TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/23 98/18/0132

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Veröffentlicht am 23.07.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7;
AsylG 1997 §6;
AVG §38;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/18/0133

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerden des S S in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Ulla Reisch, Rechtsanwalt, als Verfahrenshelferin, diese vertreten durch Dr. Bernhard Schatz, Rechtsanwalt in Mödling,

Neusiedler Straße 52/24, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien je vom 16. Jänner 1998, jeweils Zl. SD 809/97, betreffend Ausweisung (hg. Zl. 98/18/0133) und Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz (hg. Zl. 98/18/0132), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Jänner 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 30. September 1996 von Slowenien kommend illegal über die "grüne Grenze" in das Bundesgebiet eingereist und habe am 3. Oktober 1996 einen Asylantrag gestellt, welcher mit dem am 10. Dezember 1997 erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei somit nicht rechtmäßig. Die Ausweisung sei gemäß § 33 Abs. 1 FrG gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

Soweit man im Hinblick auf den etwas mehr als einjährigen - illegalen - inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers einen Eingriff in dessen Privatleben annehme, sei dieser zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten und daher im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

1.2. Mit dem im Instanzenzug ergangen weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 1998 wurde gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Indien gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag damit begründet, daß er in seiner Heimat als Mitglied der von der Regierung verbotenen "Arbeiterbewegung der Sikh" politisch verfolgt würde und deswegen mehrere Male festgenommen und mißhandelt worden wäre. Im Fall seiner Rückkehr hätte er zu gewärtigen, festgenommen, gefoltert und getötet zu werden. In einem Gerichtsverfahren hätte er keine Chance, den gegen ihn erhobenen Vorwürfen entgegenzutreten. In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, sich an die genauen Daten der Festnahmen und Mißhandlungen nicht erinnern zu können, weil diese in das Jahr 1993 zurückreichten. Er hätte von seinen Eltern erfahren, daß die Polizei "alle zwei Tage erscheine und nach ihm suche".

Diesen Ausführungen könne - ebenso wie im Asylverfahren - kein Glaube geschenkt werden. Es widerspreche der Lebenserfahrung, daß sich jemand an derart einschneidende Erlebnisse, wie sie mehrmalige Verhaftungen und körperliche Mißhandlungen darstellten, nur so wenig erinnern könne, daß er weder den ungefähren Zeitpunkt noch irgendwelche Einzelheiten nennen könne. Überdies habe der Beschwerdeführer seine Heimat - erst Jahre nach den behaupteten Verhaftungen - ohne Probleme mit einem nationalen indischen Reisepaß über den Flughafen New Delhi verlassen. Im Fall seiner polizeilichen Verfolgung hätte der Beschwerdeführer sein Land nicht auf diese Weise problemlos verlassen können. Der Beschwerdeführer habe sich übrigens offenbar in der Hoffnung, daß ihm - trotz der angeblichen Verfolgung - ein neuer Reisepaß ausgestellt werde, in Wien an die indische Botschaft gewandt.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem jeweiligen Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über sie wie folgt erwogen:

1. Zur Beschwerde gegen den Ausweisungsbescheid:

1.1. Da der Beschwerdeführer unbestritten - nicht direkt aus dem Staat, in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen (Indien) - illegal über die "grüne Grenze" nach Österreich eingereist ist und nicht vorbringt, seine Zurückweisung nach Slowenien wäre - bei Einreise über eine Grenzkontrollstelle - unzulässig gewesen, kam ihm während des Asylverfahrens keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 iVm § 6 Asylgesetz 1991 zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. März 1998, Zl. 96/18/0590). Die in der Beschwerde nicht bekämpfte Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer von Anfang an unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, begegnet daher keinen Bedenken.

1.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, der meint, die belangte Behörde hätte ihr Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die gegen den abweisenden Asylbescheid einzubringende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aussetzen müssen, kann von einer Präjudizialität der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine gegen den abweisenden Asylbescheid erhobene Beschwerde im Sinn einer notwendigen (unabdingbaren) Grundlage für die Entscheidung im Ausweisungsverfahren keine Rede sein, ist doch die zur Entscheidung über die Ausweisung berufene Fremdenbehörde sachlich zuständig zu prüfen, ob im Zeitpunkt ihrer Entscheidung der hiefür maßgebliche Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht ist.

1.3. Das Ergebnis der unter der Annahme, daß die Ausweisung mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden sei, vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 FrG begegnet im Hinblick auf die große Gefährdung des aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen durch die Normadressaten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/18/0145) durch den mehr als eineinvierteljährigen, von Beginn an illegalen Aufenthalt des Beschwerdeführers auch dann keinen Bedenken, wenn man zu dessen Gunsten auch die in der Beschwerde vorgebrachte Berufstätigkeit als Zeitungskolporteur berücksichtigt.

1.4. Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, daß er in seiner Heimat verfolgt werde, ist er auf die untenstehenden Ausführungen zu seiner Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid gemäß § 75 Abs. 1 FrG zu verweisen.

1.5. Sein Vorbringen betreffend die Verletzung der Manuduktionspflicht und die mangelnde Qualifikation des Dolmetschers hat der Beschwerdeführer in keiner Weise konkretisiert und daher die Relevanz der damit geltend gemachten Verfahrensmängel nicht dargetan.

2. Zur Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 FrG:

2.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. das Erkenntnis vom 30. April 1998, Zl. 98/18/0120, mwN).

2.2. Die belangte Behörde hat ihre Feststellung über das Nichtbestehen von stichhaltigen Gründen für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung ausschließlich darauf gegründet, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in seiner Heimat als Mitglied der "Arbeiterbewegung der Sikh" mehrere Male festgenommen und mißhandelt worden und werde von den Behörden seines Heimatlandes gesucht, nicht glaubwürdig sei.

Die unter I. 1.2. wiedergegebenen, zu dieser Beweiswürdigung führenden Erwägungen begegnen im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren die Gründe für seine Gefährdung und/oder Bedrohung "nachvollziehbar und glaubwürdig" dargelegt, nichts zu ändern, ermangelt doch dieses Vorbringen jeglicher Konkretisierung. Da die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers bereits aufgrund der dargelegten Erwägungen in unbedenklicher Weise nicht geglaubt hat, bestand für sie keine Veranlassung zu amtswegigen Nachforschungen über die tatsächlichen Verhältnisse in Indien.

2.3. Zu den auch in dieser Beschwerde - wortgleich - erhobenen Verfahrensrügen betreffend die Verletzung der Manuduktionspflicht und die mangelnde Qualifikation des Dolmetschers wird auf die Ausführungen unter II 1.6. verwiesen.

3. Da nach dem Gesagten die behaupteten Rechtsverletzungen durch die angefochtenen Bescheide nicht vorliegen - was bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt -, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998180132.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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