TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 W147 2001299-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W147 2001299-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. November 2018, Zl:

13-830079602-150857672, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VI. gemäß den §§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, 57 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, und §§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, 55 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2013, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstes Verfahren:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, gelangte am 19.01.2013 unrechtmäßig nach Österreich und stellte noch am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 21.01.2013 wurde er von der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes erstmals einvernommen, wobei er zu seinen Fluchtgründen angab, dass wegen seines Sohnes XXXX , welcher XXXX getötet worden sei, seine Söhne und er ebenfalls bedroht würden und sie verdächtigt würden, mit den Widerstandskämpfern zusammenzuarbeiten. Sie seien mehrmals einvernommen und die Söhne gezwungen worden, Unterlagen zu unterschreiben, dass sie mit der Regierung zusammenarbeiten würden. Wegen der Schikanen habe sich seine Frau auch an eine NGO gewandt.

Nach Zulassung zum Asylverfahren wurde der Antragsteller am 09.04.2013 vom Bundesasylamt, Außenstelle XXXX ausgiebig einvernommen, wobei er einleitend angab, dass er keine physischen oder psychischen Probleme habe. Nur wenn er länger gehe, habe er leichte Schmerzen im Bein. Der Beschwerdeführer legte seinen Führerschein, den Totenschein der Schwiegertochter, zwei Geburtskurkunden von Enkeln sowie Kopien des Inlandsreisepasses von Söhnen vor. Er gab an, am XXXX in XXXX in Kasachstan geboren zu sein, Tschetschene muslemischen Glaubens und traditionell verheiratet zu sein. Er habe drei Söhne und zwei Töchter. Ein weiterer Sohn sei umgebracht worden. Er wisse nicht genau, wo seine Kinder derzeit leben würden, wahrscheinlich seien sie jetzt in XXXX . Da lebe auch sein Schwager. Sein Sohn XXXX sei am XXXX verstorben.

Er sei in Kasachstan geboren. 1958 seien seine Eltern mit ihm nach Tschetschenien zurückgekehrt. Er habe 8 Jahre die Schule besucht. 1972 sei er dann wieder nach Kasachstan zurückgekehrt, wo er bis 1994 gelebt habe. Anschließend sei er nach Tschetschenien übersiedelt, wo er bis 2010 gelebt habe. Nach der Ermordung seines Sohnes sei er nach XXXX gezogen. In XXXX habe er zwei Wohnungen besessen. In XXXX seien nur seine Frau und sein Sohn registriert gewesen. Er sei in XXXX gemeldet gewesen. Mit seiner Frau habe er auch per Skype Kontakt. Einige seiner Angehörigen seien berufstätig, andere ohne Beschäftigung. Er selbst habe 11 Jahre die Schule besucht und keine weitere Ausbildung erhalten. In Kasachstan habe er als Bauarbeiter und auch als Fahrer gearbeitet, in XXXX sei er als Busfahrer und als selbständiger Taxifahrer tätig gewesen und in XXXX habe er eine Landwirtschaft betrieben. Er habe im Dorf XXXX im Rayon XXXX in der Gegend von XXXX gelebt. Seine Frau habe dort noch immer ein Haus. 2012 hätten sie die Landwirtschaft verkauft. Am Schluss habe er wieder als Fahrer gearbeitet. Sie seien nicht arm gewesen. Im Sommer 2012 habe er sich zur Ausreise entschlossen, genauer könne er das nicht sagen. Er sei deswegen nach Österreich gereist, weil er gehört habe, dass man in Österreich leichter als in anderen Ländern Asyl erhalte.

Zu den Fluchtgründen gefragt, gab er an, dass sein Sohn XXXX in einer Stahlbetonfabrik in XXXX gearbeitet habe. Er sei einmal in den Wald verschleppt worden und dort geschlagen worden. Er sei an einem Freitag in die Moschee gegangen. Sein Sohn sei zwei bis drei Tage nicht daheim gewesen und habe gesagt, dass er mit Freunden nach XXXX arbeiten gehen werde. Eine Woche später sei die Polizei gekommen und hätte behauptet, dass er zu den Rebellen in den Wald gegangen sei und hätte sie zu Einvernahmen geladen. Sein Sohn XXXX , der Fliesen gelegt habe, sei 2008 irgendwann einmal mitgenommen worden. Sie hätten ihn mit Strom gefoltert und auch geschlagen. 2009 sei er mit dem Auto unterwegs gewesen. Sie hätten XXXX nicht finden können. Sie hätten ihn dann in seinem Auto beim Autobusbahnhof gefunden und hätten sie ihn ins Krankenhaus gebracht. Er habe dann unterschreiben müsse, dass er keine Forderungen an die Polizei stelle. Sein Sohn XXXX sei 2010 bei ihnen auf Urlaub gewesen und damals zur Polizei in XXXX geladen worden. Am 26.12.2012 sei sein Sohn auf dem Weg nach XXXX verhaftet worden und aufgefordert worden, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Er sei gezwungen worden, ein diesbezügliches Schriftstück zu unterfertigen. Sie hätten ihm dann ausgerichtet, dass, wenn sein Sohn innerhalb von zwei Tagen nicht kommen würde, würde er selbst geholt werden. Am 15.10.2009 sei die Frau seines Sohnes XXXX verschwunden. Sein Sohn XXXX , sein Freund und seine Frau seien in der Folge von tschetschenischen Soldaten umgebracht worden. Die Polizei habe ihn daraufhin einvernommen. Sie hätten den Aufenthaltsort eines Neffen von ihm wissen wollen. Geschlagen sei er nicht worden, auch sonst habe es keine ihn persönlich betreffenden Vorfälle mehr gegeben. Er sei niemals Mitglied der Widerstandskämpfer gewesen und habe die Widerstandskämpfer auch in keiner Form unterstützt. Sein Sohn XXXX sei aber ein Widerstandskämpfer gewesen. Seine Schwiegertochter sei am 15.10.2009 entführt und in der Folge umgebracht worden. Der Totenschein seines Sohnes XXXX befinde sich wahrscheinlich in Tschetschenien, er könne ihn nachreichen. Er sei in seiner Heimat oft einvernommen worden, sicherlich fünf bis sechs Mal, das erste Mal im Juni 2008 und das letzte Mal am 12.01.2013. Vor der Polizei sei das falsch protokolliert worden, da ist nämlich der 12.12.2012 vermerkt. Meistens seien die Polizisten zu ihm nach Hause gekommen, manchmal sei er auch auf den Polizeistationen von XXXX und XXXX befragt worden. Er habe auch Ladungen erhalten. Manchmal hätten sie ihn auch mündlich geladen und meistens seien sie mit dem Auto vorbeigekommen und hätten ihn einfach mitgenommen. Ladung habe er nur eine erhalten. Sie hätten ihn auch gefragt, wann sein Sohn XXXX immer wieder weggehe und ob er daheim Lebensmittel hole. Sie hätten ihn auch nach seinem Neffen, der ebenfalls Widerstandskämpfer sei, befragt. Ob dieser noch lebe, wisse er nicht. Sie hätten ihn niemals geschlagen oder bedroht. Er habe auch niemals etwas unterschreiben müssen. Die Befragungen hätten nur ca. zwischen einer halben Stunde und einer Stunde gedauert. Länger angehalten sei er nicht worden. Sein jüngerer Sohn XXXX sei einmal im Jahre 2010 in XXXX geschlagen worden. Den Sohn XXXX hätten sie zwei Mal geschlagen und ein drittes Mal ein ganz wenig. Über Vorhalt, dass im Totenschein der Schwiegertochter Verletzung aufgrund von Minenexplosion als Todesursache angegeben sei, führte er aus, dass dies von einem Angestellten im Totenhaus festgestellt worden sei.

Nach seiner Ausreise sei auch seine Frau aufgesucht worden. Sie hätten nach dem Aufenthalt seiner Söhne und nach ihm gefragt. Ob gegen ihn oder Angehörige Ermittlungsverfahren geführt worden seien oder Anklage erhoben worden sei oder ein Strafverfahren durchgeführt worden sei, wisse er nicht. Er könne sich auch nicht mehr daran erinnern, in welcher Eigenschaft er befragt worden sei, ob als Zeuge oder als Beschuldigter. Gefragt, warum er nicht mit seinen übrigen Angehörigen, vor allem mit seinen Söhnen und seiner Frau ausgereist sei, gab er an, dass seine Söhne nicht daheim gewesen seien und dass man ihm ein Ultimatum gestellt habe und seine Frau auf die Enkel hätte aufpassen müssen. Die Polizei suche ihn schon, sie hätten ihm ein Ultimatum gestellt. Wegen seiner politischen Gesinnung oder Religion sei er nicht verfolgt worden. Sie hätten ihn aber verfolgt, weil er ein Angehöriger von Widerstandskämpfern sei. Bei einer Rückkehr in seine Heimat bestehe Gefahr für sein Leben. Er sei nach XXXX umgezogen, aber dort hätte man ihn auch nicht in Ruhe gelassen. Zu den Länderinformationen möchte er keine Stellungnahme abgeben.

Er sei mittellos und in Grundversorgung. Ab und zu komme ein Deutschlehrer und unterrichte sie. Er sei in Österreich niemals einer legalen Beschäftigung nachgegangen und habe auch hier keine nahen Verwandten oder Familienangehörigen oder sonstige Bindungen zu Österreich. Es lebe lediglich die Schwester seiner Schwiegertochter in XXXX .

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle XXXX vom 18.11.2013, Zl. 13 00.796-BAI wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 19.01.20134 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und als Spruchteil II. gem. § 8 Abs. 1 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und unter Spruchteil III. gem. § 10 Abs. 1 leg. cit. der Antragsteller aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zur Person und zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde in der Folge insbesondere ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers widersprüchlich, nicht nachvollziehbar, unrealistisch und nicht plausibel und daher im Ergebnis auch nicht glaubwürdig gewesen sei. Beispielsweise habe sich der Antragsteller bei den Daten hinsichtlich der letzten Einvernahme und auch hinsichtlich der Frage, ob er selbst jemals bedroht worden sei, widersprochen. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich der Zusammenarbeit mit den Widerstandskämpfern bezichtigt worden wäre, wäre es nicht bei wenigen kurzzeitigen Befragungen geblieben. In dem Schreiben der NGO "Objective" werden nicht eigene Wahrnehmungen des Verfassers, sondern Schilderungen anderer Personen wiedergegeben. Die präsentierte Fluchtgeschichte sei tatsächlich etwas "blass" gewesen. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Antragsteller in seiner Heimat keiner Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre, sei, dass die nächsten Familienangehörigen im Herkunftsstaat verblieben seien, obwohl diese nach seinem Vorbringen massiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen seien und sei es daher auch nicht nachvollziehbar, dass wohl der Beschwerdeführer, nicht jedoch sein Sohn XXXX , der - nach seinen Behauptungen - wesentlich schwerwiegenderen Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei als er selbst, nicht ausgereist sei. Den im Herkunftsstaat verbliebenen Familienangehörigen sei es offenbar möglich, weiterhin im Herkunftsstaat und zwar in der Russischen Föderation außerhalb von Tschetschenien zu leben. Hinsichtlich des vorgelegten Totenscheines der Schwiegertochter gehe lediglich daraus hervor, dass sie aufgrund einer Minenexplosion getötet worden sei. Den Totenschein des verstorbenen Sohnes XXXX hätte er trotz Aufforderung bisher nicht vorgelegt.

Rechtlich beurteilend wurde zu Spruchteil I. insbesondere ausgeführt, dass mangels glaubhafter Asylgründe kein asylrelevanter Sachverhalt habe festgestellt werden können, weshalb der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen gewesen sei. Zum Spruchteil II. wurde insbesondere dargelegt, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass jedem, der in die Russische Föderation abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohe, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erscheine. Einschlägige Länderberichte würden auch keine EMRK-relevanten Schwierigkeiten in der Grundversorgung dokumentieren und habe der Antragsteller in seiner Heimat über eine Existenzgrundlage verfügt und verfüge weiterhin über einen umfassenden Verwandtenkreis. Ohne den Gesundheitszustand verharmlosen zu wollen, sei zusammenfassend anzumerken, dass die vorgebrachten Beeinträchtigungen in Anbetracht der strengen Judikatur nicht die Schwelle überschreiten würden, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK indizieren würde. Insgesamt seien die Kriterien für eine ausweglose Situation im Sinne des Art. 3 EMRK nicht erfüllt und daher eine Zurückweisung und Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig.

Zu Spruchteil III. wurde hinsichtlich des Familienlebens darauf hingewiesen, dass die Schwester der verstorbenen Schwiegertochter in XXXX lebe, der Beschwerdeführer mit dieser jedoch nur ein bis zwei Mal fernmündlich kommuniziert habe und bis jetzt keine persönlichen Kontakte habe und damit nicht von einem schützenswerten Familienleben auszugehen sei. Der Antragsteller sei nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise erst seit 19.01.2013 in Österreich aufhältig. Er lebe in einer Flüchtlingsunterkunft und sei mittellos und von staatlicher Unterstützung abhängig. Es würden sich keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen zu Österreich ergeben und hätte der Antragsteller auch keine solchen behauptet. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und mangels Vorliegens sonstiger Anknüpfungspunkte sei ein schützenswertes Privatleben in Österreich nicht entstanden. Es sei auch bei einer Rückkehr in das Herkunftsland nicht zu erwarten, dass sich der Antragsteller dort nicht mehr zurechtfinden würde, zumal auch seine nächsten Familienangehörigen dort aufhältig seien. Die Ausweisung stelle daher unter Berücksichtigung aller Umstände keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar und sei diese zur Erreichung der Art. 8 Abs. 2 EMKR genannten Ziele dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht gegen alle drei Spruchteile Beschwerde. Es wurde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren kritisiert und darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer detailliert und nachvollziehbar seine Fluchtgründe geschildert habe und es nicht zutreffend sei, dass sein Vorbringen nicht plausibel sei. Außerdem wurden mangelnde Länderfeststellungen gerügt und aus einem Dokument der Schweizer Flüchtlingshilfe zitiert. Aus diesem Länderbericht gehe hervor, dass der Beschwerdeführer durch seine Verwandtschaft zu einem Widerstandskämpfer Gefahr laufe, in das Visier der tschetschenischen Sicherheitsbehörden zu geraten und dort von diesen misshandelt oder sogar getötet zu werden. Auch die Beweiswürdigung sei mangelhaft gewesen und lege der Beschwerdeführer nunmehr die Kopie des Totenscheines seines Sohnes XXXX vor. Die darauf vermerkte Todesursache sei zumindest ein schwerwiegendes Indiz für eine extralegale Tötung. Der Beschwerdeführer gehöre der sozialen Gruppe der Verwandten von Unterstützern von tschetschenischen Widerstandskämpfern an und werde deswegen verfolgt. Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einer realen Gefahr ausgesetzt, wieder Opfer von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu werden. Die Behörde habe auch diesbezüglich ihre Ermittlungspflicht nicht ordentlich wahrgenommen. Auch ein Vorbringen zu Spruchteil III. wurde erstattet und die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt, da der Beschwerdeführer bisher nicht die Chance gehabt habe, sein gesamtes Vorbringen auszuführen und seine ausführliche Fluchtgeschichte noch einmal vor unabhängigen Richtern glaubhaft zu machen. Weiters wurde die Bestellung eines länderkundlichen Sachverständigen und Recherchen im Herkunftsstaat beantragt. Außer dem Totenschein des Sohnes XXXX wurden Bestätigungen über Deutsch-Grundkurse vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 23.09.2014 an und räumte das Parteiengehör zu aktuellen Feststellungen hinsichtlich Tschetschenien mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme bis längstens in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete keine Stellungnahme und ist entschuldigt bei der Beschwerdeverhandlung nicht erschienen.

Am Beginn der Verhandlung legte der Beschwerdeführer einen Arztbericht des Bezirkskrankenhauses XXXX vom 17.09.2014, eine Stellungnahme des Flüchtlingsheimes XXXX vom 11.09.2014, Arbeitsbestätigungen des Landesforstgartens XXXX sowie Deutschkursbestätigungen vor. Er hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und wollte korrigieren, dass bei der Einvernahme in XXXX falsch protokolliert worden sei, dass die Behördenvertreter am 12.12.2013 gekommen seien, in Wirklichkeit seien sie aber am 12.01.2013 gekommen.

Er sei am XXXX in Kasachstan geboren. 1959/1960 sei er mit seiner Familie nach Tschetschenien zurückgekehrt. 1972 sei er dann wieder nach Kasachstan gezogen und 1994 nach Tschetschenien zurückgekehrt. Während seiner Aufenthalte in Kasachstan sei er auch ab und zu in Tschetschenien gewesen. Sie hätten dann im XXXX von XXXX zwei Wohnungen gekauft. Während des ersten Krieges habe er seine Familie nach Inguschetien gebracht. Erst 2003 sei die Familie wieder nach XXXX zurückgekehrt. Nach dem Tod von Sohn und Schwiegertochter im Jahre 2009 hätten sie die Wohnung in XXXX verkauft und seien nach XXXX gezogen. Bis 2012 sei er dann immer wieder hin- und hergefahren und habe er Fahrgäste von XXXX nach XXXX geführt und retour. Im Dezember 2012 sei er dann nach XXXX zurückgekehrt und im Jänner 2013 sei er dann ausgereist. Seine Frau und seine jüngeren Kinder lebten noch in XXXX , die älteren Söhne seien irgendwohin ausgereist, er wisse nicht, wohin. Gemeldet sei er jedoch immer in seinem Haus in Schalazhi. Nach der Grundschule habe er eine Ausbildung als Kraftfahrzeugfahrer absolviert und habe er einen Führerschein für alle Klassen, diesen jedoch nicht umschreiben lassen. Befragt, ob er jemals irgendwie politisch tätig gewesen sei, gab er an, dass er niemals politisch tätig gewesen sei, aber als sein Sohn in den Wald gegangen sei, habe er für den Leiter einer Firma ein Haus in XXXX gebaut. Er habe niemals in einem der beiden Tschetschenienkriege selbst gekämpft. Im ersten Krieg hätte jedoch die gesamte Bevölkerung die Kämpfer mit Lebensmitteln und Geld unterstützt. Im zweiten Krieg habe er dann keine Kämpfer mehr unterstützt. Gefragt, ob er irgendwie ideologisch mit den Kämpfern sympathisiert habe, gab er an, dass er natürlich nicht für die Handlungen von Russland sei und jeder wisse, was die Russen in Tschetschenien gemacht hätten, es sei ein Genozid an der tschetschenischen Bevölkerung gewesen. Gefragt, ob er ein für unabhängiges Tschetschenien oder für ein Emirat im Kaukasus eingetreten sei, gab er an, dass er für die Unabhängigkeit Tschetscheniens sei, was ein Emirat im Kaukasus bedeute, wisse er nicht. Gefragt, ob nahe Verwandte aktive Kämpfer gewesen seien, gab er an, dass drei Söhne seiner Cousins gekämpft hätten, einer sei von den Russen mitgenommen worden und spurlos verschwunden, einer lebe in XXXX und der dritte sei über Polen nach Holland gekommen und sei dann nach Polen zurückgeschoben worden. Daraufhin sei er nach Tschetschenien zurückgekehrt und sei in einem Geschäft erschossen worden. Sein zweitjüngster Sohn XXXX habe auch gekämpft und sei ebenfalls getötet worden.

Gefragt, warum sich sein Sohn XXXX den Kämpfern angeschlossen habe, gab er an, dass sein Sohn Schichtarbeiter in einem Betonfertigteilwerk gewesen sei und dass Behördenvertreter ihn von der Arbeit mitgenommen und misshandelt hätten. Daraufhin habe sein Sohn von der Arbeit gekündigt und hätte er dann gemeinsam mit seinem Sohn und einem Freund, welcher nachher auch getötet worden sei, ein Haus gebaut. Später habe er sich den Kämpfern angeschlossen. Davon habe er von den tschetschenischen Behörden erfahren. Er habe gesagt, dass er sich nicht vorstellen könne, was bei der Mitnahme passiert sei und dass es für ihn keinen Weg zurückgebe. Auch habe er gesagt, dass er sich in XXXX befinde und dort arbeite. Sein Sohn sei am 30.05.2008 in den Wald gegangen. Am XXXX seien sein Sohn und seine Schwiegertochter getötet worden. Auch ein Freund und dessen Frau seien umgekommen.

Auf die Frage, unter welchen Umständen der Sohn und die Schwiegertochter getötet worden seien, gab der Beschwerdeführer an, dass am 15. Oktober seine Schwiegertochter mit ihren beiden Söhnen bei ihren Eltern gewesen sei und dass sich sie die meiste Zeit dort, nachdem sein Sohn zu den Kämpfern gegangen sei, aufgehalten habe. Am Weg in die Apotheke sei sie von Unbekannten entführt worden. Sein jüngster Sohn XXXX habe damals in Russland in der Stadt XXXX eine Kampfsportschule besucht. Er habe mit XXXX über Skype Kontakt aufgenommen und nach dessen Frau gefragt. Er habe dann anschließend seine Tochter in Tschetschenien angerufen und ebenfalls nach dem Verbleib der Schwiegertochter gefragt. Diese habe jedoch Angst gehabt über Telefon mitzuteilen, dass sie entführt worden sei und habe ihm gesagt, dass es ihr gut gehe und dass sie bei ihren Eltern sei. Als die Verwandten seiner Schwiegertochter sich in XXXX beim Bezirkshauptsmann, welcher ein Cousin von Kadyrow sei, beschwert habe, habe dieser behauptet, dass fünf Personen, darunter sein Sohn XXXX , welche zu den Kämpfern gegangen seien, von der ukrainischen Grenze angerufen hätten und ein bis zwei Stunden später alle aus Polen angerufen hätten. Er sei dann zum Vater seiner Schwiegertochter gefahren, nachdem ihn dieser darum gebeten habe und behauptete, dass er eine gute Nachricht für sie habe und dass sich die Kinder in Polen befinden würden. Am XXXX sei er jedoch von Behördenvertretern angerufen wurden und sei ihm mitgeteilt worden, dass sein Sohn und seine Schwiegertochter getötet worden seien und dass er sofort nach XXXX kommen solle. Er sei dann mit seinem Bruder nach XXXX gefahren, wo sie ein kleines Geschäft hätten. Behördenvertreter seien in die Wohnung eingedrungen und hätten alles durcheinander gebracht und seiner Tochter, die mit den Kindern zuhause gewesen sei, mitgeteilt, dass ihr Bruder und ihre Schwägerin getötet worden seien und seien sie dabei beschimpft und angegriffen worden. Über Vorhalt, dass, nach dem vom Beschwerdeführer selbst vorgelegte Totenschein (AS 63) die Schwiegertochter durch eine Minenexplosion gestorben sei, gab er an, dass die Bestätigungen so ausgestellt worden seien und dass das in den Medien auch so berichtet worden sei. Nachgefragt, ob er wisse, wie der Sohn und die Schwiegertochter tatsächlich zu Tode gekommen wären, gab er an, dass er wisse, dass sie nicht an jenem Ort gestorben seien, und dass sie nicht so gestorben seien, wie es berichtet worden sei. Sein Sohn sei ein einfacher Kämpfer gewesen. Er vermute, dass sein Sohn von den Behörden verständigt worden sei, dass sich seine Frau bei ihnen befinden und sei er damit zu den Behörden geholt worden.

Gefragt, ob er selbst Probleme mit russischen oder mit diesen verbündeten tschetschenischen Kräften gehabt habe, gab er an, dass er aufgefordert worden sei, nach XXXX zur Polizeistation zu kommen und zwar gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn XXXX . Dort seien ihnen die Handys abgenommen worden und sei behauptet worden, dass er von seinem Handy aus nach Frankreich und nach Amsterdam telefoniert habe, wobei er gar nicht gewusst habe, dass Amsterdam die Hauptstadt von Holland sei. Er habe verneint, dass er dorthin telefoniert habe. Auch sein Sohn XXXX sei geschlagen worden und die gleiche Frage an ihn gerichtet worden, er habe ebenfalls verneint. Er sei dann aufgefordert worden, seinen Sohn XXXX , welcher sich Zuhause aufgehalten habe, hinzubringen. Dieser sei dann bei dem Verhör geschlagen worden. Als sie zu diesem Verhör vorgeladen worden seien, habe er einen Bekannten, der bei den Behörden arbeite angerufen und sei dieser erst, nachdem alles vergangen sei, zu ihnen gekommen. Wann dieses Verhör in XXXX gewesen sei, wisse er nicht. Er wisse nicht einmal, ob dies vor oder nach dem Tod seines Sohnes XXXX gewesen sei.

Gefragt, ob dies die einzige Einvernahme gewesen sei oder ob er mehrmals einvernommen worden sei, gab er an, dass er die Ladung vorgelegt habe. Befragt, wie oft er insgesamt verhört worden sei, gab er an, dass dies unzählbar sei. Gefragt, in welchem Zeitraum die Einvernahmen erfolgt wären, führte er aus, dass am Anfang die Behördenvertreter nach Hause gekommen seien und ihn Zuhause befragt und bedroht hätten. Sie hätten ihm auch vorgeworfen, dass, wenn sein Sohn während einer Kampfhandlung einen anderen Tschetschenen getötet habe, eine Blutrache ausgesprochen werde und er dafür verantwortlich sei. Sein Sohn XXXX sei am 18. April, glaublich 2010 stark geschlagen und misshandelt worden. Als er ihn gleich ins Krankenhaus habe bringen wollen, habe er dies nicht dürfen. Er sei zuerst auf die Polizeistation im Bezirk XXXX gebracht worden und dort gezwungen worden, eine Bestätigung zu unterschreiben, dass er keine Einwände gegen die Behörden habe. Erst dann habe er seinen XXXX ins Krankenhaus bringen dürfen.

Die Befragungen hätten ungefähr ein bis zwei Stunden gedauert. Er sei selbst nicht misshandelt, er sei lediglich bedroht worden. Er habe nur einmal eine Erklärung unterschreiben müsse, dass er keine Einwände gegen die Behörden habe. Seine Söhne seien allerdings gefoltert worden.

Am 12.01.2013 seien drei Behördenvertreter zu ihnen gekommen und hätten gesagt, dass sie seinen Sohn XXXX bei der Ausreise nach XXXX aus dem Bus geholt hätten und er aufgefordert worden sei, bis 05. Jänner zurückzukehren. Er habe dieser Aufforderung nicht Folge geleistet und hätten sie ihm gedroht, wenn dieser innerhalb der nächsten drei Tage nicht zurückkehre, er mitgenommen werde. Er selbst habe in XXXX keine konkreten Probleme gehabt, sein Sohn XXXX allerdings schon, als er sich angemeldet habe.

Gefragt, welche Probleme sein Sohn XXXX konkret in XXXX gehabt habe, gab er an, dass er aufs Gemeindeamt gebracht worden sei und dort ein bis zwei Stunden verhört worden sei. Er habe dann irgendwo in Russland offizielle Bauarbeiten verrichtet, aber in dieser Zeit seien Behördenvertreter zu ihnen gekommen und hätten ihn gesucht und ihn aufgefordert, wenn er zurückkomme, dass er zu den Behörden gehen solle. Er sei mit seinem Sohn und dem Bruder seiner Frau zu den Militärbehörden gegangen. Dort sei auch ein FSB-Vertreter dabei gewesen und sei er und auch sein Sohn XXXX verhört worden. Sie hätten dann auch eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft machen wollen, aber ein tschetschenischer Ermittler habe sie davor gewarnt.

Gefragt nach dem unmittelbaren Anlass der Ausreise, gab er die Drohung vom 12.01.2013 an. Er habe dann mit seinem Sohn telefoniert und dieser habe ihn gebeten, auszureisen.

Über Vorhalt, dass er einmal davon gesprochen habe, dass kurz vor seiner Ausreise die Behörden nach seinem Sohn XXXX gesucht haben und andererseits, dass er gemeinsam mit ihm zu den Militärbehörden gegangen sei und das dies unklar und widersprüchlich sei, gab er an, dass eine Mitarbeiterin des Gemeindeamtes des Dorfes in der Nähe von XXXX ihnen erklärt hätte, dass diese Ladung wegen des Militärdienstes erfolgt sei. Er habe ihr geglaubt, obwohl sein Sohn mit XXXX Jahren schon aus dem Wehrpflichtalter draußen sei. Gefragt, warum er allein ausgereist sei und nicht mit seiner Frau und/oder seinen Söhnen XXXX und XXXX , welche noch größere Probleme gehabt hätten als er, gab er an, dass sich seine Söhne damals im Gebiet XXXX befunden hätten und sich an verschiedenen Orten aufgehalten hätten und sie ihn gebeten hätten auszureisen. Er sei am 15. Jänner 2013 vom Markt XXXX in XXXX mit einem Bus nach XXXX/Dagestan gefahren und von dort schlepperunterstützt mit einem LKW nach Österreich. Er habe nur den Führerschein mitgehabt. Sein Inlandsreisepass sollte Zuhause sein, einen Auslandsreisepass habe er nie besessen. Bei der Ausreise habe es keine Probleme gegeben.

Gefragt nach gesundheitlichen oder psychischen Problemen gab er an, dass er häufig Beinschmerzen habe und sonst keine gesundheitlichen Probleme. Es sei ihm wohl empfohlen worden, in Österreich zu seinem Psychologen zu gehen, aber er sei nicht dorthin gegangen. Außer dem bereits vorgelegten Arztbericht des Krankenhauses XXXX habe er keine aktuellen ärztlichen Befunde.

Seine Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern würden in Tschetschenien leben, seine Ehegattin, zwei Töchter und drei Söhne in Russland. Die ältere Tochter sei verheiratet und lebe in Tschetschenien. Er habe mit seiner Gattin und seinem Sohn XXXX Kontakt. Sie hätten gesagt, dass sie keiner offiziellen Beschäftigung nachgehen dürften, weil sein Sohn XXXX zwei oder drei Mal unterschrieben habe, dass er mit den Behörden zusammenarbeiten werde. XXXX könne sich derzeit nicht normal in einem Krankenhaus behandeln lassen und gehe es ihm schlecht.

Ein Cousin mütterlicherseits lebe in Österreich, auch seine Nachbarn von XXXX würden in Österreich leben und könnten als Zeugen aussagen. Mit seinem Cousin telefoniere er und habe er gestern bei ihm übernachtet. Sonst habe er keine Möglichkeiten, ihn zu besuchen. Dieser Cousin sei anerkannter Flüchtling. Über Vorhalt, dass er beim Bundesasylamt davon gesprochen habe, dass die Schwägerin seines verstorbenen Sohnes XXXX in Österreich lebe, er jedoch keinen Cousin erwähnt habe, gab er an, dass das stimme, dass sein Cousin in Österreich lebe, habe er erst später erfahren.

Er lebe in einem Flüchtlingsheim und arbeite gelegentlich. Drei Mal in der Woche finde ein Deutschkurs statt, den er auch besuche. Er verstehe ein bisschen Deutsch und könne auch schon ein wenig sprechen. Er mache verschiedene Arbeiten von der Gemeinde aus, zum Beispiel habe er Christbäume sortiert und zusammengebunden, er kenne sich auch mit Bauarbeiten gut aus. Eine neue Frau in Österreich habe er nicht.

Er könne auf keinen Fall nach Russland oder Tschetschenien zurückkehren. Er würde lieber den Rest seines Lebens in Österreich in Haft verbringen, als zurückzukehren. Wenn er nach Russland abgeschoben werde, würden seine Kinder von den Behörden zurückgeholt und habe er Angst, dass ihnen das Gleiche passieren werde, wie seinem Sohn XXXX . Auch wenn er keine Probleme gehabt hätte, würde er bei seiner Rückkehr als Verräter der Heimat gelten.

Gefragt, ob er noch etwas vorbringen wolle, was ihm für seinen Asylantrag wichtig erscheine gab er an, dass er vom Krankenhaus her aufgefordert worden sei, Zuhause zu bleiben und den Termin zu verschieben, er dies aber nicht gewollt habe.

Zu den übermittelten Länderberichten gab er folgende Stellungnahme ab: Er habe angerfangen, die Länderberichte zu lesen und stehe darin einiges über Ramzan Kadyrow und seinen Vater, welcher seinerzeit alle Jugendlichen zum Kampf aufgerufen habe und erst später, als er von den Russen Arbeit und viel Geld bekommen habe, die Seiten gewechselt habe. Damals sei die Familie Kadyrow in Tschetschenien noch nicht so bekannt gewesen. Es wurden immer wieder unschuldige junge Männer festgenommen, für einige Zeit angehalten, bis ihnen Bärte wachsen und dann als angebliche Widerstandskämpfer getötet. Alle Kämpfer aus dem Wald würden seiner Meinung nach gerne zurückkommen, wenn ihnen eine Amnestie garantiert werde. Die Widerstandskämpfe würden jedoch dem Regime nicht vertrauen. Sie könnten jeden beschuldigen, dass er jemand getötet habe, um eine Kopfprämie zu erhalten. Solche Vorgänge seien in Tschetschenien üblich. Er schwöre, dass das, was in den Länderberichten stehe, nicht stimme.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.10.2014, W159 2001299-1/10E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wurde das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Beweiswürdigend wurde seitens des zuständigen Richters ausgeführt:

"Das tatsächlich so umfangreiche Vorbringen des Beschwerdeführers ist trotzdem großteils sehr vage und war er nicht in der Lage konkrete und nachvollziehbare Angaben über seine Erlebnisse zu machen, sondern hat er - obwohl er vor dem Bundesverwaltungsgericht von einer bekannt hervorragenden und vertrauenswürdigen muttersprachlichen Dolmetscherin auf Tschetschenisch befragt wurde - häufig unpassende, sinnlose und weitschweifige Antworten gegeben, ohne die gestellten Fragen konkret zu beantworten. Beispielsweise gab er bei der Frage, ob er sich politisch betätigt habe, völlig unpassend an, dass er, als sein Sohn in den Wald gegangen sei, für einen Firmenleiter ein Haus baute. Auf die konkrete Frage, ob nahe Verwandte von ihm aktive Kämpfer gewesen seien, führte er zunächst die Söhne seiner Cousins an, nicht jedoch seinen Sohn XXXX , was wesentlich naheliegender gewesen wäre. Auf die konkrete Frage, warum sich sein Sohn XXXX den Kämpfern angeschlossen habe, machte er ausführliche Angaben über dessen Arbeit und dass er Probleme mit den Behörden gehabt habe, bevor er sich den Kämpfern angeschlossen habe, beantwortete die gestellte Frage jedoch nicht. Auch auf die konkrete Frage, unter welchen Umständen sein Sohn und seine Schwiegertochter getötet wurden, erzählte er etwas über die Übernachtung seiner Schwiegertochter, über seinen anderen jüngeren Sohn XXXX , der eine Kampfsportschule besucht habe und über eine angebliche Fehlinformation durch den Bezirkshauptmann von XXXX . Konkret die Frage, wie sein Sohn und seine Schwiegertochter tatsächlich gestorben seien, konnte er aber nicht beantworten. Auch auf die konkrete Frage, ob er selbst Probleme mit russischen oder mit diesen verbündeten tschetschenischen Kräften gehabt habe, erzählte er wohl von einer Einvernahme auf der Polizeistation von XXXX , dass man ihm vorgeworfen habe, dass er mit seinen Handys nach Frankreich und nach Amsterdam telefoniert habe, obwohl er nicht gewusst habe, dass Amsterdam die Hauptstadt von Holland sei, konnte jedoch nicht angeben, wann dieses Verhör stattgefunden habe. Auf die konkrete Frage, ob dies die einzige Einvernahme gewesen sei, machte er die unpassende Antwort: "Ich habe die Ladung vorgelegt." Auch auf die Frage, wie oft er insgesamt verhört worden sei, gab er nur vage Antworten, ebenso auf die Frage, in welchem Zeitraum die Einvernahmen stattgefunden hätten.

Auch die wesentliche Frage, warum er allein ausgereist sei und nicht mit seiner Frau und seinen Söhnen XXXX und XXXX , die noch größere Probleme gehabt hätten als er, gab er die unklare Antwort, dass sich seine Söhne damals in XXXX befanden hätten, aber nicht Zuhause gelebt hätten.

Es ist auch anzumerken, dass er schon beim Bundesasylamt offenbar konfuse Angaben zu seinen Fluchtgründen gemacht hat (AS 101) und von dem Einvernehmenden mehrmals aufgefordert werden musste, seine Ausreisegründe chronologisch darzustellen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer offenbar nicht in der Lage war, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen und häufig unpassende und ausweichende Antworten gegeben hat.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch in mehreren Punkten widersprüchlich: Schon bei der Frage nach seiner beruflichen Tätigkeit machte er widersprüchliche Angabe, indem er vor dem Bundesasylamt angab, dass er in Kasachstan als Bauarbeiter gearbeitet habe und dass er auch in XXXX eine Landwirtschaft betrieben habe (AS 99), während er vor dem Bundesverwaltungsgericht lediglich seine Tätigkeit als Bus- bzw. Kleinbusfahrer erwähnte.

Während er vor dem Bundesasylamt, Außenstelle XXXX behauptete, dass sein Sohn XXXX und seine Schwiegertochter von Soldaten umgebracht worden seien, und dass dies auch im Fernsehen gezeigt wurde, wobei die beiden namentlich genannt worden seien (AS 101), machte er vor dem Bundesverwaltungsgericht nur unklare Angaben zu den Umständen der Tötung seines Sohnes und seiner Schwiegertochter und behauptete lediglich, dass sie nicht, wie in den Totenscheinen angeführt durch eine Minenexplosion getötet worden seien. Während er vor dem Bundesasylamt, Außenstelle XXXX , (AS 102) davon sprach, dass er fünf bis sechsmal einvernommen worden sei, behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht widersprüchlich dazu, dass die Anzahl der Verhöre unzählbar gewesen sei.

Auch hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer von Behördenvertretern jemals bedroht worden sei, machte er widersprüchliche Angaben, indem er dies vor dem Bundesasylamt zunächst ausdrücklich ausschloss (AS 103), jedoch dann noch in der gleichen Frage angab, dass sie gesagt hätten, wenn sein Sohn XXXX nicht kommen würde, sie ihn mitnehmen würden, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht pauschal behauptete, bedroht worden zu sein. Einerseits behauptete der Beschwerdeführer, dass kurz vor seiner Ausreise die Behörden nach seinem Sohn XXXX gesucht hätten, andererseits jedoch, dass er gemeinsam mit diesem zu den Militärbehörden gegangen sei; auch über Vorhalt dieses Widerspruches konnte der Beschwerdeführer diesen nicht aufklären und machte wiederum ausflüchtige Angaben. Während er vor dem Bundesasylamt angab, dass er sich bereits im Sommer 2012 entschlossen habe, die Heimat zu verlassen (AS 99), behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht widersprüchlich dazu, dass erst die Drohung am 12.01.2013 bei ihm den Entschluss hervorgerufen habe, auszureisen. Es liegen somit in wesentlichen Punkten widersprüchliche Aussagen vor.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch in zentralen Punkten unplausibel und unlogisch: Nicht nachzuvollziehen ist insbesondere der Umstand, dass der Beschwerdeführer, der lediglich behauptet hat, ohne Misshandlungen befragt und nur einmal bedroht worden zu sein, während seine beiden Söhne XXXX und XXXX angeblich massiv misshandelt worden seien, als einziger der Familie ausgereist ist, während sich seine Söhne nach wie vor in der Russischen Föderation aufhalten. Auch ist die Schilderung des Beschwerdeführers, dass sein Sohn XXXX bei der Ausreise nach XXXX aus dem Bus geholt worden sei und aufgefordert worden sei, bis 05.01. zurückzukehren unlogisch, weil die Behörden in diesem Zeitpunkt seiner habhaft waren und er keineswegs unbekannten Aufenthaltes war. Auch die erstmals in der Beschwerdeverhandlung aufgestellte Behauptung, dass alle seine Familienangehörigen keine offizielle Beschäftigung annehmen dürften, weil sein Sohn XXXX zwei oder drei Mal unterschrieben habe, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, erscheint nicht logisch nachvollziehbar. Es ist darauf hinzuweisen, dass auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es den Behörden nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden (siehe z.B. VwGH vom 29.06.2000, 2000/01/0093).

Der Beschwerdeführe hat schließlich auch keine Identitätsdokumente (weder Inlands- noch Auslandsreisepass) vorgelegt, sondern lediglich einen Führerschein, jedoch zahlreiche nicht seine Person betreffende Dokumente, was für das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers, der häufig nicht mit seiner Person zusammenstehende Umstände vorbrachte, symptomatisch ist.

Die von dem Beschwerdeführer selbst vorgelegten Totenscheine seines Sohnes XXXX und seiner Schwiegertochter geben übereinstimmen als Todesursache eine Minenexplosion an. Dies steht im Widerspruch zu den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, wo er behauptete, dass diese von Soldaten getötet worden seien und dies auch im Fernsehen gezeigt worden sei, bzw. auch zu den vagen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, dass er sicher sei, dass sie nicht so (durch eine Minenexplosion) gestorben seien. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist der Umstand, dass die Angehörigen des Beschwerdeführers laut den vorgelegten Totenscheinen durch eine Minenexplosion gestorben seien, kein Indiz für eine extralegale Tötung, sondern eher für einen Unfall im Zusammenhang mit den in Tschetschenien nach wie vor häufig existierenden Minen aus den beiden Tschetschenienkriegen.

Wie das Bundesasylamt zurecht in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, beziehen sich die Ausführungen in dem Schreiben der NGO "Objective" nicht auf eigene faktische Wahrnehmungen des Verfassers, sondern auf Schilderungen anderer Personen bzw. beziehen sich auch auf andere Personen und kann daher für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers daraus nichts gewonnen werden.

Der Beschwerdeführer hat überdies sein Vorbringen gesteigert, dass er erstmals in der Beschwerdeverhandlung behauptet hat, dass seine Familienangehörigen keine offizielle Beschäftigung annehmen dürften (ohne dafür einen logischen Grund anzuführen) und dass sich sein Sohn XXXX nicht im Krankenhaus behandeln dürfe. Außerdem hat er in der Beschwerdeverhandlung erstmals behauptet, im ersten Krieg die Kämpfer nicht-militärisch unterstützt zu haben und auch insoferne sein Vorbringen gesteigert. Ein gesteigertes Vorbringen ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als unglaubwürdig einzustufen (VwGH vom 08.04.1987, Zahl 85/01/0299, VwGH vom 02.02.1994, Zahl 93/01/1035), weil grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (VwGH vom 05.10.1988, Zahl 88/01/0155, VwGH vom 11.11.1998, Zahl 98/01/261 u. v. a. m.).

Der Beschwerdeführer hat keineswegs ein unbegründet einsilbiges, aber ein unbegründet weitschweifiges und vom Thema abweichendes Vorbringen erstattet.

Auch was den persönlichen Eindruck betrifft, so ist nochmals darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer sehr wortreiche, aber oft äußerst unpassende weitschweifige und keineswegs konkrete und präzise Angaben zu seiner Person und seinen Fluchtgründen im Zuge des Asylverfahrens erstattet hat. Aus den oben dargestellten Gründen war daher den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zuzubilligen.

Glaubwürdig erscheint jedoch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Gebiet XXXX selbst keine Probleme hatte, selbst niemals misshandelt wurde und auch selbst keinerlei Kontakte zum tschetschenischen Widerstand hatte (mit Ausnahme allfälliger, nicht mehr relevanter geringfügiger Unterstützungsleistungen im Zuge des ersten Tschetschenienkrieges) und dass er letztlich in gesicherten Verhältnissen gelebt hat, weil diese Angaben letztlich nicht dem Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers dienen."

Am 30.12.2014 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde aufgefordert, sich schriftlich zur beabsichtigten Rückkehrentscheidung zu äußern. Hiezu erstattete er eine mit 28.01.2015 datierte Stellungnahme: Er sei illegal eingereist, halte sich seit 19.01.2013 in Österreich auf. Er habe mit seiner Frau in Tschetschenien gemeinsame Kinder, sei mit ihr aber nicht verheiratet. Sein jüngerer Sohn sei seit kurzem als Asylwerber in Österreich aufhältig. Er habe auch einen Cousin, der als Flüchtling anerkannt sei. Er verwies auf "Bekannte" und auf ehrenamtliche Tätigkeit. Auch habe er einen Deutschkurs besucht.

Im fortgesetzten Verfahren wurde mit sodann angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2015 dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.06.2015, w226 2001299-2/3E, wurde die Beschwerde vollumfänglich abgewiesen.

Nunmehriges Verfahren:

Der Beschwerdeführer verblieb im Bundesgebiet und stellte am 15.07.2015 den nunmehrigen verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, € 237 pro Monat an Sozialleistungen zu beziehen und sich nach dem negativen Ausgang des ersten Asylverfahrens weiterhin in Österreich aufgehalten zu haben. Befragt, weshalb er neuerlich einen Asylantrag stelle, gab der Beschwerdeführer an, sein Sohn sei am 19.01.2015 nach Österreich gekommen und wohne seitdem bei ihm. Vor ca. einem Monat habe er drei Bestätigungen von verschiedenen Nachbarn von zu Hause erhalten und könne diese vorlegen. Diese würden bestätigten, dass sie mehrmals gesehen hätten, wie sein Haus von Militärangehörigen aufgesucht worden sei. Er habe keinen neuen Fluchtgründe, jedoch seien seine alten Gründe nach wie vor aktuell. Im Falle einer Rückkehr befürchte er eine Gefängnisstrafe, er habe den behördlichen Ladungen nicht Folge geleistet. Einen Abschiebetermin habe er noch nicht bekannt gegeben bekommen, sein Anwalt habe ihm geraten, erneut um Asyl anzusuchen.

Zu Beginn der niederschriftlichen Einvernahme am 05.11.2018 gab der Beschwerdeführer an, seit ca. einem Jahr in psychologischer Behandlung zu sein. Heute gehe es ihm aber gut und sei er in der Lage Angaben zu seinem Verfahren zu machen. Medikamente nehme er keine ein, besuche jedoch jede Woche einen Psychologen. Zwischenzeitig sei nunmehr auch sein Enkel in Österreich aufhältig (W147 2212113), welcher keine gesundheitlichen Probleme habe, er sei sportlich, Boxer, und habe schon Titel bei Wettkämpfen in Österreich errungen. Bis dato habe er stets die Wahrheit gesagt, sei ihm alles rückübersetzt und alles korrekt protokolliert worden. Folgende Unterlagen wurden seitens des Beschwerdeführers vorgelegt:

* Termin Karte für psychologische Behandlung

* Totenschein

* Ladung zu einer Abteilung des Innenministeriums mit Termin 22.07.2015

* medizinischer Totenschein

* diverse Arbeitsnachweise und Arbeitsbestätigungen

* Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs

* Integrations-Kompass

* Deutschzertifikat A1

* Empfehlungsschreiben

* Schreiben des Heimleiters

* Teilnahmebestätigung Deutsch A2

* Projektteilnahme

Befragt nach Identitätsdokumenten gab der Beschwerdeführer an, noch nie einen Reisepass besessen zu haben, seinen russischen Führerschein habe er in Österreich umschreiben lassen. In seinem ersten Verfahren habe er stets die Wahrheit gesagt und seien seine Angaben auch vollständig, mehr habe er selbst nicht dazu anzuführen. Die Gründe seien noch immer die selben, der Umstand, dass er ohne die Behörden in Kenntnis gesetzt zu haben ausgereist sei, sei neu. Und das, was mit seinem Sohn nach der Ausreise passiert sei, sei neu. Andere Gründe gebe es nicht.

Die Angaben zu seinem Reiseweg, die er im Vorverfahren erstattet habe, würden der Wahrheit entsprechen. Den Entschluss zur Ausreise habe er gefasst, nachdem ihn mit der Mitnahme gedroht worden sei, sollte sich sein Sohn nicht innerhalb von drei Tagen bei ihnen melden. Alle hätten ihm geraten, auszureisen. Er vermeinte, dass seine Familie in Ruhe gelassen werde, weil nur einer seiner Söhne zu den Widerstandskämpfern gegangen sei. Dies sei jedoch nicht so gewesen. Nur mit viel Mühe und Bestechungsgeldern sei es ihm gelungen seinen Sohn zu begraben, dies sei am 6. oder 7. Jänner 2013 gewesen.

Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, er habe alle Ereignisse seines Ausreisegrundes bereits erzählt und angegeben. Er habe diesen nichts mehr hinzuzufügen. Auf die Frage, ob er sich bezüglich der erwähnten Probleme jemals an staatliche Behörden oder anderweitige Organisationen gewandt und diese um Hilfe ersucht habe, antwortete der Beschwerdeführer, sie hätten sich nur an diese Menschenrechtsorganisation gewandt, nachdem sein Sohn umgebracht worden sei. An die Polizei habe er sich nicht gewandt, weil es sinnlos gewesen wäre. Er habe eine Erklärung unterschreiben müssen, dass er wegen der Verletzungen seines Sohnes keine Ansprüche stellen werde. Erst dann hätten sie seinen Sohn XXXX ins Krankenhaus gebracht.

In Österreich aufhältig sei neben dem Beschwerdeführer sein Sohn XXXX, welcher im Jahre 2015 eingereist sei. Wann sein zweiter Sohn nach Österreich gekommen sei ( XXXX ) wisse er nicht mehr, aber er glaube dies sei vor zwei Jahren gewesen. In seinem Heimatland aufhältig sei sein ältester Sohn, der an der Grenze zur Ukraine lebe und als Taxifahrer arbeitete. Drei seiner Brüder seien noch in der Heimat. Seine Frau sei in XXXX . Zwei verheiratete Töchter seien auch noch in Tschetschenien. Sein verstorbener Sohn habe zwei Kinder, einer der beiden Enkel lebe in Tschetschenien bei seiner Frau, der andere sei nunmehr beim Beschwerdeführer in Österreich. Kontakt mit seiner Familie halte der Beschwerdeführer über Telefon bzw. WhatsApp. Zwei seiner Brüder würden im Gebiet um XXXX arbeiten, seine Ehefrau werde von den Verwandten unterstützt. Die Sprache seines Heimatlandes beherrsche er sehr gut und sei er mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten zu 100 % vertraut. Für seinen Enkel (W147 2001299) habe er selbst das Sorgerecht erhalten.

Befragt nach Rückkehrbefürchtungen führte der Beschwerdeführer aus, Angst zu haben, verhaftet und zumindest ins Gefängnis zu kommen. Zwar gebe es keine Todesstrafe mehr, doch gelte dies nicht für Tschetschenien. Tschetschenen würden im Gefängnis in relativ kurzer Zeit und Leben kommen. Befragt, ob es ihm möglich wäre, in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil zu ziehen, antwortete der Beschwerdeführer, sie seien ja nach XXXX gezogen. Sie hätten ca. ein halbes Jahr benötigt, um sich dort einzurichten und eine Landwirtschaft aufzubauen. Sobald das Haus offiziell auf seine Söhne angemeldet worden sei, hätten die Probleme mit den Behörden begonnen. Sie hätten alles im Computer und würden alles wissen, deshalb habe es keinen Sinn, woanders hin zu gehen.

Zu seinem Privat- und Familienleben führte der Beschwerdeführer aus, er habe niemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes in Österreich gehabt. Er besuche einen Deutschkurs, leiste gemeinnützige Arbeit gegen 3,- Euro, besuche einen älteren Mann und helfe diesem im Garten und im Haus. Er kümmere sich um seine Enkelkinder und habe auch österreichische Bekannte, mit denen er sich treffe und unterhalte. Derzeit lebe er von der Grundversorgung sowie von der genannten gemeinnützigen Tätigkeit, wenn er eine Gemeindearbeit erhalte. Nach wie vor sei er in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und lebe dort gratis. Seit seiner Einreise in Österreich sei er noch keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Im Jänner 2019 habe er vor, die Prüfung für das Niveau A2 zu absolvieren. Er sei weder Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation und besuche in Österreich auch keine Moschee.

Sein Enkelkind (W147 221213) habe keine speziellen Asylgründe, sondern wahrscheinlich die gleichen Gründe wie der Beschwerdeführer selbst, manchmal leide dieser unter Magenschmerzen und bekomme Tabletten. Derzeit gehe er in die Schule und sei sehr sportlich. Er könne keinesfalls nach Russland zurückkehren, lieber würde er sich umbringen oder weglaufen, um einer Abschiebung in seine Heimat zu entgehen.

Über Vorhalt, wonach sein Sohn XXXX beabsichtige, freiwillig in die Russische Föderation zurückzukehren, gab der Beschwerdeführer an, dass es seinem Sohn sehr schlecht gehe. Er habe Angst, bald zu sterben und gesagt, dass er nicht nach Tschetschenien wolle, sondern irgendwohin nach Russland. Der FSB habe seinem Sohn in XXXX zu Hause das Angebot gemacht, dass sie ihm viel Geld, ein neues Auto und Waffen geben würden, wenn er nach Tschetschenien fahren würde und ihnen Widerstandskämpfer ausliefern würde. Sein Sohn habe dies alleine entschieden und zum Beschwerdeführer gesagt, dass er nicht hier sterben möchte. Die Abteilung für freiwillige Rückkehr habe ihm geraten, zuerst die medizinische Untersuchung abzuwarten, bevor er freiwillig ausreist. Als der Beschwerdeführer und seine Familie damals in XXXX gewesen seien, sei eine Vorladung zur Militärbehörde gekommen. Tatsächlich seien dort aber Leute vom FSB gewesen und hätten mit seinem Sohn gesprochen. Eigentlich hat sein Sohn Angst, aufgrund von untergeschobenen Beweismitteln ins Gefängnis zukommen.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Entscheidungsbegründung wurde seitens der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine ihm im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Gefährdung nicht habe glaubhaft machen können. Es habe sich nicht feststellen lassen, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation einer individuellen Verfolgung maßgeblicher Intensität aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung durch die staatlichen Organe ausgesetzt gewesen oder im Fall Ihrer Rückkehr ausgesetzt sein werde. Es gebe auch keine Anhaltspunkte auf das Vorliegen von Gefahren, welche die Erteilung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Ein Bescheid gleichen Inhaltes erging auch an den Enkel des Beschwerdeführers.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "ARGE-Rechtsberatung" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Mit am 21. Dezember 2018 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den genannten Bescheid und ficht diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an. In Einem erhob auch der Enkelsohn Beschwerde.

Der Beschwerdeführer moniert im Wesentlichen, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Der Beschwerdeführer werde seit der Tötung seines Sohnes XXXX durch tschetschenische Sicherheitskräfte im Jahr 2009 verdächtigt, tschetschenische Widerstandskämpfer zu unterstützen. Um sich vor den Bedrohungen in Sicherheit zu bringen, sei der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach XXXX gezogen. Auch dort sei es jedoch zu Durchsuchungen durch lokale Sicherheitsbehörden gekommen, mit der Begründung es gebe Hinweise auf Waffen im Haus. Um Namen, Aufenthaltsorte und andere Informationen über Widerstandskämpfer zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten