TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/17 LVwG-2019/36/2638-1

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Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VVG §4 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Gstir über die gemeinsame Beschwerde von (1.) AA und (2.) BB, beide wohnhaft in Z, Adresse 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 07.11.2019, *****, betreffend die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde von (1.) AA und (2.) BB wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 07.11.2019, *****, wurde AA und BB (in der Folge: Beschwerdeführer) hinsichtlich der ihnen mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.01.2017 angedrohten Ersatzvornahme des mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 22.01.2014, Zl *****, erteilten baupolizeilichen Auftrages (Abbruch des beschädigten Sägewerkgebäudes im Bereich der Gste **1 und **2, beide KG X) die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme in der Höhe von Euro 21.400,00 binnen zwei Wochen aufgetragen.

Dagegen erhoben die nunmehrigen Beschwerdeführer per Email fristgerecht die gemeinsame Beschwerde vom 05.12.2019, in der von ihnen im Wesentlichen Folgendes vorgebracht wird:

„(…)

nach unserem Termin gestern mit Frau CC, welche für die Raumordnung im Land Tirol zuständig ist und Herrn DD in Y sind wir nun auf folgenden Lösung gekommen:

Unsere Parzelle, auf dem noch die Bodenplatten des alten Sägewerks stehen, wird in Grünland umgewidmet. Diesen Vorschlag wird Herr DD an die Gemeinde X übermitteln, welche in der nächsten Gemeinderatssitzung die Umwidmung beschließen wird. Dafür ist auch noch ein positives Gutachten der Agrar Y von Herr EE notwendig. Auch ihn haben wir gestern noch besucht und ihm die Sachlage geschildert. Er befürwortet unser Projekt des „neuen Feldstadels" und wir hiefür seine Zustimmung geben. Nach Beschluss in der Gemeinderatssitzung, die noch vor Weihnachten geplant ist, hoffen wir auf einen raschen Termin für die Bauverhandlung: Wir werden Sie darüber natürlich immer auf dem Laufenden halten und auch Frau CC will sich nochmal bei Ihnen melden.

Wir bitten Sie daher um Aufschub des Vollzugsverfahrens und bedanken uns herzlich für Ihre Hilfe in dieser für uns schwierigen Situation, die wir leider auch selbst falsch eingeschätzt haben. Im Anhang übersenden wir eingescannt die Auftrags- und Umsatzbestätigung der Zahlung der Gebühr für dieses Beschwerdeschreiben und bitten weiterhin um wohlwollende Behandlung

(…)“

Im Betreff dieses Emails mit dem die Beschwerde eingebracht wurde, ist Folgendes angeführt: „***** vom 07.11.2019 - BB und AA/Beschwerdebrief“

II.      Beweiswürdigung:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den übermittelten Akt der Bezirkshauptmannschaft Y und Nachfrage bei der Baubehörde der Gemeinde X.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht nach Ansicht des erkennenden Gerichts im gegenständlichen Verfahren aufgrund der Aktenlage fest. Die Akten lassen bereits erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der entscheidungswesentlichen Rechtssache nicht erwarten lässt, sodass einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstanden.

Es konnte daher nach § 24 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, die im Übrigen auch von keiner der Parteien des Beschwerdeverfahrens beantragt wurde.

III.     Rechtslage:

Gegenständlich ist insbesondere folgende Rechtsvorschrift entscheidungsrelevant:

Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, in der hier maßgeblichen Fassung :

Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungena) Ersatzvornahme

§ 4

(1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

IV.      Erwägungen:

1.       Hinsichtlich der Prüfbefugnis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist zunächst auszuführen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen hat.

"Sache" des Beschwerdeverfahrens ist – wie der VwGH in ständiger Judikatur ausführt - nur jene Angelegenheit, die normativer Inhalt der vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Entscheidung war und dies zudem nur insoweit als dieser durch die Beschwerde bekämpft wurde.

Im Betreff des Emails vom 05.12.2019 ist Folgendes angeführt: „***** vom 07.11.2019 - BB und AA/Beschwerdebrief“

Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass diese Eingabe als Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 07.11.2019, *****, betreffend die aufgetragene Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme in der Höhe von Euro 21.400,00 zu qualifizieren ist.

Im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren war sohin ausschließlich über diese Beschwerde vom 05.12.2019 gegen den Kostenvorauszahlungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 07.11.2019, *****, zu entscheiden.

2.       Hinsichtlich des mit Bescheidbeschwerde bekämpften Bescheides ist zunächst grundsätzlich auszuführen, dass dann, wenn ein zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichteter dieser Pflicht gar nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden kann (Ersatzvornahme).

