TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/20 W156 2224304-1

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Veröffentlicht am 20.11.2019
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Entscheidungsdatum

20.11.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §33

Spruch

W156 2224304-1-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichter über die Beschwerde von H XXXX N XXXX , vertreten durch Mag. Christian PUCK, Rechtsanwalt in 1010 Wien, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand vom 1010.2019, zu Recht erkannt:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom

1010.2019 wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 10.09.2019, Zl. XXXX wurde festgestellt, dass Herr H XXXX N XXXX (in Folge als BF bezeichnet) als Geschäftsführer der Beitragskonteninhaberin U XXXX G

XXXX GmbH der Wiener Gebietskrankenkasse (in Folge als belangte Behörde bezeichnet) gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm. § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Februar 2016 bis Juni 2017 und Oktober 2017 von € 5.111,08 zuzügliche Verzugszinsen in der sich aus § 59 Abs. 1 ASVg ergebenden Höhe, das seien ab 10.09.2018 3,38% aus € 4.361,05 schuldet.

Der angeführte Bescheid wurde am 12.09.2018 auf Grund der im Akt dokumentierten Übernahmebestätigung an den Rechtsvertreter des BF zugestellt.

2. Am 10.10.2018 um 23:29:44 Uhr erfolgt die Übergabe der Beschwerde in die Versandbox der Postfiliale in 1010 Wien, Krugerstraße 13. Laut Sendungsverfolgung erfolgt die Postaufgabe am 11.10.2018.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

4. Dagegen beantragte der BF fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Im Zuge einer Beweisaufnahme durch die erkennende Richterin in der verfahrensgegenständlichen Postfiliale am 23.09.2019 wurde erhoben, dass eine Kundeninformation betreffend Öffnungszeiten (Annahmezeiten) und Schlusszeiten für Poststücke zur taggleichen Weiterbeförderung sichtbar im Eingangsbereich des Geschäftsraumes rechts neben der Eingangstür angebracht ist. Aus dieser Kundeninformation geht hervor, dass Poststücke, deren Aufgabe in der gegenständlichen Filiale vor der Schlusszeit erfolgt, taggleich weiterbefördert werden und die Schlusszeit für die Aufgabe von Briefen wochentags jeweils um 17:15 ist. Die Öffnungszeiten bzw. Annahmezeiten sind wochentags jeweils von 8:00 bis 18:00 Uhr. Der Aushang ist mit 01.05.2015 datiert.

6. Mit Parteiengehör vom 25.09.2019 zu Zl. W156 2215789-1/3Z, zugestellt am gleichen Tag, wurde der BF unter Anführung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.10.2017, Zl. Ro 2017/17/0008, darüber in Kenntnis gesetzt.

6. Mit vom Schreiben 09.10.2019 wurde fristgerecht am 10.10.2019 gegenständlicher Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt.

Dieser (verfahrensgegenständliche) Antrag wurde damit begründet, dass der BF wegen eines höchstens geringfügigen Verschuldens des Parteienvertreters die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.09.2018, zugestellt am 12.09.2018, versäumt habe.

Das Versehen, das dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers unterlief, wäre folgendes gewesen: er sei der zwar naheliegenden, ja geradezu logischen, nichtsdestotrotz, wie er heute wisse, irrigen Annahme unterlegen, dass bei einer Postaufgabe in eine "24-Stunden-Versandbox" das Poststück einen dem auf dem Aufgabeschein ausdrücklich ausgewiesenen Postaufgabezeitpunkt entsprechenden Postaufgabevermerk auf dem Kuvert bzw. im Post-EDV-System erhalte und dass somit diese Postaufgabe einer Postaufgabe am Schalter in jeder Hinsicht gleichzusetzen sei. Die heute aktuelle Information auf der Homepage der Österreichischen Post AG lasse keinen Zweifel an dieser Ansicht aufkommen, zumal an einem Postschalter der Postaufgabevermerk auf dem Kuvert und der Poststempel auf dem Aufgabeschein in der Regel zur selben Zeit erfolge, sei es nahegelegen, dass dies bei der "24-Stunden-Versandbox", die eben einen Ersatz für den Schalterbetrieb darstellen soll, genauso sein müsse.

Naturgemäß habe sich dem Vertreter des Beschwerdeführers der Sinn einer solchen "24-Stunden-Versandbox" darin erschlossen, dass mit tatsächlichem Einwurf des Poststücks sowie Erhalt des Aufgabescheins samt Sendungsnummer und dem auf die Sekunde genauen Aufgabezeitpunkt eine Bearbeitung seitens der Post - allenfalls auch nur in elektronischer Form - zum Beispiel bei Vergabe einer Sendungsnummer - erfolge, selbst, wenn das Poststück erst nach der Schlusszeit (als bloße Zeit der gleichtägigen Beförderung aus der Postfiliale) aufgegeben werde.

Hingewiesen werden müsse auch auf den ausdrücklichen Vermerk auf dem Aufgabeschein, wonach dieser Beleg als Nachweis für die Aufgabe der Sendung diene. Dieser Hinweis könne von einem unbefangenen Rechtsunterworfenen nicht anders verstanden werden, als dass mit dem darauf ersichtlichen Zeitpunkt die Sendung im rechtlichen Sinn als aufgegeben gelte und in die Bearbeitung der Postfiliale gelangt sei.

Zur Untermauerung dieser Rechtsauffassung werde auf die Entscheidungen der Landesverwaltungsgerichte Vorarlberg (LVwG-411-008/14) und Tirol (LVwG-2017/24/1177-2), welche lebensnäher als der VwGH und den modernen Entwicklungen Rechnung tragend ausführen, hingewiesen.

Auch hätte der Beschwerdeführervertreter grundsätzlich keinen Anlass daran zu zweifeln gehabt, dass sich die Österreichische Post AG nicht an den gesetzlichen Auftrag halte, welchen der OGH ua. in seiner Entscheidung 9 ObA 138/06v darstelle: "Der Universaldienst der Post umfasst auch das "Einschreiben". Dabei handelt es sich um die entgeltpflichtige Sonderbehandlung einer Postsendung, die durch den Dienstanbieter pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert wird und bei der dem Absender gegebenenfalls auf sein Verlangen, eine Bestätigung über die Entgegennahme der Sendung und ihre Aushändigung an den Empfänger erteilt wird (§ 2 Z 9 Postgesetz 1997, BGB/ 1 1998/18; § 2 Post-Universaldienstverordnung, BGB/ Il 2002/100). Im Sinn der vorzitierten Rechtsprechung ist im Fall des Einschreibens einer Postsendung die Aushändigung der mit dem Postaufgabevermerk versehenen Bestätigung über die entgeltpflichtige Sonderbehandlung ("Aufgabeschein") an den Absender als die für den Beginn des Postenlaufs maßgebliche apostalische Behandlung" anzusehen. Der Anbringung eines weiteren Postaufgabevermerks auf der Sendung selbst, die im Regelfall ohnehin am selben Tag wie die Bestätigung am Aufgabeschein erfolgt, im vorliegenden Fall jedoch erst einen Tag nach der Aushändigung des Aufgabescheins an den Absender am Schalter des Postamts geschah, kommt in Bezug auf den bereits begonnenen Posten/auf keine selbstständige Bedeutung mehr zu. "

Zur Rechtzeitigkeit des gegenständlichen Antrags führte der Beschwerdeführervertreter aus: Er habe am 26.09.2019 durch den Verweis des Bundesverwaltungsgerichts auf eine VwGH-Entscheidung in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme erstmals Kenntnis davon erlangt, dass die Arbeitspraxis der Österreichischen Post AG offensichtlich von den logischen Erwartungen der Postkunden sowie offenbar auch von den postrechtlichen Vorschriften abweiche.

Dass es sich um ein Problem der Postbearbeitung im grundsätzlichen Sinn handle, sei ihm erst durch gegenständlich zitierte VwGH-Entscheidung bekannt geworden, die im Übrigen außerhalb des Rechtsinformationssystems des Bundes (RIS) nirgends publiziert oder in der Fachliteratur behandelt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde zu Zl. W156 2215789-1 und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Aus der im Akt Zl. W156 2215789-1 einliegenden Übernahmebestätigung ergibt sich, dass der Bescheid vom 10.09.2018 betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG am 12.09.2018 an den Rechtsvertreter zugestellt worden ist. Dem Akteninhalt lässt sich desweiteren entnehmen, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.09.2018 am 10.10.2018 an den Selbstbedienungsautomaten übergeben worden ist und am 11.10.2018 von der Post zur Bearbeitung übernommen wurde.

Mit hg. Beschluss vom heutigen Datum wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.09.2018 als verspätet zurückgewiesen.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat mit seinen Angaben im Wiedereinsetzungsantrag vom 09.10.2019 nicht glaubhaft gemacht, dass er durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert gewesen wäre.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.2. Zu Spruchteil A (Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand):

2.2.1 In Bezug auf den am 10.10.2019 eingebrachten (und sohin - ausgehend von einem Bekanntwerden des potentiellen Wiedereinsetzungsgrundes am 25.09.2019 - rechtzeitigen)

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.09.2016, Ro 2016/16/0013, ausgesprochen hat, § 33 Abs. 4 VwGVG könne verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist.

Da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallgegenständlich nach der am 11.03.2019 erfolgten Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden ist, lag die diesbezügliche Zuständigkeit beim Bundesverwaltungsgericht.

