Entscheidungsdatum
14.11.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G308 2188537-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias: XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den MigrantInnen Verein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2018,
Zahl: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz und Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.07.2019, zu Recht:
A) I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen
Bescheides wird stattgegeben und XXXX (alias: XXXX), geboren am XXXX, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt XXXX (alias: XXXX) eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.
III. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX (alias: XXXX) damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die jeweiligen Spruchpunkte
III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 04.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stellte.
2. Am 04.09.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Er gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, den Jesiden anzugehören und, dass der IS die Jesiden überfallen habe. Ihre Häuser seien gesprengt und Frauen und Kinder entführt worden. Er sei aus seinem Heimatland vertrieben worden, man habe ihnen Hab und Gut geraubt. Die Lage sei gefährlich, besonders für den Beschwerdeführer als Jesiden. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, vom IS erwischt und getötet zu werden. Staatlicherseits bestehe keine Verfolgungsgefahr.
3. Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, fand am 01.02.2018 statt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er aus "XXXX" in "XXXX" stamme. Als der IS am 04.08.2014 gekommen sei, sei sein ganzes Dorf, darunter auch seine nahen Angehörigen geflüchtet. Seine Familie lebe inzwischen in Deutschland. Die meisten Jesiden seien in die Berge, manche in das kurdische Autonomiegebiet (Kurdistan) geflüchtet. Aus Mangel an finanziellen Mitteln habe der Beschwerdeführer nicht gleich mit seiner Familie mitreisen können. Er sei in ein Flüchtlingscamp nach Kurdistan geflüchtet. Auch dort sei er nicht vor dem IS sicher gewesen. Er habe nie gewusst, wann sein Camp wieder angegriffen und die Zelte angezündet würden. Die Jesiden hätten bis jetzt 74 Völkermorde erlitten. Sie könnten dort zwischen den Arabern nicht mehr leben. Auch den kurdischen und christlichen Brüdern gehe es so. Persönlich sei er nicht bedroht worden. Das Flüchtlingscamp in Kurdistan habe er verlassen, weil die Lage dort sehr unsicher gewesen sei und sich seine Familie bereits in Deutschland befunden habe. Er sei ganz allein gewesen. Er habe keine Probleme mit Behörden gehabt, keiner politischen Partei angehört, sei nicht wegen seiner politischen Einstellung bedroht oder verfolgt worden, es sei gegen ihn kein Gerichtsverfahren anhängig und sei er bisher auch nicht inhaftiert oder festgenommen worden. Er werde aufgrund seiner Zugehörigkeit der Gruppe der Jesiden im Irak verfolgt. Die sich noch im Irak befindlichen Jesiden würden unter Todesangst leben und immer damit rechnen, von den umliegenden Arabern getötet zu werden. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, getötet zu werden.
Der Beschwerdeführer brachte nachfolgende Unterlagen zur Vorlage:
? Kopien der Aufenthaltstitel seiner Familienangehörigen in Deutschland, und zwar des Vaters, der Mutter, der vier Brüder und den zwei Schwestern (AS 69 ff)
? Original des irakischen Personalausweises (Kopie AS 85)
? Kopie irakischer Lebensmittelkarte (AS 87)
? Kopie Integrationspass der Stadt XXXX (AS 89 ff)
4. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Er sei jedoch Staatsangehöriger des Irak, spreche Kurdisch und gehöre der Volksgruppe der Kurden jesidischen Glaubens an. Eine Bedrohung des Beschwerdeführers im Irak durch den IS bzw. kurdische Behörden in der kurdischen Autonomieregion oder durch in Teilen des Irak agierende schiitische Milizen habe nicht festgestellt werden können. Es habe weiters nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Irak von Seiten Dritter bedroht und verfolgt worden sei. Das Bundesamt gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer den Irak aufgrund der wirtschaftlichen Situation, der besseren Bildungschancen in Europa oder sonstigen Überlegungen verlassen habe. Es hätten sich im Verwaltungsverfahren keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft iSd GFK ergeben. Im Falle einer Rückkehr sei der Beschwerdeführer keiner Gefährdung durch den Staat Irak bzw. den kurdischen Behörden ausgesetzt. Eine Bedrohung durch Privatpersonen, schiitische Milizen oder den IS im Falle einer Rückkehr habe nicht festgestellt werden können. Eine Rückkehr in den Irak sei zumutbar und möglich. Dass der Beschwerdeführer im Irak in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde oder er von allfälligen negativen Lebensumständen im Irak in höherem Maße betroffen wäre als jeder andere Staatsbürger in einer vergleichbaren Lage, habe ebenso nicht festgestellt werden können. Das Bundesamt gehe davon aus, dass er sich im Irak niederlassen könnte und der Beschwerdeführer auch in der Lage sei, dort selbstständig seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine maßgebliche Integration liege nicht vor.
Der Beschwerdeführer habe zwar ein Personaldokument vorgelegt, es sei jedoch notorisch bekannt, dass identitätsbescheinigende Dokumente, die im Irak ausgestellt worden seien, wenig zuverlässig und oft gefälscht seien. Das Bundesamt verfüge über eine verlässliche Überprüfungsmöglichkeit und habe somit unter Berücksichtigung der persönlichen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers dessen Identität nicht feststellen können. Es werde daher von einer Verfahrensidentität ausgegangen. Die als Völkermord verurteilten Verbrechen gegen Jesiden seien unbestritten. Da der IS aber seit geraumer Zeit als besiegt gelte, könne eine Verfolgung der Jesiden nicht festgestellt werden. Aus den Länderberichten gehe keine Gruppenverfolgung der Jesiden durch die irakische Regierung, die Behörden in Kurdistan oder sonstige, zurzeit im Irak noch agierende Gruppierungen hervor. Da der IS als besiegt gelte, könne auch diesbezüglich nicht von einer Gruppenverfolgung gesprochen werden. Eine zielgerichtete Verfolgungsabsicht des Heimatstaates gegen den Beschwerdeführer habe nicht festgestellt werden können. Es mangle auch an Verfolgung durch einen in der GFK taxativ aufgezählten Grund. Da alle Länder entlang der Fluchtroute des Beschwerdeführers als sicher gelten, er dort aber keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, sei sein Verhalten nicht glaubwürdig. Wäre er tatsächlich auf der Suche nach internationalem Schutz gewesen, hätte er nicht erst mehrere sichere Staaten durchquert. Die Rückkehr sei entweder in die Heimatregion (XXXX) oder nach Kurdistan zumutbar. Kurdistan könne trotz nicht ausreichender Unterbringung, Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten die existentiellen Grundbedürfnisse der Flüchtlinge sichern. Auch wenn die Rückkehr in die genannten Regionen mit Einschränkungen des Lebensstandards des Beschwerdeführers verbunden sei, so würden diese Einschränkungen nach Ansicht des Bundesamtes nicht ein Ausmaß erreichen, bei dem davon auszugehen wäre, dass die Gefahr bestünde, der Beschwerdeführer würde in eine aussichtslose Lage geraten. Der Beschwerdeführer könne Kurdistan über den Flughafen Erbil auch gefahrlos erreichen.
Zudem traf die belangte Behörde auszugsweise Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.
5. Mit Schriftsatz der damaligen bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 01.03.2018, beim Bundesamt am 02.03.2018 einlangend, erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz stattgeben und ihm den Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, zuerkennen; in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG erteilen, weiters die gegen den Beschwerdeführer getroffene Rückkehrentscheidung sowie der Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung aufheben und eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner religiösen Zugehörigkeit zur jesidischen Glaubensgemeinschaft verlassen hat, weshalb er Flüchtling iSd GFK sei. Zur Lage der Jesiden werde zunächst auf die Ausführungen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 24.08.2017 (Kurzinformation vom 16.10.2017) verwiesen. Zudem ergebe sich aus weiteren Länderinformationen auf ecoi.net wie auch aus Zeitungsberichten, dass der militärische Sieg über den IS nicht die vom IS ausgehende Gefahr im Irak per se beseitigt habe. Jesiden würden weiterhin unter Schikanen und Misshandlungen von Mitgliedern ihrer Gemeinschaft durch die Sicherheits- und Militärtruppen (Asayish und Peshmerga) in Kurdistan in den Gebieten der Provinz Ninewa berichten. Besonders in der Region Sindschar (Sinjar bzw. Shingal), aus welcher die größte Anzahl der jesidischen Flüchtlinge stamme und welche von Peshmerga-Truppen befreit worden sei, fehle es an grundlegenden Dienstleistungen. Die Infrastruktur sei zerstört. 2014 seien mehr als 3000 Jesiden durch den IS getötet worden. Die Vereinten Nationen würden dies als Völkermord einordnen. Die Art und Weise, wie das Bundesamt dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen habe, entspreche nicht den gesetzlich normierten Grundsätzen zum Ermittlungsverfahren. Die Behörde habe bei der Glaubhaftmachung grundsätzlich von der Gleichwertigkeit aller Beweismittel auszugehen. Die Unterlassung einer gesetzmäßigen Vorgangsweise werde dem Bundesamt unterstellt. Sowohl Beweiswürdigung als auch rechtliche Beurteilung seien mangelhaft, nicht nachvollziehbar und würden eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Sache vermissen lassen.
6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 08.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
7. Am 27.09.2018 langte die Vollmachtsbekanntgabe der nunmehrigen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein.
Mit E-Mail vom 05.07.2019 gab die ehemalige Rechtsvertretung die Niederlegung der Vertretungsvollmacht bekannt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte in weiterer Folge für 30.07.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung an und übermittelte mit den Ladungen zur Verhandlung das zum damaligen Zeitpunkt aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018 mit eingefügter Kurzinformation vom 20.11.2018 sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.05.2019 zur Lage der Jesiden im Irak vorab zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.07.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, eine Vertreterin des Bundesamtes sowie ein Dolmetscher für die Sprache Kurdisch-Kurmanji teilnahmen.
Auf Befragen durch das erkennende Gericht gab der Beschwerdeführer an, er sei psychisch belastet und traumatisiert, da sein Leben in Gefahr sei. Er stamme aus dem Ort "XXXX" (gemeint: "XXXX" oder auch "XXXX"; in der Folge: S.), einem jesidischen Ort ca. 60 Kilometer von "Shangal" [gemeint: Shingal (kurdisch) oder Sinjar (arabisch), Anm.; im Folgenden: Sinjar] entfernt, sei ethnischer Kurde und gehöre der Religionsgemeinschaft der Jesiden an. Er habe weder im Irak noch in Österreich eine Schule oder Ausbildung absolviert und sei Analphabet. Seinen Lebensunterhalt im Irak habe er als Gemüsebauer auf einer von seinen sunnitisch-arabischen Nachbarn gepachteten Landwirtschaft verdient und kurz vor seiner Flucht ein Restaurant eröffnet, das jedoch vom IS zerstört worden sei. Bis zum Eintreffen des IS sei er nie bewaffnet gewesen, dann habe er jedoch Waffen getragen um sich zu verteidigen und auch die Frauen und Kinder zu schützen. Er habe tausenden von Menschen das Leben gerettet als Kämpfer gegen den IS. Die Angehörigen seiner Kernfamilie (Vater, Mutter, zwei Schwestern, vier Brüder) würden in Deutschland leben und hätten Asyl bekommen. Er habe täglich telefonischen Kontakt. Es befänden sich jedoch noch Familienangehörige (ein Onkel väterlicherseits im Heimatort S. bei Sinjar und eine Tante mütterlicherseits in XXXX (im Folgenden: Z.) [nördlichste Stadt in Kurdistan an der Grenz zur Türkei, Anm.]) im Irak. Diese hätten die Möglichkeit zur Flucht nicht gehabt. Der Onkel habe drei Söhne und drei Töchter und sei verheiratet. Sie hätten ein kleines Geschäft für Schokolade und Knabbergebäck. Es gehe ihnen aber sehr schlecht und sie würden in Armut leben. Eine weitere Tante mütterlicherseits, welche ebenfalls vorerst im Irak verblieben sei, lebe inzwischen glaublich in Belgien. Er rufe im Irak über WhatsApp ca. einmal im Monat an. In Österreich habe er keine Familienangehörigen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er sodann zusammengefasst an, dass Jesiden im Irak bzw. generell in arabischen Ländern als Sünder betrachtet und diskriminiert und verfolgt würden. Jesiden seien Anhänger des Königs "TAUSS", zu welchem sie beten würden. Das Glaubenszentrum/Pilgerzentrum sei der Ort LALESH in der kurdischen Provinz Dohuk. Jeside sei man durch Geburt. Man könne weder einnoch austreten oder konvertieren. Jesiden würde alle anderen Religionen respektieren und hätten eine eigene Tracht, die sie aber nicht immer tragen würden. Durch diese seien sie deutlich als Jesiden erkennbar. Sie würden weiters Armreifen und ein spezielles Armband tragen. Der Beschwerdeführer übe seine Religion nach wie vor und auch in Europa aus.
Sinjar, eine jesidische Stadt, habe fast eine halbe Million Einwohner gehabt. Bei jedem Angriff des IS seien etwa 4.000 bis 5.000 Menschen getötet worden. Die gesamte Stadt Sinjar sei geflüchtet, jene die dort geblieben seien, seien getötet worden. Tausende von Kindern seien bei Androhung von Tod zum Übertritt in den Islam gezwungen worden. 80 % der Häuser in Sinjar seien zerstört worden. Der Beschwerdeführer habe seinen Heimatort S. am 03.08.2014 verlassen und habe seine Familie in den Norden in die Stadt Z. begleitet. Daraufhin sei er sieben Tage später, am 10.08.2014, in den Heimatort zurückgekehrt und habe in der Provinz Sinjar bis 12.12.2014 gemeinsam mit 30 weiteren Jesiden gegen den IS gekämpft. In dieser Zeit habe er sich in einem Zeltlager bzw. Bunker-Lager etwa einen Kilometer von den IS-Bunkern aufgehalten. Am 12.12.2014 seien die Peshmerga in das Heimatdorf des Beschwerdeführers gekommen. Er habe noch einmal seine Familie in Z. besuchen können und sei dann in das Dorf in der Provinz Sinjar zurückgekehrt. Dieses habe erst 2016 verlassen können. Er sei der älteste Sohn seiner Eltern und nicht mit der Familie mitausgereist, da er nicht feige habe sein wollen und gehofft habe, sein Volk könne den IS schlagen. Die Familie sei erst in ein Flüchtlingscamp nach Kurdistan geflüchtet, bevor sie den Irak ganz verlassen hätten. Die Jesiden seien sowohl seitens des zentralirakischen Staates als auch Kurdistans im Stich gelassen worden. Es sei den Jesiden nicht gelungen, die Stadt Sinjar und die umliegenden Orte zu verteidigen. Der Beschwerdeführer habe schließlich auch mit 3.000 weiteren Jesiden aus seinem Heimatort flüchten müssen. Die Flüchtenden hätten 120 Kilometer zu Fuß zurücklegen müssen. Wäre er kein Jeside, wäre er nicht geflüchtet. Das Grundstück und das Haus, in dem der Beschwerdeführer mit seiner Familie gelebt habe, seien vom IS zerstört worden. Er habe es von sunnitisch-arabischen Nachbarn gemietet gehabt und habe ihnen die halbe Ernte überlassen müssen. Die Nachbarn seien auch heimliche IS-Anhänger gewesen, hätten sich bei Einmarsch des IS 2014 offen dazu bekannt und den Beschwerdeführer mit dem Tode bedroht, weil er Jeside sei. Seitdem hätte er sich bewaffnet. Die Araber seien entweder IS-Anhänger oder würden ihn bei einer Rückkehr auch so einfach töten.
Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.
10. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer das nunmehr aktuelle Länderinformationsblatt zum Irak vom 20.11.2018 samt eingefügter Kurzinformation vom 25.07.2019, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.02.2019 zum Irak: Lage der Jesiden in der Provinz Ninawa, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24.09.2018 zum Irak: Schiitische Milizen in Sinjar, Übergriffe gegen religiöse Minderheiten in der Provinz Ninawa, drei Berichte aus Wikipedia (zu XXXX, Sinjar und "Genocide of Yazidis by ISIL") sowie ein Bericht von Al-Jazeera ("Arab-Yazidi reconciliation begins in Iraq¿s IDP camps") zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochem übermittelt.
11. Am 17.10.2019 langte die mit 16.10.2019 Tag datierte Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Situation im Irak generell nicht gebessert habe. Die vorgelegten Länderberichte würden zeigen, dass die Anti-IS-Operationen die politische Instabilität eher gefördert hätten. Die Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers sei insbesondere auch deswegen aktuell, da die staatlichen Institutionen des Irak von der schiitisch-arabischen Bevölkerungsmehrheit dominiert würden und der Konflikt im Irak eine immer mehr konfessionelle wie auch ethnische Dimension angenommen habe. Die vorgelegten Länderberichte würden dies bestätigen. Hinsichtlich der Asylrelevanz des Vorbringens des Beschwedeführers sei auch die Verfolgung durch Dritte bei fehlender staatlicher Schutzfähigkeit oder Schutzwilligkeit zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer unterliege im gesamten Staatsgebiet einer asylrelevanten Verfolgung. Im Falle des Beschwerdeführers würde eine Abschiebung zu einer existenzbedrohenden Notalge und die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung bergen. Er sei weiters in Österreich bereits integriert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der ethnisch-religiösen Minderheit der Jesiden. Er selbst bezeichnet sich auch der kurdischen Volksgruppe zugehörig. Er ist ledig und ohne Kinder. Seine Muttersprache ist Kurdisch-Kurmanji (vgl Kopie irakischer Personalausweis, AS 85; Erstbefragung vom 04.09.2016, AS 3 ff; Niederschrift des Bundesamtes vom 01.02.2018, AS 59 ff; Verhandlungsprotokoll vom 30.07.2019, S 4).
Der Beschwerdeführer stammt aus der kleinen jesidischen Stadt "XXXX" (auch "XXXX" bzw. laut Beschwerdeführer "XXXX"; im Folgenden: S.) im Distrikt Sinjar, je nach Strecke etwa 44 bis 72 Kilometer nördlich der Stadt Sinjar im Gouvernement Ninewa (vgl Internetrecherche:
wikipedia.de, https://de.wikipedia.org/wiki/XXXX, Stand 23.05.2019, Zugriff am 19.09.2019), wo er keinerlei Schulbildung absolviert. Er hat bis zu seiner Ausreise immer nur in S. gelebt. Der Beschwerdeführer ist Analphabet und der älteste Sohn seiner Eltern. Er hat noch zwei Schwestern und vier jüngere Brüder. Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Familie gemeinsam auf einer kleinen, von sunnitisch-arabischen Nachbarn gepachteten, Landwirtschaft und baute dort zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie Gemüse an. Die Hälfte der Ernte musste er jedoch an die Verpächter abgeben. 2009 eröffnete der Beschwerdeführer einen kleinen Imbiss, den er bis zur Besetzung/Zerstörung des Ortes durch die Kampfhandlungen mit dem IS betrieb. Diese sowie der Bauernhof wurden durch die Kampfhandlungen komplett zerstört. Zeitweise war der Beschwerdeführer auch als Hilfsarbeiter tätig (vgl Erstbefragung vom 04.09.2016, AS 3 ff; Niederschrift des Bundesamtes vom 01.02.2018, AS 62 ff; Verhandlungsprotokoll vom 30.07.2019, S 5 & 11 f).
Die Eltern des Beschwerdeführers, seine zwei Schwestern und vier Brüder leben in Deutschland. Ihnen wurde jeweils zumindest subsidiärer Schutz oder aber auch Asyl gewährt und verfügen sie weiters jeweils über darauf basierende, gültige und befristete Aufenthaltsberechtigungen in der Bundesrepublik Deutschland (vgl Erstbefragung vom 04.09.2016, AS 5; Niederschrift des Bundesamtes vom 01.02.2018, AS 62 ff; Verhandlungsprotokoll vom 30.07.2019, S 9; vorgelegte Kopien der deutschen Aufenthaltstitel der Verwandten des Beschwerdeführers, AS 69 ff; Anfragebeantwortung des Bundesamtes vom 05.08.2019 samt Europol-Abfragen des deutschen Polizeikooperationszentrums XXXX vom 05.08.2019; § 25 Abs. 2 des deutschen Aufenthaltsgesetzes).
Ein Onkel väterlicherseits lebt mit seiner Ehegattin sowie drei Töchtern und drei Söhnen nach wie vor in S. nahe Sinjar/Irak. Wegen zugesagter Unterstützung durch die irakische Armee ist er dorthin zurückgekehrt. Die Kinder führen ein kleines Geschäft für Schokolade und Knabbergebäck im Ort, jedoch erwirtschaften sie damit kaum ein Einkommen und leben in Armut. Eine Tante mütterlicherseits lebt noch in Z./Irak und eine weitere Tante mütterlicherseits hat es inzwischen geschafft, den Irak zu verlassen und befindet sich mutmaßlich in Belgien. Der Beschwerdeführer hat zu seinen im Irak verbliebenen Angehörigen etwa einmal im Monat Kontakt über WhatsApp (vgl Niederschrift des Bundesamtes vom 01.02.2018, AS 63; Verhandlungsprotokoll vom 30.07.2019, S 5 f, 10).
Der Beschwerdeführer ist physisch gesund. Es konnte weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer konkreten und behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung leidet oder arbeitsunfähig wäre.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 20.09.2019).
Die Familie des Beschwerdeführers wurde beim Herannahen des IS von ihren eigenen sunnitischen Nachbarn, die auch die Verpächter ihrer Grundstücke waren, mit dem Tode bedroht, weil sie Jesiden sind. Die Familie (Vater, Mutter, zwei Schwestern, vier Brüder) des Beschwerdeführers flüchtete zwischen 03.08.2014 und 04.08.2014 nach Z./Kurdistan an die nördliche irakische Grenze in ein Flüchtlingslager. Der Beschwerdeführer begleitete sie dorthin, blieb dort bis zum 10.08.2014 und kehrte dann nach S. zurück, um sich dem Kampf gegen den IS anzuschließen. Er hat dann bis 12.12.2014 gemeinsam mit 30 weiteren zurückgebliebenen Jesiden die Heimatstadt S. zu verteidigen versucht. In dieser Zeit hat er sich mit anderen Kämpfern in einem Zeltlager/Bunkerlager aufgehalten. Am 12.12.2014 kamen kurdische Peshmerga nach S. und unterstützten die Jesiden. Der Beschwerdeführer besuchte noch einmal seine Familie im Flüchtlingslager in Z. und kehrte dann wieder nach S. zurück, um weiter gegen den IS zu kämpfen. Er blieb dort bis Mitte Juli 2016. Zuvor war es ihm nicht gelungen, den Distrikt Sinjar zu verlassen. Die Familie flüchtete bereits früher aus dem Irak. Es konnte nicht festgestellt werden, wann genau die Familie des Beschwerdeführers den Irak verließ, jedoch verfügt der Vater des Beschwerdeführers bereits seit Jänner 2016 über einen deutschen Konventionsreisepass (vgl Niederschrift des Bundesamtes vom 01.02.2018, AS 63 ff; Verhandlungsprotokoll vom 30.07.2019, S 11 ff; in der Verhandlung am 30.07.2019 vorgelegte Kopie des Konventionsreisepasses des Vaters des Beschwerdeführers).
Der Beschwerdeführer reiste schließlich Mitte Juli 2016 mit vielen anderen Flüchtlingen illegal und zu Fuß aus dem Irak in die Türkei aus. Von der Türkei reiste der Beschwerdeführer dann per LKW bis nach Österreich. (vgl Erstbefragung vom 04.09.2016, AS 7;
Niederschrift des Bundesamtes vom 01.02.2018, AS 63;
Verhandlungsprotokoll vom 30.07.2019, S 5).
Der Beschwerdeführer wollte am 03.09.2016 mit dem Zug weiter von Österreich nach Deutschland reisen. Die Einreise nach Deutschland wurde dem Beschwerdeführer aber mangels gültigem Reisedokument und gültigem Visum oder Aufenthaltstitel von der Bundesrepublik Deutschland verweigert (vgl deutsche Einreiseverweigerung vom 03.09.2016, AS 27). Am 04.09.2016 wurde er deswegen von der Polizeiinspektion XXXX infolge der Rückübernahme aus Deutschland festgenommen (vgl Anhalteprotokoll vom 04.09.2016, AS 17 ff), woraufhin der Beschwerdeführer am 04.09.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte (vgl Erstbefragung vom 04.09.2016, AS 3 ff). Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin ein Zugticket von XXXX (PAZ XXXX) nach XXXX zur selbstständigen Anreise zur der ihm zugeteilten Flüchtlings-Betreuungsstelle kostenlos zur Verfügung gestellt (vgl Bestätigung/Information Verteilungsquartier des PAZ XXXX vom 06.09.2016, AS 33; in der Verhandlung am 30.07.2019 vorgelegtes Zugticket vom 04.09.2019). Der Beschwerdeführer reiste jedoch am 06.09.2016 illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte auch dort einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde am 07.09.2016 festgenommen. Am 09.09.2016 wurde seitens der Bundesrepublik Deutschland ein Übernahmeersuchen an Österreich gestellt. Der Beschwerdeführer wurde am 04.11.2016 nach Österreich rücküberstellt (vgl in mündlicher Verhandlung am 30.07.2019 vorgelegter Beschluss des bayrischen Verwaltungsgerichtes XXXX vom 26.10.2016 sowie deutscher Haftentlassungsschein vom 14.11.2016). Das zwischenzeitlich mit Aktenvermerk vom 29.09.2016 vom Bundesamt eingestellte Asylverfahren (vgl Aktenvermerk, AS 35), wurde sodann fortgesetzt.
Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Rückübernahme aus Deutschland am 04.11.2016 ununterbrochen im Bundesgebiet auf und lebt von der Grundversorgung (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie den Sozialversicherungs- und Grundversorgungsdaten vom 20.09.2019).
Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:
Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie der Verständigungen vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25.09.2019 eingeführten Länderberichte, nämlich eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.02.2019 zum Irak: Jesiden in der Provinz Ninawa, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.05.2019 zum Irak: Lage der Jesiden, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak: Schiitische Milizen in Sinjar, Übergriffe gegen religiöse Minderheiten in der Provinz Ninewa vom 24.09.2018, das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 20.11.2018 mit aktueller Ergänzung vom 25.07.2019 sowie auf einer zusätzlichen Internetrecherche basierende Wikipedia-Artikel samt dort angeführten Quellen zum Genozid der Jesiden durch den IS ("Genocide of Yazidies by ISIL"; Stand 20.09.2019),
https://en.wikipedia.org/wiki/Genocide_of_Yazidis_by_ISIL, Zugriff am 20.09.2019; zu Sinjar (Stand 06.09.2019), https://en.wikipedia.org/wiki/Sinjar, sowie zu XXXX (Stand 23.05.2019), https://de.wikipedia.org/wiki/XXXX, Stand 23.05.2019, und der Zeitungsartikel von Al-Jazzera: "Arab-Yazidi reconcilation begins in Iraq¿s IDP camps" vom 15.11.2016, https://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/11/arab-yazidi-reconciliation-begins-iraq-idp-camps-161109010116321.html, Zugriff jeweils am 20.09.2019, auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.
Zum zeitlichen Ablauf der Ereignisse rund um den vom IS an den Jesiden verübten Genozid im Nordirak wird Folgendes festgestellt:
Nachdem die kurdischen Peshmerga während des Kampfes gegen den IS im Distrikt Sinjar Anfang August 2014 die Flucht ergriffen (und zwei Monate zuvor auch bereits die irakische Armee) und die überwiegend jesidisch bewohnte Stadt Sinjar, sowie die umliegenden jesidischen Städte und Dörfer ungeschützt zurückließen, nahm der IS am 03.08.2014 Sinjar und die umliegenden Städte und Dörfer, darunter auch den Heimatort S. des Beschwerdeführers, ein. Der IS (und auch andere arabische Muslime) bezeichnen Jesiden als "Teufelsanbeter". Es wurde der gesamten jesidischen Bevölkerung seitens des IS das Ultimatum gestellt, entweder zum sunnitischen Islam zu konvertieren oder zu sterben. In der Folge kam es zur Tötung tausender jesidischer Männer, Frauen und Kinder sowie zu Entführungen und Verkauf in die (sexuelle) Sklaverei von tausenden jesidischen Frauen und Mädchen durch den IS. Die Verbrechen des IS an den Jesiden führten gesamt zu etwa 500.000 Flüchtlingen und gelten allgemein als Genozid. Anfang August 2014 flohen etwa 50.000 Jesiden aus Sinjar und den umliegenden Städten und Dörfern, auch S., in die Berge nahe Sinjar, die übrigen flüchteten überwiegend nach Kurdistan. Viele konnten aus vom IS umzingelten Gebieten erst Monate später fliehen. Die kurdischen Peshmerga versuchten in einer ersten Offensive in der Nacht des 20.12.2014 Sinjar vom IS zurückzuerobern. Der Vormarsch der Peshmerga in die Stadt wurde jedoch von starkem Widerstand von IS-Kämpfern in der südlichen Hälfte der Stadt blockiert. Erst am 13.11.2015, einen Tag nach Beginn einer groß angelegten zweiten Offensive gelang es den kurdischen Peshmerga und jesidischen Milizen, unterstützt durch US-amerikanische Luftangriffe, die Stadt Sinjar einzunehmen und vom IS die volle Kontrolle über die Stadt zurückzuerlangen (vgl Internetrecherche: wikipedia.org, https://en.wikipedia.org/wiki/Genocide_of_Yazidis_by_ISIL mw Quellen (Stand 20.09.2019), Zugriff am 20.09.2019; wikipedia.org, https://en.wikipedia.org/wiki/Sinjar mw Quellen (Stand 06.09.2019), Zugriff am 20.09.2019; Al-Jazzera - Arab-Yazidi reconcilation begins in Iraq¿s IDP camps (15.11.2016), https://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/11/arab-yazidi-reconciliation-begins-iraq-idp-camps-161109010116321.html, Zugriff am 20.09.2019).
Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 20.11.2018 mit aktueller Ergänzung vom 25.07.2019 ergibt sich auszugsweise:
"KI vom 27.7.2019, Sicherheitsupdate 2. Quartal 2019 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)
Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.
Quelle: Liveuamap Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of /raq, https:llirag.liveuamap.com/enltime/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Quelle: ISW - Institute for the Study of War (16.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https:l/iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-apri/-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine "Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run- Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es "Lücken" zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019).
Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).
Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).
Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019).
Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 6.2019).
Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iragbodvcount .org/databasel, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 6.2019).
Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, httg_s://www.iragbod't,_count.org/databasel, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]
Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019).
Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der "Green Zone" in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. OS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019).
Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung AI-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019).
Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Da jedoch zwei Hauptquellen zur Sicherheitslage im Irak den gesamten Monat Juni über offline waren, kann es sein, dass es tatsächlich mehr Angriffe gab, als registriert wurden. Sechs Vorfälle werden pro- iranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019).
Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane's 1.5.2019).
BAGDAD
Laut Joel Wing ist Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des Islamischen Staates (IS). Seit Anfang des Jahres 2019 wurden dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Der IS versucht jedoch wieder in Bagdad Fuß zu fassen (Joel Wing 3.5.2019) und baut seine "Unterstützungszone" im südwestlichen Quadranten der "Bagdad- Belts" wieder auf, um seine Aktivitäten im Gouvernement Anbar mit denen in Bagdad und dem Südirak zu verbinden (ISW 19.4.2019). Alle im Gouvernement Bagdad verzeichneten Angriffe betrafen nur die Vorstädte und Dörfer im Norden, Süden und Westen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 1.7.2019). Während es sich dabei üblicherweise nur um kleinere Schießereien und Schussattentate handelte, wurden im Juni, bei einem kombinierten Einsatz eines improvisierten Sprengsatzes mit einem Hinterhalt für die den Vorfall untersuchenden, herankommenden irakischen Sicherheitskräfte, sechs Soldaten getötet und 15 weitere verwundet (Joel Wing 1.7.2019).
Im April 2019 wurden zehn sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Diese führten zu sieben Toten und einer verwundeten Person (Joel Wing 1.5.2019). Auch im Mai 2019 wurden zehn Vorfälle erfasst, mit 16 Toten und 14 Verwundeten. Ein weiterer mutmaßlicher Vorfall, eine Autobombe in Sadr City betreffend, ist umstritten (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni gab es 13 Vorfälle mit 15 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 1.7.2019).
Am 19.5.2019 ist eine Rakete des Typs Katjuscha in der hoch gesicherten Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt Bagdad, Standort der US-Botschaft, sowie einiger Ministerien und des Parlaments, eingeschlagen und explodiert. Verletzte oder Schäden habe es laut dem irakischen Militär nicht gegeben (DS 19.5.2019).
AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK
Der Islamische Staat (IS) erweitert seine Netzwerke im irakischen Kurdistan. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wieder auflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish [Anm.:
Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS-Zellen sprengen - in Sulaymaniyah City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war (ISW 19.4.2019).
Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (UNSC 2.5.2019). Am 27.5.2019 startete das türkische Militär die "Operation Klaue" mit dem Ziel PKK-Hochburgen im Nordirak, in der Region Qandil zu beseitigen (ACLED 2.7.2019; vgl. Al Jazeera 28.5.2019). Nach einer anfänglich defensiven Haltung der PKK kam es zu einer Zunahme der Angriffe auf die türkischen Streitkräfte, insbesondere im Südosten der Türkei, wie den Bezirk Cukurca in der Provinz Hakkari. Kurdische Einheiten zogen sich dabei grenzüberschreitend auch in den Iran zurück (ACLED 2.7.2019). Über 60 PKK-Kämpfer wurden seit Beginn der "Operation Klaue" als "neutralisiert" (d.h. getötet, gefangen genommen oder verletzt) gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. ACLED 2.7.2019). Ebenso wurde die Zerstörung von Sprengmittel (Landminen, IEDs) und Verstecken der PKK gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. Reuters 8.6.2019).
Türkisches Bombardement, das die Ortsränder dreier Dörfer im Bezirk Amadiya im Gouvernement Dohuk traf, zwang deren Einwohner zur Flucht (Kurdistan 24 9.4.2019).
NORD- UND ZENTRALIRAK
In den 2017 von der Zentralregierung übernommenen, umstrittenen Gebieten nutzt der Islamische Staat (IS) die geringe Zahl an Sicherheitskräften und deren Konkurrenzverhältnis zueinander aus, woraus sich die hohe Zahl an Übergriffen ableiten lässt (Joel Wing 1.7.2019). Kleinere Gruppen von IS-Kämpfern infiltrieren von Syrien kommend immer wieder die zerklüfteten Gebiete und Wüstenlandschaft im Westirak (Xinhua 6.5.2019).
Das irakische Militär und die von den USA geführte internationale Koalition führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019). Am 5.5.2019 startete ein gemischter Verband der irakischen Armee und paramilitärischen Stammeseinheiten, mit Luftunterstützung der Koalition, und in Abstimmung zwischen den Militärkommandos der Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa, eine großangelegte Militäroperation im Westirak (Xinhua 6.5.2019).
Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019).
Im April 2019 wurden in Ninewa 19 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit 46 Toten und zehn Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) verzeichnet, wobei hier auch der Fund eines Massengrabs älteren Datums, mit 36 Leichen, eingerechnet ist (Joel Wing 3.5.2019). Im Mai 2019 wurden 25 Vorfälle mit 64 Toten und 26 Verwundeten registriert, wobei der Fund eines jesidischen Massengrabes älteren Datums im Bezirk Sinjar, mit 35 Leichen, miteingerechnet ist (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni wurden zehn Vorfälle mit 24 Toten und 22 Verletzten registriert, wobei hier vier Brandstiftungen von landwirtschaftlichen Flächen und zwei Explosionen von Kriegsrelikten aus der Schlacht um Mossul (Anm.: 17.10.2016 bis 9.7.2017) inkludiert sind (Joel Wing 1.7.2019).
Der Islamische Staat (IS) hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten des Gouvernements Diyala, konzentriert sich aber besonders auf den Bezirk Khanaqin im Nordosten, der eines der zwischen der Zentralregierung und der Autonomen Kurdischen Region umstrittenen Gebiete ist (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019).
In Diyala kam es im April 2019 zu 30 sicherheitsrelevanten Vorfällen (Joel Wing 3.5.2019) mit 22 Toten und 23 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019). Im Mai 2019 wurden 35 Vorfälle mit 22 Toten und 42 Verwundeten registriert (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 27 Vorfälle mit zwölf Toten und 20 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).
Im Gouvernement Kirkuk ist der Islamische Staat (IS) in allen Bezirken aktiv und hat auch regelmäßigen Zugang zu Kirkuk City (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019). Insbesondere die Hamrin Berge, sowie die Haine im Westen des Gouvernements dienen dem IS als Rückzugsorte (Joel Wing 3.5.2019). Üblicherweise ereignen sich sicherheitsrelevante Vorfälle in Kirkuk im Süden des Gouvernements (Joel Wing 1.7.2019). Am 30. Mai fand jedoch in Kirkuk City mit der Detonation von sechs "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) der schwerwiegendste Angriff des Monats statt, der fünf Tote und 35 Verletzte forderte (Joel Wing 5.6.2019; vgl. Reuters 30.5.2019). Im Juni wurden acht Angriffe in Kirkuk City verzeichnet (Joel Wing 1.7.2019). Eine Veränderung in der Taktik des IS in Kirkuk stellt das Legen von Hinterhalten für die Sicherheitskräfte dar (Joel Wing 3.5.2019).
Die 1. und 2. Brigade der Irakischen Spezialeinheiten (ISOF) begannen am 11. April, unterstützt durch die US-geführte Koalition, mit der bisher größten Säuberungsaktion gegen die "Unterstützungszone" des IS in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019). Die US-amerikanische Luftwaffe (USAF) bombardierte ein Tunnelnetz des IS in den Hamrin Bergen (Jane's 1.5.2019). Ähnliche Operationen wurden bereits in den vergangenen Monaten durchgeführt (Kurdistan 24 11.4.2019). Laut lokalen Quellen wurden im Zuge der Operation sechs bedeutende Anführer des IS getötet und damit die Kommandokette in dem Gebiet stark beeinträchtigt (D&S 24.4.2019).
In Kirkuk wurden im April 2019 13 Vorfällen registriert (Joel Wing 3.5.2019) mit 18 Toten und 53 Verletzten (Anm.: Summe aus Joel Wing 1.5.2019 und Joel Wing 5.6.2019). Im Mai 2019 wurden in Kirkuk 35 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 29 Toten und 78 Verwundeten, die höchsten Opferzahlen dieses Monats im Irak, verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni sanken die registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf 18, mit 18 Toten und 40 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).
Obwohl sich das Gouvernement Salahaddin die Hamrin-Gebirge, das dem Islamischen Staat (IS) als Basis dient, mit dem Gouvernement Diyala teilt, konzentrieren sich die Aufständischen in ihren Aktivitäten stärker auf Diyala (Joel Wing 3.5.2019).
In Salahaddin wurden im April 2019 acht Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit zehn Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Einer davon war ein Angriff auf einen ISF-Konvoi, gefolgt von einem Hinterhalt für die Einsatzkräfte, die am Tatort eintrafen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019). Im Mai 2019 wurden 20 Vorfälle mit 22 Toten und 28 Verwundeten verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni neun Vorfälle mit vier Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). Zwei Angriffe auf das Alas Ölfeld im Mai weiteten sich zu großen Feuergefechten aus (Joel Wing 5.6.2019).
Der Islamische Staat (IS) hat vermehrt Kämpfer und Material durch die Jazeera Wüste zwischen Ostsyrien und dem Westirak in den Westen des Gouvernements Anbar verlegt (ISW 19.4.2019; vgl. Joel Wing 3.5.2019). In dieser Region passierten auch die meisten der in Anbar verzeichneten Gewaltakte (Joel Wing 3.5.2019).
Seit Ende Jänner 2019 werden Trüffelsammler, meist in den Wüsten Anbars, vom IS entführt und manchmal, im Fall von Schiiten, getötet. Die irakischen Sicherheitskräfte bestätigten die Entführung von 44 Trüffelsammlern in diesem Jahr, wobei davon auszugehen ist, dass weitere Vorfälle nicht gemeldet wurden (NYT 19.5.2019). Im April wurde eine Autobombe gezündet, die gegen Trüffelsammler in der Rutba Wüste gerichtet war (Joel Wing 3.5.2019).
Die Rutba Wüste an der Grenze zu Saudi Arabien war das Ziel einer von einem gemischten irakischen Verband mit Luftunterstützung der Koalition durchgeführten Militäroperation (Rudaw 9.5.2019). Der Manöverbereich des IS in der Wüste konnte durch die irakischen Sicherheitskräfte um einige Kilometer verkleinert werden (D&S 10.6.2019).
Im April 2019 wurden in Anbar 16 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit sieben Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert , im Mai 2019 acht Vorfälle mit acht Toten und sieben Verwundeten (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 13 Vorfälle mit einem Toten und sieben Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).
SÜDIRAK
Der Islamische Staat (IS) arbeitet daran seine Netzwerke im Norden des Gouvernements Babil wieder aufzubauen, mutmaßlich um Angriffe auf leichte Ziele (Anm. orig. "soft targets") in Bagdad und im Süden, in den heiligen Städten Karbala und Najaf, auszuführen (ISW 19.4.2019).
Fast immer, wenn es im Gouvernement Babil zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, geschehen diese im Bezirk Jurf al-Sakhr. Der vom Gouvernement Anbar aus zugängliche Bezirk musste von seiner Bevölkerung verlassen werden und dient nun den al-Hashd al-Sha'bi (Volksmobilisierungseinheiten, PMF) als Basis, weswegen der IS für gewöhnlich hier zuschlägt (Joel Wing 5.6.2019). Am 9. April stieß die 47. Brigade der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) in Jurf al-Sakhr mit dem IS zusammen. Dieser zog sich zwar vorübergehend aus dem Gebiet zurück, es erfolgte jedoch keine vollständige Säuberung durch die PMF (ISW 19.4.2019). Im Mai fanden zwei Angriffe im nordwestlichen Jurf al-Sakhr und einer im zentralen Mahawil statt (Joel Wing 5.6.2019). Eine SVBIED-Attacke (Suicide Vehicle Borne Improvised Explosive Device) - die erste seit 2014 - in Jurf al-Sakhr konnte durch die 46. PMF-Brigade verhindert werden (ISW 19.4.2019).
Im April 2019 wurden in Babil drei sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 5.6.2019) mit fünf Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Im Mai gab es drei Vorfälle mit zwei Toten und fünf Verletzten ( Joel Wing 5.6.2019) und im Juni waren es drei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).
In Basra wurden im Juni zwei Vorfälle mit drei Verletzten registriert. Ein von internationalen Ölgesellschaften genutzter Gebäudekomplex wurde von Raketen getroffen. Mutmaßlich steckt eine pro-iranischen Gruppe hinter diesem Angriff (Joel Wing 1.7.2019).
Quellen:
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ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.7.2019): Regional Overview - Middle East 2 July 2019, https://www.acleddata.com/2019/07/02/regional-overview-middle-east-2-july-2019/, Zugriff 3.7.2019
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ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview - Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 18.6.2019
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ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (11.6.2019): Regional Overview - Middle East 11 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/12/regional-overview-middle-east-11-june-2019/, Zugriff 18.6.2019
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ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (5.6.2019): Regional Overview - Middle East 5 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/05/regional-overview-middle-east-5-june-2019/, Zugriff 18.6.2019
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Al Jazeera (28.5.2019): Turkey launches operation against PKK fighters in northern Iraq,
https://www.aljazeera.com/news/2019/05/turkey-launches-operation-pkk-fighters-northern-iraq-190528140950966.html, Zugriff 18.6.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 18.6.2019
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Der Standard (19.5.2019): Rakete schlägt in Grüner Zone in Bagdad ein,
https://derstandard.at/2000103450186/Rakete-schlaegt-in-Gruener-Zone-in-Bagdad-ein, Zugriff 14.6.2019
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D&S - Difesa & Sicurezza (24.4.2019): Iraq, Isis chain of command in the Hamrin mountains in Diyala decimated, https://www.difesaesicurezza.com/en/defence-and-security/iraq-isis-chain-of-command-in-the-hamrin-mountains-in-diyala-decimated/, Zugriff