Im gegenständlichen Fall wurde hinsichtlich des mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 22.01.2014, Zl *****, (Titelbescheid) erteilten baupolizeilichen Auftrages (Abbruch des beschädigten Sägewerkgebäudes auf den Gsten **1 und **2, beide KG X) den nunmehrigen Beschwerdeführern als Rechtsnachfolgern mit dem an sie nachweislich zugestellten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.01.2017 die Ersatzvornahme angedroht.

3.       Gemäß § 4 Abs 2 VVG kann die Vollstreckungsbehörde den Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme gegen nachträgliche Verrechnung auftragen.

Hinsichtlich der angedrohten Ersatzvornahme und nach Einholung einer Kostenschätzung und des diesbezüglich gewahrten Parteiengehörs durch die belangte Behörde erging der gegenständlich bekämpfte Bescheid, mit dem die Vorauszahlung der Kosten in der Höhe von Euro 21.400,00 aufgetragen wurde.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde von den nunmehrigen Beschwerdeführern mit näheren Ausführungen zusammengefasst vorgebracht, dass hinsichtlich der Umwidmung des gegenständlichen Bereiches sowie der Einbringung eines Baugesuches zahlreiche Gespräch erfolgt sind und daher um Aufschub des Vollzugsverfahrens ersucht wird.

Mit ihrem Vorbringen in der Beschwerde haben die beiden nunmehrigen Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des gegenständlich angefochtenen Bescheides, mit dem ihnen die Vorauszahlung der Kosten in der Höhe von Euro 21.400,00 aufgetragen wurde, entsprechend geltend gemacht.

4.       Zum Vorbringen in der Beschwerde ist weiters auszuführen, dass eine nach Erlassen des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes eine Vollstreckung unzulässig machen kann, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (vgl VwGH 12.11.1985,
83/05/0019; VwGH 12.10.2007, 2006/05/0293; VwGH 23.07.2009, 2009/05/0193; VwGH 21.03.2013, 2011/06/0151; ua).

Ein Kostenvorauszahlungsauftrag nach § 4 Abs 2 VVG stellt zwar keine Vollstreckungsverfügung iSd § 10 Abs 2 leg cit dar, doch teilen die im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens ergangenen Bescheide, auch wenn sie keine Vollstreckungsverfügungen sind, wegen des notwendigen Zusammenhanges auch das rechtliche Schicksal der Vollstreckung, die durch die Akzessorietät gegenüber dem Titelbescheid geprägt wird (VwGH 24.09.1992, 92/06/0121; ua).

Wäre daher eine Vollstreckungsverfügung unzulässig, darf auch kein Kostenvorauszahlungsauftrag erteilt werden.

Im gegenständlichen Fall wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 03.06.2019, Zl *****, ein Bauansuchen zum Wiederaufbau eines Gerätelagers auf Gst **2 KG X zurückgewiesen.

In der Sitzung am 19.12.2019 wurde vom Gemeinderat der Gemeinde X für den Bereich von Teilflächen der Gste **1 und **2, beide KG X, eine Widmungsänderungen beschlossen.

Diese Widmungsänderung ist derzeit noch nicht in Geltung.

Ein Bauansuchen für ein Bauvorhaben, das auch die von der gegenständlichen Ersatzvornahme umfassten Teile der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage auf den Gsten **1 und **2, beide KG X, mitumfasst, wurde bislang nicht eingebracht.

Damit ergibt sich sohin zusammengefasst, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, die - im Hinblick auf die höchstgerichtliche Judikatur - in Bezug auf deren allfällige Wesentlichkeit für die Vollstreckung und damit auch den gegenständlich bekämpften Kostenvorauszahlungsauftrag zu prüfen und beurteilen gewesen wäre (vgl VwGH 26.11.2014, 2013/05/0035; ua).

5.       Zusammengefasst ergibt sich sohin, dass die gegenständliche Beschwerde gegen den bekämpften Kostenvorauszahlungsbescheid als unbegründet abzuweisen war.

6.       Lediglich der Vollständigkeit halber ist ergänzend anzumerken, dass eine Vollstreckung – auch des Kostenvorauszahlungsauftrages - solange unzulässig wäre, als hinsichtlich der vom Titelbescheid umfassten Teile der baulichen Anlage auf den Gsten **1 und **2, beide KG X, ein Bauansuchen anhängig wäre (vgl VwGH 30.05.1996, 96/06/0081; VwGH 29.06.2015, Ra 2015/05/0043; VwGH 25.07.2017, Ro 2017/06/0022; uva).

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Gstir

(Richterin)

Schlagworte

Kostenvorauszahlungsbescheid; Ersatzvornahme; keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.36.2638.1

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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