Entscheidungsdatum
28.08.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W122 2222618-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Dr. Georg ZANGER, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen die Bescheide des Militärkommandos Wien vom 18.07.2019, Zl. P852069/26-MilKdoW/Kdo/ErgAbt/2019 (1) betreffend Aufschub und Zl. P852069/26-MilKdoW/Kdo/ErgAbt/2019 (2) betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Beschwerdeführer wird bis zum Ablauf des 31.12.2022 von der Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 befreit.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Einberufungsbefehl vom 14.02.2019 wurde der Beschwerdeführer zur Leistung des Grundwehrdienstes beginnend mit 02.09.2019 verpflichtet.
2. Mit Schreiben vom 12.07.2019 stellte der Beschwerdeführer, einen "Antrag auf befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes" und betitelte diesen Antrag mit "Antrag auf Aufschub gemäß § 26 Wehrgesetz". Begründend führte der Beschwerdeführer an, er müsse seine Ausbildung zum Facharzt abschließen. Praktikumsplätze zur Facharztausbildung (HNO) wären eine Rarität.
3. Mit den gegenständlichen Bescheiden vom 18.07.2019 und 14.08.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Die Abweisung erfolgte getrennt nach Aufschub und Befreiung in zwei Bescheiden.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlage begründete die belangte Behörde die Abweisung des Aufschubes im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer das 28. Lebensjahr bereits am XXXX vollendet hätte.
Die Abweisung der Befreiung begründete die belangte Behörde ebenfalls damit, dass ein Aufschub nur bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres möglich wäre. Die Ausbildungsgründe würden keinen Grund im Sinne besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen darstellen.
4. Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde vom 30.07.2019 gegen den Bescheid vom 18.07.2019 hinsichtlich Aufschub beantragte der Beschwerdeführer, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Befreiung (sic.) stattgegeben werde, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Sache an die belangte Behörde zurückzuverweisen und dem Einberufungsbefehl vom 14.02.2019 (sic.) aufschiebende Wirkung zu zuerkennen.
Begründend führte der Beschwerdeführer an, dass eine Befreiung an keine Altersgrenze gebunden wäre. Der Beschwerdeführer hätte seinen Antrag nicht auf einen Aufschub beschränkt.
Es wäre allgemein bekannt, dass freie Facharztausbildungsstellen selten wären. Es sei anzunehmen, dass der Beschwerdeführer im Falle des Antritts des Grundwehrdienstes im September 2019 keine Möglichkeit mehr hätte, seine begonnene Facharztausbildung zu beenden.
Den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begründete der Beschwerdeführer damit, dass mit dem "Vollzug des angefochtenen Bescheides" ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Den Bescheid vom 14.08.2019 bekämpfte der Beschwerdeführer mit Beschwerde vom 22.08.2019, die er im Wesentlichen ähnlich lautend begründet.
5. Mit Aktenvorlage vom 21.08.2019 bemerkte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer bereits jetzt aufgrund seiner Ausbildung zum Arzt zur speziellen Verwendung als GWD- Arzt geeignet wäre. Im Hinblick auf sein Einberufungsalter sei der Beschwerdeführer dringend zur Leistung des Grundwehrdienstes heranzuziehen.
Der Bescheid betreffend Befreiung wurde von der belangten Behörde nach schriftlicher und telefonischer Urgenz am 28.08.2019 vorgelegt (ho. OZ 4).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist tauglich und im Besitz eines rechtskräftigen Einberufungsbefehls. Er wurde darin verpflichtet, den Grundwehrdienst am 02.09.2019 anzutreten. Der Beschwerdeführer würde durch den Antritt des Grundwehrdienstes seinen Facharztausbildungsplatz verlieren. Die Fortsetzung dieser Facharztausbildung an dieser Ausbildungsstelle wäre dem Beschwerdeführer nach einer Ableistung des Grundwehrdienstes beginnend mit 02.09.2019 nicht mehr möglich. Eine neuerliche Erlangung einer Ausbildungsstelle wäre ungewiss und zumindest mit einer mehrjährigen Wartezeit verbunden. Ob der Beschwerdeführer nach Ableistung des Grundwehrdienstes jemals die Möglichkeit bekäme, Facharzt zu werden, bleibt ungewiss.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aufgrund der eindeutigen Aktenlage und insbesondere dem Schreiben des Universitätsklinikums St. Pölten vom 25.07.2019, wonach der Beschwerdeführer seine Ausbildungsstelle verlieren würde und mit mehrjährigen Wartezeiten rechnen müsste. Dieses Schreiben floss nicht in die Erwägungen der belangten Behörde ein. Eine vertragliche Prüfung des Ausbildungsvertrages konnte aufgrund der klaren Formulierung des Schreibens des Klinikums unterbleiben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt mangels anderslautender Spezialnorm Einzelrichterzuständigkeit vor.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt unstrittig blieb und die Rechtsfrage keine Eventualitäten aufwirft.
