TE Vwgh Erkenntnis 1981/11/5 2814/80

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Veröffentlicht am 05.11.1981
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Index

Grunderwerbsteuer

Norm

BAO §115 Abs4
BAO §50 Abs1
BAO §64 Abs1
GrEStG 1955 §18 Abs1
GrEStG 1955 §20 Abs1 Z1
GrEStG 1955 §20 Abs6
GrEStG 1955 §4 Abs2

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2909/80

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Närr, Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Ratz, über die Beschwerde der N Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dkfm. Dr. Friedrich Grohs, Rechtsanwalt in Wien I, Freyung 6, im Verfahren zur Zl. 16/2909/80, weiters vertreten durch Dr. Michael Goriany, Dr. Andreas Grohs und Dr. Wolfgang Hofer, Rechtsanwälte ebendort, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 24. Juli 1980, Zl. B 23/16-6/80, und vom selben Tage, Zl. B 23/15- 6/80, betreffend Grunderwerbsteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Beschwerdevertreters, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hofer und der Vertreterin der belangten Behörde, Rat Dr. HL, zu Recht erkannt:

Spruch

1) Die Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 24. Juli 1980, Zl. B 23/16-6/80, wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2) Der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 24. Juli 1980, B 23/15-6/80, wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 18.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Laut der am 21. Februar 1979 erfolgten Eintragung im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien, Zl. HR.B 23.382, ist die Beschwerdeführerin aus der "N Aktiengesellschaft" durch Umwandlung im Sinne der §§ 239 ff Aktiengesetz hervorgegangen.

Die erwähnte Aktiengesellschaft erwarb mit Kaufvertrag vom 21. November 1973 von der "W" Gesellschaft m.b.H. & Co KG die Liegenschaft EZ 1657 der KG W, Gerichtsbezirk Graz, zum Kaufpreis von S 6,000.000,-- zuzüglich eines Betrages von S 2,000.000,-- für die Vorleistungen zur Baureifmachung (,) die gesamten Architekturleistungen und für die Baupläne. Die über diesen Erwerbsvorgang vom heutigen Vertreter der Beschwerdeführerin Dr. Friedrich Grohs an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gerichtete Abgabenerklärung gemäß § 18 Grunderwerbsteuergesetz 1955 (GrEStG), in der Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. beantragt worden war, langte dort am 30. November 1973 ein und wurde vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien am 17. Dezember 1973 an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz abgetreten, wo die Akten am 7. Jänner 1974 einlangten.

Mit Vereinbarung vom 15. Juli 1975 wurde der Kaufvertrag vom 21. November 1973 aufgelöst. Diese Kaufvertragsauflösung wurde mit einem abermals an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gerichteten, dort am 28. Juli 1975 eingelangten Schriftsatz angezeigt. Gleichzeitig wurde um "Nichterhebung der Grunderwerbssteuer vom rückgängig gemachten Erwerbsvorgang gemäß § 20 Abs. 1 Pkt. 1 GrEStG und des Rückerwerbes gemäß § 20 (2) GrestG" ersucht.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz wies mit Bescheid vom 7. Juni 1977 diesen Antrag ab. Ein Rückerwerb liege nicht vor, weshalb der Antrag gemäß § 20 Abs. 2 GrEStG ins Leere gehe. Der Antrag gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG hingegen sei abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin bzw. ihre

Rechtsvorgängerin ihre Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht rechtzeitig erfüllt hätten (§ 20 Abs. 6 GrEStG).

Mit dem gesondert ausgefertigten, vorläufigen Bescheid vom selben Tage setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin für den Erwerbsvorgang vom 21. November 1973 auf der Basis einer Bemessungsgrundlage von S 8,000.000,-- 8 % Grunderwerbsteuer in Höhe von S 640.000,-- fest. Durch die Vertragsaufhebung sei der begünstigte Zweck der Schaffung von Arbeiterwohnstätten aufgegeben worden und es sei die Steuerschuld gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG nachträglich entstanden. Die Begünstigung gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG könne für den gegenständlichen Erwerbsvorgang nicht zum Zuge kommen, da diese nur anwendbar sei, wenn das Grundstück vor Ablauf von acht Jahren von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum veräußert worden sei und noch innerhalb dieses Zeitraumes auf dem Grundstück Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet würden. Ein Auflösungsvertrag zu einem noch nicht verbücherten Kaufvertrag stelle jedoch keinen Erwerbsvorgang, also kein Veräußerungsgeschäft dar. Darüber hinaus könne die N AG auf Grund ihrer Satzungen nicht als Vereinigung mit der statutengemäßen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum angesehen werden, da die Schaffung von Wohnungseigentum nicht ihre Hauptaufgabe sei.

Gegen diese beiden Bescheide erhob die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin Berufung und führte darin im wesentlichen aus, der rückgängig gemachte Erwerbsvorgang sei rechtzeitig bei dem zur Einbringung der Anzeige örtlich zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuer in Wien angezeigt worden; die Weiterleitung an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz sei im Sinne des § 50 BAO nicht ohne unnötigen Aufschub erfolgt. Die Ablöse für Architekturleistungen stelle keine Gegenleistung für die Liegenschaft dar. Auch sei die Herausgabe eines vorläufigen Bescheides nach § 200 BAO mangels Vorliegens der diesbezüglichen Voraussetzungen unzulässig. Schließlich habe die N AG das Erfordernis der zweckgerichteten Statuten erfüllt.

Nach Erhebung dieser Berufungserklärte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz mit Bescheid vom 7. Februar 1978 den vorläufigen Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Juni 1977 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig.

Mit den beiden nunmehr angefochtenen, abermals getrennt ausgefertigten Bescheiden vom 24. Juli 1980 wies die belangte Behörde die Berufung - welche gemäß dem § 274 Abs. 1 letzter Satz BAO als gegen den endgültigen Bescheid gerichtet galt, - gegen die beiden Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz als unbegründet ab. Ihre Berufungsentscheidung betreffend den Antrag nach § 20 GrEStG begründete sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmungen der §§ 20 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 6 sowie 18 Abs. 1 GrEStG im wesentlichen damit, nach der Bestimmung des § 3 Abs. 2 AVOG könnten Abgabenerklärungen gemäß § 18 GrEStG grundsätzlich nur bei dem nach § 64 Abs. 1 BAO für die Erhebung der Grunderwerbsteuer örtlich zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern erstattet werden. Die Vorlage der Abgabenerklärung nach § 18 GrEStG an ein unzuständiges Finanzamt habe für die im § 20 Abs. 1 bis 4 GrEStG vorgesehenen Begünstigungen nur dann keine Rechtsfolgen, wenn die Abgabenerklärung noch vor Ablauf der im § 18 Abs. 1 GrEStG normierten Frist von zwei Wochen dem örtlich zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern zukomme, wobei die Weiterleitung in Ansehung, der Bestimmung des § 50 Abs. 1 BAO auf Gefahr des Einschreiters erfolge. Da die Abgabenerklärung für den Erwerbsvorgang vom 21. November 1973 erst am 7. Jänner 1974 beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz eingelangt sei, sei der im § 18 Abs. 1 GrEStG normierten Frist von zwei Wochen zur Vorlage der Abgabenerklärung nicht entsprochen worden. Sohin sei die Anzeige im Sinne des § 20 Abs. 6 GrEStG nicht rechtzeitig erfolgt.

In der Begründung ihrer Berufungsentscheidung hinsichtlich der Festsetzung der Grunderwerbsteuer führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, beim Verkauf von unbebauten Grundstücken mit einer Baubewilligung bestünden meistens nur die Einreichpläne. Da die Erstellung der Ausführungs- und Detailpläne verhältnismäßig hohe Kosten verursache, würde diese Leistungen auf den Erwerber überwälzt, d. h., daß jener in den Architektenvertrag des Verkäufers eintreten müsse und daher auch die Verpflichtung zur Zahlung des Architektenhonorars übernehme. Wenn bereits im Zeitpunkt des Erwerbsvorganges die Verpflichtung des Verkäufers zur Entrichtung der Kosten der Planverfassung ebenso wie des Architektenhonorars bestanden habe - wie dies auf Grund des von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin vorgelegten Architektenvertrages und der einzelnen Vorhaltsbeantwortungen ersichtlich sei - so seien diese Kosten bei vertraglicher Übernahme durch den Käufer als Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG zu betrachten. Dem Berufungspunkt betreffend die Unzulässigkeit des vorläufigen Bescheides sei durch die Erlassung des endgültigen Bescheides vom 7. Februar 1978 entsprochen worden. Dem Berufungseinwand, daß die "N AG" als Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum anzusehen sei, könne beigepflichtet werden. Da jedoch auf Grund des Aufhebungsvertrages vom 15. Juli 1975 wiederum die "N" (richtig: "W") Ges.m.H. & Co KG Eigentümerin der Liegenschaft geworden sei und diese mit Kaufvertrag vom 15. Juli 1975 an die W gem. reg. Gen. m.bH. weiterveräußert habe, könne die Begünstigung gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. nicht Platz greifen, da die "W" Ges. m.b.H. & Co KG keine Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum sei.

Dagegen richten sich die beiden vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichthof einerseits in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG, andererseits in ihrem Recht auf Ausnahme von der Besteuerung gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG, auf Durchführung eines den maßgebenden Sachverhalt feststellenden Ermittlungsverfahrens und auf Berechnung der Grunderwerbsteuer nach § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG verletzt. Sie beantragt die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 165 den zweitgenannten Bescheid in eventu auch gemäß § 42 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres engen sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und nach Durchführung der von der Beschwerdeführerin verlangten Verhandlung erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG wird die Steuer auf Antrag unter anderem nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird. Der Abs. 6 dieser Gesetzesstelle bestimmt, daß die Vorschriften der Abs. 1 bis 4 nur gelten, wenn beim rückgängig gemachten Erwerbsvorgang oder bei dem dem Rückerwerb vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuerschuldner ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht rechtzeitig nachgekommen sind.

Der Erfüllung der Offenlegungspflicht dienen nach § 119 Abs. 2 BAO insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für die Festsetzung der Abgaben bilden. Für den Bereich der Grunderwerbsteuer ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 18 Abs. 1 GrEStG maßgeblich, wonach über Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, binnen zwei Wochen nach Verwirklichung des Erwerbsvorganges dem Finanzamt eine Abgabenerklärung vorzulegen ist. Da nach der Bestimmung des § 3 Abs. 2 AVOG Abgabenerklärungen gemäß § 18 GrEStG grundsätzlich - die dort normierte Ausnahme kommt im Beschwerdefall nicht zum Tragen - bei dem nach § 64 Abs. 1 BAO für die Erhebung der Grunderwerbsteuer örtlich zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern einzureichen sind, so folgt daraus, daß die Abgabenerklärungen nach § 18 GrEStG rechtswirksam nicht bei jedem der im § 7 AVOG genannten sechs Finanzämter für Gebühren und Verkehrsteuern nach Belieben erstattet werden können, sondern nur bei dem örtlich zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern.

Die Vorlage der Abgabenerklärung nach § 18 GrEStG an ein unzuständiges Finanzamt hat für die im § 20 Abs. 1 bis 4 GrEStG vorgesehenen Begünstigungen nur dann keine Rechtsfolgen, wenn die Abgabenerklärung noch vor Ablauf der im § 18 Abs. 1 GrEStG normierten Frist von zwei Wochen dem örtlich zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern zukommt, wobei die Weiterleitung in Ansehung der Bestimmung des § 50 Abs. 1 BAO "auf die Gefahr des Einschreiters" erfolgt. Eine gleichartige Anordnung enthält der § 6 Abs. 1 AVG 1950. Der Wendung "auf Gefahr des Einschreiters" wird nun im Schrifttum und in der Rechtsprechung die Bedeutung beigemessen, daß derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen zu tragen hat, wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht zu Weiterleitung des Anbringens bzw. Weiterverweisung an die zuständige Stelle auferlegt ist (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1975, Slg. Nr. 4845/F, vom 25. April 1978, Slg. Nr. 5249/F, vom 27. März 1980, Zl. 212/79, vom 13. November 1980, Zl. 2193/79, und vom 17. September 1981, Zl. 81/16/0061; vgl. weiters Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung 1966, Seite 215, Anm. 7; Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 1980, Seite 130 f sowie Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren8, erster Halbband, Seite 159 Anm. 3).

Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, in dieser uneingeschränkten Form verletze diese Ansicht "das Rechtsgefühl des redlich und anständig denkenden Verkehrs". Unter "Gefahr" habe man ganz allgemein den Zufall, der als ein von den Beteiligten nicht zu beeinflussendes, von Dritten verursachtes Ereignis definiert werde, zu verstehen. An dieser Begriffsbestimmung könne auch die Tatsache, daß sich im konkreten Fall keine gleichrangigen Rechtssubjekte gegenüberstünden, nichts ändern. Somit sei auch für den Bereich des § 50 Abs. 1 BAO daran festzuhalten, daß "Gefahrtragung" die Frage regle, in wessen Sphäre sich ein Zufall auswirken solle, wer also das Risiko eines nicht von einem der Beteiligten verursachten Ereignisses trage.

Die Beschwerdeführerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf Koziol-Welser, Grundriß dies bürgerlichen Rechts5, I Seite 181 f (in gleichem Sinne aaO. Seite 270 sowie Bydlinski in Klang, Kommentar zum ABGB2 IV/2, Seite 697). Sie übersieht jedoch, daß sich die Ausführungen der Autoren auf die Gefahrentragung bei Tausch- und Kaufverträgen (§§ 1048 bis 1051 sowie 1064 ABGB) beziehen. Voraussetzung für die dort normierten Regeln über die Gefahrtragung ist in der Tat, daß der Leistungsgegenstand durch ein zufälliges Ereignis betroffen wurde, also durch ein solches, das keiner der Vertragsteile zu vertreten hat. Im Beschwerdefall liegt jedoch ein vergleichbares Vertragsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin als Anzeigepflichtiger gemäß § 18 GrEStG und der Abgabenbehörde nicht vor, weshalb die Regeln des bürgerlichen Rechts über die Gefahrentragung hier keine Anwendung finden können.

Die unter Hinweis auf die Vorschrift des § 108 Abs. 4 BAO, wonach die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden, angestellten Erörterungen der Beschwerdeführerin darüber, ob die Zeit, die die unzuständige Behörde zur Beförderung an die zuständige Behörde ohne unnötigen Aufschub benötige, in die Frist einzurechnen sei, und ob für den tatsächlichen Postenlauf zwischen unzuständiger und zuständiger Behörde hievon wieder eine Ausnahme gelte, sind gegenstandslos, weil die Abgabenerklärung schon vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuer in Wien erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 16 Abs. 1 GrEStG an das zuständige Finanzamt weitergeleitet wurde.

Der Grundsatz von Treu und Glauben schließlich, auf den sich die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Reeger-Stoll (aaO. Anm. 7 zu § 115 BAO), beruft, hat auch nach den Ausführungen dieser Autoren seine Grenze dort, wo die gesetzlichen oder auf der Stufe des Gesetzes stehenden sonstigen Bestimmungen ein besonderes Verhalten, sei es der Behörde, sei es der Partei, fordern. Der sich aus Art. 18 Abs. 2 B-VG ergebende Legalitätsgrundsatz ist sohin stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von "Treu und Glauben".

Die Auffassung der belangten Behörde, wonach auf dem Boden der dargestellten Rechtslage die Voraussetzungen für eine auf den § 20 GrEStG gegründete Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer nicht vorlagen, war sohin nicht rechtswidrig (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. März 1980, Zl. 212/79). Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24. Juli 1980, Zl. B 23/16-6/80, war daher gemäß dem § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Da diese Abweisung des Antrages auf Nichtfestsetzung der Steuer gemäß dem § 20 GrEStG, die sich lediglich auf die nicht gesetzmäßige Erstattung der Abgabenerklärung gründet, jedoch noch nicht über die materiellrechtliche Frage der besonderen Ausnahme von der Besteuerung nach dem § 4 GrEStG abspricht, ist nunmehr die Rechtsmäßigkeit des zweitangefochtenen Bescheides zu prüfen.

Gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG unterliegen die im Abs. 1 Z. 1 lit. a, Z. 2 lit. a, Z. 3 lit. a, Z. 4 lit b und Z. 4 lit. a und b bezeichneten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist. Nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle unterliegen die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 und Z. 4 bezeichneten Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird. Als lex specialis (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1981, Zl. 16/0125/80) bestimmt hiezu der erst durch die GrEStG Novelle 1962, BGBl. Nr. 225, eingefügte zweite Satz dieser Gesetzesstelle, daß ein Grundstück auch dann von einem gemeinnützigen Bauträger zu dem Zweck des Absatz 1 Z. 1 lit. a oder von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum zu dem Zweck des Abs. 1 Z. 2 lit. a als verwendet gilt, wenn es vom Bauträger oder von der Vereinigung vor Ablauf von acht Jahren veräußert wurde und noch innerhalb dieses Zeitraumes auf dem Grundstück Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet werden.

Daß es sich bei der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin um eine Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum handelte, gesteht die belangte Behörde in der Begründung des bekämpften Bescheides selbst zu. Durch die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges laut Vereinbarung vom 15. Juli 1975 hatte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, wie letztere in ihrer Beschwerde selbst erkennt, jedoch den begünstigten Zweck im Sinne des § 4 Abs. 2 dritter Satz aufgegeben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. April 1972, Slg. Nr. 4375/F, und vom 21. Mai 1976, Slg. Nr. 4979/F, sowie Czurda, Kommentar zum GrEStG, II. Band, Stand Jänner 1979, Tz. 123 a zu § 20), was grundsätzlich eine Nachversteuerung des Erwerbsvorganges gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz GrEStG zur Folge haben müßte.

Zur Anwendung der Befreiungsbestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. genügt jedoch die Absicht, auf dem erworbenen Grundstück eine Arbeiterwohnstätte zu errichten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. November 1968, Slg. Nr. 3813/F, und vom 30. April 1981, Zl. 16/1120/80). Ist also für einen Erwerbsvorgang die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. in Anspruch genommen worden und steht nicht von vorherein fest, daß die Erfüllung des begünstigten Zweckes nicht beabsichtigt war, dann entsteht die Steuerschuld für diesen Erwerbsvorgang erst dann, wenn der begünstigte Zweck aufgegeben wird oder wenn seit dem Erwerbsvorgang acht Jahre verstrichen sind, ohne daß das Grundstück für den begünstigten Zweck verwendet worden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. September 1966, Slg. Nr. 3496/F, vom 9. Februar 1967, Slg. Nr. 3567/F, und vom 14. Dezember 1972, Slg. Nr. 4472/F, sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. April 1981).

Als Verwendung zu dem begünstigten Zweck des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. gilt nach der bezogenen Bestimmung des § 4 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. jedoch auch, wenn das Grundstück von der begünstigten Vereinigung zwar vor Ablauf von acht Jahren veräußert wurde, jedoch noch innerhalb dieses Zeitraumes auf dem Grundstück Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet werden. Der Gesetzgeber hat also die Begünstigung des Arbeiterwohnstättenbaues, die zunächst in der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG enthalten ist, durch Abs. 2 zweiter Satz dieses Paragraphen trotz späterer Veräußerung des Grundstückes für den ersteren Erwerbsvorgang aufrechterhalten, obwohl der Ersterwerber selbst den begünstigten Zweck nicht mehr verwirklichen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 1969, Zlen. 1229, 1230/68, und vom 29. Juni 1972, Slg. Nr. 4408/F). Hiebei kann es keinen Unterschied ausmachen, ob es sich bei der im zweiten Satz der mehrmals erwähnten Gesetzesstelle genannten Veräußerung durch den Ersterwerber um eine Weiterveräußerung an einen Dritten oder um eine Rückveräußerung an den ursprünglichen Verkäufer (bzw. um die Rückgängigmachung des seinerzeitigen Erwerbsvorganges) handelt; denn der Gesetzestext rechtfertigt keine derartige Unterscheidung.

Zutreffend bemerkt hiezu die Beschwerdeführerin in ihrer Erwiderung auf die Rechtsansicht der ersten Instanz, wonach ein Auflösungsvertrag zu einem noch nicht verbücherten Kaufvertrag kein Veräußerungsgeschäft darstelle, daß diese Unterscheidung nur für die Abgrenzung im Bereich des § 20 Abs. 1 und 2 GrEStG relevant ist, es nach dem Zweck der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 2 zweiter Satz jedoch nicht darauf ankommen kann, ob die begünstigte Vereinigung das Grundstück durch einen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Z. 1 oder durch Rückgängigmachung des Kaufvertrages, mit dem sie selbst erworben hat, weitergibt.

Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst zugesteht, ist es auch ohne Bedeutung, von wem im Falle des § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG der begünstigte Zweck innerhalb der Achtjahresfrist letztlich erfüllt wird. Da das Gesetz (arg.: " ...

und ... Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten im

Wohnungseigentum errichtet werden ...") diesbezüglich keinerlei Erfordernisse aufstellt, genügt es, wenn innerhalb des achtjährigen Zeitraumes (gerechnet vom Zeitpunkt des Erwerbes durch die Vereinigung) auf dem Grundstück Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum von wem immer errichtet werden (vgl. Dorazil-Schwärzler, GrEStG2, 1977, Seite 233 f). So hat etwa auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Oktober 1969, Zlen. 1229, 1230/68, in dem Umstand, daß der Zweiterwerber ein Studentenunterstützungsverein, also kein begünstigter Bauträger bzw. keine begünstigte Vereinigung war, keinen Grund gesehen, dem damaligen Ersterwerber die Begünstigung des § 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG zu versagen.

Dem steht auch nicht das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1969, Slg. Nr. 3930/F, entgegen. Kern dieses Erkenntnisses ist die Aussage, daß sowohl die Kleinwohnungen als auch die Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet werden müssen, um dem Ersterwerber die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG zu wahren. Wenn es dort abschließend heißt, wesentlich erscheine also, daß die Abgabenbegünstigungen gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a und Z. 2 lit. a GrEStG für einen gemeinnützigen Bauträger oder eine Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum aufrecht bleiben sollten, wenn auf dem von einem solchen Bauträger zu dem in den genannten Rechtsvorschriften genannten Zweck erworbenen Grundstücke nach seiner Veräußerung durch den Ersterwerber noch innerhalb der achtjährigen Frist von einem gemeinnützigen Bauträger oder von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten - beide im Wohnungseigentum - errichtet würden, so sollte damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, nur bei späterer Errichtung der Kleinwohnungen bzw. Arbeiterwohnstätten abermals durch einen begünstigten Bauträger bzw. eine begünstigte Vereinigung komme diese Befreiungsbestimmung zum Tragen. Entsprechendes gilt in bezug auf das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1976, Zl. 2215/74.

Folgerichtig muß es daher auch ohne rechtliche Bedeutung sein, ob der Bau vom Zweiterwerber (bzw. wie hier vom ursprünglichen Verkäufer, an den die Liegenschaft rückübertragen wurde) oder von einem Dritten, der das Grundstück in weiterer Folge erworben hat, errichtet wird. Denn das Gesetz bringt auch keineswegs - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift offenbar vermeint - zum Ausdruck, die Kleinwohnungen bzw. Arbeiterwohnstätten müßten vom Zweiterwerber, also von demjenigen, an den der Ersterwerber das Grundstück veräußerte, errichtet werden. Ebensowenig kommt es entgegen der Ansicht der belangten Behörde darauf an, ob der Errichtende eine Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum ist oder nicht.

Faßt man das Gesagte zusammen, so ergibt sich, daß - zumal keineswegs feststeht, die Erfüllung des begünstigten Zweckes sei von vornherein nicht beabsichtigt gewesen - die Steuerschuld im Beschwerdefall erst dann entstehen kann, wenn seit dem ersten Erwerbsvorgang acht Jahre verstrichen sind, ohne daß auf dem in Rede stehenden Grundstück von wem immer Kleinwohnungen oder Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet wurden. Diese Frist endet jedoch, wie die Beschwerdeführerin zutreffend betont, erst am 21. November 1981, war also bei Erlassung des bekämpften Abgabenbescheides zweiter Instanz noch keineswegs abgelaufen. Die Steuerfestsetzung erfolgte daher schon aus diesem Grunde zu Unrecht, ohne daß es darauf ankam, ob die W-genossenschaft gem. reg. Gen. m.b.H., wie die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 27. März 1980, OZl. 57/182 f. des Verwaltungsaktes, behauptete, bereits zu diesem Zeitpunkt auf der gegenständlichen Liegenschaft. Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet hatte.

Da die belangte Behörde die Rechtslage im aufgezeigten Sinne verkannte, belastete sie den Bescheid betreffend die Festsetzung der Grunderwerbsteuer mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. insbesondere auf dessen Art. III Abs. 2. Die Dauer des Aufenthaltes der Vertreterin der belangten Behörde am Sitz des Verwaltungsgerichtshofes einschließlich der Dauer der Reise überstieg nicht 24 Stunden. Stempelgebühren waren nur im gesetzlichen Ausmaß zuzuerkennen.

Soweit in diesem Erkenntnis auf unveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wird, sei an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 5. November 1981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1980002814.X00

Im RIS seit

24.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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