TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/19 W156 2201530-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2019
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Entscheidungsdatum

19.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W156 2201530-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ über die Beschwerde von R XXXX N XXXX , XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich vom 07.06.2018, Zl.: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 18.03.2016 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, dass in seiner Heimat Krieg herrsche. Außerdem hätten die Taliban ihn aufgefordert, sich ihnen anzuschließen und hätten ihn in ein Ausbildungslager gebracht.

Am 12.10.2017 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des BFA einvernommen. Er gab im Wesentlichen dieselben Fluchtgründe an, wie in der Erstbefragung. Er sei von den Taliban in ein Ausbildungslager mitgenommen worden und hätte dort eine Ausbildung zum Selbstmordattentäter gemacht. Er habe gesagt, dass er spazieren gehe und sei geflohen.

Probleme mit der Polizei oder Behörden brachte er nicht vor, er sei nie wegen seiner Religion, Rasse, Religion, Volksgruppenzugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden.

2. Mit Bescheid des BFA vom 07.06.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen (II.) und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (V.), die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage (VI.).

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde. Der Beschwerdeführer sei persönlich bedroht worden. Auch sei die Lage in Afghanistan sehr schlecht. Dem Beschwerdeführer stehe keine taugliche IFA zur Verfügung.

4. Der Beschwerdeführer gab am 25.04.2019 zu den vorab übersendeten Länderinformationen eine Stellungnahme ab. Aus den LIB ergebe sich, dass in der Provinz Laghman regierungsfeindliche Truppen aktiv seien. Es werde auch auf die Situation in Balkh und Herat verwiesen, die Version der Länderinformation gebe nicht die tatsächliche Lage wider. Eine Rückführung dorthin komme nicht mehr in Frage.

5. Im Rahmen der durchgeführten mündlichen öffentlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichts am 30.04.2019 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er in einem Sammeltaxi unterwegs gewesen sei, als diesen angehalten wurde. Er sei dann mit einem Auto an einen unbekannten Ort gebracht worden. Von dort sei er in ein Dorf in Pakistan gebracht worden, wo er 2 1/2 bis 3 Monate lang eine Ausbildung erhalten habe. Er habe Sport treiben müssen, laufen, boxen und springen. Auch habe er umfangreichen Waffenunterricht erhalten. Dazwischen sei gepredigt worden. Der Beschwerdeführer habe auch eine Ausbildung über Sprengstoffwesten erhalten. Er habe ein Handy gehabt und habe Kontakt mit seinem Bruder aufgenommen. Er habe dann den Taliban gesagt, dass er spazieren gehe und sei dann geflohen. Nachdem der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen hat, habe sein Vater einen Drohbrief erhalten. Die Familie des Beschwerdeführers sei vor ca einem halben Jahr (vor der mündlichen Verhandlung, Anm.) in den Iran gezogen.

Ins Verfahren eingebracht wurden folgende Erkenntnisquellen:

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LIB Afghanistan, letzte Kurzinformation 29.03.2019

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UNHCR Richtlinie 30.08.2018

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EASO Country Guidance Afghanistan 20.06.2018

Der beigezogene länderkundige Experte Dr. RASULY wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

1. Können die Angaben des BF, dass es sich um einen Ausweis seiner Ausbildung bei den Taliban handelt, verifiziert werden? Wenn nein, um welchen Ausweis handelt es sich bei dem vom BF vorgelegten? Welche Angaben können Sie zu diesem machen?

2. Ist bekannt, dass Taliban - in Pakistan oder auch Afghanistan - derartige Identitätsdokumente für ihre Auszubildende ausstellen, dabei das Datum nach dem gregorianischen Kalender verwenden und diese Identitätskarte auch befristen?

3. Ist die vom BF vorgebrachte Rekrutierung, militärische Ausbildung und Flucht der afghanischen Realität entsprechend, insbesondere, dass er sein Mobiltelefon behalten darf, unbewachten Ausgang erhält und seine Familie weiterhin in Afghanistan im Heimatort lebt?

Beantwortung durch den länderkundigen Experten:

"Zur 1. Frage:

Der vom BF vorgelegter Ausweis, gehört einem Schüler bzw. Studenten der islamischen Werkstätte bzw. Madrassa. Dieser Ausweis ist kein Mitgliedsausweis bzw. Dienst- oder Schülerausweis der Taliban.

Taliban stellen ihren Kämpfer Identitätsauseise aus, wie ich heute telefonisch aus Afghanistan erfahren habe. Aber in diesem Ausweis kommt der Name der Bewegung der Taliban, nämlich: "D¿islami Amarat Afghanistan" mit dem Logo der Taliban vor.

In Pakistan gibt es hunderte islamische Lehrstätte, wo auch Afghanen wie auch Pakistanis Islam-Wissenschaften erlernen.

Diesen werden solche Ausweise, den der BF der Behörde hier vorgelegt hat, ausgestellt.

Es kommt auf die Dauer des Lehrganges. Ich gehe davon aus, dass dieser islamischen Lehrstätte der Lehrgang auch zwei Jahren dauern kann, weshalb der Ausweis für die Dauer des Lehrganges ausgestellt wurde. In Pakistan wird das gregorianisches Datum verwendet. Die Islamische Lehrstätte von Pakistan haben offiziellen Charakter und sie verwenden in ihren Dokumenten das gregorianisches Datum.

Zur 2. Frage:

Taliban verwenden kein gregorianisches Datum, sondern den islamisch-arabischen Kalenders oder auch den afghanischen Kalender Hijri-Shamsi.

Außerdem gehört der Ausweis nicht den Taliban, sondern einer offiziellen islamischen Lehrstätte Pakistans.

Zur 3. Frage:

Nach meiner neuerlichen Information, die ich heute aus Afghanistan telefonisch eingeholt habe, erlauben die Taliban den Jugendlichen, die zum Terroristen ausgebildet werden, auf keinen Fall, bis zur Beendigung ihrer Terror-Ausbildung, Handy zu benutzen und nach Außen Kontakt aufzunehmen.

In diesem Zeitraum haben sie auch keinen unbewachten Ausgang und auch keinen Kontakt mit der Familie, es sei denn, dass bestimmte Familienmitglieder mit den Taliban in diesem Ausbildungszentrum anwesend sind.

Der BF hat einen Drohbrief vorgelegt, der an den Vater des BF gerichtet ist. In diesem Brief wird der Vater des BF sehr höflich von den Taliban informiert, dass sein Sohn geflüchtet sei. Taliban bitten den Vater des BF sehr höflich, den BF zu den Taliban zurückzubringen. Ansonsten wird sein Sohn getötet, und er habe dann kein Recht, sich zu beschweren.

Nach der Flucht des BF, waren die Familienmitglieder des BF weiterhin in seiner Heimatregion und für die Taliban nicht Angriffsziel. Wenn der BF tatsächlich für die Taliban eine gefährliche Person ist und dessen Ergreifen für sie wichtig ist, dann verwenden die Taliban in diesem Falle die Sippenhaft und versuchen, seine Familienmitglieder zu bestrafen. Das ist nicht geschehen.

Betreffend die Kenntnisse des BF über Waffen:

Der BF gibt an, dass er als Selbstmordattentäter ausgebildet worden wäre: d.h. er müsste sich mit Selbstmordjacken oder Sprengstoff auskennen und nicht vordergründig mit Waffengattungen. Aber der BF hat, wie er heute erklärt hat, ein wenig Kenntnis über den verschiedenen Leicht- Waffen.

Diese Kenntnisse haben viele Afghanen, besonders in den paschtunischen Gesellschaften, von Kindesbeinen an. Die Paschtunen in Stammes Gesellschaften sind meistens bewaffnet und sie bewahren diese Waffen zu Hause und ihre Kinder können mit diesen Waffen hantieren. Die Paschtunen haben mit ihren Kindern einen gleichberichtigen Umgang und keinen autoritären.

Außerdem gehen die meisten Jugendlichen, die keine Arbeit finden, zur Armee und Polizei. Beide Sicherheitsorganen bilden zunächst ihre aufzunehmenden Soldaten in Umgang mit Waffen aus. Wenn die auszubildenden zur nur Soldaten ausgebildet werden, müssen nicht genaue Kenntnisse über Waffengattungen erlangen und es genügt, dass unter dem Befehl der Offiziere Angreifen und sich verteidigen können.

Auch bewaffnete Beteiligung des BF in der Taliban-Bewegung nicht ausgeschlossen. In diesem Falle kann er auch bei den Taliban diese Kenntnisse über Waffen erlangt haben könnte."

6. Der Beschwerdeführer gab mit Schreiben vom 20.05.2019 eine Stellungnahme ab. Es werde darauf hingewiesen, dass der Dolmetscher für die Sprache Dari bestellt wurde und die Übersetzung der Verhandlung in der Sprache Paschtu erfolgt sei. Daher sei es zu sprachlichen Differenzen gekommen. In weiterer Folge listete der BF die festgestellten Differenzen in der Übersetzung auf. Moniert hat der Beschwerdeführer ebenfalls, dass der Dolmetscher auf Seite 22 des Protokolls ausdrücklich "Rufzeichen und Fragezeichen" übersetzt hat. Dies sei ein persönlicher Zusatz. Auch habe der Dolmetscher auf Seite 19 übersetzt, dass die Munition einer Kalaschnikow ca 2 1/2 cm groß ist, obwohl der Beschwerdeführer dies nur mit den Fingern gezeigt, aber keine Zahl genannt hat. Dem Sachverständigen werde in Bezug auf die Sippenhaftung widersprochen, der Beschwerdeführer habe angegeben, dass die Familie nicht mehr in Afghanistan sei. Der BF sei auch ausgebildet worden, um kämpfen zu können und eine Sprengstoffweste auslösen zu können. Wenn man der indirekten Unterstellung des Sachverständigen folgend würde, dass der Beschwerdeführer womöglich aus der Armee desertiert sei, dann wäre bei einer Rückführung mit strengen strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Zudem werde nochmals auf die Stellungnahme vom 24.04.2019 verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, führt den im Spruch genannten Namen, ist Paschtune und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist in der der Provinz Laghman geboren. Der Beschwerdeführer besuchte 7 Jahre lang die Schule, einen Beruf hat er nicht gelernt, er hat nach eigenen Angaben 4-5 Jahre lang "nichts gemacht". Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer spricht Paschtu. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

In Afghanistan hatte der Beschwerdeführer selbst keine Probleme mit staatlichen Behörden oder der Polizei.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung, nach eigenen Angaben ist er völlig gesund.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht, er kann sich ein wenig auf Deutsch artikulieren. Der Beschwerdeführer hat wieder um eine Grundversorgung angesucht, nachdem er kurzfristig eine Beschäftigung bei UBER ausgeübt hatte. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Kenntnisse der österreichischen Geschichte, Kultur oder Politik. Er verrichtet keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Der Beschwerdeführer hat wenig Kontakt mit Österreichern. Eine Verurteilung ist im Strafregister zum Entscheidungszeitpunkt nicht evident.

Die Familie des Beschwerdeführers wohnt seit einem halben Jahr im Iran. Er hat Kontakt mit der Familie. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Angehörigen.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer wurde nicht von den Taliban entführt und in Pakistan in einem Ausbildungslager gefangen gehalten und für potentielle Selbstmordattentate ausgebildet worden. Er ist in Afghanistan keiner Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.

Eine Verfolgung wegen seiner Religion, Rasse, Religion, Volksgruppenzugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe wurde vom BF im Verfahren nicht behauptet.

1.3. Zu einer Rückkehr in sein Herkunftsland:

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist arbeitsfähig.

1.4. Zum Herkunftsland:

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, im Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan vom 28.07.2016 zum Thema "Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter" enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt, die Stadt, in der Verwandte des mj. BF leben. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa. im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami. Chaharasyab/Char Asiab. Dehsabz/Deh sabz. Estalef/Istalif. Farza. Guldara. Kabul Stadt. Kalakan. Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar. Mirbachakot/Mir Bacha Kot. Musayi/Mussahi. Paghman. Qarabagh. Shakardara. Surobi/Sorubi. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt.

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt.

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. In den letzten Jahren kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden.

UNHCR stellt fest, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen.

Die Provinz Kabul zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Laut der aktuellen UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 ist aufgrund der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar.

Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

Provinz Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat.

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern. Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen.

Anhänger des IS haben sich im Jahr 2017 in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden.

ACLED registrierte für den Zeitraum 01.01.2017-15.07.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

Bei der Provinz Herat (mit Ausnahme der Stadt Herat) handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Provinz Laghman

Die Provinz Laghman liegt inmitten des Hindukush-Gebirges. Sie besteht aus folgenden Distrikten: Alishing/Alishang, Alingar, Dawlat Shah/Dawlatshah, Qargayi/Qarghayi und Mehtar Lam/Bad Pash (Pajhwok o. D.f). Laghman grenzt an die Provinzen Nangarhar im Süden, Kunar im Osten, Nuristan und Panjshir im Norden und Kapisa und Kabul im Westen. Mehtar Lam/Mehtarlam ist die Provinzhauptstadt (NPS o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014, Pajhwok o.D.b). In der Provinz leben mehrheitlich Paschtunen, gefolgt von Tadschiken, Nuristani, Paschai (Pajhwok o.D.a; vgl. NPS o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 460.352 geschätzt (CSO 4.2017).

Zahlreiche Projekte werden in der Provinz Laghman implementiert (Pajhwok 21.8.2017; vgl. Tolonews 15.10.2017): der Bau eines Flughafens, der die vier östlichen Provinzen verbinden soll, Dämme, ein Solarenergieplan, Parks, Straßen, ein Wasserversorgungssystem, der Campus der Universität Laghman sowie die Errichtung eines Kricket-Stadiums usw. (MENAFN 28.1.2018). Ein Abschnitt der Kabul-Jalalabad Autobahn geht durch die Provinz Laghman (Pajhwok 29.3.2018; vgl. Pajhwok 3.3.2017). Auch wurde Ende 2013 eine 14 km lange Straße gebaut, welche die Provinzhauptstadt Mehtarlam mit dem Distrikt Qarghayi verbindet (Pajhwok 7.11.2013). Mitte April 2017 wurde in Mehtarlam der Bau einer Tangente in der Provinz Laghman angekündigt (Khaama Press 17.4.2017).

2017 stieg die Opium-Produktion in der Provinz Laghman um 64% im Vergleich zu 2016. Alle Distrikte der Provinz, in denen Mohn angebaut wird, waren davon betroffen. Im Laufe des Jahres 2017 wurden 23 Hektar Mohnfelder umgewidmet (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Laghman zählte seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001 zu den relativ friedlichen Provinzen; Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen nahmen jedoch in den letzten Jahren zu (Khaama Press 26.2.2018; vgl. Khaama Press 19.2.2018, ToI 6.1.2018, Khaama Press 19.12.2017, Khaama Press 11.4.2017). Im Juli 2017 waren die Distrikte Alingar, Alishing und Dawlatshah von Sicherheitsproblemen betroffen, während sich die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt und ihren Vororten verbesserte (Tolonews 18.7.2017).

In Laghman befindet sich eine internationale Militärbasis (Forward Operating Base Gamberi) (U.S. DoD 21.3.2018; vgl. U.S. DoD 22.3.2018, Reuters 10.2.2017).

Im Jahr 2017 wurden aufgrund von Bedrohungen durch regierungsfeindliche Gruppierungen u.a. in der Provinz Laghman vorübergehend Gesundheitseinrichtungen geschlossen (UNAMA 2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 147 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Laghman 354 zivile Opfer (84 getötete Zivilisten und 270 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 14% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Laghman

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Tolonews 3.3.2018; vgl. Khaama Press 26.2.2018, Pajhwok 25.12.2017, Tolonews 25.9.2017). Luftangriffe werden durchgeführt (Khaama Press 26.2.2018, vgl. ToI 6.1.2018, Khaama Press 22.11.2016, Khaama Press 21.11.2016). Dabei werden Aufständische, auch Talibananführer (Khaama Press 26.2.2018; vgl. Xinhua 9.1.2018, Tolonews 25.12.2017, Khaama Press 19.12.2017, Tolonews 25.9.2017). Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräfte finden statt (Xinhua 20.9.2017; vgl. Khaama Press 11.4.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Laghman

Berichtet wurde, dass nun zum ersten Mal Zusammenstöße zwischen Aufständischen der Taliban und des IS von Nangarhar auf die Provinz Laghman übergeschwappt sind - beide Seiten haben hohe Verluste bei diesen Zusammenstößen zu verzeichnen (Khaama Press 29.11.2017). Die Provinz Laghman grenzt an die Provinz Nangarhar, in der sowohl Anhänger der Taliban als auch Anhänger des IS in abgelegenen Distrikten aktiv sind. Lokale Beamte berichten von Luftangriffen auf die Taliban und den IS in manchen Distrikten der Provinz Laghman (Khaama Press 26.2.2018; vgl. ToI 26.2.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen, inklusive Anhänger der Taliban und des IS, haben versucht, in abgelegenen Teilen der Provinz ihre Aktivitäten auszuweiten (Khaama Press 19.2.2018). In der Provinz Laghman kam es zu Zusammenstößen zwischen Taliban- und IS-Kämpfern (VoA 30.11.2017; vgl. Khaama Press 29.11.2017).

Im Juli 2017 wurde in den drei Distrikten Alingar, Alishing und Dawlatshah die Aktivität von Aufständischen registriert (Tolonews 18.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene Sicherheitsvorfälle in der Provinz registriert (ACLED 23.2.2018).

Sichere Einreise

Die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind über den internationalen Flughafen Kabul sicher erreichbar. Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o.D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus.

Taliban und Aufständische

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Mitarbeiter der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen.

Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Auszug aus der UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018:

Vor dem Hintergrund der Abwägung bezüglich der Relevanz- und Zumutbarkeitsprüfung für Kabul als in Erwägung gezogenes Gebiet für eine interne Flucht- oder Schutzalternative, und unter Beachtung der generellen Situation des Konflikts und der Menschenrechtssituation, sowie deren Auswirkungen auf den breiteren sozio-ökonomischen Kontext, hält das UNHCR eine interne Flucht- oder Schutzalternative für generell nicht verfügbar in Kabul." (S. 10)

[...] im Afghanistan-Kontext wurde die Wichtigkeit der Verfügbarkeit und des Zugangs zu sozialen Netzwerken, dem Existieren von Familie des/der AntragstellerIn oder Mitgliedern seiner/ihrer ethnischen Gruppe, umfangreich dokumentiert. Diesbezüglich kann die Präsenz von Mitgliedern derselben ethnischen Gruppe [...] nicht für sich genommen als Beweis dafür, dass der/die AntragstellerIn in der Lage wäre, bedeutende Unterstützung durch solche Communities zu erlangen; viel eher hängt eine solche Unterstützung in der Regel von spezifischen, bereits existierenden sozialen Beziehungen zwischen AntragstellerIn und individuellen Mitglieder der jeweiligen ethnischen Gruppe ab. Selbst wenn solche sozialen Beziehungen bereits existierenden, muss geprüft werden, ob die Mitglieder dieses Netzwerks in der Lage und willens sind, den/die AntragstellerIn wirklich zu unterstützen [...]." (S. 109)

"Aufgrund begrenzter Jobmöglichkeiten, mangelnder sozialer Schutznetze und schlechter Unterbringungsbedingungen sind Vertriebene nicht nur erhöhten Schutzrisiken in ihrem täglichen Leben ausgesetzt, sondern werden auch in sekundäre Vertreibung und zu negativen Umgangsstrategien wie Kinderarbeit, frühe Heirat, Verminderung von Quantität und Qualität der Ernährung etc. gezwungen." (S. 111)

Auszug aus der Anfrage der Staatendokumentation: Taliban, Drohbriefe

Die Associated Press - eine multinationale, profitfreie Nachrichtenagentur mit Sitz in New York City - berichtet, dass die handgeschriebenen Nachrichten auf dem Briefpapier des sogenannten islamischen Emirates traditionellerweise an jene gesendet wurden, die angeblich für die afghanischen Sicherheitskräfte oder die US - geführten Truppen gearbeitet haben; es wurden deren "Verbrechen" aufgelistet und sie wurden gewarnt, dass die "militärische Kommission" über ihre Strafen entscheidet.

Dieser Tage sagen die Taliban, dass sie diese Praxis aufgegeben haben, während jene, die die gefälschten Briefe verkaufen, ein riskantes Geschäft mit zehntausenden Afghanen betreiben, die nach Europa fliehen und darauf hoffen, um Asyl anzusuchen. Fälscher geben an, dass ein überzeugender Drohbrief bis zu US$ 1.000 kosten kann.

"Bis heute habe ich nur einen einzigen Typen gekannt, der einen ernsthaften Drohbrief von den Taliban erhalten hat. Der Rest ist gefälscht."

Selbst die Taliban, die in den letzten Monaten ihren 14-jährigen Aufstand verstärkt haben und in neue Gebiete eingedrungen sind, sagen, dass die meisten Drohbriefe gefälscht sind.

Der Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid, sagt, dass, wenn ein Kämpfer vermutet, dass jemand mit der Regierung oder den Sicherheitskräften arbeitet, dessen Familie kontaktiert und gefordert wird, diese Tätigkeit einzustellen. "Wir senden keine Drohbriefe, das ist nicht unser Stil. Nur sehr selten verwenden wir das Telefon, wenn wir auf ernsthafte Probleme stoßen."

"All diese Talibandrohbriefe sind gefälscht." Weiters wird eine Liste von Personen angeführt, die fälschlicherweise behauptet hätten Drohbriefe von den Taliban erhalten zu haben. "Wir versuchen unserer Jugend eine gute Umgebung zu schaffen, um in ihrem Land bleiben zu können."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person:

Die Feststellungen zur Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit, Religion des Beschwerdeführers und zu seiner Abstammung aus der Provinz Laghman sowie seiner Schulbildung stützen sich auf die Angaben im Asylverfahren. Der Beschwerdeführer machte diesbezüglich weitgehend gleichbleibende und glaubhafte Angaben.

Der Beschwerdeführer leidet nicht unter lebensbedrohenden Erkrankungen. Dem Beschwerdeführer ist die Teilnahme am Erwerbsleben möglich.

Die Feststellungen zu seiner Familie beruhen auf den glaubhaften Angaben vor dem BVwG im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA und dem BVwG. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache. Sein Tagesablauf besteht daraus, dass er zur Schule geht, spazieren geht und Cricket spielt. Der BF verfügt über keine relevanten Kenntnisse der österreichischen Geschichte, Kultur oder Politik, das habe er nicht gelernt.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses waren im Strafregister keine Verurteilungen evident. Die Feststellung zur Aufenthaltsdauer, zur Situation und Integration des Beschwerdeführers in Österreich stützen sich auf die Aktenlage, insbesondere auf die vorgelegten Unterlagen, sowie auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.2. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wir

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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