TE Bvwg Beschluss 2019/12/2 W195 2215777-1

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Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W195 2215777-1/25E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Feststellungen:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 02.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer Erstbefragung am darauffolgenden Tag gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, er sei politisch für die BNP tätig gewesen, weswegen er attackiert, geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden sei. Er sei wegen seiner politischen Tätigkeit angezeigt worden und es bestehe ein Haftbefehl gegen ihn.

I.2. Am 27.10.2017 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom AMS mitgeteilt, dass für den BF eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei.

I.3. Am 15.10.2018 wurde der BF vom BFA niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, er habe sich gemeinsam mit seinem Bruder bei der BNP engagiert. Der BF sei aufgrund seines Alters kein Parteimitglied gewesen, sein Bruder sei aber in einer "guten" Position in der Partei gewesen und habe politische Schriften für die Partei herausgegeben. Es sei deswegen ein Attentat auf seinen Bruder verübt worden, wovon der BF und sein Vater verständigt worden seien, die ihn daraufhin ins Krankenhaus gebracht hätten.

Tags darauf sei sein Vater angerufen worden und es sei ihm gedroht worden, dass er auf keinen Fall zur Polizei gehen dürfe, weil der Bruder des BF ansonsten umgebracht werde. Der Bruder des BF solle auch mit seiner politischen Tätigkeit aufhören. Sein Vater habe diese Warnung ignoriert und habe den Übergriff bei der Polizei angezeigt. Die Polizei habe die Anzeige jedoch verfälscht und beispielsweise die Namen der Beschuldigten nicht aufgenommen. Auch habe sie keinen Hinweis auf den Anführer der AL aufnehmen wollen, da dieser Verbindungen zu einem einflussreichen Parlamentsmitglied habe. Letztlich habe die Polizei die Namen der Beschuldigten doch noch, den Zusammenhang zur AL jedoch nicht aufgenommen.

Etwa zehn bis 15 Tage nach der Anzeige sei der BF auf seinem Heimweg von unbekannten Männern mitgenommen und in einem dunklen Raum worden. Die Entführer hätten seinen Vater kontaktiert und von ihm Geld und die Zurücknahme der Anzeige gefordert. Da sein Vater die geforderte Summe nicht habe aufbringen können, sei der BF mit Stöcken geschlagen worden. Nach einer Woche sei der BF wieder freigelassen worden. Während der Entführung sei sein Vater oft angerufen worden und es sei ihm gesagt worden, dass seine Söhne ihr politisches Engagement beenden sollten, ansonsten würden sie getötet werden. Es sei deswegen auch eine falsche Anzeige gegen den BF, seinen Bruder und seinen Vater erstattet worden. Aufgrund dieser Anzeige sei die Polizei zum Haus des BF gekommen, die Familie sei jedoch nicht zu Hause gewesen. Aus Angst vor der Polizei sei der BF mit seiner Familie nach XXXX gegangen.

Nachdem sie dort "einige Zeit" in Sicherheit gelebt hätten, sei versucht worden, seinen Bruder zu verhaften und ihn wegzubringen. Sei Bruder sei jedoch entkommen. Aufgrund dieses Vorfalls hätten der BF und sein Bruder beschlossen in die Hauptstadt zu gehen. Auch dort sei der BF von einer Gruppe mit Stöcken und Messern angegriffen und telefonisch bedroht worden, weswegen er sich entschlossen habe, das Land zu verlassen.

Als Beilage zur Niederschrift wurden ein Zeitungsbericht betreffend den Vorfall seines Bruders, Fotos von Demonstrationen der BNP, diverse Deutschkursbestätigungen, Empfehlungsschreiben und ein Lehrvertrag des BF genommen.

I.4. Am 29.10.2018 legte der BF diverse Zeitungsartikel vor. Am 12.12.2018 langte die vom BFA in Auftrag gegebene Übersetzung der Artikel ein.

I.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX zugestellt durch Hinterlegung am 12.02.2019, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen habe können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.6. Am 06.03.2019 erhob der BF durch seinen im Spruch genannten Vertreter Beschwerde und beantragte, ihm den Status des Asylberechtigten zu gewähren, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, und die Rückkehrentscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben.

Begründend wurde auf das bisher Vorgebrachte verwiesen. Im Gegensatz zur Ansicht des BFA habe der BF damit ein in sich geschlossenes, immer gleichbleibendes, nachvollziehbares Vorbringen erstattet, aus dem sich eine Verfolgung durch die AL und die Polizei ergebe.

I.7. Mit Schreiben vom 07.03.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit Schreiben vom 14.03.2019 und vom 10.05.2019 brachte der Beschwerdeführervertreter zwei Integrationsunterlagen in Vorlage.

I.9 In weiterer Folge lud das Bundesverwaltungsgericht zu einer mündlichen Verhandlung am XXXX . In weiterer Folge stellte sich heraus, dass angeblich am 16.09.2019 ein Urteil eines bengalischen Gerichtes gegen den BF erfolgte. Die Vertreterin des BF stellte daraufhin in ihrer Stellungnahme vom 25.10.2019 den Antrag, ein ergänzendes länderkundliches Sachverständigengutachten einzuholen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht mittels Beschluss den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen wurden.

Gegenständlich liegen unterschiedlichste bengalische Dokumente (behauptete Anzeigen und Gerichtsurteile) im Akt vor, deren Echtheit nicht verifiziert sind. Die Behauptungen des BF, dass diese Dokumente seine Fluchtgründe darlegen und bestätigen würden, können nur dann verifiziert oder falsifiziert werden, wenn die Inhalte der Dokumente mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort verglichen werden. Gegenständlich hätte deshalb die Verwaltungsbehörde erster Instanz mittels Auftrag an einen Vertrauensanwalt vor Ort festzustellen, welche vom BF vorgelegten Dokumente echten Inhaltes sind und von welcher Behörde bzw. von welchem zuständigen Gericht ausgestellt wurden. Es wären auch die näheren Umstände des vom BF in seinem bisherigen Vorbringen zum Fluchtgeschehen durch Recherchen vor Ort erforderlich, um den Wahrheitsgehalt seines Vorbringens beurteilen zu können. Erst danach wäre der maßgebliche Sachverhalt im beurteilungsfähigem Umfang feststellbar und eine sachliche Entscheidung - nach Gewährung des entsprechenden Parteiengehörs und Durchführung einer mündlichen Verhandlung - von der Behörde erster Instanz zu treffen.

II.3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W195.2215777.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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