TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/5 W215 2147286-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2019
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Entscheidungsdatum

05.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W215 2147286-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den Antrag auf internationalen Schutz vom 12.09.2014, Zahl 14-1031324908-14964964, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz vom 12.09.2014 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, abgewiesen.

II. Der Antrag auf internationalen Schutz von XXXX wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bundesrepublik Somalia gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird

XXXX gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, nicht erteilt. Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, wird gegen XXXX eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, festgestellt, dass die Abschiebung von XXXX gemäß § 46 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, in die Bundesrepublik Somalia zulässig ist. Gemäß § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise von XXXX 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet und stellte am 12.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag erfolgte die Erstbefragungen des Antragstellers, in der dieser, in Gegenwart eines Dolmetschers seiner Muttersprache Somali, zusammengefasst angab, nach moslemischem Ritus mit seiner Lebensgefährten in der Bundesrepublik Somalia verheiratet zu sein. Der Antragsteller gehöre dem Clan der Ogadeni an und habe in seinem Heimatort XXXX seine XXXX Lebensgefährtin. Sein Vater sei verstorben, er habe aber noch seine Mutter, seine drei Brüder, seine drei Schwestern und habe die Bundesrepublik Somalia vor ca. drei Monaten verlassen. Zunächst sei der Antragsteller nach Kenia und dort mit einem Flugzeug über einen internationalen Flughafen in die Türkei geflogen. Er sei danach nach Griechenland und weiter mit einem Reisebus nach Rom gereist und von dort mit dem Zug nach Österreich. Seine Identität könne der Antragstelle nicht nachweisen und habe für seine Reise nach Österreich

US-Dollar 5.000.- bezahlt. Zu seinem Fluchtgrund gab der Antragsteller, in Gegenwart des Dolmetschers seiner Muttersprache Somali, an:

"...11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund):

In Somalia ist seit langer Zeit Bürgerkrieg. Auch wird die Bevölkerung von den Islamisten (Al Shabab) terrorisiert. Sie sind zu mir gekommen und wollten, dass ich mit ihnen in den heiligen Krieg ziehe. Ich habe abgelehnt und musst daher flüchten, da sie mich sonst umbringen würden.

12. Zusatzfrage [...]

14. Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

Todesstrafe durch Al Shabab.

14.1. Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Fall Ihrer Rückkehr in ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Wenn ja, welche?

nein

15. Beweismittel..."

Am 07.11.2016 brachte der Rechtsanwalt des Antragstellers eine Säumnisbeschwerde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

2. Am 13.02.2017 langten die Aktenvorlagen vom 08.02.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.02.2017 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beauftragt gemäß § 19 Abs. 6 AsylG den Antragsteller im Säumnisbeschwerdeverfahren niederschriftlich zu befragen.

Am 10.03.2017 erfolgte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine ausführliche niederschriftliche Befragung des Antragstellers, in Gegenwart eines Dolmetschers seiner Muttersprache Somali. Darin gab der Antragsteller zusammengefasst an, dass er im bisheriges Verfahren die Wahrheit gesprochen habe, alles korrekt protokolliert und ihm anschließend rückübersetzt worden sei. Der Antragsteller gab an, dass er sich an seine Angaben in der Erstbefragung erinnern könne, diese seien vollständig gewesen, mehr habe der Antragsteller nicht anzuführen, er habe damals die Wahrheit gesagt und es gebe keine anderen Gründe. Die Einvernahmesituation in der Erstbefragung sei in Ordnung gewesen und die Befragung problemlos verlaufen. Der Antragsteller gab weiters an, dass der dem Clan der Darood, Subclan Ogaden, anzugehören und seit XXXX nach moslemischem Ritus in der Bundesrepublik Somalia verheiratet zu sein. Er haben in XXXX ab dem Jahr XXXX die Schule besucht und die Grundschule im Jahr XXXX abgeschlossen. In der Bundesrepublik Somalia habe er in XXXX seine XXXX Lebensgefährtin bei deren Eltern sowie seine Mutter und seine XXXX Schwestern zurückgelassen. Seine Brüder seien XXXX alt und alle würden bereits seit 2010 im Jemen leben. Die Mutter des Antragstellers habe seine Reise nach Österreich finanziert, indem sie ein Grundstück, das ihr gehörte, verkauft habe. Die Familie des Antragstellers sei weder arm, noch reich. Der Antragsteller habe sich im Juni 2014 zur Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia entschlossen. Damals sei in XXXX die al-Schabaab und die Sicherheitslage schlecht gewesen; es habe aber keine Kampfhandlunge gegeben. Die al-Schabaab die XXXX kontrolliert habe, sei bereits aus XXXX vertrieben gewesen und XXXX . Der Antragsteller habe zwei Fluchtgründe. Der Hauptgrund sei al-Schabaab. Zwei al-Schabaab Mitglieder, einer davon sei maskiert gewesen, hätten sich zwischen 27. und 28.05.2014 an den Antragsteller gewandt. Einer der beiden habe seine Pistole gezückt und gesagt: "keine Angst, wie wollen nur reden". Sie hätten gewollt, dass der Antragsteller für al-Schabaab gegen Truppen der Republik Kenia kämpfe, was dieser abgelehnt habe. Dem Antragsteller sei daraufhin drei Tage Bedenkzeit eingeräumt worden. Nach vier Tagen sei der Antragsteller von al-Schabaab angerufen worden und diese hätten gefragt, wie er sich entschieden habe. Der Antragsteller habe abgelehnt sich al-Schabaab anzuschließen. Nach fünf Tagen hätten sich vier bis fünf al-Schabaab Mitglieder, die sich als Freunde des Antragstellers ausgegeben hätten, gewaltsam Zutritt zum Elternhaus verschafft, der Antragsteller sei damals nicht zu Hause gewesen. Der Antragsteller habe daraufhin drei Tage bei einer Freundin seiner Mutter verbracht und sei am vierten Tag mit einem Auto in die Republik Kenia gereist. Sein zweiter Fluchtgrund sei, dass es der Antragsteller nicht ertragen könne, dass seine Mutter dem Clan der Gabooye angehöre und der Antragsteller von der Familie seines im Jahr XXXX verstorbenen Vaters nicht anerkannt werde. Die Familie werde von den Verwandten des Vaters beschimpft und bedroht, weshalb die drei Brüder des Antragstellers im Jahr 2010 in den Jemen gegangen seien. Der Antragsteller habe nach Österreich gewollt bzw. nicht in der Türkei bleiben wollen, weil er sich ein Land ausgesucht habe, in dem man gut leben könne; in Italien sei er nicht geblieben, weil es dort wenig Arbeit gibt und man könne "kein Asyl ansuchen". Dem Antragsteller sei in Italien gesagt worden die besten Länder seien Österreich, Deutschland und Norwegen und der Antragsteller habe sich Österreich ausgesucht.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 13.04.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in Gegenwart eines Dolmetschers für die Sprache Somali, anberaumt. Es erschienen der Antragsteller und sein Rechtsanwalt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Schreiben vom 21.11.2017 für die Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. In der Verhandlung wurde ausdrücklich zugestimmt, dass diese ohne Rechtsberater, der nicht erschienen war, stattfinden sollte. Es wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Antragsteller und sein Rechtsanwalt verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Mit Parteiengehör des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.02.2019 wurde der Antragsteller aufgefordert, Änderungen zu seinen aktuellen Verhältnissen in Österreich bekannt zu geben.

