TE Bvwg Beschluss 2019/11/13 G307 2224914-1

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Entscheidungsdatum

13.11.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

G307 2224914-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Mazedonien, vertreten durch Dr. Rudolf MAYER in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.10.2019, Zahl XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid

a u f g e h o b e n und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

z u r ü c k v e r w i e s e n .

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA), forderte den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) mit Schreiben vom 19.06.2019 im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (VEB) auf, zur in Aussicht genommenen Erlassung einer Rückkehrentscheidung wie eines Einreiseverbotes binnen 10 Tagen ab deren Zustellung Stellung zu nehmen und sich zu seinen persönlichen wie finanhziellen Verhältnissen zu äußern.

Hierauf antwortete der BF durch den im Spruch angeführten Rechtsvertreter (RV) mit Sschriftstatz vom 28.06.2019.

Am 09.09.2019 übermittelte die fremden- und grenzpolizeiliche Abteilung der Landespolizeidirektion Niederösterreich dem BFA einen Bericht in Bezug auf den Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe betreffend den BF und seine Frau XXXX.

2. Mit oben im Spruch genanntem Bescheid des BFA, dem RV des BF zugestellt am 03.10.2019, wurde gegen diesen ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt, (Spruchpunkt I.), dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie der Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

3. Mit Schriftsatz vom 28.10.2019, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch seinen RV Beschwerde gegen den zuvor genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurden beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu das verhängte Einreiseverbot (gemeint wohl: Aufenthaltsverbot) in der Dauer von 5 Jahren aufzuheben bzw. deutlich herabzusetzen in eventu die Sache zur neuerlichen Erledigung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG am 29.10.2019 vom BFA vorgelegt und sind dort am 30.10.2019 eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 2013/10 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 2013/33 i. d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar. 3.2. Zur Zurückverweisung:

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG). Der VwGH hat nun zusammengefasst in ständiger Rechtsprechung betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des für die Entscheidung jeweils maßgebenden Sachverhaltes durch das Bundesasylamt als Asylbehörde erster und nunmehr auch letzter administrativbehördlicher Instanz durchzuführen ist.

Eine Zurückweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

3.2.2. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als mangelhaft:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA VG lautet wie folgt:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

3.2.3. Das Bundesamt spricht von mehreren Aliasidentitäten im Hinblick auf die Person des BF, lässt jedoch einerseits vermissen, unter welchem Namen er wann und wo im Bundesgebiet gemeldet war. In gleicher Weise beleuchtet die belangte Behörde nicht, zu welcher Identität dem BF welche Vorstrafe zur Last liegt. Ebenso ist dem Bescheid nicht zu entnehmen, wofür der BF in der Vergangenheit verurteilt, welche Art von Strafe verhängt wurde und - sollte es sich um Freiheitsstrafen gehandelt haben - für wie lange diese ausgesprochen wurden. Ferner ist nicht erkennbar, wie viele Vorstrafen der BF zu Buche stehen hat.

Des Weiteren traf das BFA keine konkreten Feststellungen zum vermeintlichen Bestand einer Aufenthaltsehe. Obwohl ihm ein sehr ausführlicher Bericht der LPD XXXX zur Verfügung stand, band sie die dessen wesentlichen Inhalt weder in deren Feststellungen noch sonst in die Bescheidbegründung ein.

Auf Seite 5 des Bescheides hebt die Behörde hervor, in der Schweiz bestünde gegen den BF seit XXXX.2017 ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Schengenraum. Hiebei bleibt jedoch offen, ob dieses noch gültig ist, und wenn ja, wie lange. Davon hängt es nämlich (auch) ab, ob der Aufenthalt des BF schon von Beginn an rechtswidrig und ihm somit eine Einreise versagt war. Zum Anderen wäre dessen Bestand auch bei der Dauer des vom Bundesamt verhängten Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen gewesen.

Wirft man einen Blick auf Seite 6 des Bescheides, so geht die belangte Behörde unter dem Punkt "Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben" einerseits davon aus, dass im Fall des BF unbestritten eine soziale, aber auch familiäre Bindung im Bundesgebiet vorliege, um in einem Atemzug festzuhalten, die LPD XXXX komme gegenständlich zur Feststellung, es läge eine Aufenthaltsehe iSd § 117 FPG vor, weshalb ein aufrechtes gemeinsames Familienleben nicht feststellbar sei. Dabei handelt es sich um eine offenkundige Aktenwidrigkeit, welche die Behörde in der Folge nicht aufgelöst hat.

Das Bundesamt missachtete - obwohl im Bescheid ausdrücklich hervorgehoben (Bescheid Seite 5 oben) - zudem, dass dem BF Strafaufschub bis zum XXXX.2021 erteilt wurde. Dabei hätte sie jedoch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) in seine Betrachtung miteinbinden müssen. Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 31.03.2000, Zahl 99/18/0419 hervorgehoben, dass die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 39 Abs. 2 zweiter Satz FrG mit dem Eintritt seiner Durchsetzbarkeit zu laufen beginne. Nach § 40 Abs. 1 zweiter Satz FrG ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (685 BlgNR 20. GP) wurde mit der letztgenannten - mit dem FrG neu eingeführten - Bestimmung auf den Umstand Bedacht genommen, dass es nicht Angelegenheit der Fremdenpolizeibehörde sein kann, darüber zu entscheiden, ob ein Freiheitsentzug, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde, tatsächlich vollzogen werden soll oder nicht. Mit dem vorgeschlagenen Aufschub des Eintritts der Durchsetzbarkeit stehe dem Betroffenen, der Österreich verlasse - und sich damit dem Strafvollzug zu entziehen versuche -, die Erklärung nicht zur Verfügung, dies getan zu haben, um der Ausreiseverpflichtung des Aufenthaltsverbotes Rechnung zu tragen.

Daraus geht klar hervor, dass der Gesetzgeber mit § 40 Abs. 1 zweiter Satz FrG die Hinausschiebung der Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer eines dort genannten Freiheitsentzuges nicht nur für solche Fälle anordnen wollte, in denen sich der Fremde bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits in Haft bzw. im Maßnahmenvollzug befindet. In derartigen Fällen besteht nämlich die Gefahr nicht mehr, dass sich der Fremde in Befolgung des Aufenthaltsverbotes ins Ausland begibt und sich dadurch dem Straf- oder Maßnahmevollzug zu entziehen versucht. Die Wendung "für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben" muss vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers dahin interpretiert werden, dass die Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes auch in jenen Fällen aufgeschoben wird, in denen über den Fremden aufgrund einer mit Strafe bedrohten Handlung eine Freiheitsstrafe oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme unbedingt verhängt, aber - etwa aufgrund eines Strafaufschubes - noch nicht (zur Gänze) vollzogen worden ist. Anders als bei einer bedingten Strafnachsicht bzw. bedingten Nachsicht einer vorbeugenden Maßnahme steht nämlich in solchen Fällen typischerweise bereits fest, dass die Strafe oder Maßnahme - nach Ablauf der Aufschubsfrist - vollzogen wird. In solchen Fällen würde also durch die vor Strafantritt bzw. Antritt der Maßnahme erfolgte Ausreise des Fremden in Befolgung des Aufenthaltsverbotes (bzw. durch den Vollzug des Aufenthaltsverbotes im Weg einer Abschiebung) der Vollzug der Freiheitsstrafe oder der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme vereitelt oder zumindest erschwert, wodurch es de facto zu der vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht erwünschten Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde über den tatsächlichen Vollzug des Freiheitsentzuges käme. Der Zeitraum eines Strafaufschubes bzw. Aufschubes der Maßnahme schiebt also die Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes ebenso hinaus wie der Zeitraum des Freiheitsentzuges.

Dies gilt auch für die hier vorliegende Gewährung eines Aufschubes des Strafvollzuges gemäß § 39 SMG. Wenn auch in solchen Fällen nach erfolgreicher "gesundheitsbezogener Maßnahme" (§ 11 Abs. 2 leg. cit.) die Freiheitsstrafe gemäß § 40 Abs. 1 leg. cit. bedingt nachzusehen ist, verliert ein derartiger Strafaufschub nicht den Charakter der bloßen Aufschiebung einer (zunächst) unbedingt verhängten Freiheitsstrafe.

Die Durchsetzbarkeit des vorliegend erlassenen Aufenthaltsverbotes ist daher bis zum Vollzug der über den Beschwerdeführer unbedingt verhängten Freiheitsstrafe bzw. bis zu deren bedingter Nachsicht aufgeschoben. Für diesen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit ist die Frage, ob im Grund des FrG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0370 mwN).

Gemäß § 39 Abs. 1 SMG darf ein von der Durchführung "gesundheitsbezogener Maßnahmen" abhängiger Strafaufschub für die Dauer von höchstens zwei Jahren gewährt werden. Nach Ablauf der Frist, für die der Aufschub gewährt wurde (bzw. in den Fällen des § 39 Abs. 5 leg. cit. bereits früher), ist die Strafe zu vollziehen oder - bei erfolgreicher Therapie - gemäß § 40 Abs. 1 leg. cit. bedingt nachzusehen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Frage, ob im Grund des FrG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, bei erfolgreicher Suchtgifttherapie des Beschwerdeführers für den höchstens zwei Jahre nach Gewährung des Vollzugsaufschubes (nach der Aktenlage erfolgte die Entlassung des Beschwerdeführers aus der bis dahin in der Dauer von zwei Monaten teilweise verbüßten Freiheitsstrafe am XXXX 1998 "gemäß § 39 (1) SMG") liegenden Zeitpunkt der bedingten Strafnachsicht, bei erfolgloser Therapie für den höchstens weitere zwei Jahre und vier Monate danach liegenden Zeitpunkt der Haftentlassung, zu beurteilen ist.

Diese Rechtsprechung ist im gegenständlichen Fall insofern (auch) von Relevanz, als sich die Dauer des Aufenthaltsverbotes ändern könnte, sollte das Bundesamt den Strafaufschub "ausklammern" und dieses lediglich auf das Vorliegen einer allfälligen Aufenthaltsehe wie die Einreise entgegen dem Schweizer Einreise- und Aufenthaltsverbot stützen.

Der von der belangten Behörde erhobene Sachverhalt erweist sich sohin als nicht hinreichend, um darauf eine rechtsrichtige Entscheidung gründen zu können. Vielmehr hätte es einer genaueren Ermittlung der Umstände hinsichtlich tatsächlichen Bestandes eines Familienlebens, der Erfüllung der mit dem Strafaufschub im dort zugrunde liegenden Beschluss genannten Bedingungen, des Aufenthaltes entgegen der Schweizer Entscheidung im Bundesgebiet wie der Relevanz der Vorstrafen bedurft.

Angesichts dieser Umstände erweist sich die Entscheidung der belangten Behörde als nicht nachvollziehbar, zumal der relevante Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt wurde, keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen wurden und es an einer nachvollziehbaren Begründung mangelt, wodurch Fragen aufgeworfen werden, die für die Entscheidung der gegenständlichen, vom BFA negativ beschiedenen Rechtssache, maßgeblich sind.

3.2.4. Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall somit gegen die in § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten, wonach diese den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hat.

Im gegenständlichen Fall sind der angefochtene Bescheid des BFA und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgrund der Unterlassung der notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Punkten und hinreichender Begründung somit als mangelhaft zu bewerten. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde weder als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei, dass das Vorbringen der BF nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren vor dem Bundesamt mit den oben dargestellten Mängeln behaftet. Weit reichende Erhebungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Bundesverwaltungsgericht zu tätigen. In Anbetracht des Umfanges der noch ausstehenden Ermittlungen würde deren Nachholung durch das erkennende Gericht ein Unterlaufen der vorgesehenen Konzeption des Bundesverwaltungsgerichtes als gerichtliche Rechtsmittelinstanz bedeuten. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und dieser damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

3.2.5. Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das BFA als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird in dem neuerlich zu führenden Verfahren weitergehende Feststellungen zu den unter 3.2.4 getätigten Erwägungen zu treffen sowie nachvollziehbar zu begründen haben, wie es zur Höhe der Aufenthaltsverbotsdauer gelangt.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2224914.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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