TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/18 W167 2206030-1

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Veröffentlicht am 18.11.2019
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Entscheidungsdatum

18.11.2019

Norm

ASVG §410
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs7
VwGVG §8

Spruch

W167 2206030-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Säumnisbeschwerde der XXXX , vertreten durch XXXX , gegen die Wiener Gebietskrankenkasse wegen Verletzung der Entscheidungspflicht zu Recht erkannt:

A)

Die Wiener Gebietskrankenkasse ist verpflichtet gemäß § 28 Absatz 7 VwGVG den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen acht Wochen zu erlassen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Bei der Beschwerdeführerin fand eine Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) statt. Die Schlussbesprechung fand in Anwesenheit der Prokuristin der Beschwerdeführerin sowie der Steuerberatung und des Rechtsanwalts statt. Diese Teilnehmer/innen bestätigten die Teilnahme unter Hinweis darauf, dass sie inhaltlich nicht einverstanden sind, der Bericht neu nicht im vollen Ausmaß durchgelesen werde konnte und ein Bescheid beantragt wird.

2. Da die belangte Behörde davon ausging, dass nicht das gesamte Ergebnis der GPLA beanstandet wird, forderte sie die Beschwerdeführerin zur Konkretisierung ihrer Beanstandungen auf. Weder die steuerliche Vertretung noch die anwaltliche Vertretung konkretisierten, welche Teile der GPLA anerkannt werden.

3. Die Beschwerdeführerin erhob Säumnisbeschwerde.

4. Die belangte Behörde legte die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die GPLA fand für den Prüfzeitraum XXXX statt.

1.2. Bereits im Jahr 2017 beantragte die GmbH eine Bescheiderlassung. Die Säumnisbeschwerde langte am XXXX bei der belangten Behörde ein.

1.3. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt vor. In diesem sind insbesondere der Prüfbericht ( XXXX ) und die Niederschrift über die Schlussbesprechung der GPLA ( XXXX ) enthalten. Der Sachverhalt aus folgenden Gründen klärungsbedürftig: Einem Schreiben des Rechtsanwalts der Beschwerdeführerin ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin "[...] zwecks Vermeidung weiterer Nachteile die derzeitigen Außenstände von XXXX, die nach wie vor sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ausdrücklich bestritten werden, ohne Anerkennung des Rechtstitels bezahlen wird [..]". Dem übermittelten Verwaltungsakt liegen aber weder die erwähnten Vorschreibungen an die Beschwerdeführerin bei, noch eine Bestätigung über die tatsächliche Einzahlung der erwähnten Außenstände durch die Beschwerdeführerin, noch stimmt die im Schreiben der Beschwerdeführerin genannte Summe mit dem im Prüfbericht ausgewiesenen Nachforderungsbetrag sowie den Zinsen überein. Darüber hinaus sind im Prüfbericht Säumniszuschläge genannt (erster Absatz der Feststellungen), welche weder den Feststellungen im Detail noch dem Prüfbericht zu entnehmen sind (in letzterem ist "Beitragszuschlag XXXX " vermerkt).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt (insbesondere aus dem Prüfbericht VwAkt OZ 1, Niederschrift über die Schlussbesprechung der GPLA VwAkt OZ 2 und Schreiben des Rechtsanwalts VwAkt OZ 45).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Säumnisbeschwerde

Nach § 8 Absatz 1 VwGVG kann eine Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, nicht innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der gesetzlich vorgesehenen Stelle eingelangt ist. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde ist zulässig, weil die belangte Behörde nicht innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist über den Bescheidantrag der Beschwerdeführerin entschieden hat.

Die Säumnisbeschwerde ist auch begründet, weil die Verzögerung der Entscheidung auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist. Dem Akt können keine überwindlichen Hindernisse für die Säumigkeit entnommen werden; solche wurden von der belangten Behörde auch nicht behauptet. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die belangte Behörde aus Gründen der Verfahrensökonomie versucht hat, mit den Vertretungen der Beschwerdeführerin abzuklären, welche Teile der GPLA nicht beeinsprucht werden. Sie hätte den Bescheid im Beschwerdefall allerdings auch ohne Mitwirkung der Beschwerdeführerin erlassen müssen (siehe dazu unten 3.2.).

3.2. Erlassung eines Teilerkenntnisses

Gemäß § 28 Absatz 7 VwGVG kann im Verfahren über Säumnisbeschwerden das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Auch wenn das Gesetz keine expliziten Voraussetzungen für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vergleiche beispielsweise VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023, mwN). Aus verfahrensökonomischer Sicht wird dies vor allem dann in Betracht kommen, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist.

Die Beschwerdeführerin monierte sowohl im Verwaltungsverfahren, als auch in der Säumnisbeschwerde, dass die belangte Behörde trotz eines Antrags keinen Bescheid erlässt. Aus den Feststellungen unter 1.3. geht hervor, dass der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist.

Aufgrund von verfahrensökonomischen Überlegungen macht das Bundesverwaltungsgericht daher von der Ermächtigung gemäß § 28 Absatz 7 VwGVG Gebrauch und trägt der belangten Behörde auf, den unter 1.3. angegebenen Sachverhalt zu klären und binnen acht Wochen gemäß § 410 ASVG den von der Beschwerdeführerin beantragten Nachverrechnungsbescheid zu erlassen. Im Hinblick auf die noch durchzuführenden Sachverhaltsermittlungen wurde die in § 28 Absatz 7 VwGVG vorgesehene Frist in vollem Umfang festgesetzt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Verhandlung war gemäß § 24 VwGVG nicht erforderlich, da nur eine Rechtsfrage geklärt wurde.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Entscheidungsfrist, Ermessen, Säumnisbeschwerde, Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W167.2206030.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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