Am 06.03.2019 langte eine Stellungnahme des Rechtsanwaltes des Antragstellers im Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Parteiengehör des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.08.2019 wurde der Antragsteller erneut aufgefordert, mögliche weitere Änderungen zu seinen aktuellen Verhältnissen in Österreich bekannt zu geben.

Am 27.09.2019 langte eine Stellungnahme des Rechtsanwaltes des Antragstellers samt Urkundenvorlage im Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität des Antragstellers kann nicht festgestellt werden. Der Antragsteller ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Somalia, stammt aus XXXX , gehört dem einflussreichen Mehrheitsclan der Darood, Subclan Ogaden, an und ist moslemischen (sunnitischen) Glaubens. Der Antragsteller ist nach moslemischem Ritus verheiratet, hat seine Lebensgefährten in Bundesrepublik Somalia zurückgelassen und reiste in die Republik Kenia, weiter in die Türkei, von dort nach Italien und da es dort wenig Arbeit gab, illegal nach Österreich, wo er am 12.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Für seine Reise mit dem Zielland Österreich bezahlte der Antragsteller US-Dollar 5.000.-.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller in der Bundesrepublik Somalia jemals Kontakt zu oder Probleme mit Mitgliedern der al-Schabaab hatte. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die Mutter des Antragstellers dem Clan der Gabooye angehört, ebenso wenig, dass der Antragsteller deswegen Probleme mit Verwandten hatte und seine Brüder wegen der Zugehörigkeit der Mutter zum Clan der Gabooye seit 2010 im Jemen leben müssen.

3. Der gesunde Antragsteller konnte bis zu seiner Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia problemlos seinen Lebensunterhalt erwirtschaften. Er gehört dem einflussreichen Mehrheitsclan der Darood, Subclan Ogaden, an und ist mit seiner Lebensgefährtin, welche er in der Bundesrepublik Somalia zurückgelassen hat, nach moslemischem Ritus verheiratet. Die Familie des Antragstellers ist nicht arm und er lebte bis zu seiner Ausreise im Elternhaus.

4. Der Antragsteller hat keine Verwandten im Bundesgebiet. Der Antragsteller hat von September 2014 bis April 2016 zwei Stunden pro Woche an einem Deutschkurs "speziell für Menschen aus Somalia" (Anmerkung: wörtliches Zitat) teilgenommen, im Jahr 2015 einen Deutschkurs Niveau A1 für 25 Unterrichtseinheiten besucht, und 20 Unterrichtseinheiten Niveau A1 von 01.09.2016 bis 19.11.2017 besucht. Der Antragsteller hat ab März 2019 einen Deutschkurs A2 besucht. Er hat am 19.09.2016 und am 20.09.2016 in einem Pflegezentrum als Reinigungskraft gearbeitet und am 03.10.2016 achteinhalb Stunden an einer Ausbildung zum Workshop-Leiter im Projekt XXXX teilgenommen. Der Antragsteller hat zwischen 27.06. bis 07.07.2016 insgesamt 16 Stunden lang in seiner Wohngemeinde Böschungen bei einem Forstweg freigeschnitten, "putzt" seit Juli 2018 im XXXX und trainiert und spielt regelmäßig in einem Fußballverein. Der Antragsteller hat immer noch keinen Nachweis über eine bestandene Deutschprüfung vorgelegt, ist, im Gegensatz zum Herkunftsstaat, in Österreich nicht in der Lage seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten und lebt seit seiner illegalen Einreise im Jahr 2014 von der Bundesbetreuung.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers wird festgestellt:

Allgemein

In der Bundesrepublik Somalia leben schätzungsweise 15,45 Millionen Menschen (2019, World Population Review [AA Überblick Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019]).

Im Hinblick auf beinahe alle zu beleuchtenden Tatsachen ist Somalia faktisch zweigeteilt:

a) In den Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen aber auch unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu. Der Gliedstaat Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sog. "Islamischen Staats". Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

b) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten, hier kam es im Berichtszeitraum zu zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen "somaliländischen" und somalischen (puntländischen) Truppen.

Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 04.03.2019).

Seit 2012 gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 01.08.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten, waren es 2016 über 14.000 Wahlleute. Allgemeine freie Wahlen bleiben das Ziel für 2020/21. Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt "Farmajo", zum Präsidenten, und im März bestätigte es Hassan Ali Khaire als Premierminister und das neue Kabinett. Die Regierung von Präsident Farmajo verfolgt eine intensive Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Allerdings stehen mächtige Teile der Clan-Eliten der Regierung und ihrem Reformkurs kritisch gegenüber. Hinzu kommen immer wieder Spannungen in den Beziehungen Mogadischus zu den föderalen Gliedstaaten, die den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes lähmen (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

Die Wahl des relativ unerfahrenen Farmajo als Präsident markiert den vorläufigen Endpunkt eines somalischen Experimentes, das im Oktober 2016 mit der Wahl von erstmalig zwei Parlaments-Kammern begann. Eine allgemeine und freie Wahl ist in dem von Anarchie geprägten Land nach wie vor nicht möglich. Doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Auch die Gründung föderaler Verwaltungsregionen ist ein wichtiger Schritt. Schließlich konnten die Medien zur Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - auch das ein gutes Zeichen (DW 09.02.2017).

Mehr als jeder andere Präsident in Somalias unruhiger Geschichte, trifft Mohamed Abdullahi Mohamed beim Amtsantritt auf eine Welle von Unterstützung, Goodwill und Optimismus. Tausende von jubelnden Menschen gingen am Mittwoch spät auf die Straßen von Mogadischu, nachdem Mohamed, besser bekannt unter dem Spitznamen Farmajo, vom Parlament Somalias in einer Art Erdrutschsieg gewählt wurde. Es kam zu Straßensperren und Freudenschüssen, Unterstützer skandierten Farmajos Namen und Autohupen hießen ihn als neuen Präsidenten willkommen. Ähnliche Feiern brachen in Städten in ganz Somalia aus, sowie in den Städten Garissa und Eastleigh in Kenia; in beiden findet sich eine somalische Mehrheitsbevölkerung. Trotz aller Anzeichen waren die Feierlichkeiten ein Spiegelbild der aufrichtigen öffentlichen Unterstützung für Farmajo. Er ist 55 Jahre alt, besitzt die Somalisch-U.S. amerikanische Doppelstaatsbürgerschaft und war zuvor in der Jahren 2010 und 2011 acht Monate lang Premierminister Somalias (VOA 09.02.2017).

Der Sicherheitsrat begrüßt den Abschluss des Wahlprozesses in Somalia und die Wahl von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo". Der Sicherheitsrat würdigt die Dienste des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud und lobt den raschen und gütlichen Machtübergang in Somalia. Der Sicherheitsrat begrüßt die seit 2012 in Somalia erzielten politischen und sicherheitsbezogenen Fortschritte und unterstreicht, dass die Dynamik in Richtung auf eine demokratische Regierungsführung in Somalia aufrechterhalten werden muss. Der Sicherheitsrat würdigt die stärkere Teilhabe und Vertretung der Bevölkerung Somalias in dem Wahlprozess (UN Sicherheitsrat 10.02.2017).

Präsident Farmajo war während Sheikh Sharifs Präsidentschaft Premierminister (von Okt 2010 bis Juni 2011) und trat aufgrund politischer Differenzen mit dem Präsidenten und dem Sprecher zurück. Präsident Farmajo hat die somalische sowie die US-Staatsbürgerschaft. Präsident Farmajo ist der erste somalische Präsident des Darood-Clans (Marehan Sub-Clan) seit 2008; hingegen gehören beide Sheikh Sharif und Hassan Sheikh zu den Hawiye (Abgaal Sub-Clan). Präsident Farmajo hat angeblich auch gute Beziehungen zum Militär was einige Kommentatoren als ein viel versprechendes Zeichen für Stabilität sehen (Europäische Kommission Februar 2017).

Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 04.03.2019).

UN-Generalsekretär Antonio Guterres ernannte am 12.09.2018 mit Wirkung vom 01.10.2018 den Südafrikaner Nicholas "Fink" Haysom zum Sondergesandten für Somalia und Nachfolger von Michael Keating. Haysom ist derzeit Sondergesandter für Sudan und Südsudan. Unter Nelson Mandela diente er als Chefberater für Rechts- und Verfassungsfragen (BAMF 24.09.2018).

Der UN Security Council verlängerte am 27.03.2019 das Mandat der UN-Hilfsmission in Somalia (UNSOM) bis zum 31.03.2020 (BAMF 01.04.2019).

ad a) Somalia

Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clan-Strukturen, vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte usw. sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000 Wahlmännern und -frauen ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Dieser Prozess ist ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt, da noch bei der letzten "Wahl" die Mitglieder des Parlaments unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden waren. Die Präsidentschaftswahl fand am. 8. Februar 2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" hervor, am 29. März wurde die neue Regierung unter Premierminister Hassan Ali Khayre bestätigt und vereidigt (AA 04.03.2019).

Jubalands Sicherheitsminister Abdirashid Hassan Abdinur (Abdirashid Janan) wurde am 31.08.2019 von der somalischen Bundesregierung (FGS) in Mogadischu verhaftet. Ihm werden verschiedene Verbrechen vorgeworfen, darunter Tötungen, Folter, rechtswidrige Inhaftierungen und die Blockierung der humanitären Hilfe in 2014 und 2015. Amnesty International fordert einen fairen Gerichtsprozess vor einem Zivilgericht. Die Regierung Jubalands nannte die Verhaftung eine "Entführung" und "illegal". Die Verhaftung erfolgt in einer Zeit zunehmender Spannungen zwischen der FGS und der Regionalverwaltung in Jubaland: im August weigerte sich die Bundesregierung, die Ergebnisse der Bundestagswahlen anzuerkennen, die Ahmed Madobe erneut zum Regionalpräsidenten wählten (BAMF 09.09.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf

DW, Deutsche Welle, Kommentar, Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? 09.02.2017, http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267

VOA, Voice of America, Somalis Optimistic about New President, 09.02.2017,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019

Europäische Kommission, Somalia 2016-2017; limited election process; EU election expert mission; final report; Framework Contract Beneficiaries, LOT 7 Specific Contract N° 2016/377703/1; 13 September 2016 - 16 February 2017, Februar 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408355/1226_1505130012_eu-eem-somalia-final-report.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 24.09.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445536/1226_1539002669_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-24-09-2018-deutsch.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 01.04.2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Überblick, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 09.09.2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2016900/Deutschland___Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_09.09.2019_%28deutsch%29.pdf)

Parteiensystem

ad a) Somalia

Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clan-Zugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteienbildung im Wesentlichen anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet und somit zu einer weiteren Manifestierung des Clan-Systems führt (AA 04.03.2019).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihre Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Clan der Darood/Darod und Subclan Ogaden/Ogadeni

Die Darood werden in der Regel in drei große Gruppen unterteilt:

Ogaden, Merehan und Harti. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, aber auch in beiden Jubba-Regionen sehr einflussreich, während die Marehan in Süd- und Zentralsomalia präsent sind. Generell ist es unwahrscheinlich, dass eine Person, die einer der Mehrheitsclanfamilien (Hawiye, Darood, Dir oder Isaaq) angehört, oder zugehörigen Subclans, eine begründete Angst vor Verfolgung ausschließlich auf der Grundlage der Clanzugehörigkeit bei Rückkehr nach Mogadischu oder anderen Teilen Süd- und Zentralsomalias glaubhaft machen kann; wobei jedoch jeder Fall anhand der individuellen Fakten geprüft werden muss. Laut einem somalischen Landesdirektor einer humanitären Agentur wird Mogadischu vom Hawiye-Clan dominiert, aber es gibt Gegenden in Mogadischu, die von anderen großen Clans dominiert werden, zum Beispiel den Darood. (U.K. Jänner 2019).

Mehrheitsclans: Die Ogaden sind im Süden Somalias zu finden, wo sie in den letzten Jahren ihre Kontrolle über Lower und Middle Juba sowie in Äthiopien und Kenia verstärkt haben. Da die Darood im Norden, in Süd- und Zentralsomalia sowie in Äthiopien und Kenia präsent sind, können sie als die stärksten "Pan-Somali-Clan" betrachtet werden (ARC 25.01.2018).

Puntland und Somaliland streiten seit Jahren über die Zugehörigkeit der Regionen Sool und Sanaag sowie Teile der Region Todgheer. Diese Gebiete werden hauptsächlich von den Clans Dulbahante und Warsangeli bewohnt, die der Clanfamilie Darod angehören. Darod-Clans stellen die Bevölkerungsmehrheit Puntlands (BAMF 27.08.2019).

Während der Dürre 2017 und der damit verbundenen humanitären Krise, als diese Studie durchgeführt wurde, zeigten drei der wichtigsten Clans in El Berde, nördlich von Bakool - die Ogaden, Reer Hassan und Rahanweyn - gegensätzliche Fähigkeiten, externe Unterstützung zu mobilisieren. Zwei der wichtigsten ansässigen Clans - die vielen und dominanten Ogaden und die wenigen, aber gut vernetzte Reer Hassan - konnten aufgrund ihrer historischen Migrationsmuster und der Größe ihrer derzeitigen Diaspora-Bevölkerung Mittel im Ausland aufbringen (RVI September 2018).

(U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019,

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf

ARC, Asylum Research Consultancy, Situation in South and Central Somalia (including Mogadishu), 25.01.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423361/90_1517484171_2018-01-arc-country-report-on-south-and-central-somalia-incl-mogadishu.pdf

RVI, Rift Valley Institute, Berichte zu Geldüberweisungen, September 2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1458512/1226_1551782303_remittances-and-vulnerability-in-somalia-by-nisar-majid-rvi-briefing-2018.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 27.08.2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442638/1226_1536223371_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-27-08-2018-deutsch.pdf)

Gaboye/Gabooye/"Midgan"

Einzelne ethnische Minderheiten, deren genauer Anteil an der Gesamtbevölkerung unklar ist (u. a. Bantu, Jarir, Benadir, Rer Hamar, Midgan, Gaboye), leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich, da sie nicht in die Clan-Strukturen eingebunden sind, in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 04.03.2019).

Das kanadische Immigration and Refugee Board (IRB) erwähnt in einer Anfragebeantwortung vom Oktober 2013, dass nur wenige Informationen zu Unterscheidungsmerkmalen der Gaboye gefunden werden konnten. Das IRB bezieht sich auf die Angaben verschiedener Quellen. Die Quellen würden angegeben, dass die Gaboye über keine physischen Unterscheidungsmerkmale verfügen würden. Die Gaboye könnten physisch den Samaal, einer ethnisch dominanten Gruppe in Somalia, ähneln. Laut Angaben eines Mitarbeiters des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung würden sich die Gaboye aufgrund ihrer Genealogie unterscheiden. Sie könnten in vier Untergruppen unterteilt werden: Madhiban, Muuse Deriyo, Tumaal, und Yibir. Der Mitarbeiter habe zudem angegeben, dass die Gaboye oftmals in bestimmten Wohngegenden leben würden, etwa dem Stadtteil Dhami in Hargeysa, in Somaliland, entfernt von den Mehrheitsclans, welche die Gaboye als "schmutzig" einstufen würden (Accord 27.11.2014).

Gruppen, die zu Gabooye/Midgan gehören sind die Madhibaan, Muuse Dhariyo, Howleh, Hawraar Same und Habarer Yaquup. Diese Gruppen findet man auch verstreut im südlichen Somalia. Midgan oder Gaboye sind traditionell Jäger und arbeiten mit Leder, so zum Beispiel Schuhmacher (ARC 25.01.2018).

Es gibt es auch innerhalb der Berufsgruppen-Clans stärkere und schwächere Abstammungslinien, die schwächeren seien marginalisiert. Vertreter einer Nichtregierungsorganisation, die sich für Minderheiten einsetzt, widersprachen aber dieser Darstellung. Einer anderen Quelle zufolge sind die urbanen Gabooye generell bessergestellt als andere Berufsgruppen. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Zeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert (EJPD 31.05.2017).

Die Sab sind einer Obergruppe zu der auch die Midgan/Gabooye gehören. Die Sab haben traditionell weder das Recht auf Eigentum an Land und Vieh noch das Recht, sich an lokalen Geschäften, Marktwirtschaft oder Politik zu beteiligen. Die Sab besitzen und praktizieren verschiedene, allgemein verachtete, berufliche Fertigkeiten und werden daher häufig auf Basis ihrer beruflichen Funktion identifiziert. Das einzige den Sab zur Verfügung stehende Mittel, sich der Vorherrschaft der somalischen Nomaden zu widersetzen, besteht darin, dass sie ihre beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse geheim halten, da dies - beispielsweise in Belangen des Hausbaus und der Durchführung diverser handwerklicher Tätigkeiten - zu einer Abhängigkeit der Nomaden von den Sab führt. Zu den Sab gehören die Gabooye/Midgan. Zu den Gabooye/Midgan gehören unter anderem die Gruppen Madhibaan, Muuse Dhariyo, Howleh, Hawraar Same und Habar Yaquup. Der Clan der Gabooye bezeichnet sich selbst als Gabooye, während andere Clans den "unhöflichen" Begriff Midgan verwenden. Die Gabooye sind primär im Norden Somalias (Somaliland) beheimatet, obwohl einige Mitglieder in Mogadischu leben. Das kanadische Immigration and Refugee Board (IRB) zitiert in einer Anfragebeantwortung vom Dezember 2012 die Vorsitzende der Gabooye Minority Organisation for Europe and North America. Diese habe angegeben, die Gabooye würden "nicht wirklich" mit Hauptclans verbündet sein, jedoch würden sie Berichten zufolge gut mit anderen Minderheitengruppen auskommen. Im Süden des Landes gebe es Diskriminierung von Gabooye, jedoch sei die "allgemeine Unsicherheit" eine größere Bedrohung als "gezielte Verfolgung". Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014, dass unter anderem die Madhiban und Gabooye zu den Minderheitengruppen zählen würden. Mischehen zwischen Minderheitengruppen und Hauptclans seien traditionell nur eingeschränkt möglich. Minderheitengruppen, die oft über keine bewaffneten Milizen verfügen würden, seien unverhältnismäßig oft von Tötung, Folter, Vergewaltigung, Entführung und Plünderung durch Milizen und Angehörige von Hauptclans betroffen, die von diesen ungestraft verübt würden. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein. Die Minority Rights Group International (MRG), die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, erwähnt in einem Bericht vom Jänner 2015, dass eine von der Organisation interviewte Person angegeben habe, dass sich die gesellschaftliche Integration und Inklusion von Angehörigen der Gaboye in Somaliland im Vergleich zu ihrer Lage früher gebessert habe. 25 weitere interviewte Personen hätten jedoch angegeben, dass es weiterhin Ungleichheiten gebe und es zu Diskriminierung komme. Eine Organisation hätte beispielsweise angegeben, dass von insgesamt bis zu 10.000 Gaboye in Hargeisa nur zwischen 30 und 40 Angehörige der Gaboye an einer Universität studieren würden oder studiert hätten. Die Norwegian Organisation for Asylum Seekers (NOAS), eine NGO, die sich für die Interessen von Asylwerbern in Norwegen einsetzt, erwähnt in einem Bericht zu einer Fact-Finding-Mission vom April 2014, mehrere Quellen hätten angegeben, dass unter anderem die Gaboye/Midgan zu den besonders gefährdeten Minderheiten ("particularly vulnerable minorities") in Somalia zählen würden. Die MRG berichtet im Juni 2012, dass Minderheitengruppen, wie etwa die Gaboye und Madhiban, zu Tausenden in Binnenvertriebenenlager in Somaliland, Puntland und Kenia ziehen würden, wo sie erneut von Diskriminierung betroffen seien. Minderheitengruppen würden außerhalb der traditionellen somalischen Clanstruktur stehen und deshalb über kein Schutzsystem verfügen. Aufgrund sozialer Segregation, Existenznot und politischer Manipulation seien Minderheitengruppen in größerem Ausmaß von Vergewaltigung, Angriffen, Entführung, Beschlagnahmung von Eigentum und den Konsequenzen von Dürre bedroht (Accord 12.06.2015).

Die internationale Organisation für Migration (IOM) schreibt im Februar 2014, dass die Gruppen der Bantu, Benadir, Gaboye und Bajuni einen Teil der ethnischen Minderheiten in Somalia bilden würden. Vor dem Konflikt seien sie Großteils isoliert und nicht mobil gewesen und hätten nur wenig mit den größeren Clans interagiert. Jedoch seien diese Minderheitengruppen traditionell in unterschiedlichem Ausmaß von Diskriminierung durch die größeren Clans betroffen gewesen und seien aufgrund ihrer traditionellen Berufe im Allgemeinen gesellschaftlich und politisch ausgeschlossen worden. Die Minderheitengruppen seien während des Konflikts [ab 1991, Anm. ACCORD] von einem steigenden Level von Vertreibungen auf Clanbasis ("clan-based expulsions") und gewaltsamer Vertreibung betroffen gewesen (Accord 12.07.2016).

Die Midgan stellen etwa 0,5% er Gesamtbevölkerung. Sie leben verteilt vor allem in Nord- und Zentralsomalia, Hiran, Mogadischu und Kismayo. Sie betätigen sich traditionell als Schuhmacher. Die Midgan sollen sich bemüht haben, den Begriff "Midgan" zugunsten der weniger abwertenden Bezeichnung "Madhiban" abzulegen. Andere Quellen führen jedoch die Madhiban als eine Untergruppe der Midgan auf. Urbanisierte Midgan arbeiten als Zimmerleute, Mechaniker, Fliesenleger, Elektriker, Installateure oder Friseure. Die Frauen der Midgan stellen Kunsthandwerk wie Körbe her, sind Beschneiderinnen und helfen bei Krankheiten. Nach Gundel gehören zu den Gabooye/Midgan u. a. die Gruppen Madhibaan, Muuse Dhariyo, Howleh, Hawraar Same und Habar Yaquup. Pil zählt zahlreiche weitere Gruppen auf, darunter auch die Galgale (BAMF Juli 2010).

Laut einem Bericht der Minority Rights Group International (MRG) vom November 2010 würden Mischehen mit Mitgliedern von Hauptclans bestraft werden. Mitglieder von Hauptclans würden sich traditionell weigern, Menschen, die Minderheitenclans angehören, zu heiraten oder mit ihnen zu essen. Trotz des traditionellen Verbots der Clans von Mischehen mit einer Minderheit, sei es im Laufe der Geschichte immer, wenn auch selten, zu derartigen Beziehungen (zumindest im Geheimen) gekommen. Diese Einschränkungen würden Minderheiten von Formen der Unterstützung durch einen Clan oder ein Vorankommen durch Heiratsbeziehungen ausschließen (Accord 27.02.2013).

Laut einem im Juli 2013 von Sabahi, einem vom United States Africa Command finanzierten Nachrichtenportal mit Schwerpunkt der Berichterstattung auf der Region Horn von Afrika, veröffentlichten Artikel zu den Gaboye in Somaliland habe ein Sprecher der Gaboye, Sultan Mohamed Muse Abu Sufyan, angegeben, dass die Gruppe der Gaboye vom Rest der Gesellschaft isoliert sei. Angehörige der Gaboye müssten sich auf Arbeitsplätze beschränken, die andere nicht haben möchten (Accord 27.11.2014).

Alle dazu befragten Gesprächspartner der Fact-Finding Mission waren sich darin einig, dass Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies stimmt auch mit den Angaben in der Literatur überein. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheits-Frau einen Minderheiten-Mann heiratet, da dann ihre Kinder der Minderheit angehören werden. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch, da die Kinder eines Mehrheiten-Mannes trotz einer Minderheiten-Mutter dem Mehrheitsclan angehören. Der Druck auf Mischehen ist insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt, während er in den Städten etwas abgenommen haben dürfte. Eine Quelle der Fact-Finding Mission gab gar an, dass eine Mischehe in kosmopolitischen Städten wie Mogadischu oder Kismayo keine große Sache sei. Mischehen zwischen Mehrheitsclans und berufsständischen Gruppen kommen nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Gesprächspartner der Fact-Finding Mission "sehr, sehr selten" vor - insbesondere zwischen Mehrheits-Frauen und Minderheits-Männern. Es bestehen offenbar regionale Unterschiede. Im clanmässig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums ist den Mehrheitsclans tendenziell die "Reinheit" des Clans wichtiger als im stark durchmischten Süden. Deshalb sind Mischehen im Norden seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Eine weitere Quelle gab an, dass Hawiye in einer Ehe zwischen einem Hawiye-Mann und einer Minderheiten-Frau tendenziell kein großes Problem sehen. Die Gesprächspartner der Fact-Finding Mission bekräftigten aber, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt (EJPD 31.05.2017).

Weder das traditionelle Recht Xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen gemäß Erkenntnissen der Fact Finding Mission die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. So meinte beispielsweise eine Quelle der Fact Finding Mission in Hargeysa:

"Sie können nicht einfach eine Gaboye grundlos töten, da kommt die Polizei. Sie werden vom Gesetz geschützt..." Richtig ist aber auch, dass es zumindest in Hargeysa in einem Minderheiten-Quartier keine Polizeistation gibt. Quellen der Fact-Finding Mission zeichneten ein teils neues Bild. So hat beispielsweise in Somaliland die Anerkennung von Gabooye-Suldaans zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im Xeer ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im Xeer meist nicht korrumpierbar und fairer.

Allerdings gibt es hier auch Ausnahmen: Laut einer Quelle der Fact Finding Mission macht es beispielsweise einen Unterschied, ob ein Gabooye oder ein Angehöriger eines Mehrheitsclans Täter bei einer Vergewaltigung ist - bzw. ob das Opfer Gabooye oder Mehrheitsangehörige ist. Der gesellschaftliche Umgang mit den Angehörigen von Minderheiten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Insbesondere unter jungen Leuten ist die Einstellung zu ihnen gemäß Erkenntnissen der Fact-Finding Mission positiver geworden. Obwohl ein gewisses Stigma weiterhin besteht, ist es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten, wie mehrere befragte

Quellen übereinstimmend aussagten: "Wir haben Umgang miteinander, wir haben Freunde, sie sagen dir auch, dass sie Gabooye sind..."

Früher kam es vor, dass Angehörige der Mehrheitsclans Minderheiten-Angehörige aufgrund von Vorurteilen beschimpften. Die soziale Interaktion mit Angehörigen berufsständischer Gruppen wie z. B. das Grüßen oder gemeinsame Mahlzeiten war eingeschränkt. Nach Einschätzung einer westlichen Botschaft kommt es im Allgemeinen zu keinen gezielten Angriffen oder Misshandlungen der Gabooye (EJPD 31.05.2017).

Am 03.07.2018 ernannte der Präsident von Somaliland sieben Mitglieder in die somalische Nationale Menschenrechtskommission, darunter zwei Frauen und eine Person aus einem Minderheitsclan (Gaboye [UNSOM 20.08.2018]).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019

ARC, Asylum Research Consultancy, Situation in South and Central Somalia (including Mogadishu), 25.01.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423361/90_1517484171_2018-01-arc-country-report-on-south-and-central-somalia-incl-mogadishu.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage der Gaboye/Midgan, Zahl a-9202-2 (9229), 12.06.2015, http://www.ecoi.net/local_link/309154/448404_de.html

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum für Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/697672/697677/6029534/13604856/13565580/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Minderheiten_in_Somalia%2C_Juli_2010.pdf?nodeid=13904432&vernum=-2

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Aktuelle Lage von Angehörigen der Madhiban/Midgan, Zahl a- 8293, 27.02.2013, https://www.ecoi.net/de/dokument/1211137.html

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage von Angehörigen des Clans der Gaboye [auch: Midgan, Madhiban, Zahl a-8956, 27.11.2014,

http://www.ecoi.net/local_link/291401/426097_de.html

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Bajuni, Zahl a-9735-1, 12.07.2016, https://www.ecoi.net/de/dokument/1255124.html

EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

UNSOM, United Nations Assistance Mission in Somalia, Monatliches Update zu Menschenrechten und Schutz, Berichtszeitraum Juli 2018, 20.08.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442009/1226_1535625123_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-20-08-2018-englisch.pdf)

Sicherheitslage

Der Alltag der Menschen vor allem im Süden und in der Mitte Somalias bleibt von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den sie unterstützenden internationalen Kräften (AMISOM) einerseits und der radikalislamistischen Terrorgruppe

al-Schabaab andererseits geprägt. Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu. In den Regionen Puntland und "Somaliland" ist die Lage insgesamt stabiler. In den zwischen Puntland und "Somaliland" umstrittenen Grenzregionen (Regionen Sool und Sanaag sowie im östlichen Teil der Region Togdheer) kam es in jüngerer Zeit wieder verstärkt zu bewaffneten Auseinandersetzungen, insbesondere um den umstrittenen Ort Tukaraq. Spannungen und gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße gibt es auch in der Stadt Galkayo an der Südgrenze Puntlands mit Galmudug, die Lage hat sich aber seit der Durchführung gemeinsamer Polizeipatrouillen stark verbessert (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer wieder Opfer von Mordanschlägen. Außerordentlich gefährlich ist die Lage in Zentral- und Südsomalia, einschließlich des Großraums Mogadischu, wobei jedoch auch in den anderen Landesteilen wie Puntland (Nordosten) und Somaliland (Norden) mit extremer Unsicherheit, Entführungen sowie Terror- und Selbstmordanschlägen gerechnet werden muss. Im ganzen Land besteht die Gefahr von nicht explodierten Minen und Bomben. Sehr hohe Kriminalität (BMEIA Stand 01.10.2019 abgefragt 13.11.2019).

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Gleichwohl gibt es keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden "Somaliland" (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 04.03.2019).

In den Regionen Lower und Middle Juba, Lower und Middle Shabelle, Gedo, Bay, Bakool, Banaadir und Hiraan kommt es regelmäßig zur Explosion von improvisierten Sprengsätzen. Seit September 2018 wurden mindestens 54 durch Explosionen getötete Zivilisten verzeichnet. Opfer wurden auch bei Zusammenstößen zwischen Soldaten und der al-Schabaab rund um Mogadischu, in der Region Hiraan, in der Region Gedo und in anderen Regionen verzeichnet. Die Taktik der al-Schabaab scheint Recherchen zufolge in Richtung weniger Angriffe auf Regierungsstützpunkte und mehr Angriffe auf Regierungsbüros und Geschäfte, die sich weigern, der al-Schabaab gegenüber Steuern abzuführen, zu gehen. Zudem verwendet die al-Schabaab scheinbar Bombenangriffe als Hauptmethode, um die somalische Regierung und ihrer Verbündeten ins Visier zu nehmen (Accord Sicherheitslage 14.05.2019).

Berichtete Konfliktvorfälle nach Provinzen im dritten Quartal 2018:

XXXX (Accord drittes Quartal 2018, 20.12.2018).

Die Sicherheitslage in Somalia blieb zwischen 23. August und 13. Dezember 2018 volatil. Die al-Schabaab war weiterhin die Hauptbedrohung der Sicherheit im Land. Es gab zudem einen Anstieg der berichteten Aktivitäten von Elementen, die der Gruppe Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL) zugerechnet werden, in Mogadischu. In der umstrittenen Region Sool, gab es weiterhin Spannungen in der Stadt Turkaraq und angrenzenden Gebieten, mit sporadischen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften Somalilands und Puntlands. Die höchste Anzahl der terroristischen Zwischenfälle des Jahres 2018 wurden im November berichtet, wobei die meisten Fälle in Mogadischu und in den Regionen Lower Shabelle und Hiraan berichtet wurden. Die al-Schabaab behielt trotz andauernder und intensivierter landesweiter Boden- und Luftangriffe weiterhin operative Stärke und Fähigkeiten. Pro-ISIL-Elemente verstärkten ihre Aktivitäten in und um Mogadischu, obwohl ihre Aktivitäten auf gezielte Tötungen beschränkt blieben. In Puntland waren al-Schabaab und Pro-ISIL-Elemente weiterhin aktiv (Accord Sicherheitslage 14.05.2019).

ad a) Somalia

Al-Schabaab behauptet, mehrere Gebiete in der Nähe der Stadt Bal'ad in der Region Middle Shabelle, nördlich von Mogadischu, erobert zu haben, nachdem sich die Somalische Nationalarmee (SNA) aus den Gebieten zurückgezogen hatte. Berichten zufolge haben die SNA-Kräfte ihre Positionen aus Streit um Lohnzahlungen aufgegeben (BAMF 01.04.2019).

Al-Schabaab-Kämpfer griffen am 31.03.2019 in der Stadt Qoryoley in der Region Lower Shabelle die somalischen Streitkräfte (SNA) und AMISOM an. Der Angriff konnte nach schweren Auseinandersetzungen abgewehrt werden. In letzter Zeit wurde zusätzlich von Kämpfen zwischen al-Schabaab und SNA/AMISOM in den Regionen Gedo und Lower and Middle Juba berichtet. Berichten zufolge schossen somalische Regierungskräfte am 04.04.2019 auf einen Bus mit Zivilisten in Ugunji in der Region Lower Shabelle. Eine Person wurde dabei getötet und sechs weitere Personen verletzt. Das United States Africa Command (US AFRICOM) erklärte am 05.04.2019, dass bei einem AFRICOM-Luftangriff am 01.04.2018 in Elbur, Region Galgudud, zwei somalische Zivilisten sowie vier al-Schabaab Kämpfer unbeabsichtigt getötet worden seien. Die Aussage erfolgte, nachdem Amnesty International im März 2019 behauptete, dass allein fünf der mehr als hundert US-Luftangriffe in Somalia seit 2017 mindestens 14 Zivilisten getötet hätten. Der Luftangriff in Elbur war nicht in dem Bericht Amnesty erwähnt (BAMF 08.04.2019).

Am 08.04.2019 wurden drei Zivilisten bei einer Explosion getötet. Ebenso wurden bei einem Attentatsversuch der al-Schabaab auf einen weiteren Polizisten am 11.04.2019 in Bosaso, Puntland, sechs Personen verletzt. Mindestens weitere sechs Menschen wurden am 11.04.2019 getötet, als bewaffnete Schützen das Feuer auf einen Bus eröffneten, der Zivilisten in der Nähe des Elash-Gebietes (15 km westlich von Mogadischu) transportierte. Das US Africa Command (US AFRICOM) führte am 09.04.2019 einen Luftangriff auf al-Schabaab bei Jilib in der unteren Jubba-Region durch, bei dem ein Kämpfer der al-Schabaab getötet worden sein soll. Der stellvertretende Führer des Islamischen Staates wurde Berichten zufolge am 14.04.2019 bei einem Luftangriff in der Region Bari getötet. AFRICOM stoppte nach einem Bericht von Amnesty International, in dem 14 zivile Todesfälle zwischen 2017 und 2018 auf AFRICOM-Luftangriffe zurückgeführt wurden, vorübergehend Luftangriffe in Somalia. Al-Schabaab soll am 06.04.2019 das Dorf Dag Adey in der Region Lower Jubba von den nationalen Sicherheitskräften erobert haben. Am 09.04.2019 kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Clans. Grund war ein Streit über einen Kontrollpunkt im Bezirk Wanlaweyn in der Region Lower Shabelle. Mindestens sieben Menschen wurden getötet (BAMF 15.04.2019).

Am 24.04.2019 wurden bei einer Explosion in Bosaso (Region Bari im Puntland) mehrere Menschen getötet. Zu der Tat bekannte sich der Ableger des IS in Somalia. Eine Bombe am Straßenrand traf am 15.04.2019 einen Militärkonvoi mit kenianischen Streitkräften, der zwischen Ras-Kamboni und Bur-Gabo (Region Lower Jubba) unterwegs war. Al-Schabaab übernahm die Verantwortung für den Angriff, bei dem mindestens 15 Soldaten ums Leben gekommen sein sollen. Al-Schabaab bekannte sich auch zu einem Anschlag auf äthiopische Soldaten, der am 14.04.2019 in der Nähe der Stadt Hudur (Region Bakool) sechs Tote gefordert haben soll. Ebenfalls am 14.04.2019 soll bei einem Luftangriff des US-Afrika-Kommando (Africom) im somalischen Puntland der stellvertretende Kommandeur der IS-Gruppe, Abdihakim Dhuqub, getötet worden sein. Am 27.04.2019 gab Af

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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