entlastung) auch pauschalierend vorzusehen und damit zu erleichtern oder den verfassungsrechtlichen Vorgaben durch andere sachliche (gesetzliche) Regelungen Rechnung zu tragen (B 1285/00 VfSlg 16.226).

Wenn der Gesetzgeber auf die Vorgaben durch den Verfassungsgerichtshof reagiert und den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt hat, dass die Unterhaltspflichtigen die Unterhaltslasten zukünftig aus ihrem unversteuerten Einkommen leisten können und nicht eine darauf leistende Steuer dazuverdienen müssen, besteht das Ziel der in Rede stehenden steuergesetzlichen Maßnahme darin, das Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen, aus dem der Unterhalt geleistet wird, im Einklang mit den Vorgaben durch den Verfassungsgerichtshof steuerlich zu entlasten. Auch wenn der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien nicht auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs Bezug nimmt, folgt aus der ident formulierten Zielsetzung mit ausreichender Deutlichkeit, dass der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen und die gebotene steuerliche Entlastung durch die neue steuergesetzliche Maßnahme im Weg einer pauschalierenden Regelung umsetzen wollte. Nach den Intentionen des Gesetzgebers soll die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen nunmehr unmittelbar im Weg der steuergesetzlichen Vorschriften durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag herbeigeführt werden.

5.2 Die Fragen nach der steuerlichen Entlastung, die durch den Familienbonus Plus erreicht werden soll, und nach den Auswirkungen auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage können nicht getrennt voneinander beurteilt werden. Vielmehr ist zu fragen, welche unterhaltsrechtliche Lösung mit den Zielsetzungen des Gesetzgebers im Einklang steht.

Nach der Zielrichtung des Steuergesetzgebers soll der ausschöpfbare Teil des Familienbonus Plus in generalisierender Betrachtungsweise dazu dienen, das Unterhaltseinkommen nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs steuerfrei zu stellen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der entsprechende Betrag dem Unterhaltspflichtigen verbleibt. Eine Einrechnung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage scheidet daher aus. Dies gilt auch dann, wenn die Berücksichtigung des Familienbonus Plus beim Dienstgeber beantragt wird; in einem solchen Fall ist der Familienbonus Plus (ebenso wie der Unterhaltsabsetzbetrag) aus dem „Einkommen“ des Geldunterhaltspflichtigen herauszurechnen.

Der Grundsatz, dass es im Unterhaltsrecht auf das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen als die Summe der dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel ankomme (vgl RS0013386) und eine Steuerersparnis das Nettoeinkommen erhöhe, gelangt jedenfalls dann nicht zur Anwendung, wenn es sich bei einem Steuerabsetzbetrag um eine zweckbestimmte steuerliche Entlastung und nicht um einen allgemeinen Einkommensbestandteil handelt. Auch die Judikatur, wonach ein dem Unterhaltsschuldner ausgezahlter Kinderzuschuss oder eine solche Kinder- oder Familienzulage die Bemessungsgrundlage (für das jeweilige Kind) erhöht (RS0047467), ist hier nicht einschlägig, weil die genannten Zuschussleistungen an den Unterhaltsschuldner direkt ausgezahlt und für ein bestimmtes Kind gewährt werden und damit für den Unterhalt bzw die Pflege dieses Kindes zu verwenden sind (vgl 1 Ob 76/99d; 4 Ob 139/19y).

5.3 Da nach der Zielsetzung des Gesetzgebers durch den Familienbonus Plus – gemeinsam mit dem Unterhaltsabsetzbetrag – die gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirkt wird, besteht auch kein Anlass mehr, die Unterhaltsleistung durch die Anrechnung von Transferleistungen zu kürzen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich der Familienbonus Plus und der Unterhaltsabsetzbetrag auf die Unterhaltsleistung nicht auswirken und somit unterhaltsrechtlich neutral bleiben.

5.4 Die substanzielle Steuerentlastung durch den Familienbonus Plus (RV 190 BlgNR 26. GP 1 und 14) führt damit zu einer Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Unterhalt nicht mathematisch zu berechnen, sondern vielmehr nach den von Billigkeitsüberlegungen getragenen Rechtsprechungsgrundsätzen im Einzelfall auszumitteln ist (8 Ob 89/17x; 4 Ob 139/19y; 4 Ob 142/19i; vgl auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 151). Es ist systemkonform, wenn die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltslasten zur Gänze in das Steuerrecht verlagert und die zivilrechtliche Unterhaltsbemessung vom 'Fremdkörper' der steuerlichen Entlastung entkoppelt wird (vgl Kolmasch, Glosse zu 6 Ob 240/17p, Zak 2018/198, 111; Neuhauser, Einige Auswirkungen des Familienbonus Plus auf die Bemessung des Kindesunterhalts, iFamZ 2018, 196 [198]).

