RS Vfgh 2019/11/27 E1273/2019

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Veröffentlicht am 27.11.2019
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Index

L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, Mindestsicherung

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Nö MindestsicherungsG §5
NAG §47, §49
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung von Anträgen auf Leistungen nach dem Nö MindestsicherungsG; keine Prüfung der Gleichstellung von Staatenlosen mit Anspruchsberechtigten im Fall der Unmöglichkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat

Rechtssatz

Gemäß §5 Abs1 Z3 Nö MindestsicherungsG (NÖ MSG) sind unter anderem jene Personen anspruchsberechtigt, die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind. §5 Abs2 NÖ MSG enthält eine Aufzählung von Personen, die jedenfalls zu diesem Personenkreis zählen. Das sind österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sowie deren Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß §47 Abs2 NAG verfügen, Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz sowie deren Familienangehörige im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden oder die Einreise nicht zum Zweck des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung erfolgt ist, Asylberechtigte gemäß §3 AsylG 2005 und Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" gemäß §45 NAG oder "Daueraufenthalt-EU" eines anderen Mitgliedstaates und einem Aufenthaltstitel gemäß §49 NAG.

Der VfGH hat bereits ausgesprochen, dass nach dem NÖ MSG der Kreis der anspruchsberechtigten ausländischen Staatsangehörigen auf Fremde begrenzt ist, die über ein nicht bloß provisorisches Aufenthaltsrecht verfügen. Damit verhindert das NÖ MSG, dass Personen ausschließlich zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach Österreich migrieren. Ein Ausschluss solcher Personen ist - auch im Hinblick auf Unionsbürger - unbedenklich, da es Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen grundsätzlich freisteht, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren, um Sozialleistungen ihres Herkunftsstaats, nach den dort geltenden Vorgaben, in Anspruch zu nehmen. Im Unterschied zu dieser Personengruppe haben Asylberechtigte ihr Herkunftsland nicht aus freiem Entschluss verlassen und ihren Wohnsitz in Österreich nicht frei gewählt. Asylberechtigte können auch (derzeit) nicht dorthin zurückkehren.

Das gilt insofern auch für Staatenlose, als sie ebenso wenig in ihren Herkunftsstaat zurückkehren können und ein Export von Geldleistungen ins Ausland ausscheidet. Das Landesverwaltungsgericht hätte daher im konkreten Fall prüfen müssen, ob die Erstbeschwerdeführerin vor dem Hintergrund ihrer Staatenlosigkeit und der daraus resultierenden Unmöglichkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat den in §5 Abs2 NÖ MSG genannten Personen, die jedenfalls im Sinne des Gesetzes als rechtmäßig dauerhaft aufhältig gelten, gleichzuhalten ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Mindestsicherung, Sozialhilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E1273.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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