TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/23 Ra 2019/15/0017

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

EStG 1988 §4 Abs1
EStG 1988 §4 Abs3
EStG 1988 §4 Abs4
KStG 1988 §12 Abs1 Z6
UStG 1994 §12 Abs1 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Graz-Umgebung in 8018 Graz, Adolf-Kolping-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 22. November 2018, Zl. RV/2101094/2017, betreffend

u. a. Körperschaftsteuer 2012 und 2014 (mitbeteiligte Partei:

C GmbH in H, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Körperschaftsteuer 2012 und 2014, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte ist eine im Bereich des technischen Projektmanagements tätige GmbH. Zu ihren Aufgaben zählt die Erstellung von Gutachten zu Mobilfunkstationen. Sie hat sich dabei auch Subauftragnehmer bedient, welche die von ihnen erbrachten Leistungen der Mitbeteiligten verrechnet haben.

2 Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde zu den von TB, einem der Subauftragnehmer, gelegten Rechnungen (2012 eine Rechnung über einen Betrag von 8.040,50 EUR und 2014 fünf Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 252.752,50 EUR, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer) festgestellt, dass im Prüfungszeitraum unter der angegebenen Firmenanschrift kein aufrechtes operatives Unternehmen aufscheine. TB habe keine selbständige oder gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Die angegebene UID-Nummer sei mit 16. März 2011 begrenzt und damit in den Streitjahren nicht mehr aufrecht gewesen.

3 Bei TB handle es sich um die Ehefrau des HB und die Stiefmutter des CB, der in den streitgegenständlichen Jahren Geschäftsführer der Mitbeteiligten und zu 50 % an dieser beteiligt gewesen sei. Das Ehepaar TB und HB sei zwischenzeitig nach Thailand unbekannten Aufenthaltes verzogen und habe zur Rechnungsausstellung, Leistungserbringung und Zahlungsverwendung nicht mehr befragt werden können.

4 Im weiteren verwaltungsbehördlichen Verfahren räumte die Mitbeteiligte ein, dass die von TB in Rechnung gestellten Gutachten tatsächlich von HB verfasst worden seien. 5 Das Finanzamt nahm die Verfahren betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für das Jahr 2012 wieder auf und erließ für das Jahr 2014 Erstbescheide.

6 In den neuen Umsatzsteuerbescheiden versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen der TB, weil sie nicht die Leistungserbringerin gewesen sei und dies der Mitbeteiligten auf Grund der familiären Nahebeziehung des Geschäftsführers zu dieser auch bekannt gewesen sei. Bei Ermittlung des Einkommens anerkannte das Finanzamt die von TB in Rechnung gestellten Beträge zur Gänze nicht. Es nahm aber als erwiesen an, dass tatsächlich 242 Gutachten von HB erstellt worden seien, deren Wert das Finanzamt - wie im Prüfungsbericht näher dargestellt - gemäß § 184 BAO schätzte und als Betriebsausgabe im Rahmen der geänderten Festsetzung der Körperschaftsteuer berücksichtigte. Die Differenz zwischen den von TB verrechneten Entgelten und dem geschätzten tatsächlichen Aufwand wurde als verdeckte Ausschüttung beurteilt und dafür Kapitalertragsteuer vorgeschrieben.

7 Die gegen die Sach- und Haftungsbescheide gerichtete Beschwerde wurde nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts aufgrund des Vorlageantrags der Mitbeteiligten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2012 und 2014 als unbegründet ab. Die Bescheide betreffend Körperschaft- und Kapitalertragsteuer der genannten Jahre wurden abgeändert. 9 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, die Mitbeteiligte habe es für ihren Auftraggeber übernommen, 987 Gutachten zu erstellen. Dafür sei ein Entgelt von 625 EUR pro Gutachten vereinbart und bezahlt worden. Die Gutachten seien zum überwiegenden Teil von Subunternehmern erstellt worden.

10 Die von TB in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sei nicht als Vorsteuer abzugsfähig, weil sie keine Leistungen erbracht habe. Sie sei nur zu "Abrechnungszwecken" zwischengeschaltet worden. Der tatsächliche Leistungserbringer HB habe keine Rechnungen ausgestellt. Das Recht auf Vorsteuerabzug entfalle, wenn der Unternehmer gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen und sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen stehe. Dies gelte auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betreffe. Da weder die Rechnungsausstellerin TB noch der tatsächlich leistende HB in den Streitjahren als operativ tätige Unternehmer steuerlich erfasst gewesen seien und weder Steuererklärungen abgegeben noch Umsatzsteuer entrichtet hätten, seien die strittigen Umsätze mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet. Aufgrund der privaten Nahebeziehung zwischen dem Geschäftsführer der Mitbeteiligten und dem leistenden HB habe die Mitbeteiligte vom Mehrwertsteuerbetrug gewusst.

11 Im Rahmen der mündlichen Verhandlung habe die Mitbeteiligte glaubhaft gemacht, dass HB nicht nur die vom Finanzamt geschätzten 242 Gutachten, sondern alle von TB in Rechnung gestellten Gutachten erstellt habe. Für diese Leistungen seien im Jahr 2012 unstrittig 8.040,50 EUR plus 20 % Umsatzsteuer und im Jahr 2014 252.752,50 EUR plus 20 % Umsatzsteuer auf ein Konto der TB überwiesen worden. Auf Grund der Angaben des HB sei davon auszugehen, dass ihm dieses Geld zugekommen sei. Damit seien aus diesem Titel Betriebsausgaben in voller Höhe zuzüglich der als Vorsteuer nicht abzugsfähigen Umsatzsteuer, somit 9.648,60 EUR (2012) und 303.303 EUR (2014) zu berücksichtigen. Da HB die Zahlungen auf Grund tatsächlicher Leistungserbringung erhalten habe, liege insofern auch keine verdeckte Ausschüttung vor. 12 Weiters erklärte das Bundesfinanzgericht die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig, weil im Revisionsfall lediglich die Beweiswürdigung strittig sei und damit keine Rechtsfrage verbunden wäre.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes insoweit, als die "auf Grund eines Betrugsszenarios aberkannten Vorsteuerbeträge" als Betriebsausgaben behandelt worden seien.

14 Das Bundesfinanzgericht legte die Akten vor. Die Mitbeteiligte erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Hinsichtlich der Zulässigkeit der Revision bringt das Finanzamt vor, im Revisionsfall gehe es um die (Rechts-)Frage, ob auf Grund eines Mehrwertsteuerbetruges aberkannte Vorsteuern Betriebsausgaben darstellen. Dabei handle es sich nicht nur um eine Frage der Beweiswürdigung.

17 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig.

18 In der Revision wird u.a. ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis sei nach Ansicht des Finanzamtes rechtwidrig, weil weder aus dem Gesetz noch aus der Judikatur hervorgehe, dass aufgrund eines Zusammenhanges mit einer Umsatzsteuerhinterziehung aberkannte Vorsteuern als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Um als Betriebsausgabe zu gelten, müssten die auf Grund der rechtlichen Nichtexistenz des rechnungsausstellenden Unternehmens aberkannten Vorsteuern als betrieblich veranlasst qualifiziert werden. Die Mitbeteiligte hätte aufgrund der familiären Nahebeziehung ihres Geschäftsführers wissen müssen, dass keine Umsatzsteuer entrichtet werde und habe die als Umsatzsteuer ausgewiesenen Beträge trotzdem bezahlt. Für diese Zahlungen, von denen die (Stief-)Eltern des Geschäftsführers (TB und HB) profitiert hätten, sei eine betriebliche Veranlassung nicht zu erkennen. Darüber hinaus gehe aus § 12 Abs. 1 Z 6 KStG 1988 hervor, dass bei den einzelnen Einkünften einer Körperschaft Umsatzsteuerbeträge, die auf nichtabzugsfähige Aufwendungen entfallen, nicht abgezogen werden dürfen.

19 Im Revisionsfall ist unbestritten, dass die von TB in Rechnung gestellten Leistungen von ihr nicht erbracht wurden und daher insoweit nichtabzugsfähige Aufwendungen vorliegen. 20 Das Bundesfinanzgericht ist in freier Beweiswürdigung weiters davon ausgegangen, dass die in Rechnung gestellten Leistungen tatsächlich von einer anderen Person erbracht worden seien. Die dafür von der Mitbeteiligten aufzuwendenden Fremdleistungshonorare schätzte das Bundesfinanzgericht in Höhe des von TB in Rechnung gestellten Gesamtentgelts einschließlich Umsatzsteuer.

21 Die Umsatzsteuer ist innerhalb der Unternehmerkette beim Betriebsvermögensvergleich kein Kostenfaktor und hat wirtschaftlich gesehen den Charakter eines durchlaufenden Postens (siehe zum Wahlrecht bei der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung § 4 Abs. 3 dritter Satz EStG 1988). Sie ist daher grundsätzlich erfolgsneutral. Dies wird durch den Ansatz entsprechender Forderungen und Verbindlichkeiten erreicht. Der Passivierung der Verbindlichkeit in Höhe des zivilrechtlichen Preises (inklusive Umsatzsteuer) steht aus Sicht des Leistungsempfängers die Forderung an das Finanzamt in Höhe der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer gegenüber.

22 Verweigert das Finanzamt - wie im gegenständlichen Fall - den Vorsteuerabzug, ändert dies grundsätzlich nichts daran, dass der Leistungsempfänger den auf die Umsatzsteuer entfallenden Betrag als Teil des für die Leistungen zivilrechtlich vereinbarten Entgelts schuldet und dem Aufwand die betriebliche Veranlassung nicht abgesprochen werden kann.

23 Auch der Umstand, dass der Leistende beabsichtigt, den auf die Umsatzsteuer entfallenden Betrag als Teil des vereinbarten zivilrechtlichen Entgelts zwar zu vereinnahmen, den an Umsatzsteuer geschuldeten Betrag jedoch nicht an das Finanzamt zu entrichten, ändert nichts an der zivilrechtlichen Verpflichtung des Leistungsempfängers, das Entgelt in der vollen vereinbarten Höhe zu zahlen.

24 Geht man allerdings mit dem Bundesfinanzgericht davon aus, die Mitbeteiligte habe davon gewusst, dass die Rechnungslegerin keine Leistung an sie erbracht hat und die ausgewiesene Umsatzsteuer weder von ihr noch dem tatsächlichen Leistungserbringer an das Finanzamt abgeführt werden soll, ist dem Finanzamt einzuräumen, dass sich bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation erhebliche Zweifel an der betrieblichen Veranlassung der Zahlung von "Umsatzsteuer" ergeben. 25 Hat der Leistungsempfänger von der beabsichtigten Steuerhinterziehung Kenntnis, erscheint es nicht einsichtig, dass er bereit sein sollte, das volle auch die Umsatzsteuer einschließende Entgelt zu bezahlen, wiewohl er zum einen das Risiko des Verlustes des Vorsteuerabzugs trägt und zum anderen um die infolge der angestrebten Steuerhinterziehung höhere Gewinnmarge seines Geschäftspartners weiß. Unter Berücksichtigung der vorliegenden familiären Nahebeziehung und der für die Mitbeteiligte offenbar keinen Vorteil bringenden Zwischenschaltung von TB in den Leistungsaustausch mit HB ist eine Schätzung der Fremdhonorare in jener Höhe, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen üblich wäre, nicht schlüssig. 26 Aus den dargelegten Gründen war das angefochtene Erkenntnis im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Körperschaftsteuer 2012 und 2014, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 23. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150017.L00

Im RIS seit

11.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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