TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/22 W176 2221258-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.08.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.08.2019

Norm

AVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
ZPO §6 Abs1

Spruch

W176 2221258-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes St. Pölten vom 19.02.2019, Zl. Jv 3864/17v-33, betreffend Aussetzung eines Verfahrens wegen Vorschreibung von Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz BGBl. I Nr. 122/2013 (VwGVG), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 23.08.2017, Zl. XXXX , schrieb die Kostenbeamtin des Landesgerichtes St. Pölten für dessen Präsidenten dem nunmehrigen Beschwerdeführer als klagende Partei in einem Zivilverfahren (Amtshaftung) die Pauschalgebühr TP 2 Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 (GGG), idHv EUR 7.663,80, die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. I Nr. 190/2013 (GEG), idHv EUR 8,-- sowie den Mehrbetrag gemäß § 31 GGG idHv EUR 31,--, insgesamt daher den Betrag von EUR 7.693,80, zur Zahlung vor.

2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid sprach der Präsident des Landesgerichtes St. Pölten (in der Folge: belangte Behörde) zum einen aus, dass der unter Punkt 1. dargestellte Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) gemäß § 7 Abs. 2 GEG außer Kraft getreten ist, und zum anderen, dass das Verfahren zur Einbringung der Pauschalgebühr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das beim Bezirksgericht

XXXX zu Zl. 10 P 35/11g anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters ausgesetzt wird.

Zur Aussetzung des Verfahrens wurde begründend festgehalten, dass die Vorfrage der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers insofern ungeklärt sei, als schon vor der Erlassung des Zahlungsauftrages (Mandatsbescheides) ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters anhängig gewesen sei.

4. Gegen den Spruchpunkt des Bescheides, mit dem das Verfahren ausgesetzt wird, richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der im Wesentlichen Folgendes vorgebracht wird:

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde finde § 38 AVG gegenständlich keine Anwendung: Zum einen sei dies in Hinblick auf die überlange Dauer des Verfahrens betreffend die Bestellung eines Erwachsenenvertreters der Fall, zum anderen sei die Prüfung der prozessualen Geschäftsfähigkeit für das gegenständliche Justizverwaltungsverfahren nicht von Relevanz und sei die Verknüpfung dieser beiden Verfahren kompetenzwidrig.

5. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 25.04.2019, Zl. XXXX , wurde das Erwachsenenschutzverfahren betreffend den Beschwerdeführer eingestellt. Begründend wurde festgehalten, das Verfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, alle seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen.

6. Mit einem am 15.07.2019 eingelangten Schreiben legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I. dargestellte Sachverhalt wird dem Verfahren zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.1.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.4. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

3.1.5. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnisverbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1.1. § 38 AVG lautet:

"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

3.2.1.2. Die Frage der Handlungsfähigkeit und somit auch jene der Prozessfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Behörde als Vorfrage iSd § 38 AVG zu beurteilen. Einen Mangel der Prozessfähigkeit hat sie in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Die Behörde kann diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen (vgl. etwa VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007; 12.09.2017, Ra 2017/16/0078, sowie die in Hengstschläger/Leeb, AVG I2, unter Rz 5 f zu § 9 AVG wiedergegebene weitere Judikatur).

3.2.3. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vor dem örtlich zuständigen Bezirksgericht ein (mittlerweile eingestelltes) Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Beschwerdeführer anhängig war, hat zur Folge, dass die belangte Behörde zu Recht - in Hinblick auf die Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers - eine Vorfrage iSd § 38 AVG angenommen und mit Blick auf das Erwachsenenschutzverfahren das Verfahren betreffend die Vorschreibung der Pauschalgebühr ausgesetzt hat.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stand dem weder die Dauer des Erwachsenenschutzverfahrens entgegen noch der Umstand, dass es sich beim ausgesetzten Verfahren um eines vor einer (Justiz)Verwaltungsbehörde handelt. Denn in einem solchen ist nicht anders als in einem Gerichtsverfahren auch die Prozessfähigkeit zu beurteilen.

Da die belangte Behörde somit berechtigt war, das Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in dem genannten Erwachsenenschutzverfahren auszusetzen, war die Beschwerde spruchgemäß als unberechtigt abzuweisen.

3.2.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG entfallen. In den vorliegenden Beschwerdesachen lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist). Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. Zu einer Lösung von Rechtsfragen ist im Sinne der Judikatur des EGMR (vgl. E vom 10.05.2007, Nr. 7401/04 [Hofbauer/Österreich Nr. 2] und vom 03.05.2007, Nr. 17.912/05 [Bösch/Österreich]) eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC stehen daher der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

3.3. Zu Spruchpunkt B):

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der unter Punkt 3.2. dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, an welcher es somit auch nicht fehlt; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aussetzung, Erwachsenenschutzverfahren, Handlungsfähigkeit,
Pauschalgebührenauferlegung, Prozessfähigkeit, Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W176.2221258.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten