TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/17 LVwG-2019/34/0956-39

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Entscheidungsdatum

17.12.2019

Index

90/02 Kraftfahrgesetz
40/01 Verwaltungsverfahren
24/01 Strafgesetzbuch
90/02 Führerscheingesetz

Norm

KFG 1967 §134 Abs3d Z1
KFG 1967 §106 Abs2
VStG §5
VStG §19
StGB §34 Abs1 Z1
FSG 1997 §1
FSG 1997 §37
VwGVG 2014 §52
AVG §76

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin MMag.a Dr.in Besler über die Beschwerde des AA, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in Z, Adresse 1, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 1.4.2019, *****, betreffend Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz 1967 und dem Führerscheingesetz, nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27.11.2019,

zu Recht:

A)   Spruchpunkt 1. angefochtenes Straferkenntnis (Nichterfüllung der im § 106 Abs 2 KFG 1967 angeführten Verpflichtung):

1.   Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wird teilweise Folge gegeben und dieser Spruchpunkt mit der Maßgabe bestätigt, dass die Geldstrafe auf EUR 20,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Stunden) herabgesetzt wird und es

bei der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z 2 VStG):

„§ 134 Abs 3d Z 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), BGBl Nr 267/1967, in der Fassung BGBl I Nr 37/2018, in Verbindung mit § 106 Abs 2 KFG 1967, BGBl Nr 267/1967, in der Fassung BGBl I Nr 40/2016

und bei der Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG):

„§ 134 Abs 3d Z 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), BGBl Nr 267/1967, in der Fassung BGBl I Nr 37/2018

zu lauten hat.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

B)   Spruchpunkt 2. angefochtenes Straferkenntnis (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung (§ 1 Abs 3 FSG)):

1.   Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses wird als unbegründet abgewiesen und dieser Spruchpunkt mit der Maßgabe bestätigt, dass es

bei der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z 2 VStG):

„§§ 1 Abs 3 und 37 Abs 1 Führerscheingesetz (FSG), BGBl I Nr 120/1997, in der Fassung BGBl I Nr 74/2015

und bei der Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG):

„§§ 1 Abs 3 und 37 Abs 1 und 2 zweiter und dritter Satz Führerscheingesetz (FSG), BGBl I Nr 120/1997, in der Fassung BGBl I Nr 74/2015

zu lauten hat.

2.   Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafe (EUR 436,00) und EUR 100,00 pro Tag verhängter Freiheitsstrafe (EUR 700,00), insgesamt sohin EUR 1.136,00, zu leisten.

3.   Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs 3 VwGVG in Verbindung mit § 76 AVG die

-    mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 25.7.2019, LVwG-2019/34/0956-11, mit EUR 814,20 bestimmten Barauslagen für die Erstattung des Gutachtens vom 9.7.2019 (OZ 6),

-    mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 27.8.2019, LVwG-2019/34/0956-20, mit EUR 818,80 bestimmten Barauslagen für die Erstattung des Ergänzungsgutachtens vom 24.8.2019 (OZ 18) und die

-    mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 9.12.2019, LVwG-2019/34/0956-38, mit EUR 242,20 bestimmten Barauslagen für die Erörterung des Gutachtens (OZ 6) und des Ergänzungsgutachtens (OZ 18) in der Verhandlung am 27.11.2019 (OZ 36)

zu ersetzen. Die im Beschwerdeverfahren erwachsenen Barauslagen von insgesamt EUR 1.875,20 sind binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses auf das Konto des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (*****) einzuzahlen.

4.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Im angefochtenen Straferkenntnis vom 1.4.2019 wird dem Beschwerdeführer wörtlich folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Tatzeit:  11.2.2019 um 16.45 Uhr

Tatort:  Z, Adresse 2 in Fahrtrichtung Norden

Fahrzeug(e): *****

1. Sie haben als Lenker eines Kraftfahrzeuges den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet. Dies wurde bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO 1960 festgestellt. Sie haben eine Organstrafverfügung nicht bezahlt, obwohl Ihnen eine solche angeboten wurde.