Bei Versäumen der Beschwerdefrist stellt § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar, da es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

2.2.2. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die

Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Nach Abs. 5 leg. cit. tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

Bei den Antragsfristen handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, deren Berechnung nach den §§ 32 ff AVG zu erfolgen hat. Gegen die Versäumung von verfahrensrechtlichen Fristen steht grundsätzlich das Rechtsinstrument der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offen.

Versäumt ist eine Frist dann, wenn der Lauf der Frist für eine Prozesshandlung durch den gesetzlich vorgesehenen Akt (hier: rechtmäßige Bescheidzustellung) ausgelöst wurde und die Frist ungenützt verstrichen ist. Die Partei muss aus der Versäumung der Frist einen Rechtsnachteil erleiden. Dies bedeutet, dass sie wegen der Versäumung der Frist eine sonst mögliche Prozesshandlung (hier: Einbringung der Beschwerde) nicht mehr setzen kann. Ob die versäumte Prozesshandlung erfolgreich gewesen wäre, ist zur Frage der Wiedereinsetzung nach herrschender Ansicht ohne Bedeutung.

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Unter einem Ereignis im Sinn von § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, das zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen kann, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (etwa 5.5.2011, Zl. 2011/22/0021) "nicht nur ein von der Partei unbeeinflussbares Geschehen in der Außenwelt zu verstehen, sondern auch menschliche Unzulänglichkeiten und innere Vorgänge wie Vergessen, Versehen, Irrtum usw. (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, Rz 34 ff zu § 71 wiedergegebene hg. Judikatur)".

Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 6.5.2004, 2001/20/0195) kann auch ein Rechtsirrtum im Sinne einer Unkenntnis von Rechtsvorschriften einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen; dies jedoch nur unter der Bedingung, dass die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes Verschulden bzw. minderer Grad des Versehens, vorliegen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (z.B. VwGH 24.1.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann.

Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (z. B. VwGH 3.4.2001, 2000/08/0214).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (z.B. VwGH 20.6.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (vgl. VwGH 22.1.2003, 2002/04/0136). Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung dann, wenn der Partei Vorsatz oder offenkundige Sorglosigkeit vorzuwerfen ist.

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden.

Die Behörde ist aufgrund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen (VwGH 14.12.1995; 95/19/0622; 27.2.1996, 95/04/0218; 25.2.2003, 2002/10/0223; Hengstschläger3 Rz 610; Thienel4 324). (...) Reine Behauptungen betreffend das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes reichen demgemäß nicht aus. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, hat alle Umstände die den Wiedereinsetzungsantrag begründen, glaubhaft darzulegen und bereits im Antrag taugliche Beweismittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzuführen (VwGH 21.3.1997, 97/02/0093; 25.2.2003, 2002/10/2002) (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 115 f).

Ein Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen (VwSlg 7671 A/1969; VwGH 24. 1. 1996, 95/21/1238; 31. 7. 2007, 2006/05/0089; Hellbling 474; Hengstschläger3 Rz 606; Mannlicher/Quell AVG § 71 Anm 5; Thienel4 323; Walter, ÖJZ 1961, 623; Walter/Mayer Rz 618). Es hat dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei (Antoniolli/Koja 819 f; Walter/Mayer Rz 618 f). Der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen (VwGH 4. 3. 1994, 93/02/0256; vgl auch VwGH 4. 2. 1996, 96/21/0914; ferner auch § 12 Rz 2), es gibt keine "restitutio ob malam defensionem" (Bernárd, ZfV 1981, 129). Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgütig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl VwGH 26. 1. 1995, 94/06/0090).

Die angeführte Judikatur ist unzweifelhaft auch auf den gleichlautenden Begriff "unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis" in § 33 Abs. 1 Z 1 VwGVG, welcher dem § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nachgebildet ist, übertragbar.

2.2.3. Festzuhalten ist zunächst, dass die Zustellung des Bescheides vom 10.09.2018 an den Rechtsvertreter als Zustellbevollmächtigten des BF rechtswirksam erfolgt ist.

Die vierwöchige Beschwerdefrist begann somit mit der Zustellung des Bescheides am 12.09.2018 zu laufen und endete am 10.10.2018.

2.2.4. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeschriftsatz unstrittig am 10.10.2018, 23:29:44 Uhr, in die Versandbox der Postfiliale in 1010 Wien, Krugerstraße 13, eingeworfen worden und laut Sendenachverfolgung erst am 11.10.2019, somit nach Verstreichen der Rechtsmittelfrist von der Post zur Bearbeitung übernommen worden. (vgl. den hg. Beschluss vom heutigen Datum zu Zahl W156 22215789-175E, mit dem die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.09.2018 als verspätet zurückgewiesen wurde).

Festzuhalten ist demnach, dass im vorliegenden Fall aufgrund der am 11.10.2018 verspätet erfolgten Einbringung des Beschwerdeschriftsatzes eine Frist versäumt und der BF hierdurch einen Rechtsnachteil erlitt.

2.2.5. Der Beschwerdeführervertreter führte zur Begründung des gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gerichteten Wiedereinsetzungsantrages an, dass sich dem Vertreter naturgemäß der Sinn einer "24-Stunden-Versandbox" darin erschlossen habe, dass mit dem tatsächlichen Einwurf des Poststückes sowie Erhalt des Aufgabescheines samt Sendungsnummer und den auf die Sekunde genauen Aufgabezeitpunkt die Bearbeitung seitens der Post erfolge, selbst wenn das Poststück erst nach Schlusszeit (als bloße Zeit der gleichtägigen Beförderung aus der Postfiliale) aufgegeben werde. Erst durch das Parteiengehör habe der Vertreter davon Kenntnis erlangt, dass die Arbeitspraxis der Österreichischen Post offensichtlich von den logischen Erwartungen der Postkunden und den postrechtlichen Vorschriften abweiche.

Es wäre daher der BF durch einen ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis darstellenden Tatsachenirrtum an der rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde verhindert gewesen und sei die Versäumung der Frist auf kein Verschulden bzw. allenfalls auf ein Versehen minderen Grades des Parteienvertreters zurückzuführen.

Erhebungen beim zuständigen Postamt ergaben, dass die Kundeninformation, datiert mit 01.05.2015, mit den Öffnungszeiten (Annahmezeiten wochentags jeweils von 8:00 - 18:00 Uhr) und Schlusszeiten betreffend die Weiterbeförderung aufgegebener Briefe neben der Eingangstür sichtbar aushängt und darin die Schlusszeiten für die taggleiche Beförderung von Briefen mit wochentags jeweils 17:15 Uhr angegeben ist.

Somit wäre bei zeitgerechter Einsichtnahme in diese Kundeninformation mit zumutbarer Vorsicht auch vorhersehbar und auch objektiv zu verhindern gewesen, dass die Beschwerde nicht taggleich, sondern erst mit dem nächsten Tag, dem 11.10.2018, zur Bearbeitung durch die Post angenommen wird.

Was die Verschuldensfrage betrifft, so fällt ins Gewicht, dass im Zeitpunkt des Einwurfs der Beschwerde in die Versandbox am 10.10.2018 bereit die Frage der Rechtzeitigkeit einer Postaufgabe über eine 24h-Versandbox durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bestand. Der Beschluss VwGH 23.10.2017, Ro 2017/17/0008 bis 0013, stammt aus der Zeit vor der Einbringung der hier in Rede stehenden Beschwerde. Hinzu kommt, dass von verlautbarten Kundeninformationen über bestimmte Uhrzeiten für die taggleiche Weiterbeförderung der Briefe im verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt ausgegangen werden kann.

Zudem wird von der Judikatur an die Sorgfaltspflichten bei "beruflichen" rechtskundigen Parteienvertretern ein strengerer Maßstab angelegt als bei anderen (rechtsunkundigen) Personen (VwGH 19. 9. 1991, 91/06/0067; 1. 6. 2006, 2005/07/0044; 23. 6. 2008, 2008/05/0529; vgl. auch Rz 37, 49 ff; ferner auch Hengstschläger3 Rz 606; Kunnert 193; Thienel 4 323).

Es war die "Unvorhersehbarkeit" respektive des Verschuldens daher am erhöhten Sorgfaltsmaßstab eines berufsmäßigen Parteienvertreters zu bemessen und stellt dies kein auf einem bloß minderen Grad des Versehens beruhendes unvorhersehbares Ereignis dar.

2.2.7. Mit den im Wiedereinsetzungsantrag dargelegten Gründen vermochte der BF daher kein auf einem bloß minderen Grad des Versehens beruhendes unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis aufzuzeigen, welches ihn an der Wahrung der Rechtsmittelfrist gehindert hätte, darzutun.

Da das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden ist und es ihr verwehrt ist, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung miteinzubeziehen ist, hatte eine Auseinandersetzung mit allenfalls darüberhinausgehenden Gründen für eine Wiedereinsetzung nicht zu erfolgen.

Sofern der Rechtsvertreter des BF vorbringt, dass die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes außerhalb des im RIS nirgends publiziert wurden oder in der Fachliteratur behandelt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass in der AFS, Zeitschrift für Abgaben-, Finanz- und Steuerrecht, Heft 4, pp 141-143 vom August 2018, eine diesbezügliche Behandlung veröffentlicht wurde.

2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

2.4. Zu Spruchteil B (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sonst hervorgekommen.

Schlagworte

Fristversäumung, Rechtsvertreter, Sorgfaltspflicht, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W156.2224304.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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