Zu A)
§ 26 Wehrgesetz 2001:
"Befreiung und Aufschub
§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien
1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und
2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu verfügen.
(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus
1. hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und
2. während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.
Bescheide nach Abs. 1 Z 1 sind, sofern es sich um eine Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit handelt, dem Auftraggeber für diese berufliche Tätigkeit, insbesondere dem Arbeitgeber des Wehrpflichtigen, zur Kenntnis zu bringen.
(3) Tauglichen Wehrpflichtigen ist, sofern militärische Interessen nicht entgegenstehen, der Antritt des Grundwehrdienstes aufzuschieben, wenn
1. sie nicht zu einem innerhalb eines Jahres nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zum Grundwehrdienst gelegenen Termin zu diesem Präsenzdienst einberufen wurden und sie durch eine Unterbrechung einer bereits begonnen Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung einen bedeutenden Nachteil erleiden würden oder
2. sie vor der rechtswirksam verfügten Einberufung zum Grundwehrdienst eine weiterführende Ausbildung begonnen haben und eine Unterbrechung dieser Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.
Ein Aufschub ist auf Antrag der Wehrpflichtigen zu verfügen. Der Aufschub darf bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung gewährt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden.
(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam.
Der durch den Antrag bestimmte Verfahrensgegenstand schließt eine Befreiung von der Leistung des Grundwehrdienstes ausdrücklich ein. Die verzögerte Absprache über eine Befreiung lassen diese dennoch aufgrund des Antrages bereits im ersten Bescheid als gegenständlich erscheinen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte beide Bescheide als einheitliche Absprache über den Antrag vom 12.07.2019 zu werten. Der Antrag war ausdrücklich auf "befristete Befreiung" gerichtet.
Die von der belangten Behörde erfolgte Außerachtlassung der inhaltlichen Prüfung von Befreiungsgründen und die für Aufschübe herangezogene eingeschränkte Begründung hinsichtlich des 28. Lebensjahres konnte im gegenständlichen Fall eines Antrages auf befristete Befreiung nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestützt werden, da der Gesetzgeber ausdrücklich - sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Folgen - zwischen Aufschub und (befristeter) Befreiung unterscheidet.
Da beim Beschwerdeführer ebensowenig wie in der Sachverhaltskonstellation der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.05.2010, 2008/11/0172 das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen verneint werden konnte, weil im Hinblick auf den Ausbildungsvertrag nicht sichergestellt war, dass der Beschwerdeführer seine praktische Ausbildung zum Facharzt nach Ableisten des Grundwehrdienstes fortsetzen und abschließen kann, war aufgrund der nach wie vor notorischen Engpässe in der Ausbildung von Fachärzten, keine Verletzung der Harmonisierungspflicht anzunehmen.
Die Befreiung war daher auszusprechen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Mit dem oben angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, welches zu einer inhaltsgleichen Regelung aus dem Zivildienstgesetz ergangen ist, ist die Frage der wirtschaftlichen Interessen bei Unterbrechung einer Facharztausbildung mit ungewisser Möglichkeit eines Abschlusses dieser Ausbildung bereits entschieden worden.
Schlagworte
Aufschubantrag, Ausbildungsvertrag, Befreiungsantrag, befristeteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W122.2222618.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.02.2020