2. Sie haben das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl Sie nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug fällt, waren, da Ihnen diese mit Bescheid entzogen wurde. Behörde: Bezirkshauptmannschaft Z, Bescheid vom 14.11.2016, GZ: *****“

Dadurch habe er gegen § 134 Abs 3d Z 1 in Verbindung mit § 106 Abs 2 KFG 1967 (Spruchpunkt 1.) und § 37 Abs 1 in Verbindung mit § 1 Abs 3 FSG (Spruchpunkt 2.) verstoßen, weshalb über ihn unter Zugrundelegung des § 134 Abs 3d KFG 1967 eine Geldstrafe von EUR 50,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden) (Spruchpunkt 1.) und unter Zugrundelegung des § 37 Abs 1 in Verbindung mit § 27 Abs 4 Z 1 FSG eine Geldstrafe von EUR 2.180,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Tage) und eine Freiheitsstrafe von 7 Tagen (Spruchpunkt 2.) verhängt wurden. Die Verfahrenskosten wurden mit EUR 10,00 (Spruchpunkt 1.) sowie 10% der verhängten Geldstrafe (EUR 218,00) und EUR 100,00 pro Tag verhängter Freiheitsstrafe (EUR 700,00) (Spruchpunkt 2.) bestimmt.

Ihre Strafbemessung begründete die belangte Behörde wörtlich Folgendermaßen:

„Der Unrechtsgehalt der begangenen Übertretung ist als gravierend zu bezeichnen. Als Verschuldensgrad kommt Vorsatz in Betracht. Erschwerend war zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte bereits mehrfach strafvorgemerkt aufscheint. Mildernde Umstände waren keine zu berücksichtigen. Der Beschuldigte wurde bereits in 15 Verfahren (*****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****, *****) wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz entzogener Lenkberechtigung bestraft. Weiters wird angemerkt, dass inklusive der nunmehr verhängten Geldstrafe eine Gesamtforderung von EUR 34.746,80 bei der Bezirkshauptmannschaft Z behängt und eine weitere Geldstrafe aus diesem Grund nicht sinnvoll erscheint.

[Zitat des § 37 Abs 2 FSG]

Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesem Fall zulässig. Sie ist offensichtlich nötig, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Die Strafe ist dem Unrechtsgehalt der Tat angepasst und war somit bei gegebener Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden.“

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG Tirol) mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu Herabsetzung der verhängten Geldstrafe und Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe. Unter Hinweis auf seinen Selbstmordversuch am 15.2.2019 bestritt der Beschwerdeführer seine Zurechnungsfähigkeit und beantragte die Einholung eines Gutachtens zur Frage seiner Schuldfähigkeit.

