TE Vwgh Beschluss 2020/1/15 Ra 2019/18/0530

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Veröffentlicht am 15.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/18/0531Ra 2019/18/0532Ra 2019/18/0533Ra 2019/18/0534Ra 2019/18/0535

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien 1. M N, 2. G N, 3. N N, 4. S N,

5. Ma N und 6. R N, alle vertreten durch Mag. Julian Alen Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2019, W166 2166367-1/15E, W166 2166359-1/15E, W166 2166375-1/13E, W166 2166378-1/13E, W166 2166368-1/13E und W166 2166371-1/13E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien, alle afghanische Staatsangehörige, sind Angehörige einer Familie; die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind Ehegatten, die Dritt-, Fünft- und Sechstrevisionswerber sind ihre minderjährigen Söhne, die Viertrevisionswerberin ist ihre minderjährige Tochter.

2 Den Anträgen der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz vom 27. Oktober 2015 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheiden jeweils vom 3. Juli 2017 in Bezug auf den begehrten Status von subsidiär Schutzberechtigten statt und gewährte den revisionswerbenden Parteien befristete Aufenthaltsberechtigungen. Hinsichtlich des begehrten Status von Asylberechtigten wurden die Anträge hingegen abgewiesen. 3 Die gegen die Nichtgewährung von Asyl erhobene (gemeinsame) Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. 4 Begründend führte das BVwG aus, die revisionswerbenden Parteien hätten ihre Flucht damit begründet, dass der Zweitrevisionswerber in Afghanistan von Taliban bedroht werde, die mit seiner Familie verfeindet seien. Dieses Fluchtvorbringen sei aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft. In der Beschwerde sei überdies geltend gemacht worden, dass die Erstrevisionswerberin eine moderne Frau sei und sie und ihr Ehemann den gemeinsamen Kindern alle Möglichkeiten bieten wollten, die sie in Afghanistan nicht hätten. Im Verfahren vor dem BVwG habe sich jedoch nicht ergeben, dass die Erstrevisionswerberin einen "westlichen Lebensstil" angenommen habe, der bei Rückkehr nach Afghanistan zu Verfolgung führen könne. Die elfjährige Viertrevisionswerberin habe wegen ihres jungen Alters noch keine Persönlichkeitsentwicklung erfahren, auf Grund derer eine Verinnerlichung eines "westlichen Verhaltens" oder eine "westliche Lebensführung" als wesentlicher Bestandteil ihrer Identität angenommen werden könne. Insgesamt sei den revisionswerbenden Parteien daher kein Asyl zu gewähren.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit nur Folgendes vorbringt:

"Entgegen der Ansicht des BVwG ist die Revision in den Fällen der RevisionswerberInnen gem Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ..., da das BVwG ausführte ..., dass zur minderjährigen elfjährigen (Viertrevisionswerberin) festzuhalten ist, dass sie aufgrund ihres jugendlichen Alters noch keine Persönlichkeitsentwicklung erfahren hat, aufgrund derer eine Verinnerlichung eines westlichen Verhaltens oder eine westliche Lebensführung als wesentlicher Bestandteil ihrer Identität angenommen werden kann. Zu dieser Frage liegt soweit ersichtlich noch keine Judikatur vor."

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

7 Im gegenständlichen Fall sieht die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das BVwG die Rechtsansicht vertreten habe, die elfjährige Viertrevisionswerberin könne aufgrund ihres jugendlichen Alters noch gar kein (identitätsstiftendes) "westliches Verhalten" verinnerlicht haben, das einen Asylanspruch wegen "westlicher Orientierung" rechtfertigen könnte.

8 Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Rechtsauffassung des BVwG in ihrer Allgemeinheit zutreffend ist. Weder im Verwaltungsnoch im gerichtlichen Beschwerdeverfahren wurde von den revisionswerbenden Parteien nämlich ein Vorbringen erstattet, das eine Prüfung der "westlichen Orientierung" der Viertrevisionswerberin überhaupt indiziert hätte. Selbst in der Revision wird nicht aufgezeigt, welche (verinnerlichten) Verhaltensweisen der Viertrevisionswerberin eine asylrelevante Verfolgung ihrer Person bei Rückkehr nach Afghanistan zur Folge haben könnten.

9 In der Revision werden somit keine relevanten Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180530.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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