Entscheidungsdatum
04.12.2019Norm
AsylG 2005 §7 Abs1Spruch
W186 1252270-2/74E
W186 1252270-3/47E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.12.2005, ZL. 03 23.104-BAT/732310400,
und
gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.02.2012, ZL. 03 23.104-BAT/732310400,
beschlossen:
A)
Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und jeweils zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der BF, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste - damals minderjährig - am 31.07.2003 illegal nach Österreich ein und stellte am Folgetag einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
Aufgrund des Untertauchens des BF - er hielt sich zwischenzeitlich in Schweden auf - wurde sein Asylverfahren eingestellt. Der BF wurde am 29.01.2004 von Schweden nach Österreich überstellt und stellte am selben Tag einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF wurde am 19.07.2004 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass er Afghanistan aus Sorge vor einer Blutrache verlassen habe. Sein Onkel habe einen Mann zusammengeschlagen, dessen Bruder habe daraufhin den Vater des BF getötet. Vier Jahre später habe der Onkel den Mörder des Vaters getötet. Der BF selbst sei "damals" ein kleines Kind gewesen. Da er langsam erwachsen worden sei, könne auch der BF selbst im Zuge dieser Streitigkeiten aus Rache umgebracht werden.
Das Bundesasylamt wies daraufhin mit Bescheid vom 21.07.2004 den Asylantrag des BF gemäß § 7 AsylG idF BGBl I 126/2002 ab und erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF AsylGNov. 2003 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Afghanistan für nicht zulässig. Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.07.2005 erteilt.
Der BF erhob gegen Abweisung des Asylantrages am 10.08.2004 Berufung.
1.2. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 06.06.2005 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.07.2004 in seinem Spruchpunkt I. behoben und gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Im Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates finden sich ua. die folgenden Ausführungen:
"Die Behörde hat die vom Antragsteller getätigten Aussagen zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben, jedoch zur Situation in Afghanistan keine Feststellungen getroffen. In rechtlicher Hinsicht ging das Bundesasylamt davon aus, es handle sich bei der Situation, die der BF] geschildert habe, um ‚Verfolgung durch Privatpersonen'. Verfolgung iSd GFK müsse aber von staatlichen Stellen oder einer ...] staatsähnlichen Macht ausgehen. ...].
Das Bundesasylamt geht darüber hinaus aber offensichtlich davon aus, dass die ‚Verfolgung durch Privatpersonen' nicht asylrelevant sei, weil sie nicht einem der in der GFK genannten Gründe entspringe. ...] Damit verkennt das Bundesasylamt den Inhalt der GFK. ...] Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie erfüllt den Tatbestand eines Konventionsgrundes: Wird der Berufungswerber deshalb verfolgt, weil er der nahe Angehörige eines anderen ist - zu denken ist hier vor allem an seinen Vater und seinen Onkel -, so wird er aus Konventionsgründen verfolgt. Ausgehend von dieser unrichtigen rechtlichen Beurteilung hat es das Bundesaylamt verabsäumt, Feststellungen zur Situation in Afghanistan, besonders zur Frage der Blutrache, in das Verfahren einzuführen und im Bescheid zu treffen. Es ist aber nicht möglich, das Vorbringen des Berufungswerbers korrekt zu beurteilen und zu würdigen, wenn nicht in ausreichendem Maße Feststellungen über die Situation in Afghanistan, besonders zur Frage der Blutrache, ins Verfahren eingeführt werden. Das Bundesasylamt ist als Spezialbehörde verpflichtet, sich über die Situation und die Entwicklungen in Afghanistan Kenntnis zu verschaffen und im Einzelfall entsprechende Feststellungen zu treffen. ...] Diese Feststellungen wären mit dem Berufungswerber zu erörtern; daraus könnte sich die Notwendigkeit ergeben, ihn neuerlich zu seinen persönlichen Umständen einzuvernehmen. ...]"
1.3. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des BF mit Bescheid vom 20.12.2005 neuerlich ab. Dagegen hat der BF wiederum Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat erhoben.
Das Bundesasylamt bezog sich in seiner Entscheidung auf die Einvernahme vom 19.07.2004 und eine weitere Einvernahme am 24.11.2005. Der BF hatte dabei jeweils angegeben, er habe sein Heimatland auf Grund von Familienstreitigkeiten verlassen. Sein Vater sei im Zug dieser Streitigkeiten umgebracht worden, als der BF etwa ein Jahr alt gewesen sei. Sein Onkel XXXX , der "jetzt" in Moskau lebe, habe dann den Mörder seines Vaters umgebracht. Damals sei der BF etwa vier Jahre alt gewesen. Als er langsam erwachsen geworden sei, hätte auch er im Zuge dieser Streitigkeiten umgebracht werden können. Nach der Ermordung seines Vaters habe der BF in Kabul bei seiner Mutter und seiner Großmutter gelebt. Der BF selbst sei in Afghanistan keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen, da er damals noch ein Kind gewesen sei.
In weiterer Folge habe der BF seinen Onkel XXXX , zu dem er nach Moskau gebracht worden sie, verlassen; der Onkel habe "kein geregeltes Leben" geführt, er sei arbeitslos gewesen und oft betrunken. Der BF habe dort nicht mehr leben wollen; es sei seine Entscheidung gewesen, aus Moskau wegzugehen.
