Entscheidungsdatum
18.12.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §69Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl nach dem Erlassen der Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z vom 24.10.2019, Zahl *****, aufgrund des Antrages vom 11.11.2019 von AA, Adresse 1, **** Z auf Vorlage ihrer Beschwerde vom 26.08.2019 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z vom 24.07.2019, Zahl *****,
zu Recht:
1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung insoweit bestätigt.
2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wird insofern Folge gegeben, wonach der den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides ersetzende Spruchpunkt 2. der Beschwerdevorentscheidung ersatzlos behoben wird.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Dem Bauansuchen vom 14.12.2019 ist zu entnehmen, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin folgende Baumaßnahme beantragt hat: „Überdachter geschlossener Unterstand beim Imbisswagen“.
Den angeschlossenen Planunterlagen ist der Unterstand ebenso zu entnehmen, wie der Imbisswagen. Die Linienkontur des Imbisswagens ist auf dem Einreichplan jedoch schwächer ausgebildet, was unterstreicht, dass das Bauansuchen lediglich auf die Errichtung des Unterstandes gerichtet war.
Dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z vom 19.09.2017, Zahl *****, ist einleitend wie folgt zu entnehmen:
„…
AA, A-**** Z, Adresse 1, hat um die Erteilung der baubehördlichen Genehmigung für den Zubau eines geschlossenen Unterstandes zum bestehenden Imbisswagen auf GP. **1, KG. Z angesucht.
Spruch
der Bürgermeister der Marktgemeinde Z entscheidet gemäß § 27 Abs 6 und 7 Tiroler Bauordnung 2017, LGBl Nr 57/2011, i.d.g.F. wie folgt:
Der, von AA, **** Z, Adresse 1, beabsichtigte Zubau eines geschlossenen Unterstandes zum bestehenden Imbisswagen auf der GP. **1, KG. Z, ist bei bescheidgemäßer Ausführung, nach Maßgabe der vorgelegten und gesichteten Pläne, unter Einhaltung der nachstehend angeführten Auflagen und Vorschreibungen aus baupolizeilicher Sicht zulässig und wird daher genehmigt:
…“
Mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 05.03.2019, LVwG-2018/42/0930-3, wurde ua der baupolizeiliche Auftrag im Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z vom 09.02.2018, Zahl *****, der auf Beseitigung des auf dem Gst **1 KG Z konsenslos errichteten Imbisswagens innerhalb von 2 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides gelautet hat, aufgrund der Beschwerde der nunmehrigen Beschwerdeführerin behoben.
In diesem aufhebenden Erkenntnis wurde aufbauend auf die Gutachten des kfz-technischen und hochbautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 04.03.2019 folgender Sachverhalt festgestellt
„Auf dem Gst **1 KG Z steht ein Imbisswagen. Bei diesem Imbisswagen handelt sich um einen standardmäßigen 2-achsigen Anhänger der Marke Humer mit einer Grundfläche von ca 3,0 m x 4,5 m und einer Höhe von ca 2,3 m. Der Imbisswagen ist mit einer Auflaufbremse, Brems- und Schlussleuchten, Blinkleuchten, einer Kennzeichenbeleuchtung sowie dreieckigen Rückstrahlern ausgestattet.
Der Anhänger weist einen Stahlrahmen und einen Aufbau als Verkaufswagen auf, der in dieser Ausstattung so im Handel gekauft werden kann. Im vorderen Bereich befindet sich die Eingangstüre. Die Seitenteile sind mit Verkaufsfenstern versehen. Der Rahmen ist unterstellt mit Holzpflöcken, im hinteren Bereich steht er auf den Abstellfüßen, im vorderen Bereich auf dem Stützrad des Anhängers.
Der Imbisswagen verfügt über einen Stromanschluss mittels Stromkabel und Stecker. Anschlüsse für Abwasserent- und Wasserversorgung sind am Imbisswagen so ausgeführt, dass sie bei Frostgefahr abgeschraubt werden können, um in der kalten Jahreszeit das Einfrieren von Wässern außerhalb der Betriebszeit des Imbisswagens zu verhindern.
