TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/10 W156 2204089-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2019
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Entscheidungsdatum

10.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W156 2204089-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ über die Beschwerde von H XXXX M XXXX , alias H XXXX M XXXX Q XXXX , XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, RA in 4910 Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich vom 10.07.2018, Zl.: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.05.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 02.10.2015 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, dass er Lehrer gewesen sei und an einem Tag er entführt worden sei. Er glaube, es seien die Taliban gewesen. Sie hätte ihn gezwungen, gegen Geld für sie zu arbeiten und ihnen Informationen zu geben: Er hätte nicht gewollt und habe fliehen können. Er sei in die Türkei und dann hierher, da er erfahren habe, dass die selben Taliban noch immer hinter ihm her seien.

Am 02.11.2017 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des BFA einvernommen. Er gab im Wesentlichen dieselben Fluchtgründe an, wie in der Erstbefragung. Er habe Afghanistan verlassen, weil er von unbekannten Männern entführt worden wäre. Diese hätten von ihm verlangt, gegen Geld für sie zu arbeiten. Er habe dies nicht gewollt und fliehen können. Er sei dann in die Türkei geflüchtet und aufgrund der schlechten Zukunftsaussichten von Dort nach Österreich gekommen.

Probleme mit der Polizei oder Behörden brachte er nicht vor, ebenso keine Verfolgung wegen seiner Religion, Rasse, Religion, Volksgruppenzugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

2. Mit Bescheid des BFA vom 10.07.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen (II.) und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (V.), die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage (VI.).

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde. Die belangte Behörde habe den BF mangelhaft befragt und auch mangelhaft protokolliert. Auch sei sich die Sicherheitslage in der Provinz Balkh schlecht und eigne sich diese nicht als innerstaatliche Fluchtalternative.

4. Im Rahmen der durchgeführten mündlichen öffentlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichts am 16.05.2019 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen.

Ins Verfahren eingebracht wurden folgende Erkenntnisquellen:

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LIB Afghanistan, letzte Kurzinformation 26.03.2019

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UNHCR Richtlinie 30.08.2018

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EASO Country Guidance Afghanistan 20.06.2018

Die rechtsfreundliche Vertretung erbat sich eine Frist zur Stellungnahme von 2 Wochen.

5. Eine Stellungnahme durch die rechtsfreundliche Vertretung wurde nicht angegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, führt als Verfahrensidentität den im Spruch genannten Namen, ist Usbeke und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist in der der Provinz Faryab, geboren und weitgehend in der Provinz Jawzjan aufgewachsen. Der Beschwerdeführer besuchte 12 Schule und arbeitet von 2002 bis 2007 als Lehrer. Der Beschwerdeführer reiste 2009 legal in die Türkei und 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer spricht Dari. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Die Familie des Beschwerdeführers (Mutter, 2 Schwestern und 2 Brüder) lebt in der Hauptstadt der Provinz Jawzjan. Je ein Bruder leben im Iran und der Türkei. Nach eigenen Angaben hat er regelmäßig etwa 1x pro Monat Kontakt mit der Familie.

Verwandte ms und vs sind in den Provinzen Balkh, der Stadt Mazar-e Sharif, Faryab und Kabul verstreut.

Der Beschwerdeführer leidet nach seinen Angaben an keiner Krankheit und ist in keiner ärztlicher Behandlung. Medikamente nimmt er derzeit nicht. Eine lebensbedrohende Erkrankung liegt nicht vor.

Der BF erwerbsfähig und ist dem Beschwerdeführer die Teilnahme am Erwerbsleben möglich und zumutbar.

Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit Oktober 2015 in Österreich auf. Im Bundesgebiet lebt ein Cousin des Beschwerdeführers. Er lebt mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt und wird nicht von ihm finanziell unterstützt. Der Kontakt findet etwa 2-3 Mal pro Monat statt.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht, er kann sich ein wenig auf Deutsch artikulieren. Derzeit lebt der Beschwerdeführer von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Kenntnisse der österreichischen Geschichte, Kultur oder Politik. Er verrichtet keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Der Beschwerdeführer hat kaum Kontakt mit Österreichern und keine österreichischen Freunde. Eine strafrechtliche Verurteilung ist im Strafregister zum Entscheidungszeitpunkt nicht evident.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

Der BF wurde weder von unbekannten Männern oder den Taliban entführt und verfolgt.

In Afghanistan hatte der Beschwerdeführer keine Probleme mit staatlichen Behörden oder der Polizei, war nicht politisch tätig und wurde weder aufgrund der Rasse, Nationalität, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt.

