TE Vwgh Beschluss 2020/1/23 Ra 2019/01/0140

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des R R, in K, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. April 2019, Zl. W266 2179405- 1/21E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurde in der Sache - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen

Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.

2 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 2019, Ra 2019/01/0140-2, wurde der Antrag des Revisionswerbers, ihm für die außerordentliche Revision gegen das angefochtene Erkenntnis die Verfahrenshilfe zu bewilligen, abgewiesen.

3 Gegen das genannte Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. September 2019, E 2380/2019-7, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

4 Gegen das angeführte Erkenntnis des BVwG richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen der Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 26.11.2019, Ra 2019/01/0442, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des BVwG wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht dargelegt.

9 Insofern die Revision vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob sich die innere Überzeugung einer Konversion bei Personen mit geringem Bildungsgrad und Analphabeten lediglich aus objektivem Wissen speisen könne oder sich diese auch durch die Teilnahme am christlichen Gemeindeleben ergeben könne, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung ankommt (vgl. für viele etwa 23.6.2015, Ra 2014/01/0117, mwN). Eine derartige Glaubensüberzeugung hat das BVwG im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten in einer nicht unvertretbaren Weise verneint.

10 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulassungsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis erzielt werden könne, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 18.10.2019, Ra 2019/01/0385 bis 0389, mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Zulassungsbegründung der Revision mit ihrem allgemeinen Vorbringen zur Gruppenverfolgung der Hazara und zu behaupteten Feststellungsmängeln zur tatsächlichen Situation von Konvertiten im Falle der Rückkehr nicht. 11 Zum Vorbringen, eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul sei dem Revisionswerber unter Berücksichtigung der aktuellen UNHCR-Richtlinien (zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018) nicht zumutbar, ist darauf hinzuweisen, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative, nicht aber - wie im gegenständlichen Fall - bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz zu prüfen ist (vgl. VwGH 5.11.2019, Ra 2018/01/0188, mwN). Im Übrigen haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bereits festgehalten, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative - fallbezogen in Mazar-e Sharif oder Herat - grundsätzlich zugemutet werden könne (vgl. VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243, Rn. 15, mit zahlreichen Hinweisen aus der Rechtsprechung).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

13 Der Anregung, beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Vorabentscheidungsverfahren zur Frage einzuleiten, ob es mit der (Verfahrens)Richtlinie 2013/32/EU vereinbar sei, dass die Anerkennungsquote der Mitgliedsstaaten betreffend Asylsuchende aus Afghanistan schwanke, war schon deshalb nicht näher zu treten, weil die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, je nach individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen hat (vgl. VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Wien, am 23. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010140.L00

Im RIS seit

27.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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