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StVONorm
AVG §69 Abs1 litbBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Chamrath, und die Hofräte Dr. Striebl, Dr. Schmid, Dr. Schmelz und Dr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnal, über die Beschwerde des AF in W, vertreten durch Dr. Felix Weigert, Rechtsanwalt in Wien IV, Waaggasse 8, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. Juni 1965 Zl. M.Abt. 70/IX-F 67/65/Str., betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Gemeinde Wien Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Begründung
Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling, hatte über den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 12. Oktober 1964 gemäß § 99 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 (StVO), eine Arreststrafe von sieben Tagen verhängt, weil er am 28. Juli 1964 um 21.30 Uhr in Wien 12, Eichenstraße/Aßmayergasse den Kombiwagen Wnn in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO begangen habe. Zur Begründung war ausgeführt worden, daß der dem Beschuldigten zur Last gelegte Tatbestand durch die Meldung und das polizeiärztliche Gutachten erwiesen sei. Aus dem Gutachten - so war weiters gesagt worden - gehe hervor, daß der Beschuldigte zum Zeitpunkt des Ereignisses einen Blutalkoholgehalt von 0,87 %o gehabt habe.
Dieses Straferkenntnis ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit dem beim Polizeikommissariat Meidling am 28. Jänner 1965 eingelangten Schriftsatz stellte der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens und legte in Abschrift ein Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien bei. Der Beschwerdeführer brachte hiezu im wesentlichen vor, daß er wegen des von ihm am 28. Juli 1964 verursachten Verkehrsunfalles auch bei Gericht angezeigt und bestraft worden sei. Sein .Anwalt habe am 13. Jänner 1965 Einsicht in den Akt 10 U 1771/64 des Strafbezirksgerichtes Wien genommen und dabei festgestellt, daß dort in ONr. 11, ein Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien erliege, in dem es insbesondere heiße "Zusammenfassend kann mit der für ein Strafverfahren nötigen Sicherheit nicht gesagt werden, daß der Blutalkoholspiegel im Zeitpunkt des Unfalles mindestens 0,8 %o erreicht hat". Diese neue Tatsache habe der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden im vorangegangenen Verfahren nicht geltend machen können, und dieses Gutachten sei geeignet, einen anders lautenden Bescheid herbeizuführen, nämlich die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.
Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Me idling, lehnte mit Bescheid vom 3. Mai 1965 den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG als nicht fundiert ab. Die als neue Tatsache angeführten medizinischen Ausführungen seien sachlich nicht gerechtfertigt. Das polizeiärztliche Gutachten habe ausdrücklich festgestellt, daß die Frage, ob der Beschwerdeführer auch zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles zum Führen eines Kraftfahrzeuges geeignet gewesen sei, erst nach Einlangen des Ergebnisses der Blutalkoholbestimmung beantwortet werden könne. Der Blutalkoholbefund des gerichtsmedizinischen Institutes habe 0,7 %o ergeben. Das abschließende polizeiamtsärztliche Gutachten besage, daß vom Zeitpunkt des anlaßgebenden Ereignisses (21.30 Uhr) bis zur Blutentnahme (22.38 Uhr) 68 Minuten verstrichen seien. Es müsse daher dem ermittelten Wert von 0,7 %o ein Wert von 0,17 %o hinzugerechnet werden, dies ergebe einen Blutalkoholgehalt zur Zeit des anlaßgebenden Ereignisses von 0,87 %o. Es seien nach Erstellung des polizeiärztlichen Abschlußgutachtens keinerlei neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, welche nicht schon vorher hätten geltend gemacht werden können.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und zwar mit der Maßgabe, daß im Spruch die Worte "als nicht fundiert" zu entfallen haben. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf die Gründe des Erstbescheides und führte noch aus, daß dieser dem Beschwerdeführer am 12. Oktober 1964 verkündet worden sei, und er auf eine Berufung verzichtet habe. Bei gehöriger Sorgfalt hätte der Beschwerdeführer die Tatsache, nicht alkoholisiert gewesen zu sein, bereits im abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren geltend machen können. Abgesehen davon stamme das Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien erst vom 26. November 1964. Da nur neu aufgefundene, nicht aber neu entstandene Beweismittel eine Wiederaufnahme zu begründen vermögen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer bekämpft zunächst das polizeiärztliche Gutachten, das dem Straferkenntnis des Bezirkspolizeikommissariates Meidling vom 12. Oktober 1964 zugrunde gelegt wurde, als falsch und wendet sich gegen den, wie er meint, formalen Standpunkt der belangten Behörde, daß das richtige Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien vom 26. November 1964 erst nach dem Straferkenntnis vom 12. Oktober 1964 entstanden und daher nicht mehr beachtlich sei, weil es sich um ein später aufgefundenes Beweismittel handle. Zumindest müsse man sagen, daß durch dieses Gutachten die neue Tatsache, daß der Beschwerdeführer nicht alkoholisiert gewesen sei, hervorgekommen sei. Die in diesem Vorbringen zum Ausdruck gebrachte Rechtsrüge ist nicht begründet.
Wie dem Akt entnommen werden kann, stützt der Beschwerdeführer seinen Antrag auf den Wiederaufnahmsgrund des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung zu finden hat. Nach dieser Bestimmung ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme stattzugeben, wenn neue Taten oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Es muss sich also um Tatsachen oder Beweismittel handeln, die bei dem Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich gemacht wurde (vgl. etwa Erkenntnis vom 10. Dezember 1928, Slg. Nr. 15.445/A). Die Kernfrage des mit Straferkenntnis vom 12. Oktober 1965 abgeschlossenen Verfahrens bildete die in freier Beweiswürdigung gewonnene Feststellung der belangton Behörde, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO den Kombiwagen gelenkt habe. Gegenstand dieses Verwaltungsstrafverfahrens war somit die Frage der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers zur Tatzeit. Es handelt sich daher bei dem nunmehrigen Vorbringen des Beschwerdeführers um kein neues Vorbringen im Sinne der oben angeführten Gesetzesbestimmung. Der Beschwerdeführer hatte bereits im abgeschlossenen Verfahren die Möglichkeit, seine Alkoholisierung zu bestreiten und die diesbezüglichen Beweisanträge zu stellen. Dies hat er unterlassen. Wenn er nunmehr behauptet, daß er seinerzeit die Tatsache, durch Alkohol nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO beeinträchtigt gewesen zu sein, nicht erweisen hätte können, so ergibt sich daraus, daß der Beschwerdeführer mit seinem Wiederaufnahmsbegehren in Wahrheit die seinerzeitige Beweiswürdigung der Behörde auf Grund eines neugewonnenen Beweismittels, nämlich des Gutachtens des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien vom 26. November 1964, welches erst nach rechtskräftiger Beendigung des Verwaltungsstrafverfahrens erstellt wurde, bekämpft. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist mithin nicht geeignet, nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG eine Wiederaufnahme zu begründen.
Daß aber das oben angeführte Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin kein "neu hervorgekommenes" Beweismittel im Sinne der bezogenen Bestimmungen ist, wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
Da somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965.
Wien, am 17. März 1966
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1966:1965001386.X00Im RIS seit
21.02.2020Zuletzt aktualisiert am
21.02.2020