Entscheidungsdatum
15.11.2019Norm
ASVG §410Spruch
I413 2216871-1/3E
Im Namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX GmbH, vertreten durch BWD Dür Wöginger Busarello Steuerberatung OG gegen den Bescheid der Vorarlberger Gebietskrankenkasse Hauptstelle (VGKK) vom 28.12.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 5 VwGVG aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die belangte Behörde führte eine GPLA für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2015 durch. In weiterer Folge erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 05.01.2018, XXXX, mit welchem die belangte Behörde feststellte, dass XXXX aufgrund seiner Tätigkeit für die Dienstgeberin XXXX GmbH gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG aufgrund des ASVG in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert) und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG arbeitslosenversichert war. Die dagegen behobene Beschwerde der XXXX GmbH wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2018, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis ist rechtskräftig.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28.12.2018, XXXX, verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin, allgemeine Beiträge, sonstige Beiträge und Umlagen für die in der Beilage angeführten Dienstnehmer, für die ebenfalls in der Beilage angeführten Zeiträume, in der Höhe von Euro 15.536,65 zu entrichten. Die Beilagen (Prüfbericht vom 25.08.2017, Aufstellung vom 25.08.2017) bilden einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides (Spruchpunkt I.). Ferner verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin, die aufgrund der genannten Beitragsnachverrechnung vorzuschreibenden Verzugszinsen bis einschließlich 25.08.2017 in Höhe von Euro 2.626,40 zu entrichten (Spruchpunkt II.).
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass XXXX im Zeitraum 14.03.2012 bis 31.11.2012 Mitarbeiter auf dem Bau der Beschwerdeführerin beschäftigt war und dass es dieser bewusst war, dass XXXX 40 Stunden abhängig bei ihr beschäftigt war und es unterlassen habe zu überprüfen, ob nach den Bestimmungen der Verordnung (EIG) 883/2004 tatsächlich die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung der Sozialversicherung für Herrn XXXX zuständig sei. Bei gehöriger Sorgfalt hätte es der Beschwerdeführerin auffallen müssen, dass diese Zuordnung unrichtig sei und hätte die Verpflichtung bestanden, die entsprechenden Sozialversicherungsmeldungen an die Vorarlberger Gebietskrankenkasse zu senden. Dies habe die Beschwerdeführerin pflichtwidrig unterlassen. Weiters wurde festgestellt, dass der Prüfungsbeginn der 29.11.2016 war. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass keine solchen Meldungen über die Beschäftigung von XXXX an die belangte Behörde erstattet worden seien, obwohl dies bei Beachtung der gehörigen Sorgfalt als notwendig erkannt hätte werden müssen. Es sei von einer Verjährungsfrist von fünf Jahren auszugehen. Die Beschäftigung habe vom 14.03.2012 bis 30.11.2012 gedauert. Die Beitragsfälligkeit (allgemeine Beiträge, Selbstabrechner) trete gemäß § 58 Abs. 1 ASVG am letzten Tag des Kalendermonats ein, indem das Ende des Beitragszeitraumes fällt. Die Fälligkeit trete mithin am Ende jenes Monats der soeben bezeichneten Periode ein. Die Verjährung ende für den März 2015, nach fünf Jahren, mithin am 31.03.2017. Für den letzten Monat der Beschäftigung, nämlich den November 2012 endet die Verjährung nach fünf Jahren am 30.11.2017. Der Prüfungsbeginn sei jedoch am 29.11.2016 gewesen, sodass bereits zu diesem Zeitpunkt die Hemmung nach § 68 Abs. 1 ASVG eingetreten sei. Die Vorschreibung von Verzugszinsen ergebe sich aus dem Umstand, dass die verfahrensgegenständlichen Beiträge gemäß § 58 Abs. 1 ASVG fällig seien, jedoch nicht innerhalb der 15 Tage nach Fälligkeit eingezahlt worden seien.
3. Gegen diesen der Beschwerdeführerin am 03.01.2019 zugestellten Bescheid erhob diese, vertreten durch ihre steuerliche Vertretung, innerhalb offener Frist Beschwerde. Die Beschwerde richte sich gegen die rechtswidrige Festsetzung der Beiträge 2012 in Höhe von Euro 18.163,05, insbesondere aufgrund des vorliegenden A1-Formulares. Entsprechend wird die Aufhebung des Bescheides beantragt. Eine detaillierte Begründung werde noch übermittelt.
4. Mit Schriftsatz vom 28.01.2019 ergänzte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin "die zur Fristwahrung bereits eingebrachte Beschwerde vom 08.01.2019". Im Wesentlichen brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Einrede der Verjährung nicht gewürdigt worden sei und die Sozialversicherungsbeiträge trotzdem festgesetzt worden seien. Strittig sei, ob im Zeitpunkt der Beginn der Lohnabgaben Prüfungen (Beginn 29.11.2016) die Einhebung betreffend die Sozialversicherung des an sich der Beschwerdeführerin im Jahr 2012 über mehrere Monate im Werksvertragsverhältnis (später umqualifiziert in ein Dienstverhältnis, vgl. BVwG vom 25.09.2018, Zl. XXXX im Rahmen beauftragten XXXX bereits verjährt seien. Hierbei wurde außer Streit gestellt, dass das von der deutschen Sozialversicherung ausgestellte A1-Formular für das Jahr 2012 am 22.03.2017 widerrufen worden sei. Im Weiteren führte die steuerliche Vertretung an, dass nach der Judikatur des EUGH eine solche ausgestellte Bescheinigung die Vermutung der Richtigkeit und auch die Bindungswirkung entfalte. Solange diese Bescheinigung nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden sei, besitze diese daher Gültigkeit in der österreichischen Rechtsordnung und binde seine Träger. Hieraus ergebe sich, dass ein Gericht des Gaststaates nicht befugt sei, die Gültigkeit einer Bescheinigung E101 im Hinblick auf die Bestätigung der Tatsachen, dass deren Grundlage eine solche Bescheinigung ausgestellt wurde, zu prüfen. Die Beschwerdeführerin hätte in Unkenntnis der detaillierten Lebensumstände des XXXX auch keinen Anlass gehabt, an einer von der zuständigen Behörde ausgestellten und verbindlichen Bescheinigung zu zweifeln. Der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens entbehre daher jeglicher Grundlage. Die Beschwerdeführer bediene sich seit Jahren eines erfahrenen externen Lohnbüros mit entsprechend ausgebildeten und spezialisierten Mitarbeitern zur Abwicklung ihrer Personalverrechnung. Sie handle also mit entsprechender Sorgfalt. Die Beschwerdeführerin sei nicht zur Prüfung des Grenzüberschreitenden Sachverhaltes befugt. Die Forderung an ein Unternehmen Prüfungshandlungen vorzunehmen, um die rechtliche Würdigung eines ausländischen Sozialversicherungsträgers zu widerlegen, die selbst den ordentlichen Gerichten im Verfahren nicht zustehen, sei unverhältnismäßig und entbehre jeder gesetzlichen Grundlage. Zum Nachweis der Sozialversicherung sei der Beschwerdeführerin ein gültiges A1-Formular vorgelegt worden und habe XXXX Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland nachweislich entrichtet. Es sei unstrittig, dass mit Erkenntnis vom 25.09.2018 das Bundesverwaltungsgericht die Tätigkeit von XXXX im Jahr 2012 in eine nichtselbstständige Tätigkeit umqualifiziert habe. Dieses Erkenntnis werde auch akzeptiert. Die Prozessakten und Protokolle zum Sachverhalt würden zahlreiche valide Argumente für das Vorliegen eines Werkvertrages belegen, sodass selbst in der fehlerhaften Zuordnung an sich auch noch kein zwingend fahrlässiges Verhalten im Hinblick auf die Qualifikation erblickt werden konnte. Die belangte Behörde verkenne zudem, dass auch bei Vorliegen eines Dienstverhältnisses der Dienstgeber an ein aufrechtes A1-Formular aus Deutschland absolut gebunden sei. Dem entsprechend hätte mangels Sozialversicherungspflicht keine Meldung erstattet werden können und wären auch keine Sozialversicherungsbeiträge in Österreich abzuführen gewesen. Die Beschwerdeführerin hätte nicht nur auf das rechtsgültig erteilte Formular A1 der deutschen Sozialversicherung vertrauen und entsprechend handeln müssen, sondern hätte auf Basis dieses Formulars auch keine Sozialversicherungsbeiträge an die belangte Behörde oder an die SVA abführen dürfen. Hätte die Beschwerdeführerin solche Beträge abgeführt, hätte sie sich rechtswidrig verhalten und wäre sogar unter Umständen gegenüber XXXX schadenersatzpflichtig geworden, zumal dieser in der BRD im Jahr 2012 selbst Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe. Daher habe die Beschwerdeführerin mit gehöriger Sorgfalt im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG gehandelt. Die Beiträge seien daher gemäß § 68 Abs. 1 ASVG bereits verjährt. Es gelte die reguläre Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Widerruf des Formulars A1 im Jahr 2017 dürfe für die Beschwerdeführerin als rechtsunterworfenen insofern keine rückwirkenden Konsequenzen haben, als eine im Jahr 2012 objektiv rechtsrichtiges Verhalten plötzlich als sorgfaltswidrig umqualifiziert werde. Die Beschwerdeführerin beantragt, das Gericht möchte das Vorliegen der Verjährung gemäß § 68 Abs. 1 ASVG Festsetzung der Abgaben samt Säumniszinsen feststellen. Eine Festsetzung und Einhebung der entsprechenden Beiträge samt Zinsen sei somit unzulässig. Weiters wird der Ersatz der angefallenen Kosten beantragt.
5. Mit Schriftsatz vom 03.04.2019 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt sowie die Beschwerde in Vorlage. Die Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet und den Ausspruch, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der im Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als erwiesen festgestellt.
Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:
Die Beschwerdeführerin ist eine zu FN XXXX im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in XXXX(Bregenzer Wald) mit dem Geschäftszweig Baugewerbe. Alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer ist XXXX.
Im Zeitraum 14.03.2012 bis 30.11.2012 beschäftigte die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin XXXX Vollzeit auf Baustellen, welche die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum hatte.
XXXX ist deutscher Staatsangehöriger und hatte im Zeitraum 14.03.2012 bis 30.11.2012 seinen Hauptwohnsitz im XXXX. Dieser Hauptwohnsitz lag ca. 650 Kilometer von Dornbirn entfernt. In Österreich hatte er in diesem Zeitraum einen Wohnsitz in einer Einzimmerwohnung in Dornbirn. XXXX ist gelernter Maurer und verrichtet Nebentätigkeiten auf Baustellen. Er war vor 2012 Leasingarbeitnehmer bei der Personalleasingfirma Trenkwalder und in dieser Position bereits für die Beschwerdeführerin tätig. Er ist nunmehr als Dienstnehmer bei der Beschwerdeführerin beschäftigt. Seine Tätigkeit als Leasingarbeitnehmer unterscheidet sich von der nunmehrigen Tätigkeit für die Beschwerdeführerin nicht.
XXXX meldete am Hauptwohnsitz in der XXXX am XXXX das Gewerbe "Einbau von vorgeformten Bauteilen, Eisenflechter, Estrichleger, Trockenbau, Holz- und Bautenschutz, Bodenleger, Reparatur, Putzarbeiten im Innenbereich" mit Tätigkeitsbeginn 01.03.2012 an. Er wurde am 01.03.2012 beim Finanzamt in 01796 Pirna als Unternehmer unter der Steuernummer XXXX geführt. In der BRD entfalteteXXXX in dieser Zeit keine selbstständige Tätigkeit. Er war im Jahr 2012 ausschließlich und ununterbrochen für die Beschwerdeführerin tätig.
XXXX hatte eine A1-Bescheinigung vom 20.02.2012 inne, wonach er sich aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit für den Zeitraum 01.03.2012 bis 31.12.2012 zur Ausübung einer ebenfalls selbstständigen Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin in Österreich entsendet habe. Diese A1-Bescheinigung ist der Beschwerdeführerin auch im Jahr 2012 von XXXX vorgelegt worden.
Diese A1-Bestätigung wurde von der deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland aufgrund des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Ausstellung einer A1-Bescheinigung mit Schreiben vom 22.03.2017 für diesen Zeitraum widerrufen.
Mit Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom 06.10.2016 hatte die Beschwerdeführerin eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO zu dulden und ihren Mitwirkungspflichten gegenüber XXXX als mit der Prüfung beauftragten Person nachzukommen. Als Gegenstand für die Außenprüfung - Zeiträume wird angeführt: Lohnsteuerprüfung (L, DB, DZ gemäß § 68 Abs. 1 EStG) 01/01/2011-31/12/2015 Sozialversicherungsprüfung (gemäß § 41a ASVG) 01/01/2011-31/2012/2015 Kommunalsteuerprüfung (gemäß § 14 KomStG) 01/01/2011-31/12/2015.
Gemäß Beiblatt zum Prüfungsauftrag wurde der gegenständliche Prüfungsauftrag am 29.11.2016 zur Kenntnis gebracht. Das Datum des Prüfungsbeginnes ist der 29.11.2016.
Die Beschwerdeführerin hatte XXXX im Zeitraum 01.03.2012 bis 31.12.2012 nicht als Dienstnehmer bei der Beschwerdeführerin angemeldet und entrichtete auch in diesem Zeitraum keine Beiträge (allgemeine Beiträge, sonstige Beiträge und Umlagen) zur Sozialversicherung.
Für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2015 ergibt sich hinsichtlich des im Zeitraum 14.03.2012 bis 30.11.2012 bestehenden Dienstverhältnisses von XXXX zur Beschwerdeführerin ein Nachrechnungsbetrag an allgemeinen Beiträgen, sonstigen Beiträgen und Umlagen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt Euro 15.536,65.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere in den angefochtenen Bescheid vom 28.12.2018, in den Bescheid über den Prüfungsauftrag vom 06.10.2016, sowie das Beiblatt zum Prüfungsauftrag, in das von der deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland am 20.02.2012 ausgestellte Formular A1, sowie in das Schreiben vom 22.03.2017 der deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, womit die Bescheinigung A1 für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.12.2012 widerrufen wird. Sowie in den Gerichtsakt Zl. XXXX.
Die Beschwerdeführerin bestreitet den festgestellten Sachverhalt nicht. Er ergibt sich unzweifelhaft aufgrund der im Verwaltungsakt und im Gerichtsakt vorliegenden Urkunden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Strittig ist im vorliegenden Fall ausschließlich die Frage, ob die vorgeschriebenen Beiträge und Verzugszinsen bereits verjährt sind oder nicht. Die belangte Behörde steht auf dem Standpunkt, dass die lange Verjährungsfrist von fünf Jahren auf den gegenständlichen Fall anzuwenden ist, weil die gehörige Sorgfalt seitens der Beschwerdeführerin außer Acht gelassen wurde. Die Beschwerdeführerin ist dagegen der Auffassung, dass die kurze Verjährung von drei Jahren zur Anwendung kommt, weil sie auf das damals ausgestellte Formular A1, welches erst im Nachhinein widerrufen wurde, vertrauen hätte können.
3.2.§ 68 Abs. 1 ASVG lautet samt Überschrift:
"Verjährung der Beiträge"
§ 68. (1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist, der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechts wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffenen Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hiervon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist."
Für die Beurteilung der Frage, ob und in wieweit Feststellungverjährung gemäß § 68 Abs. 1 ASVG eingetreten ist, kommt es auf die jeweils anzuwendende Verjährungsfrist an. Deren Dauer hängt vom Verschulden des Meldepflichtigen an der Meldepflichtverletzung ab. Die rechtswidrige Nichtmeldung indiziert dieses Verschulden. Es liegt am Meldepflichtigen darzutun, aus welchem besonderen Grund ihn ausnahmsweise kein Verschulden an der Meldepflichtverletzung trifft (vgl. VwGH 01.04.2009, 2006/08/0152, mwN; 15.07.2019, Ra2019/08/0107).
Im gegenständlichen Fall bringt die Beschwerdeführerin vor, dass ihr ein von XXXX im Jahr 2012 von der deutschen Sozialversicherung ausgestelltes A1-Formular für das Jahr 2012 vorgelegt worden sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH 06.09.2018, Alpenrind-GmbH, C-527/16; vgl. auch VwGH 10.10.2018, Ro 2016/08/0013; vgl. auch VwGH 27.08.2019, Ra 2016/08/0074) besteht hinsichtlich solcher ausgestellter A1-Bescheinigungen nicht nur für die Träger des Mitgliedsstaates, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, sondern auch für die Gerichte dieses Mitgliedsstaates eine Bindungswirkung. Nach Art. 5 Abs. 1 VO 987/2009 besteht die Bindungswirkung des vom entsendenden Staat ausgestellten A1-Dokuments für die Träger der anderen Mitgliedsstaaten solange, wie das Dokument nicht vom ausgestellten Entsendestaat widerrufen oder für ungültig erklärt wird. Vorliegenden Falls bestehen keine Hinweise darauf, dass eine unwirksame Ausstellung dieser A1-Bestätigung (etwa aufgrund einer Fälschung) nicht vor. Von der Bindungswirkung ist daher im Sinne dieser Rechtsprechung (vgl. hierzu VwGH 27.08.2019, Ra 2016/08/0074 ua.) auszugehen.
Der Beschwerdeführerin kann daher aufgrund des vorgelegten A1-Formulars für das Jahr 2012 nicht unterstellt werden, dass sie ihre Sorgfalt missachtet hätte. Selbst wenn - was im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben ist - die Beschwerdeführerin Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser A1-Bescheinigung gehabt hätte, wäre sie dennoch an diese gebunden gewesen (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 01.10.2018, Ra 2017/11/0251; 10.10.2018, Ra 2016/08/0176; EuGH 06.09.2018, C-527/16 ua.). Ausgehend von dem aus § 1297 ABGB erfließenden Sorgfaltsmaßstab kann nicht von einem Sorgfaltsverstoß der Beschwerdeführerin ausgegangen werden, wenn sich diese auf eine noch dazu vom Dienstnehmer besorgten und nicht von ihr veranlassten A1-Bescheinigung verlässt und deshalb die Meldepflicht unterlässt. Dass Jahre später diese A1-Bescheinigung widerrufen werden könnte, muss auch ein sorgfältiger Dienstgeber nicht in Betracht ziehen. Selbst wenn man den objektiven Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB heranzieht und das Verhalten der Beschwerdeführerin in Bezug auf die unterlassene Meldung von XXXX als Dienstnehmer aufgrund der vorgelegten A1-Bescheinigung an einem mit den Kenntnissen und Fähigkeiten der Beschwerdeführerin ausgestatteten maßgerechten Dienstgeber misst, würde das Ergebnis nicht anders lauten. Auch ein maßgerechter Dienstgeber würde aufgrund der vorgelegten A1-Bescheinigung keine weiteren Fragen aufwerfen oder Untersuchungen anstellen, sondern sich entsprechend der vorzitierten Judikatur an diese gültige Bescheinigung gebunden fühlen. Dass diese A1-Bescheinigung nachträglich widerrufen wird, ändert hieran nichts. Daher ist vorliegenden Falls nicht die fünfjährige Verjährungsfrist, sondern die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG heranzuziehen.
Dass die Beitragsprüfung im Sinne des §§ 41a und 42 ASVG durch ausgewiesene Bedienstete des Versicherungsträgers (GPLA) eine nach außen hin in Erscheinung tretende und den Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Maßnahme darstellt, die im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG die Verjährung unterbricht (VwGH 15.10.2014, 2012/08/0220), ist zutreffend von der belangten Behörde festgestellt worden. Die Prüfung begann am 29.11.2016. Dennoch vermag dies nichts am Ergebnis zu ändern. Aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG, welche hier im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt, erwies sich die Feststellung der Verpflichtung zur Leistung allgemeiner Beiträge, sowie von Verzugszinsen als verjährt. Daher war im vorliegenden Fall der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vorliegenden Falls lag eine Beurteilung eines Einzelfalls vor, der für sich gesehen nicht reversibel ist. Die gegenständliche Entscheidung basiert auf der nicht als uneinheitlich zu qualifizierenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie unter A) dargestellt und zeigte keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, weshalb vorliegenden Falls die Revision nicht zuzulassen war.
Schlagworte
Beitragsnachverrechnung, Bindungswirkung, Mitgliedstaat, VerjährungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I413.2216871.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.02.2020