Entscheidungsdatum
03.02.2020Norm
VwGG §33 Abs1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter Mag. Gindl über die Beschwerden von
1. „A“, ***, ***,
2. B, ***, ***,
3. C, ***, ***,
4. D, ***, ***,
5. E, ***, ***,
gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 18. September 2018,
***, mit welchem dem F, ***, ***, und dem G, ***, ***, die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Fangen und Töten Fischottern erteilt wurde, den
BESCHLUSS
1. Das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wird eingestellt.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Begründung:
Mit dem angefochtenen Bescheid der NÖ Landesregierung (in der Folge: belangte Behörde), vom 18. September 2018, ***, wurde dem F und dem G mit Spruchunkt I. gemäß § 20 Abs. 4 und 5 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NSchG 2000) nachstehende artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt:
„I. artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung:
Es wird dem F und dem G
? zum Zweck der Reduktion von Ausfraß an Fischteichen in den Verwaltungsbezirken ***, ***, ***, *** und ***sowie
? zum Schutz der Bachforellenpopulation im Bereich jener Gewässer, die in der als Beilage A angeschlossenen CD „Kartenbeilage zu Bescheid Zl. ***“, dargestellt sind,
die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Fangen und Töten und unmittelbaren Töten von Fischottern in folgendem Ausmaß erteilt:
1) in den Verwaltungsbezirken ***, ***, ***, *** und *** im Ausmaß von maximal 20 Fischottern und
2) in den Bereichen der Talböden jeweils links- und rechtsufrig der aus Beilage A ersichtlichen Gewässer, sofern ein allfälliger Besatz dieser Gewässer ausschließlich mit regional bodenständigen Eiern oder Brütlingen der Bachforelle erfolgt, im Ausmaß von ebenfalls maximal 20 Fischottern.
Das Recht zur Entnahme besteht nur unter der Voraussetzung, dass aufgrund der Ergebnisse des vom Land NÖ durchgeführten Fischottermonitorings bzw. damit vergleichbarer Fachdaten landesweit hinsichtlich Populationsgröße und Verbreitung des Fischotters weiterhin von einem Erhaltungszustand, wie er 2008 vorgelegen hat und in der Folge im Artikel 17-Bericht 2012 eingeflossen ist, ausgegangen werden kann. Ist anhand der beim Land NÖ vorliegenden Daten nicht von diesem Erhaltungszustand auszugehen, gilt die Bewilligung bis zum Wiedererreichen zumindest dieses Zustandes als ausgesetzt.
Das Recht gilt nicht
1. in Naturschutzgebieten gemäß der Verordnung über die Naturschutzgebiete,
2. in den Nationalparken *** und *** sowie
3. in den Europaschutzgebieten gemäß der Verordnung über die Europaschutzgebiete, in denen der Fischotter als Schutzgegenstand genannt ist, das sind die Europaschutzgebiete
? FFH-Gebiet ***
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***,
? FFH-Gebiet ***.
Das Recht ist bis 30. Juni 2019 befristet.
Die Beilagen A, B und C bilden integrierende Bescheidbestandteile.
Folgende Auflagen sind einzuhalten:
Auflagen für Fang mit Lebendfallen:
1) Es dürfen nur Abfangsysteme, wie sie jagdrechtlich zum Fang anderer von der Größe her vergleichbarer marderartiger Tiere zulässig sind, eine Unversehrtheit der gefangenen Tiere gewährleisten und auch eine zur Feststellung des Geschlechtes erforderliche Inaugenscheinnahme des gefangenen Tieres ermöglichen, verwendet werden.
2) Das jeweils verwendete Abfangsystem ist mindestens zweimal täglich zu kontrollieren.
3) Weibliche Tiere sind unverzüglich und unversehrt freizulassen.
4) Individuen anderer Arten, die sich irrtümlich gefangen haben, sind unverzüglich und unversehrt frei zu lassen.
5) Die Tötung hat rasch und möglichst schmerzfrei zu erfolgen.
6) Eine Weitergabe (auch bloß zur Verwahrung) des Tieres bedarf einer gesonderten Bewilligung der Behörde.
7) Zur Sicherung von Begleitdaten, wie Tötungsmethode, Erhebung morphometrischer Daten (Körpergröße, Gewicht), Erhaltungs- und Ernährungszustand, Geschlechtsbestimmung, genetische Untersuchungen (Feststellung von Verwandtschaftsbeziehungen, Familiengrößen, Zuzug in Reviere, Ausbreitungswege), sind sämtliche getöteten Fischotter im Ganzen für Analysen für ein populationsökologisches Monitoring ausnahmslos zur Verfügung zu halten und diesbezüglich vom Land Niederösterreich ggf. beauftragten oder mit diesem kooperierenden Einrichtungen nach Bekanntgabe dieser zu übergeben. Dazu sind sie für eine Zeit von zumindest 48 Stunden ab Meldung in fachgerecht gekühltem Zustand aufzubewahren.
Auflagen für die unmittelbare Tötung durch Schusswaffen:
8) Die Auflagen 5) bis 7) gelten sinngemäß.
9) Das unmittelbare Töten von Fischottern unter Einsatz von jagdlichen Langwaffen ist ausschließlich in der Zeit vom 1. November bis zum 28. Februar erlaubt.
10) Jungeführende Weibchen dürfen nicht unmittelbar getötet werden.
11) Bestehende waffen- und jagdrechtliche Bestimmungen sowie Bestimmungen zur jagdlichen Waidgerechtigkeit sind sinngemäß zu berücksichtigen. Auf die Einschränkungen gemäß § 18 Abs. 5 NÖ Naturschutzgesetz 2000 sowie tierschutzrechtlicher Bestimmungen wird hingewiesen. Im Fall von durch Dunkelheit eingeschränkter Sicht dürfen handelsübliche Taschenlampen mit einer Leuchtweite von maximal 100 Metern zum kurzzeitigen Anleuchten des Tieres zwecks eindeutiger Zielansprache durch den Berechtigten eingesetzt werden.
12) Das unmittelbare Töten von Fischottern unter Einsatz von jagdlichen Langwaffen darf nur an Land erfolgen, Böschungsbereiche gelten als zum Gewässer gehörig.
Auflagen zu Melde-, Monitoring- und Berichtspflicht:
13) Meldepflicht:
Die Tötung von Fischottern ist binnen 48 Stunden der Landesregierung per E-Mail (***) mittels dem als Beilage B angeschlossenen Formular „Meldung über Tötung von Fischottern“ bekanntzugeben; diese Frist verlängert sich an Wochenenden bis spätestens Montag, 9 Uhr. Der Inhalt der Meldung hat dem im Formular, Beilage B, vorgegebenen Umfang zu entsprechen.
14) Monitoring- und Berichtspflicht:
Der Naturschutzbehörde ist bis 31. Dezember 2019 eine zusammenfassende Gesamtdarstellung aller vorgenommenen Eingriffe samt anhand geeigneter, verfügbarer Daten zu erstellenden Schlussfolgerungen, wie sich erfolgte Eingriffe in die Fischotterpopulation auf die Fischbestände (Altersstruktur und Biomasse) im Bereich der antragsgegenständlichen Fließgewässer bzw. auf Abfischergebnisse in den Teichen auswirken, in Berichtsform vorzulegen.“
Mit Spruchpunkt II. hat die belangte Behörde den Antragstellern eine Landesverwaltungsabgabe vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid haben 1. „A“, 2. „B“, 3. „C“ 4. „D“ und 5. die E, Beschwerde erhoben.
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 26. Juni 2019,
Zl. LVwG-AV-1213/001-2018, wurde die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Angelegenheit an die Niederösterreichische Landesregierung zurückverwiesen.
Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, ***, wurde dieser Beschluss aufgehoben.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
Die Verwaltungsgerichte entscheiden nicht bloß kassatorisch, sondern grundsätzlich in der Sache selbst. Ausnahmen von diesem Grundsatz – insbesondere die Möglichkeit zur Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 Satz 2 – sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken". [Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, ÖJZ 2015/73 (541)]. Der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass die frühere Rechtsprechung zur "Sache" des Berufungsverfahrens auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu übertragen ist. Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist demnach jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Das Verwaltungsgericht darf auch nicht über Anträge absprechen, die von der belangten Behörde nicht behandelt wurden, ebenso wenig darf es ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen (Hans Peter Lehofer, Die Prüfung des angefochtenen Bescheids durch die Verwaltungsgerichte, aaO).
„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).
Im gegenständlichen Fall beantragten die Antragsteller eine Ausnahmebewilligung nach § 20 NÖ NSchG 2000 zur Entnahme einer streng begrenzten Anzahl Europäischer Otter. Das mit dem angefochtenen Bescheid gewährte Recht der Entnahme war befristet bis 30. Juni 2019.
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. 10 idF BGBl. I 33/2013, ist eine Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. Bis zum 31. Dezember 2013 (Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. 51, sowie der zugehörigen Begleitgesetzgebung) enthielt
§ 33 Abs. 1 VwGG eine inhaltsgleiche Regelung für Beschwerden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Rechtslage vor und nach dem 31. Dezember 2013 ausgesprochen hat, ist § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Vielmehr lässt sich
§ 33 Abs. 1 VwGG entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig (und daher zurückzuweisen), fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. VwGH vom 21.06.2017, Ra 2016/17/0259, mwN).
Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/11/0027, dargelegt, dass die zu § 33 Abs. 1 VwGG ergangene Rechtsprechung betreffend den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses auch auf Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden kann. Die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Gegenstandslosigkeit von Revisionen und zur Einstellung der Verfahren sind daher auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich maßgeblich.
Gegenständlich ist zwischenzeitlich die Frist für das Recht der Entnahme der Fischotter abgelaufen. Daraus folgt, dass der angefochtene Bescheid zur Gänze wirkungslos geworden ist. Damit sind auch die dagegen erhobenen Beschwerden im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung wegen des Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses gegenstandslos geworden.
Das Beschwerdeverfahren ist daher gemäß § 28 Abs. 1 erster Halbsatz iVm § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss einzustellen.
Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Schlagworte
Landwirtschaft und Natur; Naturschutz; Verfahrensrecht; Bescheid; Wirkungslosigkeit; Einstellung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1213.004.2018Zuletzt aktualisiert am
24.02.2020