TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/17 Ra 2019/09/0019

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Veröffentlicht am 17.01.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68 Abs1
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/09/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision 1. des A B in C, und

2. der D s.r.o. in Bratislava, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. November 2018, LVwG 30.9-2913/2017-13, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der X s.r.o. der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 6.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils sechs Tagen) verhängt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 4 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0141, mwN).

6 Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung im Revisionsfall im Ergebnis nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff). 7 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.

8 Soweit die Revision im Zusammenhang mit dem Glückspielmonopol und dem Kohärenzgebot vorbringt, beantragte Beweise seien nicht aufgenommen und Vorbringen nicht berücksichtigt worden, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan (vgl. VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0202, 0203).

9 Weiters bringt die Revision vor, das LVwG habe seine Feststellungen zur Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols auf Urkunden gestützt, welche keinen Eingang in das Verfahren gefunden hätten. Bei der Frage, ob ausreichende Beweisergebnisse für getroffene Feststellungen vorhanden waren, handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt in diesem Zusammenhang lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/09/0188, mwN). Dies wird hier jedoch nicht aufgezeigt. 10 Mit dem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018, Ra 2017/17/0052, bezüglich (unzulässiger) Werbepraktiken ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen und entsprechende Feststellungen zu treffen gehabt hätte, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0175).

11 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

12 Die Revision erweist sich jedoch im Hinblick auf das in der Zulässigkeitsbegründung ausgeführte Vorbringen zur Strafbemessung als zulässig. Sie ist im Umfang der Überprüfung des Strafausspruches im Ergebnis auch berechtigt:

13 § 52 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 118/2016, lautet (auszugsweise):

"Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;

...

(2) Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten

oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.

..."

14 Die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG orientiert sich nach dem Willen des Gesetzgebers (siehe dazu ErläutRV 24 BlgNR 24. GP, 23) an der Staffelung der Mindest- und Höchststrafen in § 28 Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) (vgl. etwa auch VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0033). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, kann von einer "Wiederholung" im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein "Wiederholungsfall" im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt. Der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene

zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem ersten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung in diesem Fall doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0204, mwN). Maßgeblich sind Vortaten, die im Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig waren (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0005, 0006). 15 Im behördlichen Straferkenntnis begründete die Behörde die - offenkundige - Heranziehung des zweiten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG damit, dass "es sich um eine Wiederholung iSd § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG handle". Das Verwaltungsgericht übernimmt diese Strafbemessung. Welche Vortat das Verwaltungsgericht insofern als strafsatzbestimmend gewertet hat, ist dem angefochtenen Erkenntnis allerdings nicht zu entnehmen. Feststellungen zu etwaigen Vorstrafen finden sich weder im angefochtenen Erkenntnis noch im behördlichen Straferkenntnis. Wenn das LVwG in diesem Zusammenhang lediglich ausführt, als erschwerend sei eine einschlägige Vorstrafe, als mildernd nicht zu werten, sodass in Anbetracht der vorliegenden objektiven und subjektiven Strafzumessungsgründe die Geldstrafen sich noch immer im untersten Bereich bewegten, legt es damit nicht offen, welcher Strafrahmen herangezogen wurde, ob die "einschlägige Vorstrafe" überhaupt einschlägig war und ob sie nicht allenfalls auch doppelt (für die Anwendung des Strafrahmens und als erschwerend) verwertet wurde.

16 Da im angefochtenen Erkenntnis weder die "einschlägigen Vorstrafen" näher dargestellt noch eine Begründung für die Heranziehung des zweiten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG enthalten ist, liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. zu den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0031, mwN). 17 Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich damit einer Überprüfbarkeit durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit und war daher im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. erneut VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0005, 0006; mwN).

18 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Jänner 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Begründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090019.L00

Im RIS seit

24.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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