Entscheidungsdatum
05.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W277 2130541-3/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. am XXXX alias XXXX , StA. der Russischen Föderation, vom XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet mit ihren beiden volljährigen Söhnen ( XXXX ) am XXXX den ersten Antrag auf internationalen Schutz (Akt I, AS 7). Als Fluchtgrund gab sie an, dass zuerst ihr Ehemann und dann auch ihre beiden Söhne im Herkunftsstaat verfolgt worden wären. Ihre Söhne seien mittlerweile erwachsen und es sei zu gefährlich gewesen dort zu bleiben (Akt I, AS 13). Sie gab weiters an, dass ihr Ehemann ( XXXX ), welcher am XXXX einen Asylantrag in Österreich gestellt hat, sie nach Ihrer Ankunft in das Bundesgebiet vom Bahnhof in XXXX abgeholt und in das XXXX gebracht habe. Der Ehemann sei aber nicht mit ihr im XXXX verblieben, sondern an seine " XXXX " gefahren (Akt I, AS 11).
Das damalige Bundesasylamt wies diesen mit Bescheid vom XXXX ab (Akt I, AS 169 ff.). Die gegen diese Entscheidung eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX , unter gleichzeitiger Verfügung der Ausweisung der BF in die Russische Föderation, als unbegründet abgewiesen (Akt I, AS 375). Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang auf das Vorbringen des Ehegatten sowie den Söhnen der BF verwiesen, welche sich im gesamten Verlauf ihres jeweiligen Asylverfahrens in Österreich in mannigfaltige Widersprüche verwickelt hätten und deren Vorbringen insgesamt unplausibel gewesen sei. Hinsichtlich der medizinischen Versorgung stellte der Asylgerichtshof fest, dass nach Auskunft des XXXX in XXXX alle medizinischen Behandlungen verfügbar seien und das XXXX vier psychosoziale Rehabilitationszentren in XXXX errichten haben. Es habe daher nicht festgestellt werden können, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr einer aktuellen Verfolgung in der Russischen Föderation ausgesetzt wäre. Auch ließe sich nicht der Schluss ableiten, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen oder sie von derart außergewöhnlichen Umständen betroffen wäre, die die hohe Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK übersteigen. Schließlich gelangte der Asylgerichtshof im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ebenso wie das Bundesasylamt zu dem Schluss, dass die Ausweisung der BF keinen - ungerechtfertigten - Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.
1.2. Die BF brachte am XXXX den zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein (Akt I, AS 415 ff.), welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde (Akt I, AS 477). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX (Akt I, AS 587) nach Einholung eines psychiatrisch neurologischen Sachverständigengutachtens zum psychischen Gesundheitszustand der BF (Akt I, AS 639) wegen entschiedener Sache hinsichtlich Spruchpunkt I. abgewiesen.
1.2.1. Mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX wurde die BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Akt I, AS 657). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde (Akt I, AS 717) wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX als unbegründet abgewiesen (Akt I, AS 753).
1.3. Am XXXX stellte die BF den dritten Antrag auf internationalen Schutz (Akt I, AS 817). Hierbei gab sie an Angst vor einer Vergewaltigung zu haben. Sie würde bei einer Rückkehr "sicher" verschwinden. Sie habe gesehen, dass (sinngemäß) Menschen verschleppt worden seien und Frauen nachdem sie vergewaltigt worden wären, sich umgebracht hätten (Akt I, AS 821).
1.3.1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , wurde dieser dritte Antrag der BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die BF gemäß XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Akt I, As 985). Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX , Zl. XXXX stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben. Der rechtlichen Beurteilung ist zu entnehmen, dass der Beschwerde des Gatten der BF, XXXX , stattgegeben wurde und der Bescheid behoben wurde XXXX . Da Verfahren über Anträge von Familienangehörigen "unter einem" zu führen wären und davon nicht gesprochen werden könne, wenn Verfahren bei zwei verschiedenen Instanzen hängen, wäre der bekämpfte Bescheid der BF zu beheben (Akt I, AS 1171).
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde nach Durchführung einer niederschriftlichen Befragung der dritte Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX abgewiesen und die BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Akt I, AS 1257).
1.3.2. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX abgewiesen. Gleichzeitig wurde die BF in die Russische Föderation ausgewiesen (Akt I, As 1403).
2. Die BF wurde am XXXX von den österreichischen Behörden in den Herkunftsstaat Russische Föderation abgeschoben (Akt I, AS 1569).
3. Am XXXX langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) eine behördliche Information ein, wonach die BF am XXXX bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus" zur Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Ehemann gestellt habe. Sie sei dabei weder in Besitz eines Aufenthaltstitels, noch eines gültigen Visums gewesen (Akt II, AS 1601).
3.1. Mit Schreiben des BFA vom XXXX wurde der BF im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs mitgeteilt, dass in Bezug auf ihre Person (von Amts wegen) eine Aufenthaltsbeendigung gemäß § 52 FPG (Rückkehrentscheidung) geprüft werde. Der BF wurde unter gleichzeitiger Übermittlung eines Fragenkatalogs zu ihrer Lebenssituation in Österreich sowie eines allgemeinen Ländervorhalts zur Situation in der Russischen Föderation XXXX , Gelegenheit geboten, binnen zweiwöchiger Frist schriftlich Stellung zu beziehen (Akt II, AS 1603).
3.2. Mit einem als " XXXX " bezeichneten Schriftstück des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen.
3.2.1. Die dem Verwaltungsakt einliegende, vom genehmigungsberechtigten Organwalter des BFA XXXX zu unterfertigende Erledigung wies keine Unterschrift auf, ebenso wenig eine Amtssignatur (Akt II, AS 1631).
3.2.2. Gegen dieses als "Bescheid" bezeichnete Schriftstück erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters am XXXX eine Beschwerde (Akt II, AS 1709).
3.3. Das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) wies mit Beschluss vom XXXX , die erhobene Beschwerde als unzulässig zurück, da die angefochtene Erledigung des BFA keine Unterschrift oder Amtssignatur aufgewiesen hatte und sohin nicht als Bescheid in rechtliche Existenz getreten war (Akt II, AS 1827).
3.4. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , erließ das BFA eine der vormals angefochtenen Erledigung inhaltlich gleichlautende Entscheidung (Akt II, AS 1845). Der BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen.
Begründend wurde zusammenfassend festgehalten, dass die BF bereits im Jahr XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt habe, welcher rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Zwei weitere Folgeanträge hätten ebenfalls negative Erledigungen nach sich gezogen. Die BF sei am XXXX in die Russische Föderation abgeschoben worden, sodann abermals ohne Visum nach Österreich eingereist und habe einen Antrag auf Erteilung einer "Rot Weiß Rot-Karte Plus" zur Familienzusammenführung gestellt. Der Ehemann der BF würde einen Aufenthaltstitel in Österreich besitzen. Die BF habe infolge ihrer Abschiebung in die Russische Föderation im Jahr XXXX dort ihren Lebensmittelpunkt gehabt und in dieser Zeit kein gemeinsames Familienleben mit ihrem in Österreich seit XXXX aufrecht gemeldeten Mann geführt. Zudem gehe sie in Österreich aktuell keiner Beschäftigung nach und verfüge über keine Kranken- bzw. Unfallversicherung. Sie habe während der letzten XXXX Jahre nicht in Österreich gelebt und hier auch kein schützenswertes Familienleben geführt. Auch habe keine Aufenthaltsverfestigung ihrer Person festgestellt werden können. Der Entscheidung wurden die Länderberichte zur Situation in XXXX zugrunde gelegt.
3.5. Die dagegen erhobene Beschwerde, eingelangt am XXXX , wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen (Akt II, AS 2039). Begründend wurde ausgeführt, dass die BF die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erfülle. Da die BF im Hinblick auf die bereits negativ entschiedenen Asylanträge und der bereits erfolgten Abschiebung keinesfalls auf einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet habe vertrauen können und die im Bundesgebiet vorhandenen familiären Beziehung nicht die Intensität des Art. 8 EMRK erreichen, stelle die Rückkehrentscheidung keine Verletzung ihres Familienlebens dar. Auch könne der Familienbezug der BF nicht zu einer Umgehung der Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetztes (NAG) führen, welches im Hinblick auf die Beantragung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG grundsätzlich die Antragstellung aus dem Ausland vorsieht. Im Verfahren seien keine Aspekte einer maßgeblichen Integration der BF im Bundesgebiet vorgebracht worden, weshalb im Falle der BF aufgrund ihrer individuellen Situation nicht erkannt werden könne, weshalb dieser eine Antragstellung und ein Abwarten des Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz in ihrem Herkunftsstaat nicht möglich oder zumutbar wäre und bereits vor diesem Hintergrund eine Verletzung ihrer Rechte nach Artikel 8 EMRK anzunehmen wäre. Insofern die BF im gegenständlichen Fall gesundheitliche Probleme als einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat entgegenstehend geltend mache, sei dem zu entgegnen, dass die im ihrem Fall vorliegenden Erkrankungen keinen derart außergewöhnlichen Umstand darstellen, dass eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK anzunehmen wäre und sei auch von keiner lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes für den Fall ihrer Rückkehr auszugehen.
3.5.1. Dem niederschriftlichen Einvernahmeprotokoll der BFA Regionaldirektion XXXX vom XXXX betreffend die Einvernahme im fremdenpolizeilichen Verfahren, ist zu entnehmen, dass die BF die Beantwortung sämtlicher Fragen verweigerte (Akt II, AS 2211).
3.6. Über die dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde am XXXX , beschlossen, dass die Behandlung der Beschwerde abgelehnt wird (Akt II, AS 2195 ff.) Am XXXX wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes die Beschwerde wurde über nachträglichen Antrag iSd. XXXX an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten (Akt II, AS 2225). Die gegen den Bescheid vom XXXX erhobene außerordentliche Revision vom XXXX wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX zurückgewiesen (Akt II, AS 2379).
3.7. Dem Bericht der XXXX , ist zu entnehmen, dass die BF sich der Abschiebung entzogen hat (Akt II, AS 2407). Die Charterabschiebung am XXXX musste folglich storniert werden (Akt II, AS 2409 ff.). Der Verbleib der BF war in weiterer Folge nicht bekannt.
3.7.1. Die BF wurde aufgrund des XXXX am XXXX im Bundesgebiet amtlich abgemeldet (Akt II, AS 2479).
4. Am XXXX stellte die BF in XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz (Akt II, AS 2481). Am XXXX wurde sie von XXXX im Wege des XXXX Verfahrens wegen der Zuständigkeit Österreichs ins Bundesgebiet überstellt.
4.1. Am XXXX stellte die BF ihren vierten Antrag im österreichischen Bundesgebiet. Sie wurde am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt (Akt II, AS 2499). Zu den Fluchtgründen brachte sie insbesondere vor, dass die alten Fluchtgründe aufrecht bleiben würden - in Russland sei sie auch weiterhin in Lebensgefahr, da ihr Mann damals gegen die russische Armee gekämpft habe und er aus diesem Grund immer wieder abgeholt und freigelassen worden sei. Da sie die Frau eines Aufständischen sei, habe sie Angst, ebenso verfolgt zu werden. Auch sei ihr ihm Herkunftsstaat gedroht worden. Das seien ihre einzigen Fluchtgründe. Hier in Österreich würden ihr Ehemann und ihr Sohn leben.
4.2. Am XXXX wurde die BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen (Akt II, AS 2577 ff.) und gab dabei an, dass es ihr gut gehe und sie hohen Blutdruck und Sodbrennen habe. Letzteres sei bereits im Herkunftsstaat behandelt worden. Sie nehme XXXX ). Nach ihrer Abschiebung sei die BF bis Ende XXXX in der Russischen Föderation gewesen, und zwar bei den Verwandten ihrer Schwägerin in XXXX und XXXX . Sie habe von Verwandten immer gehört, dass die Behörden auch weiterhin nach der Familie der BF suchen würden und wissen würden, dass sie da sei. Nachdem sie ihren neuen Inlandsreisepass habe ausstellen lassen, sei sie wieder in das Bundesgebiet eingereist, um einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel (eine Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus) zu stellen. Vom XXXX sei sie bei ihrer Tochter in XXXX gewesen. Die BF könne aufgrund der Probleme ihres Mannes, die seit XXXX bestehen würden, nicht in den Herkunftsstaat zurück. Zudem lebe ihre Familie im Bundesgebiet. Konkret danach gefragt, was sich seit den Entscheidungen vom XXXX bzw. zuletzt vom XXXX geändert habe, gab die BF an, dass sich nichts geändert habe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei ihr nicht möglich, da man sie überall finden würde; sogar in Europa seien Kadyrovs Leute vertreten. Im Bundesgebiet habe die BF in der Vergangenheit über die Caritas gearbeitet. Derzeit sei sie jedoch mit Familie und Bekannten beschäftigt und habe viele Arzttermine. Den Lebensunterhalt bestreite sie durch ihren berufstätigen Ehemann.
4.3. Mit Schriftstück vom XXXX (Akt II, AS 2647), eingelangt am XXXX , wurde zur Niederschrift im Verfahren vor dem BFA Stellung bezogen und insbesondere angeführt, dass die Gesundheit der BF aufgrund der Wohnortswechsel, um den Nachstellungen des XXXX zu entgehen, stark strapaziert sei, insbesondere in psychischer Hinsicht. Im Bundesgebiet habe sie aufgrund ihrer Kontakte durch die XXXX sehr gute Chancen, binnen kürzester Zeit eine sozialversicherungspflichtige Arbeit zu finden. Für den Fall eines Aufenthaltsrechtes habe Frau XXXX von XXXX ihrer Vertrauensperson mündlich eine Anstellungsmöglichkeit der BF im XXXX in Aussicht gestellt. Auch leben hier ihr Ehemann, ihr Sohn, sowie dessen Frau und zwei Kinder im Bundesgebiet.
4.4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom XXXX , eingelangt am selben Tag, das Rechtsmittel der Beschwerde. Dieser wurde Folgendes beigefügt:
-eine Vollmacht,
-ein Ambulanzbericht vom XXXX ,
-ein Arztbrief des XXXX ,
-ein XXXX ,
-eine Rechnung des XXXX ,
-die Heiratsurkunde XXXX ,
-eine Stellungnahme zur XXXX ,
-ein Empfehlungsschreiben der Betriebsleitung XXXX KG,
-ein XXXX ,
-ein Empfehlungsschreiben von XXXX vom XXXX betreffend die Familie
XXXX ,
-ein Empfehlungsschreiben von XXXX vom XXXX betreffend die Familie
XXXX ,
-ein undatiertes Empfehlungsschreiben betreffend Herrn XXXX der XXXX
,
-ein Empfehlungsschreiben XXXX betreffend das Ehepaar XXXX sowie ein Empfehlungsschreiben von XXXX vom XXXX .
6. Mit Schreiben vom XXXX wurde eine Lohn-/Gehaltsabrechnung von
XXXX von XXXX , eine Arbeits- und Entgeltbestätigung der XXXX sowie ein Mietvertrag betreffend eine Wohnung in der XXXX , datiert mit
XXXX , vorgelegt (OZ 5).
7. Am XXXX informierte das XXXX das BVwG, dass eine XXXX durchgeführt worden ist. Das Geburtsdatum der BF wurde auf den XXXX , der Geburtsort von vormals XXXX auf XXXX geändert (OZ 11).
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.
II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF
1.1.1. Die BF ist eine volljährige Staatsangehörige der Russischen Föderation muslimischen Glaubens und ist seit XXXX verheiratet. Sie spricht die Sprachen Russisch und XXXX . Sie ging im Herkunftsstaat in die Schule und lebte finanziell abgesichert.
1.1.2. XXXX Brüder der BF leben in XXXX im Dorf XXXX . In XXXX leben die Verwandten ihrer Schwägerin.
1.1.3. Die BF hat XXXX ) ein. Die BF leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung im physischen oder psychischen Bereich.
1.1.4. Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 30.09.2019, zitierten Länderberichten ergibt sich zur Lage in Russischen Föderation entscheidungsrelevant Folgendes:
1.2.1. Tschetschenien (Sicherheitslage)
Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, sowie in Syrien und im Irak (SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan: Russlands schwierigste Teilrepublik).
In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus).
Im Jahr 2018 wurden in Tschetschenien mindestens 35 Menschen Opfer des bewaffneten Konflikts, von denen mindestens 26 getötet und neun weitere verletzt wurden. Unter den Opfern befanden sich drei Zivilisten (zwei getötet, einer verletzt), elf Exekutivkräfte (drei getötet, acht verletzt) und 21 Aufständische (alle getötet). Im Vergleich zu 2017, als es 75 Opfer gab, sank die Gesamtopferzahl 2018 um 53,3%. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 wurden in Tschetschenien zwei Personen getötet und vier verletzt (Caucasian Knot (30.8.2019): In 2018, the count of conflict victims in Northern Caucasus dropped by 38%). Seit Jahren ist im Nordkaukasus nicht mehr Tschetschenien Hauptkonfliktzone, sondern Dagestan (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).
1.2.2. Tschetschenien (Allgemeine Menschenrechtslage)
NGOs beklagen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten. Die unabhängige Nowaja Gazeta berichtete im Sommer 2017 über die angebliche außergerichtliche Tötung von über zwei Dutzend Personen zu Beginn des Jahres im Zuge von Massenfestnahmen nach dem Tod eines Polizisten, die nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung von LGBTIPersonen stehen soll. Seitens Amnesty International wurde eine umfassende Untersuchung der Vorwürfe durch die russischen Behörden gefordert. Im Herbst 2017 besuchte das Komitee gegen Folter des Europarates neuerlich Tschetschenien und konsultierte dabei auch die russische Ombudsfrau für Menschenrechte. Ihre nachfolgende Aussage gegenüber den Medien, dass das Komitee keine Bestätigung außergerichtlicher Tötungen oder Folter gefunden habe, wurde vom Komitee unter Hinweis auf die Vertraulichkeit der mit den russischen Behörden geführten Gespräche zurückgewiesen (ÖB Moskau (12.2018):
Asylländerbericht Russische Föderation).
Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend. Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht möglich; Regimeopfer müssen mitsamt ihren Familien aus Tschetschenien herausgebracht werden. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht haben in den letzten Jahren zugenommen (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation).
Gewaltsame Angriffe, die in den vergangenen Jahren auf Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien verübt worden waren, blieben nach wie vor straffrei. Im Januar 2017 nutzte der Sprecher des tschetschenischen Parlaments, Magomed Daudow, seinen Instagram-Account, um unverhohlen eine Drohung gegen Grigori Schwedow, den Chefredakteur des unabhängigen Nachrichtenportals Caucasian Knot auszusprechen. Im April erhielten Journalisten von der unabhängigen Tageszeitung Nowaja Gazeta Drohungen aus Tschetschenien, nachdem sie über die dortige Kampagne gegen Schwule berichtet hatten. Auch Mitarbeiter des Radiosenders Echo Moskwy, die sich mit den Kollegen von Nowaja Gazeta solidarisch erklärten, wurden bedroht. Die Nowaja Gazeta berichtete über die rechtswidrige Inhaftierung zahlreicher Personen seit Dezember 2016 und die heimliche Hinrichtung von mindestens 27 Gefangenen durch Sicherheitskräfte am 26. Januar 2017 in Tschetschenien (AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation).
In den vergangenen Jahren häufen sich Berichte von Personen, die nicht aufgrund irgendwelcher politischer Aktivitäten, sondern aufgrund einfacher Kritik an der sozio-ökonomischen Lage in der Republik unter Druck geraten. So musste ein Mann, der sich im April 2016 in einem Videoaufruf an Präsident Putin über die Misswirtschaft und Korruption lokaler Beamter beschwerte, nach Dagestan flüchten, nachdem sein Haus von Unbekannten in Brand gesteckt worden war. Einen Monat später entschuldigte sich der Mann in einem regionalen Fernsehsender. Im Mai 2016 wandte sich Kadyrow in einem TV-Beitrag mit einer deutlichen Warnung vor Kritik an die in Europa lebende tschetschenische Diaspora. Diese werde für jedes ihrer Worte ihm gegenüber verantwortlich sein, man wisse, wer sie seien und wo sie leben, sie alle seien in seinen Händen, so Kadyrow. Gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax behauptete Kadyrow am 21. November 2017, dass der Terrorismus in Tschetschenien komplett besiegt sei, es gebe aber Versuche zur Rekrutierung junger Menschen, für welche er die subversive Arbeit westlicher Geheimdienste im Internet verantwortlich machte (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation).
Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind. Auch in diesen Fällen kann es zu Sippenhaft von Familienangehörigen kommen. Im Fall des Menschenrechtsaktivisten und Leiter des Memorial-Büros in Tschetschenien Ojub Titijew wurde seitens Memorial bekannt, dass Familienangehörige Tschetschenien verlassen mussten (AA 13.2.2019).
1.2.3. Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens
Die Bevölkerung in Tschetschenien wird auf etwa 1,3 Millionen geschätzt, wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien in Frage gestellt werden. Laut Aussagen von Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in Russland, die andere Hälfte im Ausland. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 12.2018). Seit einigen Jahren schrumpft die Bevölkerung Tschetscheniens, vor allem durch Abwanderung. Zwischen 2008 und 2015 haben laut offiziellen Zahlen 150.000 Tschetschenen die Republik verlassen. Sie ziehen sowohl in andere Regionen in der Russischen Föderation als auch ins Ausland. Als Gründe für die Abwanderung werden ökonomische, menschenrechtliche und gesundheitliche Gründe genannt. In Tschetschenien arbeiten viele Personen im informellen Sektor und gehen daher zum Arbeiten in andere Regionen, um Geld nach Hause schicken zu können. Tschetschenen leben überall in der Russischen Föderation (EASO 8.2018). Laut der letzten Volkszählung von 2010 leben die meisten Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens z.B. in Moskau (über 14.000 Personen), in Inguschetien (knapp 19.000 Personen) in der Region Rostow (über 11.000 Personen), in der Region Stawropol (knapp 12.000 Personen), in Dagestan (über 93.000 Personen), in der Region Wolgograd (knapp 10.000 Personen) und in der Region Astrachan (über 7.000 Personen) (EASO 8.2018, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Die Zahlen sind aber nicht sehr verlässlich, da bei der Volkszählung ein großer Teil der Bevölkerung seine Nationalität nicht angab. Beispielsweise soll die tschetschenische Bevölkerung in der Region Wolgograd um das doppelte höher sein, als die offiziellen Zahlen belegen. Viele Tschetschenen leben dort seit 30 Jahren und sind in unterschiedlichsten Bereichen tätig. In St. Petersburg beispielsweise sollen laut Volkszählung knapp 1.500 Tschetschenen leben, aber allein während des zweiten Tschetschenienkrieges (1999-2009) kamen 10.000 Tschetschenen aufgrund des Mangels an Arbeitsplätzen in Tschetschenien in die Stadt, um in St. Petersburg zu leben und zu arbeiten. Die soziale Zusammensetzung der tschetschenischen Bevölkerung dort ist unterschiedlich, aber die meisten sprechen ihre Landessprache und halten die nationalen Traditionen hoch. Unter den Tschetschenen in St. Petersburg gibt es Geschäftsmänner, Sicherheitsbeamte, Rechtsanwälte, McDonald's Franchisenehmer, aber auch Ärzte, Universitätsprofessoren und Maler. Viele arbeiten im Baugewerbe und im Ölgeschäft, zumeist in mittleren Betrieben, oder besitzen ein eigenes Geschäft oder eine Firma. Tschetschenen in St. Petersburg sehen sich selbst nicht unbedingt als eine engmaschige Diaspora. Sie werden eher durch kulturelle Aktivitäten, die beispielsweise durch die offizielle Vertretung der tschetschenischen Republik oder den sogenannten "Vaynakh-Kongress" (eine Organisation, die oft auch als "tschetschenische Diaspora" bezeichnet wird) veranstaltet wird, zusammengebracht. Auch in Moskau ist die Zahl der Tschetschenen um einiges höher, als die offiziellen Zahlen zeigen. Gründe hierfür sind, dass viele Tschetschenen nicht an Volkszählungen teilnehmen wollen, oder auch, dass viele Tschetschenen zwar in Moskau leben, aber in Tschetschenien ihren Hauptwohnsitz registriert haben [vgl. hierzu Kapitel 19. Bewegungsfreiheit, bzw. 19.1. Meldewesen]. Tschetschenen in Moskau arbeiten oft in der Automobil-, Hotel-, und Restaurantbranche. Viele besitzen auch Tankstellen oder arbeiten im Baugewerbe und im Taxigeschäft (EASO 8.2018). In vielen Regionen gibt es offizielle Vertretungen der tschetschenischen Republik, die kulturelle und sprachliche Programme organisieren und auch die Rechte von einzelnen Personen schützen (Telegraph (24.2.2016): Ramzan Kadyrov: Putin's 'sniper' in Chechnya, vgl. EASO 8.2018). Diese kleinen Büros versuchen auch, den Handel zwischen den Regionen zu fördern. In ganz Russland gibt es ein Netz von 50 dieser offiziellen Vertretungen der tschetschenischen Republik. Obwohl es dem Büro prinzipiell möglich wäre, Informationen zu einer bestimmten Person nach Grosny weiterzuleiten, können diese Vertretungen nicht als Knotenpunkt für das Sammeln von Informationen angesehen werden. Sie tätigen auch sonst keine weiteren, direkteren Aktionen. Obwohl die tschetschenischen Gemeinden in Russland Kadyrow teilweise behilflich bei der Ausübung von Druck auf hochrangige/bekannte Kritiker sind, scheint es keine Beweise zu geben, dass sie eine Art von "fünfter Kolonne" für Grosny sind (Galeotti 2019).
Die Heterogenität und die Dynamik des politischen und religiösen Machtgefüges in Tschetschenien prägen die oppositionellen Strömungen im Inland sowie die Diaspora im Ausland. Überdies wirken sozio-ökonomische Motive als bedeutende ausschlaggebende Faktoren für die Migration aus dem Nordkaukasus. Kadyrow will die Bande zu den tschetschenischen Gemeinschaften außerhalb der Teilrepublik aufrecht halten, wobei unabhängigen Medien zufolge auch Familienmitglieder in Tschetschenien für als ungebührlich empfundenes Verhalten Angehöriger im Ausland gemaßregelt bzw. unter Druck gesetzt werden. Insgesamt schwanken die mitunter ambivalenten Aussagen von Kadyrow zur Migration nach Westeuropa zwischen Toleranz und Kritik. Vor diesem Hintergrund herrscht aus menschenrechtlicher Perspektive die Einschätzung vor, dass die gemessen an der Größe der tschetschenischen Diaspora innerhalb und außerhalb Russlands quantitativ geringe Zahl an tatsächlich Verfolgten sowohl im Inland als auch im Ausland in Einzelfällen einer konkreten Gefährdung ausgesetzt sein können. Auf das Potential zur Instrumentalisierung dieser nur selten begründbaren Gefährdungslage wird meist dann zurückgegriffen, wenn sozio-ökonomische Motive hinter dem Versuch der Migration nach Westeuropa stehen, wie auch von menschenrechtlicher Seite eingeräumt wird. Analysten weisen überdies auf den dynamischen Wandel des politischen Machtgefüges in Tschetschenien sowie gegenüber dem Kreml hin. Prominentes Beispiel dafür ist der Kadyrow-Clan selbst, der im Zuge der Tschetschenienkriege vom Rebellen- zum Vasallentum wechselte. Laut einer Analyse des Moskauer Carnegie-Zentrums sollen die meisten Tschetschenen derzeit aus rein ökonomischen Gründen emigrieren. Trotz der Rhetorik des tschetschenischen Oberhauptes gilt dessen Machtentfaltung außerhalb der Grenzen der Teilrepublik als beschränkt, und zwar nicht nur formell im Lichte der geltenden russischen Rechtsordnung, sondern auch faktisch durch die offenkundige Konkurrenz zu den föderalen Sicherheitskräften (ÖB Moskau 12.2018). Viele Personen innerhalb der Elite, einschließlich der meisten Leiter des Sicherheitsapparates, misstrauen und verachten Kadyrow (Al Jazeera (28.11.2017): Is Chechnya's Kadyrov really 'dreaming' of quitting?). Daraus ist zu folgern, dass die umfangreiche tschetschenische Diaspora innerhalb Russlands nicht unter der unmittelbaren Kontrolle von Kadyrow steht. Wie konkrete Einzelfälle aus der Vergangenheit zeigen, können kriminelle Akte gegen explizite Regimegegner im In- und Ausland allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen werden (ÖB Moskau 12.2018).
Grundsätzlich können Tschetschenen leicht außerhalb Tschetscheniens an einen anderen Ort in der Russischen Föderation flüchten und dort leben. Dies gilt für alle Einwohner des Nordkaukasus. Wird jemand allerdings offiziell von der Polizei gesucht, so ist es für die Behörden möglich, diesen aufzufinden und zurück in den Nordkaukasus zu bringen (ÖB Moskau 12.2018), weil die regionalen Strafverfolgungsbehörden Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen können (AA 13.2.2019). Es kann sein, dass die tschetschenischen Behörden nicht auf diese offiziellen Kanäle zurückgreifen, da diese häufig lang dauern und so ein Fall auch schlüssig begründet sein muss (DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014). Trotz der Rolle nationaler Datenbanken und Registrierungsgesetze, die eine Rückverfolgung von Personen ermöglichen, besteht für betroffene Personen ein gewisser Spielraum, Anonymität und Sicherheit in Russland zu finden, allerdings abhängig von den spezifischen Umständen. Die russischen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sind im Allgemeinen oft nicht bereit, als tschetschenische Vollstrecker aufzutreten, da sie oft skeptisch gegenüber Forderungen aus Grosny sind. Die föderalen Sicherheitsbehörden machen einen deutlichen Unterschied zwischen der Behandlung von Personen, die wegen Verbrechen in Tschetschenien gerichtlich verurteilt wurden, und von jenen, denen nur vorgeworfen wird, Verbrechen begangen zu haben (Galeotti, Mark (2019): License to kill? The risk to Chechens inside Russia). Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlen sich häufig auch in russischen Großstädten vor Ramzan Kadyrow nicht sicher (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation), da bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, auch in Moskau präsent sind (AA 13.2.2019, vgl. EASO - European Asylum Support Office (8.2018): Country of Origin Information Report Russian Federation. The situation for Chechens in Russia, New York Times (17.8.2017): Is Chechnya Taking Over Russia?). Wie viele bewaffnete tschetschenische Kräfte es in Moskau gibt, ist schwer zu sagen. Jedenfalls ist immer wieder die Rede davon, dass Kadyrow tausend, wenn nicht sogar tausende Loyalisten aufbringen kann, die fähig und bereit sind, gegen das Gesetz zu handeln. Dies scheint jedoch höchst fragwürdig. Es gibt auch weniger als hundert Beamte, die offiziell bei den tschetschenischen Sicherheitskräften akkreditiert sind und berechtigt sind, in Moskau zu operieren (Galeotti, Mark (2019):
License to kill? The risk to Chechens inside Russia).
Relative Anonymität und Sicherheit bieten russische Städte, die groß genug sind, um als Neuankömmling nicht aufzufallen und die weniger stark polizeilich überwacht sind als beispielsweise Moskau und St. Petersburg. Moskau und St. Petersburg sind insofern "gefährlicher", als sie tendenziell dichter kontrolliert werden, ihre Kommunikationsinfrastruktur moderner ist, und die Behörden wachsamer sind. Da Moskau zum Beispiel neue Gesichtserkennungssysteme erprobt, die mit Straßenkameras verbunden sind; viele Dokumentenkontrollen durchführt und routinemäßig die Registrierungen von Mobiltelefonen überprüft, die in das U-Bahn-System eindringen; ist es hier viel schwieriger, sich versteckt zu halten. In geringerem Maße gilt vieles davon auch für St. Petersburg (Galeotti, Mark (2019): License to kill? The risk to Chechens inside Russia).
Was die sozioökonomischen Grundlagen für die tschetschenische Diaspora innerhalb Russlands betrifft, ist davon auszugehen, dass die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in der Russischen Föderation trotz der vergangenen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch entsprechende Chancen für russische Staatsangehörige aus der eher strukturschwachen Region des Nordkaukasus bieten. Parallel dazu zeigt sich die russische Regierung bemüht, auch die wirtschaftliche Entwicklung des Nordkaukasus selbst voranzutreiben, unter anderem auch durch Ankurbelung ausländischer Investitionstätigkeit (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation)
1.2.4. Medizinische Versorgung in der Russischen Föderation
Medizinische Versorgung wird von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt. StaatsbürgerInnen haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung (IOM 2018, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Jede/r russische Staatsbürger/in, egal ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht, ist von der Pflichtversicherung erfasst (ÖB Moskau 12.2018). Dies gilt somit natürlich auch für Rückkehrer, daher kann jeder russische Staatsbürger bei Vorlage eines Passes oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis 14) eine OMS-Karte erhalten. Diese müssen bei der nächstliegenden Krankenversicherung eingereicht werden. An staatlichen wie auch an privaten Kliniken sind medizinische Dienstleistungen verfügbar, für die man direkt bezahlen kann (im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung - Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 2018). Durch die Zusatzversicherung sind einige gebührenpflichtige Leistungen in einigen staatlichen Krankenhäusern abgedeckt (ÖB Moskau 12.2018).
Die kostenfreie Versorgung umfasst Notfallbehandlung, Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken, Stationäre Behandlung und teilweise kostenlose Medikamente. Behandlungen innerhalb der OMS sind kostenlos. Für die zahlungspflichtigen Angebote von öffentlichen und privaten Kliniken gibt es Preislisten auf den jeweiligen Webseiten (IOM 2018), die zum Teil auch mit OMS abrechnen (GTAI - German Trade and Invest (27.11.20186): Russlands Privatkliniken glänzen mit hohem Wachstum). Immer mehr russische Staatsbürger wenden sich an Privatkliniken (GTAI 27.11.2018, vgl. Ostexperte.de (22.9.2017): Privatkliniken in Russland immer beliebter). Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert (GIZ 8.2019c, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Voraussetzung ist lediglich eine Registrierung des Wohnsitzes im Land. Am Meldeamt haben nur temporär registrierte Personen Zugang zu notfallmäßiger medizinischer Versorgung, während eine permanente Registrierung stationäre medizinische Versorgung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Pensionsgelder ermöglicht. Fälle von Diskriminierung auf Grund von Religion oder ethnischer Herkunft bezüglich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sind nicht bekannt (ÖB Moskau 12.2018).
Das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt ineffektiv. Trotz der schrittweisen Anhebung der Honorare sind die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals noch immer niedrig (GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft). Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (GIZ 8.2019c, vgl. AA 13.2.2019).
Das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen sind meistens nur in den Großstädten vorhanden. Das Hauptproblem ist jedoch weniger die fehlende technische Ausstattung, sondern ein Ärztemangel, obwohl die Zahl der Ärzte 2018 leicht gestiegen ist. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf die klinische Behandlung ausgerichtet ist. Da in den letzten Jahren die Zahl der Krankenhäuser und Ärztezentren abgenommen hat, hat die Regierung darauf reagiert und 2018 beschlossen, dass bis 2024 360 neue medizinische Einrichtungen, darunter 30 onkologische Zentren, gebaut und weitere 1.200 saniert werden sollen. Zusätzlich sollen 800 mobile Einrichtungen eröffnet werden. Parallel zu diesen Beschlüssen wurden jedoch 2018 300 staatliche Krankenhäuser geschlossen. Den größten Fortschritt in der medizinischen Versorgung brachten 2018 die Einführung der Telemedizin und die digitale Erbringung der medizinischen Leistung. Patienten können seit dem 1.4.2018 einen Termin über ihr e-Konto vereinbaren oder einen digitalen Arzt in Anspruch nehmen. Diagnose und Behandlung erfolgen online. Mit der Einführung der Telemedizin haben sich die langen Wartezeiten auf eine Behandlung verkürzt (AA 13.2.2019).
Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft; seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Sonderleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind) (ÖB Moskau 12.2018).
Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht, die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbstständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Abgesehen von den oben stehenden Ausnahmen sind Selbstbehalte nicht vorgesehen (ÖB Moskau 12.2018).
Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise erwartet wird (ÖB Moskau 12.2018). Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes (DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation; From 23 April to 13 May 2014 and Paris, France 3 June 2014). In Notfällen sind Medikamente in Kliniken, wie auch an Ambulanzstationen, kostenfrei erhältlich. Gewöhnlich kaufen russische Staatsbürger ihre Medikamente jedoch selbst. Bürgerinnen mit speziellen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u.a. durch kostenfreie Medikamente, Behandlung, und Transport. Die Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 2018). Weiters wird berichtet, dass die Qualität der medizinischen Versorgung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ausstattung von Krankenhäusern und der Qualifizierung der Ärzte landesweit variieren kann (ÖB Moskau 12.2018). Im Zuge der Lokalisierungspolitik der Russischen Föderation sinkt der Anteil an hochwertigen ausländischen Medikamenten. Es wurde über Fälle von Medikamenten ohne oder mit schädlichen Wirkstoffen berichtet. Als Gegenmaßnahme wurde 2018 ein neues System der Etikettierung eingeführt, sodass nun nachvollzogen werden kann, wo und wie die Arzneimittel hergestellt und bearbeitet wurden. Die Medikamentenversorgung ist zumindest in den Großstädten gewährleistet und teilweise kostenfrei (AA 13.2.2019).
Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert, sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert. Seit 2002 ist die Lebenserwartung in Russland stetig gestiegen (GIZ 8.2019c).
Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es für alle Bürger der Russischen Föderation möglich, bei Krankheiten, die in einzelnen Teilrepubliken nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu die Kapitel 19. Bewegungsfreiheit und 19.1 Meldewesen) (DIS 1.2015, vgl. AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019):
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation 2019). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist (ÖB Moskau (12.2018):
Asylländerbericht Russische Föderation).
1.2.5. Medizinische Versorgung in Tschetschenien
Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Tschetschenien eine eigene öffentliche Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen wie z.B. regionale Spitäler (spezialisierte und zentrale), Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfalleinrichtungen leitet. Das Krankenversicherungssystem wird vom territorialen verpflichtenden Gesundheitsfonds geführt. Schon 2013 wurde eine dreistufige Roadmap eingeführt, mit dem Ziel, die Verfügbarkeit und Qualität des tschetschenischen Gesundheitssystems zu erhöhen. In der ersten Stufe wird die primäre Gesundheitsversorgung, inklusive Notfall- und spezialisierter Gesundheitsversorgung, zur Verfügung gestellt. In der zweiten Stufe wird die multidisziplinäre spezialisierte Gesundheitsversorgung, und in der dritten Stufe die spezialisierte Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt (BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI). Es sind somit in Tschetschenien sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitseinrichtungen verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand als in den Nachbarrepubliken, da viele vor nicht allzu langer Zeit erbaut wurden (DIS 1.2015).
Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS - Danish Immigration Service (1.2015):
Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false). Weitere Krankheiten, für die Medikamente kostenlos weitergegeben werden (innerhalb der obligatorischen Krankenversicherung), sind: - infektiöse und parasitäre Krankheiten - Tumore - endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - Krankheiten des Nervensystems - Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit Beteiligung des Immunsystems - Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde - Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes - Krankheiten des Kreislaufsystems - Krankheiten des Atmungssystems - Krankheiten des Verdauungssystems - Krankheiten des Urogenitalsystems - Schwangerschaft, Geburt, Abort und Wochenbett - Krankheiten der Haut und der Unterhaut - Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes- Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen - Geburtsfehler und Chromosomenfehler - bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben - Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die nicht in der Kategorie der Internationalen Klassifikation von Krankheiten gelistet sind (BDA CFS 31.3.2015).
Die obligatorische Krankenversicherung deckt unter anderem auch klinische Untersuchungen von bestimmten Personengruppen, wie Minderjährigen, Studenten, Arbeitern usw., und medizinische Rehabilitation in Gesundheitseinrichtungen. Weiters werden zusätzliche Gebühren von Allgemeinmedizinern und Kinderärzten, Familienärzten, Krankenschwestern und Notfallmedizinern finanziert. Peritoneal- und Hämodialyse werden auch unterstützt (nach vorgegebenen Raten), einschließlich der Beschaffung von Materialien und Medikamenten. Die obligatorische Krankenversicherung in Tschetschenien ist von der föderalen obligatorischen Krankenversicherung subventioniert (BDA CFS 31.3.2015). Trotzdem muss angemerkt werden, dass auch hier aufgrund der niedrigen Löhne der Ärzte das System der Zuzahlung durch die Patienten existiert (BDA CFS 31.3.2015, vgl. GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft, AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation). Es gibt dennoch medizinische Einrichtungen, wo die Versorgung kostenfrei bereitgestellt wird, beispielsweise im Distrikt von Gudermes (von hier stammt Ramzan Kadyrow). In kleinen Dörfern sind die ärztlichen Leistungen günstiger (BDA CFS 31.3.2015).
In Tschetschenien gibt es nur einige private Gesundheitseinrichtungen, die normalerweise mit Fachärzten arbeiten, die aus den Nachbarregionen eingeladen werden. Die Preise sind hier um einiges höher als in öffentlichen Institutionen, und zwar aufgrund von komfortableren Aufenthalten, besser qualifizierten Spezialisten und modernerer medizinischer Ausstattung (BDA CFS 31.3.2015).
Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA CFS 31.3.2015).
1.2.6. Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien
Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "Achkhoy-Martan RCH" (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH" (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "ChiriYurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).
Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for Preventive Medicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association for medical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital 'Samashki', "Psychiatric Hospital 'Darbanhi'", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium 'Chishki'" (BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI).
Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind: "Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny",
"Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny",
"Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny",
"Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).
1.2.7[e1]. Frauen
Artikel 19 der russischen Verfassung garantiert die Gleichstellung von Mann und Frau (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, vgl. GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2019c): Russland, Gesellschaft). Zudem hat die Russische Föderation mehrere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, die diese Gleichstellung festschreiben, darunter die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und ihr Zusatzprotokoll. Grundsätzlich gibt es in der Russischen Föderation keine systematische Diskriminierung von Frauen. Im Rahmen der 62. Sitzung der CEDAW von Oktober bis November 2015 wurde der rezente Länderbericht zur Russischen Föderation diskutiert. In seinen Schlussbemerkungen begrüßte das Komitee die Fortschritte im russischen Rechtssystem zum Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, insbesondere in den Bereichen Arbeitsrecht und Schutz für Schwangere. Folgende Empfehlungen wurden an die russische Regierung gerichtet: Verabschiedung eines umfassenden Anti-Diskriminierungsgesetzes, Verbesserungen beim Zugang von Frauen zu rechtlichen Beschwerdemechanismen, die Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans gegen Menschenschmuggel, die Stärkung der Teilnahme von Frauen am politischen und öffentlichen Leben (z.B. durch Einführung von Quotenregelungen für Frauen in der Staatsduma, dem Föderationsrat, den Ministerien oder dem diplomatischen Dienst), die Einführung eines alters- und genderspezifischen Sexualkundeunterrichts in Grund- und Mittelschulen, die Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz (z.B. durch Überarbeitung der Liste von Berufsverboten für Frauen in rund 450 Berufen) und die Verbesserung des Zugangs zu qualitativer Gesundheitsversorgung für Frauen in ländlichen Gebieten (ÖB Moskau (12.2018):
Asylländerbericht Russische Föderation).
1.2.8. Verfügbarkeit von XXXX im Herkunftsstaat
XXXX ist in der Russischen Föderation erhältlich (Anfrage der Staatendokumentation vom XXXX , S.2)
XXXX ist in der Russischen Föderation erhältlich (Anfrage der Staatendokumentation vom XXXX S. 1)
1.2.9. Rückkehrer
Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme. Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation mussten sich bislang alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. 2016 wurde der FMS allerdings aufgelöst und die entsprechenden Kompetenzen in das Innenministerium verlagert. Die Zusammenarbeit zwischen föderalen und regionalen Behörden bei der innerstaatlichen Migration scheint verbesserungsfähig. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen