TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/21 Ra 2019/09/0092

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/09/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision 1. des A B in C,

2. der D s.r.o. in E, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. Februar 2019, LVwG 30.24-1102/2018-7, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitrevisionswerbenden Partei der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) iVm § 9 Abs. 1 und 7 VStG im Zeitraum von zumindest 30. Jänner 2017, 19:00 Uhr, bis zum 30. Jänner 2017, 20:25 Uhr, schuldig erkannt und es wurden über ihn

vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils 60.000 Euro sowie Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils vierzehn Tagen verhängt. Die zweitrevisionswerbende Partei wurde zur Haftung für die Geldstrafen sowie Verfahrenskosten verpflichtet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

3 Das Landesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0204, mwN).

7 Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung im Revisionsfall im Ergebnis nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff).

8 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.

9 Mit dem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht bezüglich (unzulässiger) Werbepraktiken ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen und entsprechende Feststellungen zu treffen gehabt hätte, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan.

10 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, so dass die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen war. 11 Die revisionswerbenden Parteien sind jedoch im Recht, wenn sie sich gegen die Anwendung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG wenden und meinen, dass das Landesverwaltungsgericht den dritten Strafrahmen dieser Sanktionsnorm heranzuziehen gehabt hätte, weil es tatsachen- und aktenwidrig sei, dass der Erstrevisionswerber im maßgebenden Zeitpunkt wegen einer Vortat iSd § 52 Abs. 2 dritter Strafrahmen rechtskräftig bestraft worden wäre. Die Revision ist in diesem Umfang auch begründet. 12 Die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG orientiert sich nach dem Willen des Gesetzgebers (siehe dazu ErläutRV 24 BlgNR 24. GP, 23) an der Staffelung der Mindest- und Höchststrafen in § 28 Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) (vgl. etwa auch VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0033). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, kann von einer "Wiederholung" im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein "Wiederholungsfall" im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt. Der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene vierte (und hinsichtlich der Strafhöhe strengste) Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. zu dem Ganzen VwGH 29.10.2019, Ra 2019/09/0030, 0031, mwN).

13 Dem angefochtenen Erkenntnis sind Feststellungen zu den den höheren Strafsatz begründenden Vortaten nicht zu entnehmen. In seinen Erwägungen zur Strafbemessung führt das Landesverwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe "aufgrund der Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen sowie aufgrund des Vorliegens eines Wiederholungsfalles" vom letzten Strafsatz der Bestimmung des § 52 Abs. 2 GSpG Gebrauch gemacht. Dem sei zuzustimmen, "zumal Übertretungen mit vier elektronischen Glücksspielgeräten zur Last gelegt wurden und im Akt auch die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen vom 19.03.2018, wonach 22 einschlägige Vorstrafen, die noch nicht getilgt sind, ausgewiesen sind."

14 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, kann die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG aber nur mit dem Vorliegen von solchen Vorstrafen nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG begründet werden, die im Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig waren (vgl. nochmals VwGH 29.10.2019, Ra 2019/09/0030, 0031).

15 Auch wenn das Landesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zwar feststellt, dass die von ihm herangezogenen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen noch nicht getilgt seien, verabsäumt es dabei jedoch, die "einschlägigen Vorstrafen" näher darzustellen und Feststellungen dazu zu treffen, ob die von ihm herangezogenen Vortaten im Tatzeitpunkt formell rechtskräftig waren.

16 Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich somit insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit und war daher im Umfang seines Strafausspruchs sowie hinsichtlich der Verfahrenskosten gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

17 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Jänner 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Begründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090092.L00

Im RIS seit

24.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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