TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/9 G314 2201847-1

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Veröffentlicht am 09.08.2019
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Entscheidungsdatum

09.08.2019

Norm

ABGB §242 Abs1
AVG §9
B-VG Art. 133 Abs4
GGG Art. 1 §8 Abs1
GGG Art. 1 §9 Abs1 Satz 1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

G314 2201847-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXXvom 05.07.2018, XXXX, betreffend Gerichtsgebühren zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit der an das Landesgericht XXXX gerichteten Eingabe vom 29.01.2018 erhob der Beschwerdeführer (BF) gegen drei namentlich genannte Personen ua den Vorwurf der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB, wobei gemäß § 117 Abs 1 StGB ein Privatanklagedelikt vorlag. Gleichzeitig beantragte er die Verfahrenshilfe, unter anderem im Umfang der einstweiligen Befreiung von den Gerichtsgebühren. Nach Überweisung der Eingabe an das Bezirksgericht XXXX gab er aufgrund eines gerichtlichen Verbesserungsauftrag am 12.04.2018 ausdrücklich an, dass es sich um eine Privatanklage handle.

Mit dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 14.06.2018, XXXX, wurde die Privatanklage als unzulässig zurück- und der Verfahrenshilfeantrag abgewiesen. Der Beschwerde des BF dagegen wurde vom Landesgericht XXXX mit Beschluss vom 09.08.2018, XXXX, gegen den kein weiterer Rechtszug zusteht, insoweit Folge gegeben, als er gemäß § 8 Abs 1 GGG iVm §§ 63 Abs 1, 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO von der Entrichtung der Eingabengebühr nach TP 13 lit a GGG befreit wurde.

Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 15.06.2018 wurden dem BF für die Privatanklage die Eingabengebühr gemäß TP 13 lit a GGG von EUR 269 und die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8 zur Zahlung vorgeschrieben.

Dagegen erhob der BF eine (als "Beschwerde" bezeichnete) Vorstellung an die Präsidentin des LandesgerichtsXXXX. Daraufhin wurden ihm mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Eingabengebühr gemäß TP 13 lit a GGG (EUR 269) und die Einhebungsgebühr nach § 6a Abs 1 GEG (EUR 8), insgesamt daher EUR 277, vorgeschrieben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF, in der er u.a. auf seinen Verfahrenshilfeantrag und ein anhängiges Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters bzw. eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters hinweist.

Die Präsidentin des Landesgerichts XXXX legte die Beschwerde samt einem Teil der Akten des Verwaltungsverfahrens (ohne Beschwerdevorentscheidung) dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor. Der Kostenakt des Grundverfahrens wurde aufgrund der Aufforderung des BVwG vom 30.08.2018 nachgereicht.

Am 14.02.2019 informierte das Bezirksgericht XXXX das BVwG darüber, dass XXXX mit dem Beschluss vom 25.10.2018,XXXX zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter für den BF, u.a. für die Vertretung vor Gerichten und Behörden, bestellt worden war. Ein Genehmigungsvorbehalt iSd § 242 Abs 2 ABGB wurde nicht angeordnet.

Das BVwG übermittelte den Bescheid und die Beschwerde an den Erwachsenenvertreter zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme binnen zwei Wochen. Es wurde keine Stellungnahme erstattet. Mit Schreiben vom 09.05.2019 forderte das BVwG den Erwachsenenvertreter zur Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung des BF auf; bei Nichtäußerung werde von deren Genehmigung ausgegangen. Der Erwachsenenvertreter äußerte sich dazu nicht.

Am 29.07.2019 übermittelte das Bezirksgericht XXXX dem BVwG auftragsgemäß den Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 09.08.2018,

XXXX.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt stehen anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehende Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Die vom BF selbst erhobene Beschwerde ist trotz der mittlerweile erfolgten Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für die Vertretung vor Gerichten und Behörden zulässig, weil über seine Prozessfähigkeit gemäß § 9 AVG unter Heranziehung der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Rechts- und Handlungsfähigkeit zu entscheiden ist (siehe zuletzt VwGH 28.05.2019, Ra 2018/05/0188) und gemäß § 242 Abs 1 ABGB die Handlungsfähigkeit einer vertretenen Person durch eine Erwachsenenvertretung nicht eingeschränkt wird. Der BF hat durch das Beschwerdevorbringen, mit dem er u.a. zutreffend auf seinen Verfahrenshilfeantrag verweist, auch gezeigt, dass er in Bezug auf das Beschwerdeverfahren ausreichend handlungsfähig ist.

Da dem BF für die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Gerichtsgebühren mittlerweile die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, steht ihm insoweit gemäß § 8 Abs 1 GGG die persönliche Gebührenfreiheit zu, die gemäß § 9 Abs 1 erster Satz GGG rückwirkend mit dem Tag eintritt, an dem sie beantragt wurde. Die Vorschreibungsbehörde und das BVwG sind an die Entscheidung des Gerichts über die Bewilligung der Verfahrenshilfe gebunden und können diese Voraussetzung nicht selbständig prüfen.

Der BF muss die ihm vorgeschriebenen Gebühren aufgrund der Bewilligung der Verfahrenshilfe derzeit nicht entrichten, sodass der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben ist.

Die Vorschreibungsbehörde wird auf die §§ 214 (Gebühren- und Kostenakt) und 233 (Beschwerde, Aktenvorlage an das BVwG) Geo hingewiesen sowie darauf, dass das BVwG zweckmäßigerweise über die Bewilligung der Verfahrenshilfe während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens betreffend davon umfasste Gerichtsgebühren zu informieren ist.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte. Zwar führte vor Inkrafttreten des 2. ErwSchG (BGBl I Nr. 59/2017) am 01.07.2018 die Rechtskraft des Sachwalterbestellungsbeschlusses innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters konstitutiv zum Verlust der Prozessfähigkeit der betroffenen Person (siehe z.B. VwGH 21.05.2019, Ra 2019/03/0037). Dies ist aber nunmehr aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 242 Abs 1 ABGB nicht mehr der Fall. Da der Gesetzeswortlaut eindeutig ist, liegt insoweit keine vom VwGH zu klärende Rechtsfrage vor. Die Revision ist daher nicht zuzulassen, obwohl höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der prozessualen Handlungsfähigkeit einer Person, für die eine Erwachsenenvertretung besteht, im Beschwerdeverfahren fehlt.

Schlagworte

Bindungswirkung, ersatzlose Behebung, Erwachsenenvertreter,
Gebührenfreiheit, Gerichtsbarkeit, Gerichtsgebühren,
Handlungsfähigkeit, Justizverwaltung, Prozessfähigkeit,
Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2201847.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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