Seitlich an den Imbisswagen angrenzend befindet sich ein baubehördlich bewilligter geschlossener Unterstand in Holzbauweise, wodurch Kunden, die vom Imbisswagen aus über die Seitenöffnung bedient werden, vor Witterung geschützt sind.
Eine bauliche Verbindung zwischen Imbisswagen und daran angrenzendem geschlossenen Unterstand in Holzbauweise besteht (ausschließlich) in Form von zwei senkrechten Anpassleisten aus Holz und einer am Dach des Imbisswagens angebrachten Winkelverblechung, die an den Holzunterstand angeschraubt ist. Erstere dienen der Vermeidung von Zugluft im Holzunterstand, zweiteres soll gewährleisten, dass Niederschlagswässer nicht vom Dach des Imbisswagens in den Holzunterstand eindringen können.
Die Verbindung mittels Anpassleisten und Winkelverblechung ist in statischer Hinsicht weder für den Imbisswagen noch für den Holzunterstand erforderlich.
Um den Imbisswagen vom Unterstand in Holzbauweise trennen zu können, sind die vorhin angesprochenen Anpassleisten bzw die Winkelverblechung im Dachbereich durch Lösen der Schrauben zu entfernen. Nach Entfernung der Anpassleisten, der Zu- und Ableitungen und der untergestellten Holzpflöcke lässt sich der Imbisswagen ohne Beschädigung des angrenzenden Holzunterstandes fortbewegen.
Der Imbisswagen kann auch auf längeren Strecken auf öffentlichen Straßen gefahrlos bewegt werden.
…“
Mit der Eingabe vom 22.03.2019 beantragt die nunmehrige Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des Verfahrens ***** betreffend die Baubewilligung für „Zubau eines geschlossenen Unterstandes zum bestehenden Imbisswagen auf der Gp. **1 KG Z“.
Begründend führt die Genannte zusammengefasst aus, dass bei der Baubehörde für die Bewilligung der Errichtung eines geschlossenen Unterstandes bei einem Imbisswagen angesucht wurde. Mit dem Bescheid vom 19.09.2017 sei der Unterstand als Zubau zum bestehenden Imbisswagen bewilligt worden, nachdem der hochbautechnische Amtssachverständige festgestellt habe, dass der Unterstand und der Imbisswagen ein zusammenhängendes Gebäude darstellen und es sich um ein fixes Bauwerk nach der Tiroler Bauordnung handle. Nach den Begriffsbestimmungen der Tiroler Bauordnung sei ein Zubau die Vergrößerung eines Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume. Tatsächlich wäre das gegenständliche Bauvorhaben im Bescheid als Neubau zu bezeichnen gewesen. Die Baubehörde habe sich im Bauverfahren für den Imbisswagen zuständig gesehen und die Vorlage eines Indirekteinleitervertrages verlangt. Im Bescheid sei eine Auflage vorhanden, wonach die Verpflichtung für den Kanalanschluss von der Bauwerberin auf den Betreiber des Imbisswagens zu überbinden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Baubehörde übersehen habe, dass auch der Imbisswagen, wenn er unter die TBO fällt, entweder gemeinsam mit dem Unterstand oder vor dessen Genehmigung schon alleinstehend eine Baubewilligung braucht.
In der Folge sei mit dem Bescheid vom 09.02.2018 dem Betreiber des Imbisswagens die Beseitigung des konsenslos errichteten Imbisswagens aufgetragen und die Benützung dieser baulichen Anlage untersagt worden. Mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol LVwG-2018/42/0930-3 sei der Beschwerde der nunmehrigen Beschwerdeführerin Folge gegeben worden und der Abbruchbescheid behoben worden.
In diesem Verfahren sei unter Beiziehung eines kraftfahrtechnischen und eines hochbautechnischen Amtssachverständigen festgestellt worden, dass der Imbisswagen ein Fahrzeug sei und keine bauliche Anlage im Sinn des § 2 Abs 1 TBO 2018. Er stellt kein dem Regime Tiroler Bauordnung 2018 unterliegendes Gebäude dar.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol habe als übergeordnete Instanz die Vorfrage, nämlich ob der Imbissstand mit dem Unterstand ein gemeinsames, unter die Tiroler Bauordnung fallendes Gebäude darstellt, nachträglich wesentlich anders entschieden.