Beweis wurde aufgenommen durch den Beschluss des Bezirksgerichtes Y vom 20.2.2019 über die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, übermittelt an die belangte Behörde am 4.4.2019, das angefochtene Straferkenntnis, die Beschwerde, den Verwaltungsstrafregisterauszug in OZ 2, wonach der Beschwerdeführer zur Tatzeit bereits in 15 Verfahren rechtskräftig wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz entzogener Lenkberechtigung bestraft worden war, den Beschluss des LVwG Tirol über die Bestellung des nichtamtlichen Sachverständigen CC vom 16.5.2019 (vgl OZ 3), das Gutachten vom 9.7.2019 (OZ 6) samt Honorarnote (OZ 7 und 8), das Schreiben des LVwG Tirol vom 15.9.2019 an den Beschwerdeführer (OZ 9), den Gebühren-Beschluss des LVwG Tirol vom 25.7.2019 (OZ 11), die seitens des Beschwerdeführers vorgelegte Dokumentation (OZ 12), die Mitteilung des Beschwerdeführers, dass keine weiteren Befunde vorgelegt werden (OZ 16), den Auftrag an den Sachverständigen vom 7.8.2019, sein Gutachten zu ergänzen (OZ 16), das Ergänzungsgutachten vom 24.8.2019 (OZ 18) samt Honorarnote (OZ 19), das Schreiben des LVwG Tirol vom 26.8.2019 an den Beschwerdeführer (vgl OZ 19), den Gebühren-Beschluss des LVwG Tirol vom 27.8.2019 (OZ 20), der Aktenvermerk über ein Telefonat mit dem Beschwerdeführer-Vertreter am 26.9.2019 (OZ 22), die an den Beschwerdeführer-Vertreter erfolgte Mitteilung über die Bezahlung der Gebühren des Sachverständigen (OZ 23), die Mitteilung des Bezirksgerichtes Y vom 5.11.2019 (OZ 33), die Mitteilung der belangten Behörde vom 25.11.2019 samt Beilagen (OZ 36), die Honorarnote vom 28.11.2019 (OZ 37), die E-Mail des LVwG Tirol vom 29.11.2019, mit dem dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme zur Honorarnote in OZ 37 eingeräumt wurde (OZ 38), den Gebühren-Beschluss des LVwG Tirol vom 9.12.2019 (OZ 38) und die Bestätigung der Überweisung der mit OZ 38 festgesetzten Gebühr (OZ 38) sowie Einvernahme des Beschwerdeführers und des nichtamtlichen Sachverständigen für den Fachbereich Psychiatrie im Rahmen der Verhandlung am 27.11.2019 (vgl Verhandlungsschrift in OZ 36). Der Beschwerdeführer schränkte seine Beschwerde in der Verhandlung auf eine solche eingeschränkt auf die Strafhöhe ein (vgl OZ 36 S 9) ein. Der Beschwerdeführer bestätigte, dass alle von ihm angebotenen Beweise aufgenommen worden sind (vgl OZ 36 S 8).

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer bringt in etwa EUR 1.900,00 monatlich ins Verdienen (14x jährlich). Er hat kein Vermögen und Unterhaltspflichten für 5 Personen (Ehegattin und 4 Kinder). Seit 16.1.2015 wird beim Amtsgericht X, *****, ein Insolvenzverfahren betreffend den Beschwerdeführer geführt (vgl OZ 33 und 36 S 8).

Am 11.2.2019 war der Beschwerdeführer bereits in 15 Fällen rechtskräftig wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz entzogener Lenkberechtigung bestraft worden. Von diesen 15 Strafen ist noch keine getilgt (unstrittig). In vier von diesen 15 Fällen wurde über den Beschwerdeführer bereits die höchste Geldstrafe von EUR 2.180,00 verhängt (vgl Auszug aus dem Verwaltungsstrafregister in OZ 2). Es liegen zudem einige rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretungen nach dem KFG 1967 vor (vgl OZ 2).

Der Beschwerdeführer war am 11.2.2019 in der Lage, das Unerlaubte der Tat einzusehen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Der Beschwerdeführer beging die Tat unter dem Einfluss eines abnormen Geisteszustandes (vgl Ergänzungsgutachten in OZ 18, Erörterung durch den nichtamtlichen Sachverständigen für den Fachbereich Psychiatrie in der Verhandlungsschrift in OZ 36).

Der Beschwerdeführer lenkte das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ***** am 11.2.2019 um 16.45 Uhr in Z, Adresse 2, in Richtung Norden, obwohl er nicht über eine für dieses Fahrzeug gültige Lenkberechtigung verfügte, weil ihm diese mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.11.2016, *****, für einen Zeitraum von 36 Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides, entzogen worden war. Im Rahmen einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO 1960 stellten Polizeibeamte fest, dass der Beschwerdeführer den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet hatte. Der Beschwerdeführer bezahlte die ihm angebotene Organstrafverfügung nicht.

Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Beschwerde die Einholung eines Gutachtens zur Frage seiner Schuldfähigkeit. Das LVwG Tirol bestellte den nichtamtlichen Sachverständigen für den Fachbereich Psychiatrie mit Beschluss vom 16.5.2019 (vgl OZ 3). Der Sachverständige erstattete sodann das Gutachten vom 9.7.2019 (OZ 6). Darin kam der Sachverständige zu folgendem Ergebnis: „[Der Beschwerdeführer] war mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Zeit der Tat in der Lage das Unerlaubte der Tat einzusehen und war eher in der Lage, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Die gutachterliche Einschätzung „eher“ erfolgt zu Gunsten [des Beschwerdeführers]. Der Sachverständige nimmt jedoch an, dass sich nach (kostenaufwändiger) Exploration und Fremdanamnese (zB Dokumentation der therapeutischen Einrichtungen die [der Beschwerdeführer] laut eigenen Angaben bemüht hat) die vorläufige Einschätzungssicherheit von „eher“ zu „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ hinaufgestuft werden würde.“ (vgl Seite 1 des Gutachtens in OZ 6). Das Gutachten in OZ 6 und die Honorarnote (OZ 7, 8) wurden dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15.7.2019 (OZ 9) mit der Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer erstattete innerhalb der ihm eingeräumten Frist keine Stellungnahme zur Honorarnote in den OZ 7 und 8, sodass das LVwG Tirol die Gebühren für die Erstattung des Gutachtens mit Beschluss vom 25.7.2019 (OZ 11) mit EUR 814,20 bestimmte. Mit E-Mail vom 25.7.2019 legte der Beschwerdeführer die laut dem Sachverständigen für Psychiatrie für die Exploration und Fremdanamnese erforderliche „Dokumentation der therapeutischen Einrichtungen, die [der Beschwerdeführer] laut eigenen Angaben bemüht hat“ vor (vgl OZ 12). Mit E-Mail vom 5.8.2019 (vgl OZ 16) bestätigte der Beschwerdeführer die Vollständigkeit dieser Dokumentation. Erst mit E-Mail vom 7.8.2019 gab das LVwG Tirol dem Sachverständigen den Auftrag, sein Gutachten zu ergänzen (vgl OZ 16). Das LVwG Tirol übermittelte dem Beschwerdeführer das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 24.8.2019 (OZ 18) und die Honorarnote (OZ 19) mit Schreiben vom 26.8.2019 (OZ 19) und räumte ihm die Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme ein. Nach Ablauf der dem Beschwerdeführer eingeräumten Frist setzte das LVwG Tirol die Gebühren für die Erstattung des Ergänzungsgutachtens mit Beschluss vom 27.8.2019 (OZ 20) mit EUR 818,80 fest. Anlässlich des am 26.9.2019 mit dem Beschwerdeführer-Vertreter geführten Telefonats begehrte selbiger die Erörterung des Gutachtens und des Ergänzungsgutachtens mit dem Sachverständigen in der Verhandlung (vgl OZ 22). Nach Erörterung des Gutachtens und des Ergänzungsgutachtens in der Verhandlung am 27.11.2019 übermittelte der Sachverständige eine Honorarnote (vgl OZ 37), die dem Beschwerdeführer mit E-Mail vom 29.11.2019 mit der Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme übermittelt wurde (vgl OZ 37). Nach Ablauf der dem Beschwerdeführer eingeräumten Frist bestimmte das LVwG Tirol die für die Erörterung durch den Sachverständigen in der Verhandlung angefallenen Gebühren mit Beschluss vom 9.12.2019 (vgl OZ 38) mit EUR 242,20. Die mit den Beschlüssen in OZ 11, 20 und 38 festgesetzten Gebühren wurden dem Sachverständigen für Psychiatrie bereits ausbezahlt (unstrittig).

III.     Beweiswürdigung:

Zumal sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Strafhöhe richtet, sind die Schuldsprüche zwischenzeitig in Rechtskraft erwachsen. Insofern ist in objektiver Hinsicht vom festgestellten bzw dem dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegten Sachverhalt auszugehen.