Der BF hat sich zur Verfolgung seiner vorgeblichen Entführung nicht an die Polizei oder sonstige Sicherheitsbehörde gewandt.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Fluchtbzw Rückkehralternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung.

1.3. Zu einer Rückkehr in sein Herkunftsland:

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist arbeitsfähig.

1.4. Zum Herkunftsland:

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, im Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan vom 28.07.2016 zum Thema "Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter" enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt, die Stadt, in der Verwandte des mj. BF leben. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa. im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami. Chaharasyab/Char Asiab. Dehsabz/Deh sabz. Estalef/Istalif. Farza. Guldara. Kabul Stadt. Kalakan. Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar. Mirbachakot/Mir Bacha Kot. Musayi/Mussahi. Paghman. Qarabagh. Shakardara. Surobi/Sorubi. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt.

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt.

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. In den letzten Jahren kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden.

UNHCR stellt fest, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen.

Die Provinz Kabul zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Laut der aktuellen UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 ist aufgrund der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar.

Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

Provinz Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat.

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern. Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen.

Anhänger des IS haben sich im Jahr 2017 in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden.

ACLED registrierte für den Zeitraum 01.01.2017-15.07.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

Bei der Provinz Herat (mit Ausnahme der Stadt Herat) handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Provinz Jawzjan / Jowzjan

Jawzjan liegt in Nordafghanistan und wird aufgrund der immensen Erdgasreserven als eine der strategisch wichtigen Provinzen des Landes betrachtet. Die Provinz grenzt an Turkmenistan. Die Provinz hat folgende administrative Einheiten: die Provinzhauptstadt Shiberghan/Sheberghan-Stadt, Khamyab, Qarqin, Aqcha, Maradyan/Mardyan, Fayzabad, Mingajik, Khaniqa/Khanaqa, Khwajah Du Ko/Khwajadukoh, QushTepa/Qushtepa und Darzab (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 559.691 geschätzt (CSO 4.2017). In Jawzjan leben mehrheitlich Turkmenen und Usbeken, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Hazara, Arabern und anderen Volksgruppen (Pajhwok o.D.).

In der Provinz wird Sesam angebaut (IWPR 22.2.2018). 2017 wurde ein Projekt zum Bau von Gas-Kraftwerken, welche ca. 200 Megawatt erzeugen sollen, entworfen. Das Projekt sieht die Zusammenarbeit zwischen der afghanischen Regierung, der afghanischen Firma Bayat Power und dem Deutschen Unternehmen Siemens vor (TH 14.3.2018; vgl. EBR 15.11.2017, Tolonews 29.3.2017). Im März 2017 wurde verlautbart, dass bereits mit der Errichtung von Masten und Stromleitungen in Shihberghan begonnen wurde; auch wird durch Gas generierter Strom erzeugt, um die Bevölkerung in den abgelegenen Regionen der Hauptstadt zu versorgen (Tolonews 29.3.2017). Ferner ist die Provinz reich an Ressourcen: Es gibt Vorkommen von Diamanten, Smaragden, Uran und Erdöl (Tolonews 9.12.2017).

Jawzjan, war in den Jahren 2008 und 2015 Opium-frei; nichtsdestotrotz, stieg im Jahr 2017 der Mohnanbau auf bis zu 3.200 Hektar an. Im selben Jahr wurden u.a. in der Provinz Jawzjan vier Opiumfelder, ca. 0.3 Hektar, ausgemerzt (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage in Jawzjan

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Jawzjan zu den volatilen Provinzen in Nordafghanistan zählt, in denen regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische - inklusive Taliban - in manchen Distrikten aktiv sind (Khaama Press 21.2.2018). Ebenso sind IS-Anhänger in manchen Teilen der Provinz aktiv, in diesen kommt es oft zu bewaffneten Zusammenstößen sowie zu koordinierten Angriffen (Khaama Press 21.2.2018; vgl. Xinhua 17.1.2017).

Die Provinz Jawzjan wurde in den letzten Jahren Schauplatz eines sich vergrößernden Aufstandes seitens der Taliban (Tolonews 5.8.2017) und des IS (Xinhua 17.1.2017). Im Kampf gegen Aufständische haben in der Vergangenheit sogar Frauen zu den Waffen gegriffen (Xinhua 17.1.2017).