Da der Imbissstand kein Gebäude darstelle, der unter die Tiroler Bauordnung fällt, hätte die Baubehörde die Baubewilligung für den Unterstand nicht als Zubau zum bestehenden Imbisswagen sondern eine Baubewilligung, wie von der Beschwerdeführerin beantragt und den Plänen entsprechend dargestellt, für die Aufstellung eines überdachten, geschlossenen Unterstandes beim Imbisswagen aus Neubau zu erteilen gehabt.
Des Weiteren führt die Beschwerdeführerin aus, dass das bewilligte Bauvorhaben tatsächlich undurchführbar sei, da ein Zubau nur bei einem bestehenden Gebäude errichtet werden könne, nicht jedoch zu einem Fahrzeug, dass jederzeit weggefahren werden kann. Es gäbe auch keine Pläne, in denen, nach den Kriterien der Planunterlagenverordnung ein Bestand und ein Zubau dargestellt ist, die als Grundlage für den Bescheid geeignet wären. Die Planunterlagen aus dem Bauansuchen stellen den Unterstand als eigenständiges Gebäude und als Neubau dar. Der Baubescheid könne daher jederzeit von Amts wegen durch die Gemeindeaufsicht des Landes oder den Gemeindevorstand der Marktgemeinde Z als nichtig erklärt werden.
Unter der Voraussetzung der Wiederaufnahme des Verfahrens ändert die Beschwerdeführerin das Bauansuchen dahingehend ab, wonach um die Erteilung der befristeten Bewilligung nach § 53 TBO 2018 bei sonst gleichbleibendem Projekt und Verwendungszweck für einen Zeitraum von 5 Jahren beantragt wird. Sollte das als Abänderung nicht möglich sein, zieht die Genannte ihr Bauansuchen zurück und kündigte, bei Wiederaufnahme des Verfahrens, die unverzügliche Einbringung eines geänderten Bauansuchens an.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.07.2019, Zahl *****, weist die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Des Weiteren weist die Behörde den Antrag auf Erteilung einer befristeten Baubewilligung nach § 53 TBO 2018 für den geschlossenen Unterstand bei bestehenden Imbisswagen ab.
Dagegen hat die Wiederaufnahmebewerberin zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben. Sie führt aus, dass im Baubescheid vom 19.09.2017, abweichend vom Bauansuchen, der gegenständliche Unterstand nicht als eigenständiger Neubau sondern als Zubau zum bestehenden Lastwagen genehmigt worden sei. In der Begründung berufe sich die Baubehörde auf die Stellungnahme des hochbautechnischen Sachverständigen, in der dieser feststelle, dass der Unterstand und der Imbisswagen zusammen ein Gebäude darstellen. Es handle sich nicht mehr um einen mobilen Imbissstand, sondern um ein fixes Bauwerk, welches den Bestimmungen der TBO 2011 unterliege.
Mit dem Bescheid vom 07.11.2017, Zahl *****, sei mit dem Verweis auf den bewilligten Zubau eines geschlossenen Unterstandes zum bestehenden Imbisswagen der Erschließungsbeitrag nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz vorgeschrieben worden. Ihre Beschwerde sei mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 04.03.2019, LVwG-2018/29/1521-16, abgewiesen worden.
Mit dem Bescheid vom 09.02.2018, Zahl *****, sei dem Betreiber des Imbisswagens die Beseitigung des konsenslos errichteten Bestandes aufgetragen und die Benützung dieser baulichen Anlage untersagt worden.
Als betroffene Eigentümerin habe sie Beschwerde erhoben und sei der Abbruchbescheid mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 05.03.2019, LVwG-2018/42/0930-3 vom 05.03.2019 behoben worden. Begründend habe das Landesverwaltungsgericht festgehalten, dass der Imbisswagen ein Fahrzeug, welches nicht der Tiroler Bauordnung unterliegt, und kein unter das Regime der Bauordnung fallendes Gebäude sei.
Deshalb habe sie am 22.03.2019 einen Wiederaufnahmeantrag für das Bauverfahren gestellt.
Der Bescheid werde in seinem gesamten Umfang angefochten.
Das Erkenntnis vom 05.03.2019 zum Abbruchbescheid, auf das sich der Wiederaufnahmeantrag beziehe, führe die Behörde im bekämpften Bescheid nur mit Datum Geschäftszeichen an. Inhaltlich zitiere die Baubehörde dann anderes Erkenntnis, nämlich jenes des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 04.03.2019, das nicht in Abbruchbescheid nach der TBO, sondern den Erschließungsbeitrag nach den TVAG betreffe.
In dieser Beschwerde habe sie aufgezeigt, dass, wenn eine Erschließungsbeitrag für einen Zubau vorgeschrieben wird, auch ein Bescheid vorhanden sein müsse und dessen Baumasse zu berücksichtigen sei. Im Beschwerdeverfahren sei jedoch der Sachverständige nur zur Berechnung der „Kubatur des Imbissunterstandes“ herangezogen worden. Aus dem Erkenntnis vom 04.03.2019 sei daher nichts Relevantes für den Wiederaufnahmeantrag zu gewinnen.
Die belangte Behörde gehe in der Begründung der Ablehnung des Wiederaufnahmeantrages überhaupt nicht auf den Inhalt des von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnisses vom 05.03.2019 zum Abbruchbescheid und der darin enthaltenen gutachterlichen Stellungnahmen ein. Die Baubehörde vertrete im Baubewilligungsbescheid vom 19.09.2017 nach Befassung des hochbautechnischen Sachverständigen die Meinung, dass der Unterstand nicht getrennt von Imbissstand gesehen werden könne. Beide zusammen würden ein Gebäude darstellen. Die Baubehörde habe im Bauverfahren zum Unterstand den Imbisswagen als bestehendes Gebäude nach der TBO 2011 beurteilt. Da für dieses Gebäude keine Baubewilligung vorgelegen sei, wurde in der Folge ein Abbruchbescheid erlassen. Das Beschwerdeverfahren zum Abbruchbescheid habe dann ergeben, dass der Imbisswagen ein Fahrzeug sei und als solches nicht den Bestimmungen der TBO unterliegt.
Die gutachterlichen Stellungnahme des hochbautechnischen Amtssachverständigen und des kfz-technischen Sachverständigen konnten von der Beschwerdeführerin im Bauverfahren nicht als Beweismittel geltend gemacht werden, weil sie damals noch nicht vorgelegen seien. Sie seien jedoch wesentlich ausführlicher begründet und dokumentiert als die Stellungnahme des Sachverständigen im Bauverfahren.
Die Beurteilung des Imbisswagens im Bauverfahren als „unter die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung fallend“ ist zwar keine Vorfrage nach § 38 AVG, habe sich aber als nicht zutreffend herausgestellt.
In Kenntnis der im Beschwerdeverfahren zum Abbruchbescheid neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel hätte die Baubehörde den Imbisswagen voraussichtlich nicht als Gebäude beurteilt den Unterstand im Spruch des Baubescheides nicht als Zubau sondern als eigenständiges Gebäude und Neubau bewilligt.
Es würden daher die Voraussetzungen nach § 69 Abs 1 Z 2 AVG für die Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen.
Weiters führt die Beschwerdeführerin aus, dass die Baubehörde in der Ablehnung des Wiederaufnahmeantrages behaupte, den Begriff Zubau im Baubescheid anders verwendet zu haben als er in § 2 Abs 8 TBO 2011 bestimmt sei. Da das Gesetz in diesen Zusammenhang verbindlich sei, sei ein Auslegungsspielraum nicht gegeben.
Der Begründung des Bescheides sei nicht zu entnehmen, dass es sich nur um eine Bezeichnung des Bauvorhabens handele und sei der Begriff Zubau von der Beschwerdeführerin weder im Bauansuchen noch in der Baubeschreibung und auch nicht in den Plänen oder sonst im Bauverfahren als Bezeichnung des Bauvorhabens verwendet worden.
Würde man der Ansicht der Baubehörde folgen, wonach der Begriff des Zubaus nur ein Terminus sei, dann wäre der Baubescheid deswegen rechtswidrig, weil der Begriff Zubau widersprüchlich zur gesetzlichen Bestimmung verwendet worden sei. Es wäre dann ein Neubau unter dem Begriff des Zubaus baubewilligt worden, obwohl die Baubehörde einen im Zusammenhang mit dem Zubau bewilligungspflichtigen Bestand anführt. Daraus ergäbe sich ein Wiederaufnahmegrund.
Da die Baubehörde im Baubescheid an der Zuständigkeit für den Imbissstand festhält, schaffe sie rechtliche Unsicherheit, was mit der Behebung des Abbruchbescheides nicht aus der Welt geschafft sei.
Im Baubescheid sei eine Auflage (Punkt 6) für den Imbissstand enthalten. Die Baubehörde habe schon als Voraussetzung für die Baubewilligung unverständlicherweise die Vorlage eines Indirekteinleiterverordnung für den Imbisswagen verlangt.
Die Baubewilligung sei Grundlage für weitere Bescheide zum Beispiel Erschließungsbeitrag oder weitere Baubewilligungen. Ein Abbruchbescheid für den Imbisswagen wäre ohne den Baubescheid nicht erlassen worden.
Nicht auszuschließen sei, dass die Baubehörde bei künftigen Zu- und Umbauten neue Sachverständigengutachten einholt, die wieder zu Unklarheiten führen. Es könnte etwa interpretiert werden, der Unterstand sei nur im Zusammenhang mit dem bestehenden Imbisswagen (ob der nun ein Gebäude ist oder nicht) genehmigt. Die Folge wären zumindest Beschwerdeverfahren mit Zeitverzögerungen und Aufwand.
Auch zivilrechtliche Schwierigkeiten bezüglich der Eigentumstrennung zwischen Imbisswagen, Unterstand und Grundstück können wegen des Begriffs Zubau entstehen. Eine unklare Baubewilligung könne künftig zu Verwirrungen bei potentiellen Käufern der Liegenschaft führen und damit dem Wert der Liegenschaft beeinträchtigen.
Es wird daher der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol möge in der Sache selbst entscheiden und den Antrag auf Wiederaufnahme des Bauverfahrens stattgeben.
In der Folge erging die Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Z vom 24.10.2019. In dieser Beschwerdevorentscheidung wurden die im angefochtenen Bescheid vom 24.07.2019 enthaltenen beiden Sprüche wiederholt.
Es erging in der Folge rechtzeitig der Vorlageantrag der Beschwerdeführerin.
Seitens des Landesverwaltungsgerichtes Tirol wurden bei der Marktgemeinde Z wesentliche Bestandteile des Bauaktes zum Unterstand (vgl Baubewilligungsbescheid vom 19.09.2017, Zahl *****), nämlich der Baubescheid, die Planunterlagen, das Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen vom 14.03.2017, die Verhandlungsschrift vom 10.01.2017 und das Bauansuchen vom 14.12.2016 samt Baubeschreibung eingeholt.
II. Beweiswürdigung:
Der oben genannte Verfahrensgang und Sachverhalt kann unzweifelhaft anhand der bezüglich erwähnten Schriftstücke festgestellt werden. Auch wurde Einsicht genommen in den wesentliche Schriftstücke im Bauakt zum Bauansuchen für die Errichtung des Unterstandes (vgl Baubescheid vom 19.09.2017) genommen.
Die Beweisaufnahme erfolgte aufgrund der vorliegenden Urkunden, die auch der Beschwerdeführerin bekannt sind. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung – diese wurde auch nicht beantragt - konnte daher verzichtet werden.
III. Rechtslage:
Tiroler Bauordnung 2018:
„§ 2(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.
(2) Gebäude sind überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.
…
(7) Neubau ist die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn nach dem Abbruch oder der Zerstörung eines Gebäudes Teile davon, wie Fundamente oder Mauern, weiterverwendet werden.
(8) Zubau ist die Vergrößerung eines Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume.
…
„
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
„§ 69
(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.
Im Übrigen wird auf die Internetseite ris.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.
IV. Erwägungen:
Zu Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses:
Die Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 69 AVG kommt in den darin genannten 4 Punkten in Betracht.
Die Voraussetzungen nach § 69 Abs 1 Z 1 und/oder Z 4 AVG werden von der Beschwerdeführerin nicht behauptet und kommen auch nicht in Betracht.
Z 2 leg cit stellt auf neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel ab, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Nach § 69 Abs 1 Z 3 AVG kommt die Wiederaufnahme eines Verfahrens auch dann in Betracht, wenn der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Mit dem hier in Rede stehenden Baubescheid vom 19.09.2017 wurde spruchgemäß der Zubau eines geschlossenen Unterstandes zum bestehenden Imbisswagen nach Maßgabe der vorgelegten gesichteten Pläne unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt.
Dazu ist anzumerken, dass es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektverfahren handelt:
Bewilligungspflichtige Bauvorhaben sind bei der Baubehörde in Form eines Bauansuchens, mithin in Form eines schriftlichen Antrages einzubringen. Mit diesem Bauansuchen wird das Bauverfahren eingeleitet. Die Erteilung einer Baubewilligung stellt einen sogenannten antragsbedürftigen Verwaltungsakt dar. Bei einem antragsbedürftigen Verwaltungsakt steht es der Behörde nicht frei, abweichend von diesem Antrag etwas anderes als das Begehrte zu bewilligen. Es wäre daher der Baubehörde beispielsweise nicht erlaubt, ohne einen derartigen Antrag etwa eine Baubewilligung zu erteilen (vgl die Nachweise bei Schwaighofer, Tiroler Baurecht (2003), § 21 Rz 1).
Über das Bauansuchen ist aufgrund der vorliegenden Baubeschreibung und der angeschlossenen Baupläne und Unterlagen zu entscheiden, insbesondere auch hinsichtlich des beantragten Verwendungszweckes (vgl VwGH 24.03.1983, 81/06/0162; VwGH 02.07.1998, 97/06/0086; VwGH 18.09.2003, 2000/06/0021; uva).
Den mit einem Bauansuchen vorgelegten Plänen kommt somit insofern große Bedeutung zu, als diese - neben der Baubeschreibung - das zu bewilligende Bauvorhaben definieren.
Die Bauwerberin und nunmehrige Beschwerdeführerin hat damals die Baubewilligung für einen überwachten geschlossenen Unterstand beim Imbisswagen unter der Beibringung von Planunterlagen beantragt.
Auch wenn die Baubehörde in der Folge dieses Bauvorhaben im Spruch als Zubau tituliert, so wurde trotzdem das von der Bauwerberin beantragte und entsprechend der Baubeschreibung und den Planunterlagen eingereichte Bauvorhaben bewilligt. Grundsätzlich unberührt vom Spruch dieser Baubewilligung bleibt der Imbisswagen, da dieser nicht vom Bauansuchen umfasst ist und sohin nicht antragsgegenständlich war.
Gegenständlich besteht ein Imbisswagen sowie der hier in Rede stehende Unterstand.
Die Frage, ob der Imbisswagen im Zusammenhang mit dem Unterstand eine bauliche Anlage bildet, hat die Baubehörde mit dem hier in Rede stehenden Baubescheid vom 19.09.2017 insofern beantwortet, wonach sie unabhängig vom Vorliegen einer Baubewilligung für den Imbissstand den Unterstand bewilligt hat. Insofern steht fest, dass trotz der in der Begründung des Bescheides erwähnten Einheit von Imbisswagen und Unterstand (infolge der Beurteilung durch den hochbautechnischen Amtssachverständigen) die Baubehörde spruchgemäß nicht von einer baulichen Anlage ausgegangen ist, da der Unterstand ja bewilligt wurde. Würde dem Spruch des hier in Rede stehenden Bescheides eine bauliche Anlage zugrunde liegen, so wäre es der Baubehörde nicht möglich gewesen, den Unterstand baurechtlich zu bewilligen. Es wäre der Bauwerberin die Möglichkeit einzuräumen gewesen, das Bauansuchen auf den Imbissstand auszuweiten oder wäre das Bauansuchen durch die Baubehörde, sofern eine entsprechende Antragsänderung seitens der Bauwerberin nicht erfolgt wäre, abzuweisen, allenfalls zurückzuweisen gewesen. Eine Abweisung (Zurückweisung) ist jedoch nicht erfolgt, sondern wurde der Unterstand bewilligt.
Im Ergebnis steht daher fest, dass mit dem Baubescheid vom 19.09.2017 lediglich das von der Bauwerberin beantragte Bauvorhaben bewilligt wurde.
Soweit in dieser Baubewilligung auf den Imbissstand abgestellt wurde (vgl Auflagen Punkt 6 des Baubescheides), wäre von der Bauwerberin unabhängig von der Rechtsauffassung der belangten Behörde, ob der Imbissstand samt Unterstand eine bauliche Anlage bildet oder nicht, jedenfalls der Rechtsweg zu beschreiten gewesen, da der Imbissstand antragsgemäß nicht Gegenstand des Bauansuchens war.
Es liegt sohin schon aus diesen Gründen weder ein Fall des § 69 Abs 1 Z 2 noch ein Fall nach Z 3 leg cit vor.
Abschließend ist wie folgt anzumerken:
Der Imbisswagen wurde - wie aufgezeigt - von der Baubehörde spruchgemäß nicht zusammen mit dem gegenständlichen Unterstand als eine als bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs 1 TBO 2018 qualifiziert.
Diese Beurteilung deckt sich mit den Sachverhaltsfeststellungen im Verfahren LVwG-2017/32/0767. Auch im Verfahren LVwG-2018/42/0930 wurde davon ausgegangen, dass keine bauliche Einheit von Imbissstand und Unterstand vorliegt.
Es ist jedoch weiterhin möglich, durch allenfalls auch nur geringfügige Maßnahmen eine dauerhafte Verbindung zwischen dem Imbisswagen und dem Unterstand so zu schaffen, dass der Imbissstand nicht mehr als mobile Anlage zu betrachtet ist, sondern in Einheit mit dem Unterstand eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs 1 TBO 2018 bildet, die als Gesamtes dem Regime der Tiroler Bauordnung unterliegt.
Zu Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses:
Mit der gegenständlichen Beschwerde wird der Bescheid vollumfänglich, sohin auch hinsichtlich seines Spruchpunkt 2. angefochten.
Unter der Voraussetzung der Wiederaufnahme des Verfahrens ändert die Beschwerdeführerin das Bauansuchen dahingehend ab, wonach um die Erteilung der befristeten Bewilligung nach § 53 TBO 2018 bei sonst gleichbleibendem Projekt und Verwendungszweck für einen Zeitraum von 5 Jahren beantragt wird.
Im Allgemeinen sind bedingte Prozesshandlungen unzulässig (vgl VwGH 25.11.1997, 96/04/0238). Aber selbst wenn man hier eine zulässige bedingte Prozesshandlungen darin erkennen, dass die Änderung des Bauansuchens auf die Beantragung einer befristeten Baubewilligung nach § 53 TBO 2018 durch die Bauwerberin erfolgt, war und ist die Baubehörde zur Entscheidung über diesen Antrag mangels Eintreten der Bedingung nicht zuständig.
Der Spruchpunkt war daher ersatzlos zu beheben, da mangels Eintritt der Bedingung ein Antrag nicht vorliegt.
Erwähnt wird, dass mit der ersatzlosen Behebung des Spruchpunkt 2. der Beschwerdevorentscheidung im Ergebnis auch der Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben ist, da dieser Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides bereits durch den Spruchpunkt 2. der Beschwerdevorentscheidung ersetzt war.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Ing. Mag. Peinstingl
(Richter)
Schlagworte
Auslegung des Spruches; kein WiederaufnahmegrundEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.32.2464.2Zuletzt aktualisiert am
20.02.2020