TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/1 W227 2167869-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.08.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
SchBeihG 1983 Art. 2 §18 Abs2
SchBeihG 1983 Art. 2 §2
SchBeihG 1983 Art. 2 §21 Abs1 Z2
SchBeihG 1983 Art. 2 §9 Abs1
SchOG §36 Z2
SchOG §37 Abs1 Z2
SchUG-BKV §4 Z3
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W227 2167869-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 29. Juni 2017, Zl. 701291/2011, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2016/2017 den Anschlusslehrgang der Freien Waldorfschule XXXX . Am 7. Dezember 2016 beantragte sie die Gewährung von Schulbeihilfe.

2. Mit Bescheid vom 13. Februar 2017 gewährte der Landesschulrat für Tirol (nun Bildungsdirektion für Tirol) der Beschwerdeführerin Schulbeihilfe in Höhe von € 1.130,- für das Schuljahr 2016/2017, weil die Bedürftigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 Schülerbeihilfengesetz 1983 (SchBG) im Falle der Beschwerdeführerin gegeben sei.

3. Am 20. Februar 2017 wechselte die Beschwerdeführerin in das XXXX gymnasium XXXX , einem Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid sprach der Landesschulrat für Tirol aus, dass infolge des vorzeitigen Schulaustritts die Beschwerdeführerin im Schuljahr 2016/2017 gemäß § 18 Abs. 2 SchBG einen anteilsmäßigen Anspruch auf Schulbeihilfe in Höhe von € 678,-

habe. Der darüber hinaus erhaltene Betrag von € 452,- sei zurückzuzahlen.

Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführerin für das Schuljahr 2016/2017 eine Schulbeihilfe in der Höhe von € 1.130,- zuerkannt worden sei. Gemäß § 18 Abs. 2 SchBG würden Schülerbeihilfen bei Abbruch des einen Beihilfenanspruch begründenden Schulbesuches nur bis zum Ablauf jenes Monats, in dem dieses Ereignis eingetreten sei, gebühren. Der Schulbesuch sei mit 10. Februar 2017 abgebrochen worden, weshalb der anteilsmäßige Anspruch für vier Monate entfalle. Es stünden ihr somit nur mehr €

678,- zu; € 452,- seien bis zum 20. Juli 2017 zurückzuzahlen.

5. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. In dieser wird (hier relevant) im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Der Schulwechsel auf das XXXX gymnasium XXXX habe schnell stattfinden müssen, weil der "Schulversuch" für die Maturavorbereitung in der Freien Waldorfschule XXXX "gescheitert" sei. Alle Schüler der Matura-Klasse seien von der Freien Waldorfschule XXXX auf das XXXX gymnasium XXXX gewechselt. Die Beschwerdeführerin habe nicht gewusst, dass sie aufgrund des Schulwechsels einen neuen Antrag auf Schulbeihilfe hätte stellen müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2016/2017 den Anschlusslehrgang der Freien Waldorfschule XXXX .

Am 7. Dezember 2016 beantragte sie die Gewährung von Schulbeihilfe, die ihr mit Bescheid vom 13. Februar 2017 in Höhe von € 1.130,- für das Schuljahr 2016/2017 aufgrund Bedürftigkeit nach § 2 Abs. 1 Z 1 SchBG gewährt wurde.

Am 20. Februar 2017 wechselte die Beschwerdeführerin an das XXXX gymnasium XXXX , einem Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige, und schloss dort das Sommersemester erfolgreich ab.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen basieren auf dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Behebung des Bescheides (Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß § 2 SchBG ist Voraussetzung für die Gewährung von Schulbeihilfen und Heimbeihilfen (einschließlich Fahrtkostenbeihilfen) außer den in §§ 1a, 9, 11 und 11a genannten Bedingungen, dass der Schüler bedürftig ist (Z 1) und den Schulbesuch, für den Schülerbeihilfe beantragt wird, vor Vollendung des 35. Lebensjahres begonnen hat; [...] (Z 2).

Gemäß § 9 Abs. 1 SchBG gebührt Schulbeihilfe nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes für den Besuch einer mittleren oder höheren Schule ab der 10. Schulstufe oder von in Semester gegliederten Sonderformen als ordentlicher Schüler oder einer Schule für medizinische Assistenzberufe im Rahmen einer Ausbildung in der medizinischen Fachassistenz.

Gemäß § 18 Abs. 2 erster Satz SchBG gebühren die Beihilfen gemäß §§ 9, 11 und 11a bei Ableben des Schülers, Abbruch des einen Beihilfenanspruch begründenden Schulbesuches sowie bei Wegfall der Voraussetzung des § 1a nur bis zum Ablauf jenes Monats, in dem eines der erwähnten Ereignisse eintritt.

Gemäß § 21 Abs. 1 SchBG hat der Schüler die Beihilfen zurückzuzahlen, deren Gewährung durch unvollständige oder unwahre Angaben maßgebender Tatsachen veranlasst oder erschlichen wurde (Z 1) oder die wegen des Eintrittes eines Minderungsgrundes oder wegen Nichtbestehens eines Anspruches gemäß § 18 Abs. 2 zu viel empfangen wurden (Z 2) oder wenn Steuerbescheide nachträglich abgeändert werden und danach keine oder verminderte Bedürftigkeit vorliegt, insoweit die Beihilfen nicht gebühren (Z 3); die im Fall der Berechnung der Schul- und Heimbeihilfe auf Grund der tatsächlichen Unterhaltsleistung im Sinne des § 12 Abs. 5 Z 2 lit. b zu viel empfangen wurden, weil nachträglich für den betreffenden Zeitraum eine höhere Unterhaltsleistung bezahlt worden ist (Z 4).

Nach § 36 Z 2 Schulorganisationsgesetz (SchOG) kommt als Form der allgemein bildenden höheren Schulen das Oberstufenrealgymnasium - mit besonderer Berücksichtigung von sprachlichen, naturwissenschaftlichen und musisch-kreativen Bildungsinhalten - in Betracht.

Nach § 37 Abs. 1 Z 2 SchOG ist das Gymnasium für Berufstätige, das Realgymnasium für Berufstätige und das Wirtschaftskundliche Realgymnasium für Berufstätige eine Sonderform der allgemeinbildenden höheren Schulen.

Nach § 4 Z 3 Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge (SchUG-BKV) ist im Sinne dieses Bundesgesetzes unter abschließender Prüfung die Reifeprüfung, die Reife- und Diplomprüfung, die Diplomprüfung und die Abschlussprüfung zu verstehen.

Der 8. Abschnitt SchUG-BKV regelt Form und Umfang der abschließenden Prüfungen.

Gemäß § 3 Abs. 3 Organisationsstatut der österreichischen Freien Waldorfschulen bzw. Rudolf Steiner Schulen im Waldorfbund Österreich in der Fassung 2014 kann zur Erlangung der Befähigung zum Ablegen der Externistenreifeprüfung eines Oberstufenrealgymnasiums mit Instrumentalunterricht oder Bildnerischem Gestalten und Werkerziehung auf der 13. Schulstufe ein einjähriger Anschlusslehrgang vorgesehen werden.

3.1.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Der Beschwerdeführerin wurde für das Schuljahr 2016/2017 Schulbeihilfe gewährt, als sie den einjährigen Anschlusslehrgang einer Freien Waldorfschule besuchte. Dieser Anschlusslehrgang dient der Erlangung einer Reifeprüfung einer allgemeinbildenden höheren Schule (vgl. § 3 Abs. 3 Organisationsstatut der österreichischen Freien Waldorfschulen und § 36 Z 2 SchOG). Folglich gewährte der Landesschulrat für Tirol der Beschwerdeführerin für das Schuljahr 2016/2017 Schulbeihilfe für die Erreichung ihres Bildungszieles (Ablegung der Reifeprüfung an einer allgemeinbildenden höheren Schule).

Am 20. Februar 2017 wechselte die Beschwerdeführerin in ein Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige, um dort die Reifeprüfung abzulegen. Diese Schule bildet eine Sonderform der allgemeinbildenden höheren Schulen (vgl. § 37 Abs. 1 Z 2 SchOG). Bildungsziel dieser Schule ist u.a. die Erlangung der Reifeprüfung (vgl. § 4 Z 3 SchUG-BKV und den 8. Abschnitt des SchUG-BKV).

Da der Beschwerdeführerin für das Schuljahr 2016/2017 Schulbeihilfe gewährt wurde, damit sie ihr Bildungsziel in Form der Ablegung der Reifeprüfung an einer allgemeinbildenden höheren Schule erreicht, kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass durch ihren Wechsel an ein Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige ein Abbruch des einen Beihilfenanspruch begründenden Schulbesuches vorliegt. § 18 Abs. 2 SchBG ist somit im Fall der Beschwerdeführerin nicht erfüllt, weshalb auch keine Rückzahlungsverpflichtung der Schulbeihilfe für die Beschwerdeführerin nach § 21 Abs. 1 Z 2 SchBG vorliegt.

Somit ist der Bescheid zu beheben.

3.1.3. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; 01.09.2016, 2013/17/0502; VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 24.04.2018, Ra 2018/10/0019).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass hier kein Abbruch des einen Beihilfenanspruch begründenden Schulbesuches vorliegt, entspricht der eindeutigen Rechtslage (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Allgemeinbildende höhere Schule, Anschlusslehrgang, ersatzlose
Behebung, Externistenreifeprüfung, Freie Waldorfschulen,
Oberstufenrealgymnasium, Organisationsstatut,
Rückzahlungsverpflichtung, Rudolf Steiner-Schulen, Schülerbeihilfe,
Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W227.2167869.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten