TE Vwgh Erkenntnis 1966/3/10 0857/65

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Veröffentlicht am 10.03.1966
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Index

Abgabenverfahren

Norm

BAO §236 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsident Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters Dr. Angst, über die Beschwerde des AB in S, vertreten durch Dr. Franz Gerlich, Rechtsanwalt in Salzburg, Schwarzstraße 33, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 30. März 1965, Zl. 336-Ia- 1964, betreffend Nachsicht von Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Salzburg) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer eröffnete am 1. Jänner 1957 in T einen Fleischhauereibetrieb. Wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich ist, kam der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, zu den Fälligkeitzeitpunkten die laufenden Abgaben zu entrichten, nur unregelmäßig nach. Dadurch kam es zu Abgabenrückständen, vor allem an Umsatzsteuer. Am 20. Jänner 1959 beantragte der Beschwerdeführer daher die Gewährung von Zahlungserleichterungen. Das Finanzamt bewilligte darauf die Abstattung des Rückstandes in Monatsraten. Am 12. Dezember 1963 beantragte der Beschwerdeführer, die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten nachzusehen. Das Finanzamt wies das Nachsichtsansuchen ab, stundete jedoch den rückständigen Abgabenbetrag bis 29. Februar 1964. Am 28. Jänner 1964 ersuchte der Beschwerdeführer, die Stundung um weitere zwei Monate zu verlängern. Das Finanzamt bewilligte hierauf eine Stundung bis 30. Juni 1964. Am 18. Juni 1964 ersuchte der Beschwerdeführer wieder um Nachsicht, weil sich sein Rückstand durch die Veranlagung für die Jahre 1962 und 1963 bereits auf S 15.478,43 belaufe. Das Finanzamt wies das Nachsichtsansuchen mit Bescheid vom 2. Juli 1964 ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die jedoch mit Berufungsentscheidung vom 30. März 1965 abgewiesen wurde. Die belangte Behörde führte in den Entscheidungsgründen u. a. aus, daß die Einhebung des schuldigen Abgabenrückstandes nicht unbillig sei, weil es sich fast ausschließlich um Umsatzsteuerrückstände handle, der Beschwerdeführer einen mangelnden Zahlungswillen bewiesen habe, die schuldigen Abgaben durch Verwertung von Liegenschaften bezahlen könne und eine Nachsicht schließlich seinen Gläubigern zugute käme.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 236 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BGBl. 194/1961, BAO) können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teile durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist streitig, ob die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Nachsicht fälliger Abgabenschuldigkeiten mit Recht abgelehnt hat. Bei der Entscheidung über das Nachsichtsansuchen hatte die Behörde zur Entscheidung dieser Streitfrage zunächst zu prüfen, ob eine Unbilligkeit vorliegt und ob die Behörde weiter durch eine solche Unbilligkeit veranlaßt war, von ihrem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinne der Bestimmungen des § 20 BAO Gebrauch zu machen. Der angefochtene Bescheid lehnt nun die auch im Berufungsverfahren begehrte Nachsicht schon deshalb ab, weil nach Ansicht der Behörde eine Unbilligkeit nicht vorliege, sodaß die Behörde gar nicht in die Lage käme, eine Ermessensentscheidung zu treffen. In dieser Hinsicht unterlag aber der Bescheid in vollem Umfange der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof, weil die Frage der Unbilligkeit nicht Gegenstand des freien Ermessens der Behörde, sondern Gegenstand der Sachverhaltsermittlung und der rechtlichen Beurteilung (Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "Unbilligkeit") ist.

Der Aktenlage ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer die Umsatzsteuer sehr häufig unregelmäßig und unvollständig entrichtet hat. An Stelle einer pünktlichen Zahlung ersuchte er zu wiederholten Malen um Zahlungserleichterungen. Dabei handelte es sich bei den Abgabenrückständen fast ausschließlich um Umsatzsteuer, die grundsätzlich mit dem Kaufpreis auf den Abnehmer überwälzt wird. Daher wird diese Abgabe vom Unternehmer lediglich abgeführt, ohne daß er sie auch zu tragen hätte. Dennoch wurde dem Stundungsbegehren wiederholt entsprochen. Der Beschwerdeführer bemühte sich aber nicht, innerhalb des von der Behörde im Weg einer Zahlungserleichterung gesetzten Zeitraumes die Umsatzsteuerrückstände zu begleichen. Über die Höhe der Umsatzsteuerrückstände besteht kein Streit, da der Beschwerdeführer auch niemals gegen die betreffenden Steuerbescheide Rechtsmittel erhoben hat. Im Jahre 1963 beantragte der Beschwerdeführer schließlich, die Abgabenschuldigkeiten nachzusehen. Sein Ansuchen enthielt aber nur allgemein gehaltene Ausführungen, sodaß es an konkreten Angaben, die eine Nachsicht rechtfertigen könnten, mangelte. Auch die Schriftsätze vom 18. Juni 1964 und vom 17. Juli 1964 (Berufung) enthielten keine das Vorliegen einer Unbilligkeit rechtfertigenden Gründe. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf familiäre Verhältnisse versagt schon deshalb, weil der Beschwerdeführer die Umsatzsteuer, wie bereits dargelegt, mit dem Kaufpreise vereinnahmt hat und daher lediglich an das Finanzamt abzuführen hatte, sodaß dadurch eine Belastung nicht eintreten konnte. Auch die Aufgabe des Geschäftsbetriebes, die gleichfalls eine Umsatzsteuerpflicht nach sich zog, bildete an und für sich keinen Grund einer Unbilligkeit, weil es sich um die gesetzliche Folge eines vom Beschwerdeführer freiwillig gefaßten Entschlusses handelt. Der Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, daß er bestrebt sei, seinen Verpflichtungen anderen Gläubigern gegenüber nachzukommen, den Schluß zog, daß eine Nachsicht dadurch wohl diesen, nicht aber dem Beschwerdeführer zugute käme. Soweit allerdings der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer zumutet, daß er vorhandene Liegenschaften zur Abdeckung der Steuerrückstände heranziehe, ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, daß diese Verwertung dem Abgabengläubiger keinen Vorteil bringen würde, wenn diese Grundstücke (wie der Beschwerdeführer behauptet) mit einer bedeutenden Hypothek belastet sind. Es muß dabei dem Beschwerdeführer zugegeben werden, daß für den Fall einer solchen Belastung die Behauptung der belangten Behörde, es könnten die Liegenschaften zur Bezahlung der rückständigen Umsatzsteuer herangezogen werden, durch die Aktenlage nicht gedeckt ist. Dennoch hat die Behörde nicht geirrt, wenn sie bei dem innerhalb eines jahrelangen Zeitraumes gezeigten Verhalten des Beschwerdeführers, die Abgaben unregelmäßig und unvollständig zu bezahlen, sowie bei der Art der rückständigen Steuer (Umsatzsteuer) den Schluß gezogen hat, daß ein entsprechender Zahlungswille fehle und daß somit in der zwangsweisen Einbringung keine unbillige Härte gelegen sein könne.

Soweit die Beschwerde einwendet, es sie das Recht auf Parteiengehör verletzt worden, weil dem Antrage des Beschwerdeführers auf persönliche Vernehmung durch die Behörde nicht entsprochen worden sei, muß allerdings darauf verwiesen werden, daß der Sachverhalt aus den Akten soweit geklärt war, daß auf die Vernehmung verzichtet werden konnte. Ein Verfahrensmangel liegt deshalb in diesem Punkte nicht vor.

Wenn somit, wie ausführlich dargelegt wurde, das Vorliegen einer Unbilligkeit zu verneinen ist, war auf Fragen der Zweckmäßigkeit nicht mehr einzugehen. Da somit die Entscheidung der Behörde dem Gesetz entspricht, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenanspruch gründet sich auf die § 47 Abs. 2 lit. b, § 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshofe (BGBl. Nr. 4/1965).

Wien, am 10. März 1966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1966:1965000857.X00

Im RIS seit

21.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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