5.5 Der Einwand, dass bei einem Teil der besserverdienenden Unterhaltspflichtigen durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag (ohne Anrechnung von Transferleistungen) weniger als die Hälfte des gesetzlich geschuldeten Unterhalts steuerfrei gestellt werde, ist rechnerisch durchaus richtig, entspricht aber dem vom Gesetzgeber nunmehr verfolgten Konzept einer pauschalierenden steuerlichen Entlastung. Da der Gesetzgeber bis 31. Dezember 2018 weder die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis zu B 1285/00 in den Raum gestellte pauschalierende Entlastung noch eine andere sachliche Regelung umgesetzt hat, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen, hat sich der Oberste Gerichtshof in seiner Rechtsprechung an der Ansicht des Verfassungsgerichtshofs orientiert. Die nunmehr vorgenommene pauschalierende gesetzgeberische Maßnahme kann durchaus zu einer Schlechterstellung bestimmter Gruppen von Betroffenen führen. Eine offenkundige Verfassungswidrigkeit der Neuregelung ist jedoch nicht zu erkennen; der Umstand, dass keine Anrechnung der Transferleistung auf die Unterhaltsleistung mehr erfolgt und sich aus diesem Grund der dem Kind zu leistende Unterhalt erhöht, begründet für sich allein keine Unbilligkeit.

5.6 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, der gesetzlich festgelegte monatliche Betrag an ausschöpfbarem Familienbonus Plus deutlich niedriger ist als für jüngere Kinder. Ob die in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze für die Unterhaltsbemessung von Kindern ab dem 18. Lebensjahr gleichermaßen gelten oder in dieser Hinsicht Modifikationen geboten sind, muss hier nicht geklärt werden.

6. Zusammenfassend ist festzuhalten:

6.1 Beim Familienbonus Plus handelt es sich – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die erwähnten steuergesetzlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.

6.2 Diese Grundsätze gelten jedenfalls für die Unterhaltsbemessung von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Die Frage, wie sich der Familienbonus Plus auf den Unterhaltsanspruch älterer Kinder auswirkt, wird hier unbeantwortet gelassen.“

2.1. Dieser Entscheidung sind mittlerweile mehrere Senate des Obersten Gerichtshofs gefolgt (1 Ob 171/19g; 3 Ob 154/19x; 6 Ob 208/19k; 10 Ob 65/19k). Auch der erkennende Senat schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an. Die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene pauschalierende steuerliche Entlastung, die im Weg des Unterhaltsabsetzbetrags bisher noch nicht ausreichend erreicht wurde, ist durch die Einführung des Familienbonus Plus nunmehr als ausreichend gewährleistet anzusehen. Das einzelne Gruppen von Betroffenen gegenüber der bisherigen Rechtslage besser – oder aber auch schlechter – gestellt werden könnten, ist dem Wesen einer Pauschalregelung immanent und spricht nicht gegen das vom 4. Senat gewonnene Auslegungsergebnis. Eine Kombination der Anrechnung auf den (bisherigen) Kürzungsbetrag aufgrund Transferleistungen mit der Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage aufgrund des Familienbonus Plus hat der erkennende Senat zu 5 Ob 92/19v (insoweit zustimmend Kolmasch, ZAK 2019, 333) bereits abgelehnt. Die vom 4. Senat hervorgehobene Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht und der augenscheinliche Zweck der Pauschalierung der nunmehr vom Steuergesetzgeber gewährten Entlastung der Unterhaltsverpflichteten verbieten es aber, weiterhin fiktive Kürzungsbeträge auszurechnen, um einen allenfalls durch den Familienbonus Plus noch nicht erreichten oder aber überschrittenen Kürzungsbetrag zu ermitteln. Es ist daher folgerichtig, sowohl den Familienbonus Plus als auch den Unterhaltsabsetzbetrag als nur der gebotenen Steuerentlastung dienend in die Unterhaltsbemessungsgrundlage gar nicht einzubeziehen. Soweit aus den bisherigen Entscheidungen des erkennenden Senats 5 Ob 238/18v und 5 Ob 92/19v anderes abzuleiten ist, werden sie nicht aufrecht erhalten.

2.2. Vergleichbares gilt für die Entscheidungen 1 Ob 65/03w und 3 Ob 248/09f, wonach der Unterhaltsabsetzbetrag auch dann, wenn er der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen dient, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist; auch diese – in der Literatur mehrfach kritisierte (Schwimann/Kolmasch Unterhaltsrecht9 14; Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 284 mwN) – Auffassung kann nicht aufrecht erhalten werden, zumal der Unterhaltsabsetzbetrag nach der gesetzlichen Regelung ja an die Zahlung des Unterhalts (und deren Nachweis) geknüpft ist und daher zweckgebunden nur deshalb als Steuerabsetzbetrag zusteht, weil (und nicht: damit) der Geldunterhaltspflichtige Unterhaltsbeiträge zahlt.

3. Damit haben die Vorinstanzen den Familienbonus Plus und auch die Unterhaltsabsetzbeträge für beide Kinder zu Recht bei der Unterhaltsbemessung nicht berücksichtigt. Dem Revisionsrekurs der Kinder war daher der Erfolg zu versagen.

Textnummer

E127437

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00187.19I.0116.000

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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