Auch hinsichtlich der Schuldfrage ist infolge der vom Beschwerdeführer in der Verhandlung am 27.11.2019 erfolgten Einschränkung seiner Beschwerde auf eine solche gegen die Strafhöhe Teilrechtskraft eingetreten (vgl VwGH 19.10.2017, Ra 2017/02/0062). Infolge der im Beschwerdeverfahren für die Tätigkeit des nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachbereich Psychiatrie angefallenen Kosten wird trotzdem festgehalten, dass die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers strittig war. Diesbezüglich liegen das Gutachten in OZ 6 und das Ergänzungsgutachten in OZ 18 vor. Der nichtamtliche Sachverständige für den Fachbereich Psychiatrie hat das von ihm erstattete Gutachten in der Verhandlung am 27.11.2019 im Beisein des Beschwerdeführers erörtert (vgl OZ 36). Das LVwG Tirol hegt keinen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit seines Gutachtens und erachtet dieses als schlüssig. Der Beschwerdeführer ist dem psychiatrischen Gutachten nicht substantiiert entgegengetreten. Aufgrund der gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen stünde fest, dass der Beschwerdeführer am 11.2.2019 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage war, das Unerlaubte der Tat einzusehen und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage war, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Aufgrund der vorerwähnten Teilrechtskraft ist die bezüglich der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers getroffene Feststellung zu treffen.

IV.      Rechtslage:

1. § 106 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), BGBl Nr 267/1967, in denen Fassungen BGBl I Nr 40/2016 und 19/2019 lautet (auszugsweise):

„Personenbeförderung

§ 106.

(1) […]

(2) Ist ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet, so sind Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet, sofern nicht Abs. 5 Anwendung findet. Die Verletzung dieser Pflicht begründet, jedoch nur soweit es sich um einen allfälligen Schmerzengeldanspruch handelt, im Fall der Tötung oder Verletzung des Benützers durch einen Unfall ein Mitverschulden an diesen Folgen im Sinn des § 1304 ABGB. Das Mitverschulden ist so weit nicht gegeben, als der Geschädigte (sein Rechtsnachfolger) beweist, dass die Folge in dieser Schwere auch beim Gebrauch des Sicherheitsgurts eingetreten wäre.

[…]“

2. § 134 KFG 1967, BGBl Nr 267/1967, in den Fassungen BGBl I Nr 37/2018 und 19/2019 lautet (auszugsweise):

§ 134. Strafbestimmungen

(1) […]

[…]

(3d) Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges oder als mit einem Kraftfahrzeug beförderte Person

1.   die im § 106 Abs. 2 angeführte Verpflichtung, oder

2.   die im § 106 Abs. 7 angeführte Verpflichtung

nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 festgestellt wird, oder aus Beweismaterial aus bildgebender Verkehrsüberwachung gemäß §§ 98a, 98b, 98c, 98d oder 98e StVO 1960 einwandfrei erkennbar ist, eine Verwaltungsübertretung, welche im Falle einer Anhaltung mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 35 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, oder wenn die Übertretung anhand von Beweismaterial aus bildgebender Verkehrsüberwachung festgestellt wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.

[…]“

3. Die §§ 1 und 37 Führerscheingesetz (FSG), BGBl I Nr 120/1997, in der Fassung BGBl I Nr 74/2015, lauten (auszugsweise):

„Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für das Lenken von Kraftfahrzeugen und das Ziehen von Anhängern entsprechend den Begriffsbestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr.

[…]

(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt. […]

[…]

[…]

Strafausmaß

§ 37. (1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen nach diesem Bundesgesetz, die einen bestimmten Alkoholgrenzwert zum Lenken oder Inbetriebnehmen von Kraftfahrzeugen festlegen, sind unbeschadet des Abs. 3 Z 3 jedoch nur dann zu bestrafen, wenn keine Übertretung der StVO 1960 oder des § 37a vorliegt. Dies gilt auch für Zuwiderhandlungen, die auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

(2) Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Freiheitsstrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten.

[…]

(4) Eine Mindeststrafe von 726 Euro ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl

1.   die Lenkberechtigung entzogen wurde oder

2.   gemäß § 30 Abs. 1 ein Lenkverbot ausgesprochen wurde.

[…]“

4. Die §§ 3, 5 und 20 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, lauten (auszugweise):

„Zurechnungsfähigkeit

§ 3. (1) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

(2) War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewußtseinsstörungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen.

[…]

Schuld

§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

[…]“

[…]

§ 20. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.“

5. § 4 VStG, BGBl Nr 52/1991, in der Fassung BGBl I Nr 117/2002, lautet:

„§ 4. (1) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat das 14. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat.

(2) War der Täter zur Zeit der Tat zwar 14, aber noch nicht 18 Jahre alt (Jugendlicher), so wird sie ihm nicht zugerechnet, wenn er aus besonderen Gründen noch nicht reif genug war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.“

6. § 19 VStG, BGBl Nr 52/1991, in der Fassung BGBl I Nr 33/2013 lautet:

„Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“

7. § 34 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl Nr 60/1974, in der Fassung BGBl I Nr 19/2001 lautet (auszugsweise):

„Besondere Milderungsgründe

§ 34. (1) Ein Milderungsgrund ist es insbesondere, wenn der Täter

1.   die Tat nach Vollendung des achtzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres oder wenn er sie unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustands begangen hat, wenn er schwach an Verstand ist oder wenn seine Erziehung sehr vernachlässigt worden ist;

[…]“

8. § 52 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, in der Fassung BGBl I Nr 57/2018 lautet (auszugsweise):

„Kosten

§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

(2) Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.

(3) Sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Barauslagen erwachsen (§ 76 AVG), so ist dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, soweit sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind; der hiernach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis, sonst durch besonderen Beschluss ziffernmäßig festzusetzen. Dies gilt nicht für Gebühren, die dem Dolmetscher und Übersetzer zustehen, der dem Beschuldigten beigestellt wurde.

(4) […]

(5) Von der Eintreibung der Kostenbeiträge (Abs. 1 und § 54d VStG) und der Barauslagen ist abzusehen, wenn mit Grund angenommen werden darf, dass sie erfolglos wäre.

(6) Die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sind sinngemäß anzuwenden.

(7) […]

(8) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

[…]“

9. § 76 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991, in der Fassung BGBl I Nr 137/2001 lautet (auszugsweise):

„§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

[…]“

V.       Erwägungen:

Zumal die Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsen sind und vom festgestellten Sachverhalt auszugehen ist, hat der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht begangen.

Das strafbare Verhalten des § 106 Abs 2 KFG 1967 ist die Missachtung der Gurtenpflicht. Durch dieses Gebot soll die Zahl der Unfalltoten und Schwerverletzten gesenkt werden. Indem der Beschwerdeführer den Sicherheitsgurt nicht benutzt hat, hat er dem Schutzzweck des § 106 Abs 2 KFG 1967 in nicht unerheblichem Ausmaß zuwidergehandelt.

Das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung (§ 1 Abs 3 FSG) gehört zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrrecht (vgl VwGH 22.7.2019, Ra 2019/01/0258).

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer beide Übertretungen unter dem Einfluss eines abnormen Geisteszustandes begangen. Insofern ist der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 1 StGB gegeben.

Vor dem 11.2.2019 war der Beschwerdeführer bereits in 15 Fällen rechtskräftig wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz entzogener Lenkberechtigung bestraft worden. Von diesen 15 Strafen ist noch keine getilgt. In vier von diesen 15 Fällen wurde über den Beschwerdeführer bereits die höchste Geldstrafe von EUR 2.180,00 verhängt. Beim Verstoß gegen die Bestimmung des § 106 Abs 2 KFG 1967 ist kein Erschwerungsgrund zu werten. Im Hinblick auf die Übertretung des § 1 Abs 3 FSG stellen die 15 einschlägigen Vorstrafen einen Erschwerungsgrund dar.

Im Hinblick auf die Übertretung des § 106 Abs 2 KFG 1967 ist im Sinne des § 5 Abs 1 letzter Satz VStG Fahrlässigkeit anzunehmen. In Anbetracht von 15 nicht getilgten Vorstrafen zum Zeitpunkt der Tat, was den Beschwerdeführer nicht abhielt, das Fahrzeug immer weiter in Betrieb zu nehmen, obwohl ihm die Lenkberechtigung entzogen worden war, ist bei der Übertretung des § 1 Abs 3 FSG von Vorsatz in der Form der Wissentlichkeit auszugehen. Der Beschwerdeführer wusste, dass der verpönte Erfolg sicher mit seiner Handlung verbunden ist (vgl VwGH 23.4.1996, 94/11/0006).

Es wird von den festgestellten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen ausgegangen.

Im Hinblick auf die Übertretung des § 106 Abs 2 KFG 1967 hat die belangte Behörde eine Geldstrafe von EUR 50,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden) verhängt. § 134 Abs 3d KFG 1967 sieht eine Höchststrafe von EUR 72,00 (Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 24 Stunden) vor. Aufgrund der obigen Strafzumessungskriterien, insbesondere des vorliegenden Milderungsgrundes, kann hier mit einer Geldstrafe von EUR 20,00 das Auslangen gefunden werden. Die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe ist entsprechend anzupassen. Die von der belangten Behörde festgesetzten Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens betragen EUR 10,00 und sind daher nicht weiter zu reduzieren.

§ 37 Abs 1 FSG sieht eine höchste Geldstrafe von EUR 2.180,00 und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Wochen vor. Die belangte Behörde hat den Strafrahmen des § 37 Abs 1 FSG in Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses bei Festsetzung der Geld- und der Ersatzfreiheitsstrafe zu 100 % ausgeschöpft. Nach § 37 Abs 2 zweiter Satz FSG können Geld- und Freiheitstrafen auch nebeneinander verhängt werden, wenn der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft wurde. Bei Verhängung der Freiheitstrafe stützte sich die belangte Behörde auf § 37 Abs 2 zweiter Satz FSG und schöpfte den diesbezüglichen Strafrahmen zu circa 17 % aus.

Nach § 37 Abs 4 Z 1 FSG ist für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl die Lenkberechtigung entzogen wurde, eine Mindeststrafe von EUR 726,00 zu verhängen. Vor dem Tatzeitpunkt sind über den Beschwerdeführer bereits in 4 von insgesamt 15 Fällen Geldstrafen im Ausmaß der höchsten Geldstrafe (EUR 2.180,00) verhängt worden. Es ergibt sich somit das Bild, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen offensichtlich unbelehrbaren Lenker von Kraftfahrzeugen handelt, der „durch die bisherigen Vorstrafen“ nicht von der Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung abgehalten werden kann. Eine Freiheitsstrafe neben der gemäß § 37 Abs 1 FSG verhängten Geldstrafe wird erstmals im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis verhängt, obwohl ein Anwendungsfall nach § 37 Abs 2 zweiter und dritter Satz FSG schon lange vorgelegen wäre. Schließlich ergibt sich bereits aus den 15 einschlägigen Strafvormerkungen und dem wiederholt uneinsichtigen Verhalten des Beschwerdeführers, dass auch die Verhängung einer (primären) Freiheitsstrafe erforderlich ist, um den Beschwerdeführer von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Daran vermag die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Tat unter dem Einfluss eines abnormen Geisteszustandes begangen hat, nichts zu ändern. In seinem Erkenntnis vom 28.1.2000, 99/02/0264, erachtete es der Verwaltungsgerichtshof beim Verstoß gegen § 1 Abs 3 FSG als gerechtfertigt, dass die höchste Geldstrafe von damals 30.000 Schilling (dieser Betrag entspricht in etwa EUR 2.180,00) und eine (primäre) Freiheitsstrafe im Ausmaß von 7 Tagen bei nur fünf einschlägigen Vormerkungen verhängt werden. Der Verwaltungsgerichtshof bezeichnete die verhängte Strafe in diesem Fall sogar als „durchaus milde“. Insofern führen aber auch der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 1 StGB und die festgestellten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht zur Reduktion der von der belangten Behörde verhängten Geld- und Freiheitsstrafe.