Im Jahr 2017 gehörte Jawzjan zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl an Anschlägen (Pajhwok 14.1.2018). Zahlreiche Familien wurden von den Distrikten Aqcha, Qushtepa and Darzab in das Zentrum der Provinz vertrieben (IWPR 14.3.2018; vgl. Pajhwok 5.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 162 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Jawzjan 118 zivile Opfer (46 getötete Zivilisten und 72 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gezielte Tötungen und IEDs. Dies bedeutet einen Rückgang von 47% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operation in Jawzjan

In der Provinz werden militärische Operationen (Bodenoffensiven und Luftangriffe) durchgeführt um bestimmte Gegenden von Terroristen zu befreien (YS 9.3.2018; vgl. Tolonews 17.3.2018, Tolonews 5.3.2018, Tolonews 2.1.2018). Dabei werden Taliban und IS-Anhänger getötet (SWI 17.3.2018; vgl. Tolonews 10.3.2018, YS 9.3.2018, Tolonews 4.3.2018). Auch ausländische ISKämpfer (Usbeken, Franzosen, Algerier, Tschetschenen) befanden sich unter den Toten (Tolonews 2.1.2018, Tolonews 10.12.2017). Dabei wurden auch IS-Anführer getötet (Khaama Press 19.3.2018). Zusammenstöße zwischen den afghanischen Streitkräften und dem IS sowie

zwischen IS-Anhängern und Talibankämpfern finden statt (SWI 17.3.2018; vgl. SP 13.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Jawzjan

Die Taliban sind in einigen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 21.2.2018); so sind gewisse Distrikte in Jawzjan unter Kontrolle oder Einfluss der Taliban (Tolonews 21.3.2018).

Berichten zufolge ist der IS in der Provinz Jawzjan aktiv (Tolonews 9.12.2017; vgl. Tolonews 5.8.2017).

Anhänger selbsternannter IS-Kämpfer sind in Distrikten wie Darzab und Qushtepa aktiv, wo sie von Mentoren aus dem Sudan, aus Tschetschenien, Uzbekistan und Frankreich ausgebildet werden (VOA 18.3.2018; vgl. UNAMA 2.2018, Pajhwok 12.11.2017, Tolonews 2.1.2018, AAN 15.5.2018). Ein Ausbildungszentrum des IS befindet sich in Sardara, Darzab (Pajhwok 12.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es ist nicht klar, ob diese IS-Kämpfer mit der IS-Gruppierung in Nangarhar verbündet sind (UNAMA 2.2018). Eine andere Quelle berichtet über angebliche Kontakte zwischen den beiden IS-Gruppierungen (Pajhwok 12.3.2018).

In der Provinz Jawzjan kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und IS (Tolonews 17.3.2018; vgl. Pajhwok 12.11.2017, Tolonews 25.10.2017). Ursache für bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS sind unter anderem die Kontrolle über grenzüberschreitende Drogenrouten (SP 13.3.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene sicherheitsrelevante Vorfälle (Gefechte und Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung) registriert (ACLED 23.2.2018).

.Sichere Einreise

Die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind über den internationalen Flughafen Kabul sicher erreichbar. Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o.D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Usbeken

Die usbekische Minderheit ist die viertgrößte Minderheit Afghanistans (WSJ 23.1.2017) und macht etwa 9% der Bevölkerung aus (LIP 5.2018). Usbeken sind Sunniten und siedeln sowohl im ländlichen Raum, wie auch in urbanen Zentren (Mazar-e Sharif, Kabul, Kandahar, Laschkargah u.a.), wo ihre Wirtschafts- und Lebensformen kaum Unterschiede zu Dari-sprachigen Gruppen aufweisen. In den Städten und in vielen ländlichen Gegenden beherrschen Usbeken neben dem Usbekischen in der Regel auch Dari auf nahezu muttersprachlichem Niveau. Heiratsbeziehungen zwischen Usbeken und Tadschiken sind keine Seltenheit (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Der wohl berühmteste Führer der Usbeken ist Abdul Rashid Dostum (CRS 12.1.2015); ein ehemaliger Warlord, der gleichzeitig der Anführer der usbekischen Minderheit in Afghanistan ist.

Mittlerweile ist er erster Vizepräsident Afghanistans (WSJ 23.1.2017). Wenngleich er momentan im Exil in der Türkei verweilt, trägt er diesen Titel nach wie vor (TN 21.2.2018; vgl. FN 14.5.2018).

Die usbekische Minderheit ist im nationalen Durchschnitt mit etwa 8% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus.

Taliban und Aufständische

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Mitarbeiter der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen.

Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

Medizinische Versorgung

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5.2018).

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar. Laut einem 2018 veröffentlichten Bericht der Weltbank haben sich die Gesundheitsdienstleistungen in Afghanistan im Zeitraum 2004-2010 erheblich verbessert, diese Verbesserung hat sich im Zeitraum 2011-2016 jedoch verlangsamt. Der Bericht listet die Provinz Balkh (Mazar-e Sharif) im Zeitraum 2011-2016 unter den Provinzen mit leistungsstarken Gesundheitseinrichtungen. Viele Menschen in Afghanistan haben konfliktbedingt keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Medizinische Einrichtungen werden zunehmend zum Ziel von Militärangriffen.

Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Auszug aus der UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018:

Vor dem Hintergrund der Abwägung bezüglich der Relevanz- und Zumutbarkeitsprüfung für Kabul als in Erwägung gezogenes Gebiet für eine interne Flucht- oder Schutzalternative, und unter Beachtung der generellen Situation des Konflikts und der Menschenrechtssituation, sowie deren Auswirkungen auf den breiteren sozio-ökonomischen Kontext, hält das UNHCR eine interne Flucht- oder Schutzalternative für generell nicht verfügbar in Kabul." (S. 10)

[...] im Afghanistan-Kontext wurde die Wichtigkeit der Verfügbarkeit und des Zugangs zu sozialen Netzwerken, dem Existieren von Familie des/der AntragstellerIn oder Mitgliedern seiner/ihrer ethnischen Gruppe, umfangreich dokumentiert. Diesbezüglich kann die Präsenz von Mitgliedern derselben ethnischen Gruppe [...] nicht für sich genommen als Beweis dafür, dass der/die AntragstellerIn in der Lage wäre, bedeutende Unterstützung durch solche Communities zu erlangen; viel eher hängt eine solche Unterstützung in der Regel von spezifischen, bereits existierenden sozialen Beziehungen zwischen AntragstellerIn und individuellen Mitglieder der jeweiligen ethnischen Gruppe ab. Selbst wenn solche sozialen Beziehungen bereits existierenden, muss geprüft werden, ob die Mitglieder dieses Netzwerks in der Lage und willens sind, den/die AntragstellerIn wirklich zu unterstützen [...]." (S. 109)

"Aufgrund begrenzter Jobmöglichkeiten, mangelnder sozialer Schutznetze und schlechter Unterbringungsbedingungen sind Vertriebene nicht nur erhöhten Schutzrisiken in ihrem täglichen Leben ausgesetzt, sondern werden auch in sekundäre Vertreibung und zu negativen Umgangsstrategien wie Kinderarbeit, frühe Heirat, Verminderung von Quantität und Qualität der Ernährung etc. gezwungen." (S. 111)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person:

Die Feststellungen zur Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit, Religion des Beschwerdeführers und zu seiner Abstammung aus der Provinz Faryab/Jawzjan sowie seiner Schul- und Berufsausbildung stützen sich auf die Angaben im Asylverfahren. Der Beschwerdeführer machte diesbezüglich weitgehend gleichbleibende und glaubhafte Angaben.

Mangels unbedenklicher Identitätsdokumente steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und gilt der im Spruch genannte Name.

Der Beschwerdeführer leidet nicht unter lebensbedrohenden Erkrankungen. Die Feststellungen zur Gesundheit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit ergeben sich in Zusammenschau der Angaben zum gesundheitlichen Zustand des BF und seine Angaben in der mündlichen Verhandlung, dass er bei einem Verbleib in Österreich auf einem Reiterhof arbeiten könnte.

Die Feststellungen zu seiner Familie beruhen auf den glaubhaften Angaben vor dem BVwG im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA und dem BVwG. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache. Der Beschwerdeführer hat keine Kenntnisse der österreichischen Geschichte, Kultur oder Politik. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung waren im Strafregister keine Verurteilungen evident. Die Feststellung zur Aufenthaltsdauer, zur Situation und Integration des Beschwerdeführers in Österreich stützen sich auf die Aktenlage, insbesondere auf die vorgelegten Unterlagen, sowie auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.2. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird wie folgt gewürdigt:

Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV270 Blg. NR. 18. GP; AB 328 Blg. NR 18. GP] zu verweisen, die wiederum der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entnommen wurden):

1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und

4. der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck ist, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt (siehe z.B. VwGH 24.06.1999, Zl. 98/20/0435 bzw. VwGH 20.5.1999, Zl. 98/20/0505).

2.2.1. Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er von unbekannten Männern, möglicherweise Taliban entführt worden wäre, um gegen Geld mit ihnen zu arbeiten. Der Beschwerdeführer räumte in der mündlichen Verhandlung ein, dass er nicht wisse, wer diese Männer gewesen seien.

Die vom BF vorgebrachte Fluchtgeschichte ist aus folgenden Gründen nicht glaubhaft und plausibel:

Der BF gab an von 1381 bis 1386 (umgerechnet etwa 2002 bis 2007) als Lehrer gearbeitet zu haben und diese Tätigkeit auch zum Zeitpunkt der Entführung noch ausgeübt zu haben (Protokoll S 13). In die Türkei sei er aber im Jahr 2009 ausgewandert. Das UNHCR Refugee certificate stammt vom 20.04.2011 (AS 95). Die Mindestdifferenz von 2 Jahren konnte der BF nicht erklären, sondern schob die Zeitdifferenz auf das Ausstellungsdatum des Reifeprüfungszeugnisses, das möglicherweise erst 2003 ausgestellt worden sei, auf die Umrechnung von Mond- in Sonnenkalender, das Geburtsdatum usw. (Protokoll S 13 und 14). Da der BF aber die Angabe über seine Lehrtätigkeit im gesamten Verfahren widerspruchsfrei mit dem Zeitraum 2002 bis 2007 angab und die Ausreise in die Türkei frühestens mit dem Jahr 2009 erfolgte, so wäre die vorgebrachte Entführung - bei Wahrunterstellung - bereits zwei Jahre vor der Ausreise erfolgt und damit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Flucht und Verfolgungshandlung nicht gegeben.

Auch das Fluchtvorbringen ist in sich widersprüchlich und nicht glaubhaft.

So gab der BF vor dem BFA an, dass die Entführer etwa eine halb bis ganze Stunde gefahren seien und er bemerkt habe, dass es sich um eine nicht asphaltierte Straße gehandelt habe (AS 58). In der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung brachte er aber vor, er sei betäubt worden und nachdem er zu Bewusstsein gekommen sei, habe er bemerkt, dass er in einem lehmgebauten Haus eingesperrt sei. Auf diesen Widerspruch hingewiesen, gab der BF an, er habe vor dem BFA die Details "schätzungsweise" angeben.

Zur eigentlichen Flucht brachte er vor dem BFA vor, dass die Tür der Toilette in Richtung der Mauer gewesen sei, über die er geflüchtet sei (AS 61). Von der Toilette bis zur Mauer seien es etwa 5-6 Meter gewesen (AS 61). In der mündlichen Verhandlung gab er aber an, dass er über die Toilettenmauer selbst geklettert sei (Protokoll S 10 und 12). Befragt, wie hoch die Mauer gewesen sei, gab er an, dass diese im Stehen bis zum Hals gereicht habe. Nachgefragt, ob er gestanden habe oder auf der Toilette gesessen sei, gab er an, dass er saß und im Sitzen man die Personen nicht von außen sehen konnte (Protokoll S 12). Daraus ist zu folgen, dass der BF die Wachperson im Sitzen nicht sehen konnte und somit nicht wissen konnte, wann sie ihm den Rücken zudreht und es somit ein günstiger Zeitpunkt zur Flucht ist.

Der BF gab weiter an, dass die unbekannten Personen mit Kalaschnikows ausgestattet gewesen seien (Protokoll S 12). Die vom BF vorgebrachte Tatsache, dass diese Wachpersonen ihn mit einer Kalaschnikow auf eine Entfernung von 5 bis 7 Metern nicht getroffen haben soll, ist daher unglaubhaft.

Ebenso wenig glaubhaft ist, dass die Entführer den BF für eine Zusammenarbeit jede Summe, die er haben hätte wollen, bezahlt hätten (AS 59 und Protokoll S 9), zumal nach der angeblichen Flucht des BF die Entführer keine Anstalten machten, den BF zu verfolgen oder einzuhalten, was diese wohl gelungen wäre, da diese einen PKW hatten und der BF barfuß zu Fuß flüchtete.

Auch der weitere vom BF vorgebrachte Fluchtgrund ist nicht glaubhaft.

Er gab an, dass er jene Personen, durch die sein Vater im Jahr 2001 im Zuge eines Autounfalles ums Leben kam, geschlagen zu haben und deshalb "jetzt" wieder Angst vor ihnen zu haben (Protokoll S 17). Die Frage, warum nach mittlerweile mehr als 17 Jahren diese Personen ihm etwas ant

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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