Auf Nachfrage, ob sich die Familie des BF wegen der Familienstreitigkeiten an die afghanische Polizei gewandt habe, sagte der BF sinngemäß, dass dies aussichtslos sei ("Gesetzlosigkeit").
Die Feinde seines Vaters würden nun auch den BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen "Blutrache" umbringen.
Auf weitere Nachfrage, ob die Mutter und die Großmutter des BF noch in Kabul lebten, gab der BF an, er wisse es nicht, nehme es aber an. Auf weitere Nachfrage, ob der BF selber, als er noch in Afghanistan gewesen sei, bemerkt habe, dass jemand versucht hätte, im Zusammenhang mit "dieser" Blutrache Kontakt mit ihm aufzunehmen, gab der BF an: "Ich habe nie bemerkt, dass irgendjemand nach mir gefragt hätte. Selbst wenn irgendetwas gewesen sein soll, kann ich mich daran nicht erinnern."
Auf die weitere Nachfrage, was ihm in einem anderen Landesteil Afghanistans drohen würde, gab der BF an, dass er keine weitere Verwandtschaft habe und keine Möglichkeit habe, woanders zu leben.
Auf die Nachfrage seiner rechtlichen Vertretung gab der BF an, dass er davon ausgehe, dass die Feindschaft "nicht abgeschlossen" sei, nachdem der Onkel des BF Blutrache für den Vater des BF genommen habe. Der BF selber sei erst 12 Jahre alt gewesen, als man ihn aus Afghanistan fortgebracht habe.
In ihrem Bescheid traf die Behörde Feststellungen zum BF und zur Lage in Afghanistan.
Zur Frage der "Blutrache in Afghanistan" wurden Feststellungen getroffen, die sich auf "Ehrverletzung" beziehen - insbes. In Zusammenhang mit vorehelichen Geschlechtsverkehr bei jungen weiblichen Familienmitgliedern; dies werde von der Familie der Frau als Ehrverletzung angesehen und löse (bestimmte angeführte) Mechanismen der Streitschlichtung bzw. der Rache aus. Die weiteren Feststellungen im Bescheid betreffen den Tatbestand "Tötung zur Vermeidung von Blutrache". Auch hier wird zunächst geschildert, welche ("unblutigen") Streitlösungsmechanismen zur Verfügung stünde und dass diese vom Ausland aus schwierig zu betreiben seien. Personen ohne ausreichende Kontakte in die Heimat hätten mit erhöhter Schwierigkeit zu rechnen, was die Streitschlichtung betrifft.
Des weiteren findet sich in den Feststellungen eine Passage, dass - in Fällen, in denen es nicht möglich oder erwünscht sei -, es vorkommen könnte, dass der jemand "zur Prävention von Blutrache" getötet werde. Dies geschehe dann aber außerhalb des traditionellen Rechtsverständnisses.
In Fällen, in denen die traditionellen Mechanismen, die mit "Ehre und Scham" verflochten seine, nicht mehr funktionierten, sei von diesen Mechanismen für den einzelnen kein Schutz zu erwarten, ebenso wenig wie durch die staatlichen Institutionen.
Das Bundesasylamt hat keine weiteren Feststellungen betreffend die Schutzfähigkeit des afghanischen Staates getroffen, ebenso wenig wie zur Frage, ob der BF mit "traditionellen Streitschlichtungsmechanismen" rechnen könnte und auch nicht zu der Frage, ob im Fall des BF überhaupt und wenn ja, warum ein Fall "präventiver" Blutrache vorläge (diesfalls wäre davon auszugehen, dass der BF als nächster präsumtiver Täter "an Reihe käme").
1.4. Bei der am 28.04.2011 durchgeführten Verhandlung vor dem dann zuständigen Asylgerichtshof gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:
er sei in Kabul geboren, sein Vater stamme aus Goll Dara, seine Mutter sei ebenso wie er in Kabul geboren. Er sei Tadschike und spreche Dari. Er habe in Afghanistan, in Kabul, drei Jahre die Schule besucht; seitdem er neun Jahre geworden war nicht mehr, da dann "die Probleme begonnen" hätten. Als er etwa 12 Jahre alt gewesen sei, habe man ihn zu einem Onkel in Moskau geschickt. Der BF sei in Begleitung einer anderen Familie über Aserbaidschan nach Moskau gebracht worden. Dort habe er sich etwa drei Jahre lang aufgehalten. Danach sei er im Weg über die Ukraine und die Slowakei nach Österreich gekommen; er habe sich daraufhin sechs Monate in Schweden aufgehalten und sei von dort wieder nach Österreich geschickt worden. Er sei seit er 12 Jahre gewesen sei, nie mehr in Afghanistan gewesen. Aals er in Schweden gewesen sei, habe der BF zum letzten Mal Kontakt zu seiner (damals noch) in Afghanistan lebenden Schwester gehabt. Er wisse jetzt nicht mehr, wo sie sich befinde; sie habe vorgehabt, gemeinsam mit der Großmutter Afghanistan zu verlassen, da sie sich nicht mehr sicher fühlten. Die Mutter des BF sie bereits seit Längerem verstorben.
Der Vater des BF sei umgekommen, als der BF selber etwa zweieinhalb Jahre gewesen sei. Der BF sei gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und seiner Großmutter aufgewachsen. Er habe keine weiteren Verwandten außer seinem Onkel XXXX , bei dem er Moskau gewesen sei.
Auf die Frage, welche Probleme seine Familie habe, gab der BF an, dass er es nicht genau wisse. Sein Vater sei ein Offizier gewesen.
Sein Onkel habe mit dem Bruder "von XXXX " Probleme gehabt. Der BF glaube, dass der sein Onkel den Bruder von XXXX mit einem Messer verletzt habe. Danach habe XXXX seinen (verletzten) Bruder gerächt und den Vater ds BF getötet. Der BF glaube, dass XXXX verhaftet worden sei, wisse es aber nicht. Zum Zeitpunkt dieser Geschehnisse sei der BF zweieinhalb Jahre alt gewesen. In weiterer Folge habe sein Onkel XXXX , der sich später in Moskau befunden habe, XXXX getötet. Deshalb habe seine Mutter den BF damals "hinausgeschickt"; seine (jüngere) Schwester sei damals in Sicherheit gewesen, da man sich hauptsächlich an Männern räche.
Auf Nachfrage gab der BF an, dass sein Vater zur Zeit von Najibullah im Verteidigungsministerium gewesen sei. Er habe Dokumente, die er sich aus Moskau nachschicken habe lassen und die die Tätigkeit seines Vaters bewiesen; sie seien im Besitz des Onkels des BF, des Bruders seines Vaters gewesen.
Der Onkel des BF, XXXX , sei von Moskau weiter nach London gegangen, um Asyl zu beantragen; er habe Söhne; sie seien mit ihm nach London gegangen. Er sei sofort aus Afghanistan weggegangen, nachdem "diese Sache" geschehen sei. Der BF habe Angst vor einer Rückkehr nach Afghanistan, nämlich "vor dieser Familie"; die Feindschaft ziehe sich schon über Generationen.
Auf Nachfrage gab der BF an, er wisse nicht, ob XXXX Söhne habe. Er wisse von XXXX nur, dass sein Vater ein Möbelgeschäft in XXXX in Kabul (Stadt) gehabt habe. Auf Nachfrage gab der BF weiters an, nicht zu wissen, wo sich seine Großmutter jetzt befinde; entweder im Iran oder in Pakistan.
Der BF gab im Rahmen dieser Verhandlung auf Nachfrage weiters an, gesundheitliche Probleme gehabt zu haben; er habe Drogen genommen und sei einmal aus dem Fenster gesprungen (zweiter Sock). Das sei im Jahr 2006 gewesen.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.02.2012 wurde dem BF gem. § 9 Abs. 1 und 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und er wurde gemäß § 10 AsylG 2005 nach Afghanistan ausgewiesen.
Die Behörde bezog sich in dieser Entscheidung auf die am 19.07.2004 und (nach Zurückverweisung durch den unabhängigen Bundesasylsenat) am 24.11.2005 erfolgten Einvernahmen des BF vor der Behörde und gab daraus die entscheidungsrelevanten Passagen wieder. Am 02.02.2012 führte die Behörde eine Einvernahme des BF durch, bei der er sich neuerlich auf seine Befürchtungen seitens der gegnerischen Familie bezog. Dem BF wurde in weiterer Folge vorgehalten, er sei jetzt erwachsen und gesund und habe in Afghanistan eine Fluchtalternative.
Zur Person des BF traf die Behörde die folgenden Feststellungen: Der BF stamme aus Afghanistan, trage den im Spruch genannten Namen und sei gesund und haftfähig. In der Haft erhalte er kein Drogenersatzpräparat, weil er lediglich Haschisch geraucht habe.
Der BF sei in Österreich mehrfach verurteilt worden; zuletzt im Juli 2011 wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz.
Zu den Gründen für die Aberkennung des subsidiären Schutzes führte die Behörde aus, dass der BF wegen seiner Verstöße gegen das SMG eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle; und weiters, dass der BF mittlerweile volljährig sei. Die Situation in Afghanistan stelle sich jetzt auch anders dar, als zum Zeitpunkt der Entscheidung im Jahr 2004. Der BF habe eine aktuelle Gefährdungslage nicht glaubhaft gemacht.
Zum Privat- und Familienleben wurde festgestellt, dass der BF sich seit Juli 2003 in Österreich befunden habe. Sein Aufenthalt sei lediglich auf Basis des Asylgesetzes erfolgt. Der BF habe zunächst eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gehabt; danach sei er seit August 2004 zum befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen.
In Österreich habe der BF keine Verwandten oder sonstige familiäre Beziehungen.
Der BF habe in Österreich nie gearbeitet. Bis Juli 2011 habe er sich in der Grundversorgung befunden. Seit damals werde er von der Caritas unterstützt. Er habe einen Deutschkurs besucht und spreche in Grundzügen Deutsch.
Er sei in Österreich nicht Mitglied irgendeiner Gruppierung.
Laut Auszug aus dem Strafregister sei der BF im Oktober 2005, im April 2007, im September 2007, im April 2009 und im Juli 2011 wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt worden.
Zur Situation im Fall der Rückkehr des BF nach Afghanistan stellt die Behörde fest:
Der BF sei nunmehr erwachsen. Er sei gesund und arbeitsfähig. Es habe keine Gefährdungslage im Herkunftslage festgestellt werden können. Der BF habe Verwandte im Ausland.
Die Behörde traf in Folge Feststellungen zur Lage in Afghanistan und zwar zu den folgenden Themenkreisen: allgemeine Sicherheitslage ("unverändert weder sicher noch stabil"); zur Sicherheitslage in Kabul; zu bewaffneten nicht staatlichen Akteuren in Afghanistan (aktive Taliban und anderer Gruppen); zur "innerstaatlichen Fluchtalternative" und in diesem Zusammenhang zur Notwendigkeit von "Familienanschluss und sozialem Netz"; zu Rückkehrfragen (Lebensmittel, Wohnraum, Arbeitsmöglichkeiten); zur "Behandlung nach Rückkehr" und zur Erreichbarkeit Kabuls und anderer Regionen in Afghanistan.
Die gegen diesen Bescheid am 08.03.2012 erhobene Beschwerde rügte im Wesentlichen zunächst, dass dem Bescheid nicht zu entnehmen sei, wieso sich die Lage des BF im Fall seiner Rückkehr jetzt verbessert habe, nachdem die Behörde selbst die Verlängerungsanträge (in Bezug auf die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF) auch nach Erreichen der Volljährigkeit des BF im Jahr 2006 positiv entschieden habe. Es sei stattdessen jährlich festgestellt worden, dass die Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes weiterhin vorlägen. Auch bezüglich der "allgemeinen Sicherheitssituation" sei nicht schlüssig, wie die Behörde hier zur Annahme einer Verbesserung gekommen sei. Weiters und die individuelle Situation des BF betreffend führt die Beschwerde aus, dass er im Alter von 12 Jahren auf Grund einer Blutfehde Afghanistan verlassen habe, sich drei Jahre bei seinem Onkel in Moskau aufgehalten habe und dass er in Afghanistan keine Familienangehörigen mehr habe.
In gesundheitlicher Hinsicht sei anzumerken, dass der BF seit dem Jahr 2006 an einer Verletzung der Wirbelsäule leide (nach wie vor einige Metallteile als Stütze im Bereich der Wirbelsäule). Er sei nur beschränkt arbeitsfähig.
Weiters verweist die Beschwerde darauf, dass sich die Lage des BF auch deshalb nicht verbessert habe, weil er immer noch Gefahr liefe, Opfer von Blutrache zu werden. Dazu führt die Beschwerde im Einzelnen aus: "Nachdem mein Onkel Blutrache für meinen Vater genommen hat, ist nach den Regeln der Blutrache davon auszugehen, dass die verfeindete Familie den nächsten Schritt in dieser Sache setzten wird. Da üblicherweise nicht gegen Kinder oder Frauen vorgegangen wird, sind die nächsten männlichen Verwandten die Hauptangriffsziele. Mein Onkel ist im Ausland. Im Falle meiner Rückkehr wäre zu befürchten, dass ich von dieser Familie, wie schon mein Vater umgebracht werde.
Dass ich im Fall einer Gefährdung jedenfalls einen innerstaatliche Fluchtalternative hätte, kann ich auch nicht bestätigen."
Dass beteiligte an Blutfehden zu den Hauptrisikogruppen in Afghanistan gezählt würde, ergebe sich insbesondere aus dem UNHCR Bericht zum Schutzbedarf afghanischer Asylwerber aus dem Jahr 2011; daraus ergäben sich auch Ausführungen zum Vorliegen einer innerstaatlichen Schutzalternative; auch damit habe die Behörde sich nicht auseinandergesetzt.
Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wäre der BF völlig auf sich alleine gestellt und könne nicht auf bestehende familiären Strukturen zurückgreifen. Es sei zu befürchten, dass er in eine ausweglose Lage gerate.
Hinsichtlich des anderen Aberkennungsgrundes (§ 9 Abs. 2 AsylG) so sei es dem BF bewusst, dass "so nicht weiter gehen" könne. Er wolle darauf hinweisen, dass es sich bei seinen Vorstrafen durchwegs um "Vergehen" handle, die vom Gesetzgeber nicht mit allzu hoher Strafdrohung bedacht seien.
Im Ergebnis bestreitet die Beschwerde, dass im Fall des BF nicht vom Vorliegen einer "Gefährdung für die Allgemeinheit" ausgegangen werden könne; weiters wird auch darauf verwiesen, dass selbst bei Annahme dieser Gefährdung durch den BF die belangte Behörde in seinem Fall hätte feststellen müssen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei, weil im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung von Art. oder Art. 3 EMRK drohe.
3. Eine in weiterer Folge für den 07.10.2014 vor dem BVwG anberaumte Verhandlung wurde abberaumt, da sich der zu diesem Zeitpunkt in Haft in der Justizanstalt Ried/Innkreis befindliche BF seit dem 05.09.2014 im Landesklinikum " XXXX " in stationärer Aufnahme wegen "Selbstbeschädigung" befunden hat und nicht vorgeführt werden konnte.
4. Mit Beschluss vom 02.07.2015 hat das BVwG die Verfahren betreffend den BF gem. § 24 AsylG 2005 eingestellt, dies deshalb, weil der Aufenthalt des BF nicht ermittelt werden konnte.
5. Am 05.04.2018 erfolgte die Fortsetzung der beiden den BF betreffenden Verfahren durch das BVwG.
6. Eine zuletzt für den 21.06.2019 (der Akt des im BF hatte sich zwischenzeitig wegen eines durch die Behörde eingebrachten Fristsetzunganstrages zur Entscheidung darüber beim VwGH befunden) angesetzte Verhandlung wurde auf Grund des gesundheitlichen/psychischen Zustandes des BF abberaumt. Die Vorführung des BF sei nach Auskunft der behandelnden Ärzte schwer möglich, ob der BF einer Verhandlung folgen könne, sei fraglich.
7. Ein aktueller Strafregisterauszug weist zwölf strafgerichtliche Verurteilungen des BF auf. Darunter befinden sich neben vermehrten Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz auch Verurteilungen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269 Abs. 1 StGB), Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§241e Abs. 3 StGB), sowie wegen gewerbsmäßigem Diebstahl (§§ 127, 130 Abs. 1 1. Fall StGB) und - zuletzt - wegen gefährlicher Drohung (§§ 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB).
Die letzte Verurteilung des BF ist am 29.06.2019 erfolgt (Urteil des LG f. Strafsachen vom 29.06.2019, 24 Hv 46/19z):
"LG F.STRAFS.GRAZ 024 HV 46/2019z vom 25.06.2019 RK 29.06.2019
§§ 107 (1), 107 (2) StGB
Datum der (letzten) Tat 09.11.2018
Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 STGB"
8. Der BF befindet sich (bereits) seit dem 16.05.2019 in stationärer Behandlung der XXXX des XXXX , Standort XXXX .
Eine durch das BVwG dort gestellte Anfrage zum Zustand des BF und weiterer Perspektiven diesbezüglich hat ergeben:
"1. Hr. XXXX befindet seit 16.05.2019 in stationärer Behandlung der XXXX des XXXX , Standort XXXX . Er wurde aufgrund eines depressiven Zustandsbildes bei bekannter schizoaffektiver Störung zur weiteren Behandlung vom Anstaltsleiter der JA Graz Karlau in unser Haus zugewiesen.
Noch während des stationären Aufenthaltes bei uns wurde Hr. XXXX dann mit Rechtskraft vom 29.06.2019 in den Maßnahmenvollzug gem. § 21.1 StGB übernommen (Urteil des LG f. Strafsachen vom 29.06.2019, 24 Hv 46/19z).
2. Die aktuelle psychiatrische Diagnose lautet - in Entsprechung zum Einweisungsgutachten von Prof. XXXX - auf schizoaffektive Störung, ggw. depressiv (F 25.1), und Polytoxikomanie, dzt. abstinent unter beschützten Bedingungen (F 19.5). Des Weiteren gehen wir von einer intellektuellen Minderbegabung aus.
3. Der Patient befindet sich bei uns seit 16.05.2019. Da sich das psychiatrische Zustandsbild auch unter der laufenden Medikation nicht wesentlich bessert und der Patient auch psychotherapeutischen Interventionen gegenüber nicht zugänglich ist, gehen wir davon aus, dass Hr. XXXX jedenfalls noch bis zur ersten Überprüfung der vorbeugenden Maßnahmenunterbringung durch das LG f. Strafsachen Graz im kommenden Jahr bei uns verbleiben wird.
4. Bei der vorliegenden schizoaffektiven Störung handelt es sich um eine schwere, chronische Krankheit, welche noch dazu - wie schon erwähnt - auf die therapeutischen Maßnahmen kaum anspricht.
5. Die anhaltende (Fremd-)Gefährlichkeit ergibt sich aus den Delikten, welche der Patient unter dem Einfluss seiner psychiatrischen Störung begangen hat, und der weiter bestehenden Symptomatik. Für eine genauere aktuelle Gefährlichkeitsprognose empfehlen wir die Beiziehung eines forensisch-psychiatrischen Gutachters.
6. Hr. XXXX könnte einer mündlichen Verhandlung zumindest teilweise folgen. Es wäre aber - nach unseren Erfahrungen mit ihm - davon auszugehen, dass er - auch krankheitsbedingt - nur sehr knapp und z. T. ausweichend antworten würde. Er ist kognitiv eingeengt, inhaltlich auf wenige Themen fokussiert. Auf jegliche Frage nach seiner Befindlichkeit antwortet er perseverierend mit der Feststellung, gefühllos zu sein. Auch versucht er redundant, von Mitpatienten Zigaretten zu erfragen. Wahnhaft psychotische Inhalte oder Sinnestäuschungen in Form von Halluzinationen sind unter der Behandlung derzeit nicht erfragbar. Eine Befragung vor Gericht hätte mit großer Wahrscheinlichkeit keine negativen Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand.
7. Zur Frage der eventuellen Notwendigkeit einer Bestellung eines EV ist anzumerken, dass Hr. XXXX über kein Vermögen verfügt und während des stationären Aufenthaltes bisher auch keine rechtlichen Entscheidungen notwendig waren, die die Beistellung eines EVs hätten als notwendig erscheinen lassen. Deshalb hat es unsererseits bisher auch keine Überlegungen gegeben, die Bestellung eines EVs anzuregen."
6. Mit Schreiben 27.11.2019 hat das BVwG beim zuständigen BG Graz-West angeregt, dass im Fall des BF ein (einstweiliger) Erwachsenenvertreter bestellt werden möge; dies vor dem Hintergrund vorliegender Bedenken auf Grund des oben geschilderten Zustandes des BF.
II. Feststellungen und Beweiswürdigung
Der dargestellte Sachverhalt wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser Sachverhalt ergibt sich bedenkenlos aus den vorliegenden Verwaltungsakten.
III. Rechtliche Würdigung
Zu A).
1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 erster Satz B-VG sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig waren, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (in der Folge: AsylGNov. 2003) sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.
Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 1997 idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 ist jedoch in der Fassung der AsylGNov. 2003 anzuwenden.
Das Verfahren war am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig, es war daher vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 i.d.g.F. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen; dies trifft auf das vorliegende Verfahren zu.
2. Zur Zurückverweisung der Beschwerde gegen die Nichtgewährung von Asyl:
2.1 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168). Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinausgehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).
In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
2.2. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.
Die Behörde hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht, bzw. grundlegend nicht ausreichend ermittelt, hat verfahrenswesentliche Feststellungen nicht getroffen und entsprechend auf die konkreten Verfahren bezogene Länderfeststellungen den gegenständlichen Bescheiden nicht zu Grunde gelegt.
Unter Verweis auf die Entscheidungen des VfGH (etwa E 3507/2017-15 vom 27. Februar 2018), sowie des VwGH (Ra 2018/18/0315 bis 0320-10 vom 6. September 2018) ist festzuhalten, dass die in den angefochtenen Bescheiden wiedergegebenen Länderberichte unter anderem keine bzw. nur allgemeine Ausführungen zur Situation in Afghanistan enthalten.
2.3. Bereits im ersten Verfahrensgang ist der damals zuständige unabhängige Bundesasylsenat zum Ergebnis gelangt:
"...hat es das Bundesaylamt verabsäumt, Feststellungen zur Situation in Afghanistan, besonders zur Frage der Blutrache, in das Verfahren einzuführen und im Bescheid zu treffen. Es ist aber nicht möglich, das Vorbringen des Berufungswerbers korrekt zu beurteilen und zu würdigen, wenn nicht in ausreichendem Maße Feststellungen über die Situation in Afghanistan, besonders zur Frage der Blutrache, ins Verfahren eingeführt werden. Das Bundesasylamt ist als Spezialbehörde verpflichtet, sich über die Situation und die Entwicklungen in Afghanistan Kenntnis zu verschaffen und im Einzelfall entsprechende Feststellungen zu treffen. ...] Diese Feststellungen wären mit dem Berufungswerber zu erörtern; daraus könnte sich die Notwendigkeit ergeben, ihn neuerlich zu seinen persönlichen Umständen einzuvernehmen. ...]"
Aus den dem gegenständlichen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen geht insbesondere hervor, dass es "Blutrache" in Afghanistan gibt, dass es zwar auch alternative Mechanismen zur Streitschlichtung gäbe, dass diese aber aus dem Ausland nur sehr schwierig zum Schutz vor weiteren Racheakten in Anspruch genommen werden könnten. Die Feststellungen beschränken sich auf das Thema der "Blutrache" und behandeln dieses auch nur in Beug auf bestimmte Themen. So wird ausgeführt, dass Blutrache eine Mittel zur Ahndung von Verletzung der Familienehre sei, insbes. im Zusammenhang mit unverheirateten Frauen/außerehelichem Geschlechtsverkehr. Ein solcher Zusammenhang ist dem gesamten Vorbringen des BF jedoch nicht zu entnehmen. Des weiteren beziehen sich die Feststellungen auf das Thema der "präventiven" Blutrache. Auch dieser Aspekt geht an dem vom BF vorgebrachten Tatsachensubstrat vorbei. Der BF hat gerade nicht angegeben, sich aus Angst davor, als nächster mutmaßlicher "Rächer" präventiv "aus dem Weg geräumt" zu werden, außerhalb Afghanistans zu befinden. Er hat vielmehr angegeben, dass er als nächstes Opfer von Blutrache durch die verfeindetet Familie in Frage käme. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der BF diese Angabe durchgehend und konsistent in allen Verfahrensgängen gemacht hat.
Die Behörde wiederum ist im zweiten Verfahrensgang davon ausgegangen, das Vorbringen des BF sei unglaubwürdig, weil die Blutrache bereits "abschlossen" sei. Der BF habe daher nichts mehr zu fürchten Diese Schlussfolgerung ist den im Bescheid dargestellten Feststellungen keineswegs zu entnehmen. Diese beziehen sich wie oben beschrieben auf "präventive" Blutrache und Rache für verletzte Familienehre, nicht aber auf die vom BF geschilderte Konstellation.
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die Behörde aus dem Umstand, dass - allenfalls bestehende - alternative, unblutige Mechanismen aus dem Ausland kaum in Anspruch genommen werden können, keine Schlussfolgerungen für den Fall des BF gezogen hat. Schließlich finden sich im angefochtenen Bescheid auch keine Ausführung zur Möglichkeit des BF, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan effektiven staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen.
Bezüglich all dieser Aspekte (Familienfeindschaft, alternativer Schutz, staatlicher Schutz) hätten weitere Abklärungen erfolgen müssen, etwa durch Beiziehung weiterer Länderdokumente oder eines länderkundlichen Sachverständigen. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hätten mit dem BF zur Wahrung des Parteiengehörs erörtert werden müssen.
Die Behörde geht im angefochtenen Bescheide somit auf wesentliche Verfahrensfragen nicht ausreichend ein, bzw. unterlässt die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen gänzlich. Der von der Verwaltungsbehörde diesbezüglich ermittelte Sachverhalt ist somit diesbezüglich grundlegend ergänzungsbedürftig. Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme eines in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführenden Ermittlungsverfahrens als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist (vormals Bundesasylamt) und eine sämtliche verfahrensrelevanten Aspekte abdeckende Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.
Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war der angefochtenen Bescheide zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen.
Auf Grundlage der neuen Ermittlungsergebnisse - insbesondere unter Einbeziehung der rezenten UNHCR-Richtlinien - wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen und unter Zugrundelegung von spezifischen - die oben angeführten Punkte in ausreichender Weise abklärenden Länderfeststellungen - einen neuen Bescheid zu erlassen haben.
3. Zur Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzbererechtigten
3.1. Die oben unter 1., 2.1., 2.2. und 2.3. erfolgten Ausführungen zur Anwendung des § 28 Abs. 2 BVwVG gelten auch hier.
3.2. Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ergeht in Beschlussform (vgl. Fister/Fuchs/Sachs: "Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar", Seiten 153, 154, Anmerkungen 11) und 12)).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12.11.2014, Ra 2014/20/0029 (unter Verweis auf sein Erkenntnis (oben angeführtes) vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG ausgeführt:
"Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dort mit dieser Frage auseinandergesetzt und dargelegt, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt ist. Die nach § 28 VwGVG von der meritorischen Entscheidungspflicht verbleibenden Ausnahmen sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden kann. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).
Die Behörde hat daher die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel:
"Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).
3.3. Zu den rechtlichen Grundlagen der verfahrensgegenständlichen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.3.1. Vorauszuschicken ist, dass sich das Bundesamt im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf "alle" Aberkennungstatbestände nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG bezog.
Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der Feststellungen sowie der konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung des Bundesamtes zu beantworten. Gegenständlich ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides zunächst, dass es sich um die Anwendung des zweiten Falles des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG handeln dürfte, da den Feststellungen zu entnehmen ist, dass sich die individuelle Situation des Beschwerdeführers maßgeblich verändert habe (er sei jetzt erwachsen geworden); ebenso aber auch, dass sich die allgemeine Situation in Afghanistan auch im Sinne der den BF allenfalls betreffenden Rückkehrgefährdung verbessert habe.
Ferner liegen weder Hinweise dafür vor, dass eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seitens des Beschwerdeführers für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend war noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kenntnisstand der Behörde hinsichtlich eines für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstandes (im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 23.05.2019, C-720/17) geändert hätte - mithin dies Umstände für die Gewährung subsidiären Schutzes nie vorgelegen hätten.
Die Beurteilung des durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat sohin als erstes vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zu erfolgen.
3.3.2. Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich aus § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat. Dies entspricht auch Art. 16 Statusrichtlinie, wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und bei der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (vgl. VwGH vom 31.03.2010, Zl. 2007/01/1216).
Die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat setzt eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraus, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes bedarf (vgl. zu § 7 AsylG 1997 etwa VwGH vom 16.02.2006, Zl. 2006/19/0030 mwH).
In Anlehnung an Art. 16 Statusrichtlinie bedarf es hier (§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Fall seiner Abschiebung in dieses Land Opfer einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder an der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (vgl. "Schrefler-König/Gruber, Asylrecht", zu § 9 AsylG 2005, Anm. 11).
3.4. Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aus nachfolgenden Erwägungen vor:
Der angefochtene Bescheid leidet unter dem Mangel, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der Frage der Zulässigkeit der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie mit der Frage der Zulässigkeit einer Ausweisung (jetzt: Rückkehrentscheidung) nicht in gehöriger Weise auseinandergesetzt hat und den Beschwerdeführer weder im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme zu den Voraussetzungen befragt, noch eine die von der Behörde selbst zur Entscheidungsfindung als notwendig erachteten Fragestellungen auch nur ansatzweise hinreichend abdeckende schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers eingeholt hat. Folglich wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides insgesamt (Feststellungen, Beweiswürdigung, rechtliche Würdigung) - mangels entsprechender Ermittlungsergebnisse - nicht ausreichend auf den notwendigen Sachverhalt eingegangen.
Bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 AsylG ergibt sich, dass die Behörde im Aberkennungsverfahren von Amts wegen vorzugehen hat und es ist dementsprechend Aufgabe der Behörde offen zu legen, weshalb sie davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen.
Ausgangspunkt der Beurteilung haben daher jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben. Vermag die Behörde insoweit ihre Ansicht ordnungsgemäß zu belegen, liegt es am betroffenen Fremden, ein entsprechendes Vorbringen ins Treffen zu führen, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weiterhin vorliegen. Die Behörde wird allerdings durch die Verletzung der Obliegenheit einer Partei zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts weder von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, noch von der Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör sowie von ihrer Begründungspflicht enthoben (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Als Ausgangspunkt für konkrete Ermittlungsschritte wären von der belangten Behörde die Gründe für die Zuerkennung des Schutzstatus heranzuziehen gewesen. Dies ist nicht erfolgt. Die Behörde wäre in weiterer Folge verpflichtet gewesen, amtswegig die aktuelle Situation im Herkunftsstaat zu ermitteln. Im gegenständlichen Fall ist die Behörde dieser Verpflichtung nicht umfassend nachgekommen.
Im Einzelnen hat die Behörde es verabsäumt, abschließend zu klären, aus welcher afghanischen Provinz der Beschwerdeführer stammt und darauf ihre weiteren Ausführungen zu stützen.
Entscheidungswesentlich für die Beurteilung der individuellen Umstände des Beschwerdeführers ist darauf aufbauend die Frage, ob er im Herkunftsstaat nunmehr über ein familiäres Netzwerk verfügt, welches ihn im Fall der Rückkehr unterstützen könnte - oder eben gerade nicht mehr -; bzw. weshalb der BF ein solches Netzwerk nicht bräuchte (Hier hat die Behörde selbst ihrer Entscheidung in ihren Feststellungen gegenteilige Ausführungen zu Grunde gelegt: "soziales Netzwerk erforderlich", s. Bescheid Seite 16). Das Bundesamt hat sich jedoch, ohne weitere Ermittlungen zu tätigen, über diesen Umstand hinweggesetzt und sich im Ergebnis lediglich auf im Ausland befindliche Angehörigen des BF verwiesen. Allein aus dem (auch im Bescheid erwähnten) Umstand, dass der BF jetzt volljährig sei, ist aber eine abschließende Schlussfolgerung nicht möglich. (Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Behörde regelmäßig einem Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsbewilligung stattgegeben hat, als der BF bereits volljährig gewesen ist).
Die im Bescheid enthaltenen allgemeinen Feststellungen zu den im Verfahrensgang wiedergegeben Fragen (nsbes. zur allgemeinen Sicherheitssituation: "weder sicher noch stabil" sind jedenfalls nicht geeignet, die Schlussfolgerungen einer gefahrlosen Rückkehr des BF zu tragen.
Auch der Verweis auf die (allgemeine) Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Schutzalternative ist ebenso wenig geeignet, die Behörde von der umfassenden Ermittlung der individuellen Umstände des Beschwerdeführers zu entbinden; hier wäre nicht bloß auf "Verfolgungssicherheit" abzustellen und dabei ein mögliches Gebiet zu identifizieren, sondern auch auf die Frage der Zumutbarkeit, in einem verfolgungssicheren Gebiet zu leben, einzugehen. Die Behörde hat sich auch vor diesem Hintergrund weder mit der familiären / sozialen Situation ("soziales Netzwerk") in Afghanistan auseinandergesetzt, noch mit allfälligen persönlichen Beschränkungen des BF, "sonstwo" einer Erwerbstätigkeit nach zu gehen.
Somit ist festzustellen, dass das Bundesamt in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage bezüglich der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG sowie hinsichtlich der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan (vor dem Hintergrund des Art. 2 und 3 EMRK) nicht mit der ihm gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist und die Sachlage nicht ausreichend erhoben bzw. sich in der Bescheidbegründung nur mangelhaft mit den Angaben des Beschwerdeführers und mit den Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat.
Hier ist darauf zu verweisen, dass sich der "Quellfehler" in der behördlichen Ermittlungstätigkeit auch in diesem Bescheid fortschreibt: Die Behörde hat erneut zu der Frage der "Blutrache", aus der dem BF ein reales Risiko drohen könnte, ihrer Entscheidung die Annahme zu Grunde gelegt, die Rache sei "abgeschlossen", dies obwohl der BF gegenteilige Befürchtungen geäußert hat.
Auch in diesem Bescheid finden sich keine Feststellungen, die die Annahme der Behörde stützten würden.
3.5. Was schließlich den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 2 AsylG betrifft, so ist aus denselben Gründen darauf zu verweisen, dass die Behörde - selbst unter Zugrundelegung des erfüllten Tatbestandes (Gefährdung der öffentlichen Sicherheit) - nicht von ihrer Ermittlungstätigkeit in Bezug auf eine reale Gefährdung des BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan entbunden gewesen ist (vgl dazu § 9 Abs. 2 AsylG: "In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde").
Eine derartige Aufbereitung des Sachverhaltes ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
3.6. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes verstößt das Prozedere der belangten Behörde daher gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Ant