Trotz der festgestellten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse und des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 1 StGB ist eine Bestrafung im Ausmaß der höchsten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 37 Abs 1 StGB und eine Freiheitsstrafe von 7 Tagen aufgrund des erheblichen Unrechts- und Schuldgehaltes der betreffenden Übertretung sowie des angeführten Erschwerungsgrundes von 15 einschlägigen, ungetilgten Vorstrafen jedenfalls geboten. Einer Strafherabsetzung haben insbesondere auch spezialpräventive Erwägungen entgegengestanden. Dem Beschwerdeführer soll das besondere Gewicht der von ihm übertretenen Verwaltungsvorschriften aufgezeigt und soll dieser dazu verhalten werden, künftighin derartige Übertretungen zu unterlassen.

Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach den §§ 20 und 45 Abs 1 Z 4 und letzter Satz VStG lagen nicht vor. Die Anwendung des § 20 VStG scheidet aus, weil die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht überwiegen. Hinsichtlich des § 45 Abs 1 letzter Satz VStG fehlt es - wie oben ausgeführt - an dem hier geforderten geringfügigen Verschulden und Unrechtsgehalt.

Zumal die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses als unbegründet abzuweisen ist, sind die Kosten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs 2 VwGVG zu bestimmen.

In Anbetracht seines Antrags auf Einholung eines Gutachtens zur Frage seiner Schuldfähigkeit in der Beschwerde war die Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachbereich Psychiatrie - mangels entsprechender Kenntnisse der Richterin und eines Amtssachverständigen, der mit der Erstattung eines solchen Gutachtens beauftragt werden hätte können - erforderlich. Gemäß dem Begehren des Beschwerdeführers ließ das LVwG Tirol das vom Sachverständigen erstattete Gutachten ergänzen und erfolgte die Erörterung des Gutachtens in der Verhandlung im Beisein des Sachverständigen. Der Beschwerdeführer äußerte sich zu den vom Sachverständigen vorgelegten Honorarnoten nicht. Das LVwG Tirol bestimmte die Gebühren des Sachverständigen in den Beschlüssen in den OZ 11, 20 und 38 und zahlte dem Sachverständigen diese Gebühren aus.

Nach § 76 Abs 1 AVG gelten die Gebühren, die Sachverständigen zustehen, als Barauslagen. Infolge der vom Sachverständigen im Beschwerdeverfahren verrichteten Tätigkeiten sind Barauslagen im Ausmaß von insgesamt EUR 1.136,00 angefallen. Dieser Betrag ist dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs 3 VwGVG aufzuerlegen, weil die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt 2. als unbegründet abzuweisen ist (vgl § 52 Abs 8 VwGVG; VwGH 20.09.2018, Ra 2018/09/0072, zu § 52 Abs 8 VwGVG, wenn eine Beschwerde hinsichtlich einer von mehreren in einem Straferkenntnis geahndeten Übertretungen Erfolg hat).

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine einzelfallbezogene Abwägung, die im Allgemeinen keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt (vgl VwGH 19.1.2018, Ra 2018/02/0022). Die Auferlegung des Ersatzes der Barauslagen erfolgt im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 20.3.2002, 99/03/0211; 20.09.2018, Ra 2018/09/0072). Im Übrigen stützt sich selbige auf die eindeutige und klare gesetzliche Bestimmung des § 52 VwGVG. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG liegt daher nicht vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweise:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Ein Antrag auf Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen ist bei der Behörde zu stellen (vgl § 54b Abs 3 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

MMag.a Dr.in Besler

(Richterin)

Schlagworte

Gurtenpflicht; Strafhöhe; Fahren ohne Lenkberechtigung;

Anmerkung

Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.12.2019, Z LVwG-2019/34/0956-39, berichtigt mit Beschluss vom 7. Jänner 2020, LVwG-2019/34/0956-40, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 13.07.2020, Z Ra 2020/02/0022-15, zurück.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.34.0956.39

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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